Teile diesen Beitrag "Diesen Unterschied zwischen Schmerz und Leid solltest Du kennen"
Es war einer dieser Samstagabende, an denen ich allein zuhause blieb, während die ganze Welt um mich herum ohne Erbarmen zu feiern, tanzen, lieben schien.
Seit einigen Monaten vebrachte ich die einsamen dunklen Stunden solcher Tage damit, mir einen Pinocchio zu schnitzen. Er sollte mein neuer Freund werden. Von mir geschaffen, für mich lebendig. Das Holz hatte ich, das Werkzeug auch, und der Rest würde sich schon noch ergeben.
Ich griff nach dem Holz. Da geschah es: ich zog mir einen Splitter ein im kleinen Finger meiner rechten Hand. Der Splitter steckte tief im Fleisch. Der Finger blutete.
Das war Schmerz.
Der Schmerz sagte mir: es ist Zeit zu handeln. Also zog ich den Splitter mit einer Pinzette vorsichtig heraus, Zentimeter für Zentimeter, Meter für Meter. Dann tat es immer noch weh, aber ich hatte getan, was möglich war, und die Wunde würde heilen.
Doch sie heilte nicht. Sie heilte nicht, weil ich immer wieder mit der Pinzette in der Wunde pulte. So riss die Wunde auf, eiterte, riss auf, eiterte. So wurde sie immer tiefer, bis ins Herz pulte ich. Ich ließ die Pinzette nicht los und die Heilung nicht zu.
Das war Leiden.
Während Schmerz wichtig ist, weil er uns handeln lässt und weiter bringt, ist Leiden sinnlos.
Schmerz hilft uns und will uns am Leben halten.
Leiden hilft niemandem und will nur sich selbst am Leben halten.
Das gilt nicht nur für unseren Körper, sondern auch für unseren Geist.
Auch seelisch erfahren wir Schmerz. Wir lernen monatelang und fallen dann durch die Prüfung. Ein Anderer lacht uns aus (etwa, weil wir Pinocchios schnitzen), und weist uns zurück. Oder ein geliebter Mensch scheidet aus unserem Leben.
Und auch seelisch will der Schmerz uns etwas sagen: kümmere Dich, schau nicht weg, verarbeite das Geschehene, lerne dazu, sieh die Dinge auf eine neue Weise, wachse. Wenn wir das tun, heilen wir und der Schmerz verschwindet.
Kümmern wir uns hingegen nicht oder nicht ausreichend oder auf die falsche Weise, dann wird aus dem sinnvollen Schmerz sinnloses Leiden. Dann pulen wir in unseren Erinnerungen und Gedanken. Spulen die Situation ein ums andere Mal im Kopf ab wie einen endlosen Film. Suchen nach Schuldigen. Oder halten uns die Augen zu, wollen nicht akzeptieren, was passiert ist. Wehren uns gegen den Schmerz. Und wehren uns dagegen, hier und jetzt weiterzuleben. Sind gefangen. Treten auf der Stelle. Und leiden, leiden, leiden.
Loslassen heißt: uns um den Schmerz kümmern, und dann die Pinzette beiseite legen. Oder gleich die ganze Idee vom eigenen Pinocchio loslassen … und stattdessen die Einsamkeit spüren und etwas tun, das uns in der Not mehr hilft als eine tote Holzpuppe.
Wie das mit dem Kümmern geht, kannst Du hier lesen: Wie man schmerzhafte Gefühle überlebt. Ein weiterer Weg aus dem Schlamassel kann dieser hier sein: Von Leid befreien mit einer einzigen Frage.
Photo: Jake Stimpson
Sehr schöner Artikel zum Thema Schmerz und Leid. Schmerz ist etwas, das es gilt zu fühlen. Der Schmerz will uns etwas sagen. Wenn wir einsam sind und uns das schmerzt dann geht es darum, die Einsamkeit zu fühlen und dann einen Freund anzurufen, weil uns soziale Kontakte wichtig sind.
Im Schmerz liegen also auch die Dinge, die uns wichtig sind. Schau in den Schmerz und Du findest heraus, was wichtig ist. Leiden hingegen versperrt diese Sicht. Sie beschäftigt sich nur mit sich selbst. Und ist zerstörerisch.
Danke noch mal für diese schönen Artikel.
Lg
Sandro
Die Unterscheidung zwischen Leid und Schmerz ermöglicht es und Klarheit in den meisten Situationen im Leben zu erlangen. Wenn man den Unterschied einmal verstanden hat, dann kann man sich viel Unnötiges ersparen.
Unterschied..nicht Leid, sondern leiden!
Wenn ich weiß, dass ich einsam bin, dann ok. Jetzt weiß ich’s. Was kann ich dagegen tun? Als aller erster bekomme ich Ratschläge „Geh doch unter Leute!“ Toll, super! Auf die Idee wäre ich ja selbst NIEEEE gekommen! Blöd nur, dass man heutzutage schief angeschaut wird, wenn man alleine irgendwo hin geht z. B. Weihnachtsmarkt oder Silvesterfeier in der Stadt. Welcher Idiot feiert denn schon alleine? Bei der Person muss ja was falsch laufen, machen wir besser einen riesen Bogen drumherum. In Folge steht man doof rum, sippt an seinem Getränk und geht dann wieder einsam nach Hause, nur noch mit dem blöden Gefühl, dass man diese Einsamkeit allen gezeigt hat und einen dafür alle bescheuert finden.
Ich erwähnte es bereits, leiden nicht das Leid.
Nun, Einsamkeit zerfrisst einen von innen.
Zitat:
In der Einsamkeit frisst sich der Einsame selbst auf, in der Vielsamkeit fressen ihn die Vielen. Nun wähle.
Hi Tina,
ich persönlich würde auch nicht gern allein auf einen Weihnachtsmarkt gehen – zumindest nicht, um Leute kennen zu lernen. In diesem Kontext würde ich vielleicht auch gar nicht so gern von einem Fremden angesprochen werden. Ich denke, das klappt viel besser, indem man sich Gruppen anschließt, die ein gemeinsames Interesse haben. Sportvereine. Volkshochschulgruppen. Vielleicht auch Selbsthilfegruppen für Menschen, die sich einsam fühlen.
Was macht Dir denn Spaß, bei welcher Gruppe könntest Du mal reinschnuppern?
LG Tim
Hi Tim, ist ja nicht so, dass ich nichts unversucht lasse. Ich habe teilweise schon schräge Sachen unternommen, um mal ganz anderen Menschen über den Weg zu laufen. Ich bin kein Vereinstyp, zumindest habe ich bei uns die Erfahrung gemacht, dass in den Vereinen entweder nur „Wir-Pärchen“, „Männer, die mal von ihrer Frau Ruhe haben wollen“ oder eben so ganz junge, für die das Ziel ist so viel wie möglich Alkohol zu trinken. Bei den ersten passe ich nicht dazu, ich werde teilweise von den weiblichen Parts schief angeschaut (mir wurde auch schon unterstellt, dass ich mich an den männlichen Part, mit einem simplen Hallo rangemacht hätte), die zweiten flirten zwar, aber nur um ihr eigenes Ego aufzupuschen, sind aber ganz sicher nicht an einer Freundschaft interessiert. Die dritten, tja, die können mir gestohlen bleiben.
Es ist eher der Fall, dass es in meinem Alter schon bestehende Gruppen gibt, da hat man kein Interesse jemand Neues kennenzulernen – zumindest mehr als oberflächlich – am Ende bleibt man bei so 2-3 Treffen pro Jahr, die eher zufällig entstehen. Wenn ich jemanden offen sage, dass ich einsam bin, dann bekomme ich Mitleid oder so gut gemeinte Sätze à la „mach doch was“, oder ich werde als nicht ganz richtig angesehen. Die Leute verdrücken sich dann immer mehr; ist dann Ende auch egal.
Aus Deinen Zeilen schwappt für mich eine ganze Menge Traurigkeit und Verzweiflung. Beides kenne ich von mir selbst, auch wenn’s eine Weile her ist.
Ich glaube ganz, ganz fest daran, dass es Gruppen gibt, die sich über Dich freuen würden, sehr sogar.
Der Punkt ist aber ein anderer: aktuell scheint es Dir sehr schwer zu fallen, das für möglich zu halten. Vielleicht siehst Du die Dinge insgesamt gerade etwas schwärzer, als es objektiv angemessen wäre. Und vielleicht ist das sogar schon eine ganze Weile so.
Das soll jetzt keine Provokation sein, sondern eigentlich etwas Mitfühlendes, auch wenn’s womöglich nicht so ankommt: hast Du schon mal darüber nachgedacht, Dir einen Therapeuten an die Seite zu holen, mit dem Du gemeinsam diese Herausforderung Einsamkeit meistern kannst?
LG Tim
Keine Angst, es kommt schon als mitfühlend an. Es ist jeden Dezember das Gleiche. Ich weiß was ich benötige bzw. benötigen würde. Kein Therapeut würde mir dabei helfen können. Das muss ich alleine schaffen, nur habe ich gerade jetzt nicht wirklich die Kraft dazu.
Hast Dus denn schon versucht mit einem Therapeuten? Der könnte Dir die Kraft geben bzw dabei helfen, Deine Kraft besser anzuzapfen.
Entweder ich bin zu blöd dazu oder deine Antwort ist nicht klar genug. Irgendwie antwortest du mir, aber auf eine Art und Weise wie Politiker den Medien antworten ohne eine Antwort zu geben. Nicht hilfreich!
„Wenn ich weiß, dass ich einsam bin, dann ok. Jetzt weiß ich’s.“
Verbitterung ist eine Reaktion auf eine Kränkung. Ich sehe mehr als Du dir auch nur annähernd vorstellen kannst.
Es ist bald vorbei – versprochen! 🙂
Klar, nach Regenwetter kommt auch mal Sonnenschein. Die Sprüche kenne ich zur Genüge. Ich würde nicht sagen, das sich verbittert bin, eher traurig.
Liebe Tina,
ich weiß sehr gut, was und wie du das meinst.
Ich sag´s mal ganz ehrlich, wir Mädels im sogenannten „reiferen“ Alter sind da in so eine Sackgasse geraten.
Da wir logischer Weise schon einiges im Leben erlebt haben, helfen uns die wirklich gut gemeinten und, wie du richtig sagst, doch irgend wie allgemeinen Ratschläge nicht weiter…. (bitte nicht böse sein, lieber Tim, du bist ein wunderbarer und weiser junger Mann, aber mir kommt gerade die Idee, dass das vielleicht auch was mit dem sogenannten Alter zu tun hat,in dem man zwangsläufig selbst schon auf alle möglichen Lösungen gekommen ist,oder kommen musste..)
Nur, hier geht es um ein schier unlösbares Problem, das man hier gar nicht wirklich abhandeln kann.
Frauen sowie auch Männer in reiferen Jahren sind in der Regel schon so geformt und geprägt, dass sie sich immer schlechter in allgemein übliches wie Vereine, Gruppen usw. integrieren lassen, wenn es nie wirklich ihre Intention war. Die, die immer schon Partygänger oder Rampensäue waren, haben es da mit Sicherheit leichter. Das hat nichts mit unflexibel zu tun, sondern einfach mit der lebenslangen Ausformung bestimmter Vorlieben, Charaktereigenschaften oder Erfahrungen.
Und, auch das höre ich in meinem Bekanntenkreis, hat man es eifach nicht wirklich gelernt, sich unbedarft so einfach „unter´s Volk“ zu mischen. Die Jungen haben es da mit ihren Discos, Treffs, dem ganzen urbanen Lebensgefühl doch um einiges einfacher.
Wenn mann dann noch ein klein wenig anspruchsvoll ist und vielleicht auch ein wenig Gewicht auf die Qualität der Unterhaltung legt, dann kann es ganz schlecht aussehen (bitte nicht falsch verstehen, ist absolut nicht elitär gemeint).
Tja, liebe Tina, was soll ich dir nun für einen Rat geben? Ehrlich, so viel fällt mir dazu nicht ein, denn ich gehe davon aus, dass du…arbeite an dir, mach es dir nicht so schwer…das kriegen andere doch auch hin…usw. immer wieder hörst. Nur hilft es nix.
Ich kenne dein Umfeld nicht, aber wenn du eine Freundin hast, wäre es natürlich einfacher, zum Essen zu gehen, irgendwelche Veranstaltungen rauszusuchen und sich einfach einen angenehmen Abend zu zweit zu machen. Da können die anderen Frauen ihre Männer dann auch im Blick behalten…
Bist du aber wirklich alleine mit sehr kleinem sozialn Umfeld, ist es schwierig.
Vielleicht wohnst du auch noch auf dem Land, dann wird´s kompliziert.
Also, liebe Tina, wenn dir wirklich die Decke auf den Kopf fällt, dann geh zu deinem Lieblins-Italiener oder Griechen und gönn dir was Feines, wenn du Glück hast, gibt es da sogar Live-Musik (hat bei mir funktioniert), danach bin ich in guter Stimmung – nein, nicht vom Ouzo- nach hause gegangen und hab den restichen Abend ganz gut überstanden.
Oder, bleib wirklich zu hause, sorg ein bisschen vor (gute DVD, Musik, geh deinen Hobbies nach, mach Beauty-Abend nur für dich usw.), nimm die Traurigkeit an, wenn sie kommt, denn du weißt aus Erfahrung, die geht auch wieder vorbei.
Und das Problem der Einsamkeit in Richtun Zweisamkeit würde ich dann lösen oder sogar einfach auf mich zu kommen lassen wenn die richtige Zeit dafür ist, ober eben auch per Zufall, wenn einem ein sympathischer Mann aus versehen in den Einkaufswagen fährt bis zur Suche im Internet ist alles drin.
Also, liebe Tina, es ist so wie es ist, aus vielen Erfahrungen gehen wir gestärkt hervor und du weißt heute nicht, was dich morgen schon Wundervolles erwartet.
Ich wünsche dir ein neues Jahr, in dem sich viele deiner Träume und Wünsche erfüllen.
Liebe Grüße
Petra
Hallo Petra,
danke für deinen lieben Brief (Kommentar find ich in diesem Fall eher flach). 🙂
Keine Ahnung an was es genau liegt. Ich habe Freunde. Wohne in keiner Stadt. Nach vielen Tränen und langen Gesprächen muss ich wohl akzeptieren, dass es für mich zur Zeit nicht geplant war das typische Weihnachten und Geburtstag zu feiern. Manche meiner „ältesten“ Freunde sind nicht mehr die Freunde, welche ich mir erhofft hätte. Ich muss mich wohl zwingen unter Leute zu gehen. …Zufallsbekanntschaften….:-/
Sehr bildlich geschrieben 😀
Danke! 🙂
Hi Tina, informiere dich mal über das Resonanzgesetz,wenn du möchtest.
Gleiches zieht Gleiches an.