Denk an eine große Last, die Du gerade schleppst. Wie schwer sie Deine Schultern, Deinen Rücken, Dein Gemüt nach unten drückt, bis knapp über den Boden, und wie Du unter dieser Last keuchst.
Vielleicht ist es ein Schuldgefühl, weil Du jemanden im Stich gelassen hast. Oder eine tiefe Trauer, weil jemand Dich im Stich gelassen hat. Oder ein pochender Schmerz, weil das Leben Dir nicht nur einen Stich, sondern einen heftigen Schlag verpasste, der so vieles z-e-r-t-r-ü-m-m-e-r-t hat.
Stell Dir nun vor, wie Du diese Last abstellst und ohne sie weitergehst.
Wie fühlt sich das an?
Du hättest sie schon abgestellt, hättest sie doch längst hinter Dir gelassen … gäbe es da nicht etwas, das Dich davon abhält: eine Angst.
Die Angst vorm Loslassen
Vielleicht ist es die Angst, nicht gut genug zu sein und verlassen zu werden, wenn Du Dich von Statussymbolen trennst.
Die Angst, dass Du einsam und verlassen sein wirst, für immer, wenn Du aufhörst, Deinen Partner oder Dein Kind zu kontrollieren, oder wenn Du Dich von einem Menschen trennst, der Dein Leben zur Hölle macht.
Die Angst, verletzt zu werden, wenn Du das Land der Einsamkeit verlässt, in dem Du Dich seit Jahren eingesperrt hast.
Die Angst, unter der Brücke zu verhungern, Dein Gesicht angefressen von Ratten, wenn Du Deinen Job aufgibst und Deinem Traum folgst.
Oder die Angst, etwas Wichtiges zu verpassen, wenn Du nicht mehr ständig Deine Mails checkst.
Es lohnt sich, dass wir diese Angst, diesen Grund aufspüren. Mit der Frage:
Was befürchtest Du, wenn Du loslässt?
Dass etwas Schlimmes passiert? Dass Du ein Ziel nicht mehr erreichen kannst? Dass die Sache dann endgültig vorbei ist?
Nimm Dir Zeit, erobere Dir Vertrauen
Die Angst zulassen, sie da sein lassen, sich mit ihr auseinander setzen, das braucht es, wenn wir sie überwinden wollen.
Manchmal sehen wir, dass uns noch etwas fehlt, bevor wir bereit sind – ein klärendes Gespräch; ein bisschen Zeit, um zu verdauen; eine Alternative zum Alten, einen Plan für das Neue. Und manchmal können wir einfach gar nichts weiter tun.
Wie auch immer Deine Antwort aussieht: Hinter ihr steht die Sehnsucht nach mehr Vertrauen. Ein Vertrauen, wie der tschechische Künstler und Politiker Vaclav Havel es beschreibt:
Vertrauen ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass es gut ist, egal wie es ausgeht.
Heißt: Nicht darauf zu vertrauen, dass unsere Erwartungen erfüllt werden, sondern darauf, dass wir damit umgehen können, wenn sie nicht erfüllt werden … dass wir auch die Erwartungen loslassen, so gut es eben geht.
Dieses Vertrauen kommt leider nur, indem wir uns trauen. Ein Vogelkind lernt nur fliegen, wenn es die Eltern aus dem Nest schupsen, aus was weiß ich wie vielen Metern Höhe. Erst dann breitet es die Flügel aus und sieht: Irre, ich sterbe nicht, der Wind trägt mich!
Die Rolle der Vogeleltern müssen wir für uns selbst übernehmen. Niemand wird kommen und uns das abnehmen. Wagen wir es jedoch, dann werden wir belohnt, immer. Mit einer unbeschreiblichen Freiheit.
Falls Du‘s Dir im Moment überhaupt nicht vorstellen kannst, dass Du das unbequeme, aber bekannte Nest verlässt … dann kannst Du Dein Vertrauen an anderen Stellen trainieren, mit kleineren Dingen, die Du loslässt; kannst Dich in Deinem Tempo ans Loslassen gewöhnen, in kleinen Schritten.
Was könntest Du heute loslassen?
Mehr dazu unter 4 Gründe, warum Du nicht loslassen kannst und im 6-Wochen-Kurs von myMONK zum Loslassen.
Photo: Budi Nusyirwan
Dein Beitrag trifft gerade eine meiner schmerzhaftesten Baustellen. Gerade wenn es mit menschlichen Enttäuschungen und mit missbrauchtem Vertrauen zu tun hat, finde ich es sehr schwierig umzusetzen und gefühlt fast aussichtslos. Zumindest so empfunden. In meinem Fall haben die Last, die ich schleppe, und die Kunst des Loslassens aber auch mehr mit Begriffen wie Vermissen, Trauer, Ohnmachtsgefühlen gegenüber der Situation und wie gesagt Enttäuschung zu tun; bei mir selbst weniger mit Angst. Mit Vermissen wohl am meisten. Und mir scheint, als sei ich auf der ständigen, mühseligen Suche nach dem großen „Wie“, falls ich es überhaupt je finden sollte. Selbst wenn ich mir mutig ein Fenster öffne, um nicht ohnmächtig zu sein, fällt dennoch der tränenerfüllte Blick auf die verschlossene Tür. Und das tut sehr weh. Was einen auf der einen Seite vielleicht irgendwann weiser und stärker werden lässt (s. Beitrag vom 12.10.), scheint auch verwundbarer zu machen. Jedenfalls Sensibelchen wie mich. 😉 Also alles gleichzeitig irgendwie. Ich versuche es mit dem Vertrauen darin, dass alles letztlich seinen Sinn haben wird. Klappt nur nicht immer. Lieben Dank für Deine Worte und die vielen Aha-Momente in Deinen Beiträgen!
Danke Tim
Seit einigen Wochen lese ich nun schon deinen Blog.
Deine Worte treiben mich regelrecht an, aus meiner
Komfortzone zu kommen und lange aufgeschobene Dinge
anzupacken und zu lösen.
Toller Blog zur Selbstfindung 🙂
Hallo Tim,
ganz lieben Dank für diese Impulse.
Ich gebe dir absolut Recht. Angst ist oftmals der größte Treiber neben Gewohnheiten und dem fehlenden Vertrauen.
Ich habe aber in der Tat noch eine kleine Ergänzung dazu, wie wir das Loslassen noch besser schaffen können.
Es macht einmal Sinn zu schauen, welche unserer 16 Lebensmotive werden gerade von der Person erfüllt oder befriedigt, die wir loslassen wollen. Oftmals bricht nämlich beim Loslassen (wenn es uns so schwer fällt) ein Stück unseres Lebens weg.
Wenn wir das wissen können wir schauen, wie wir uns diese Lebensmotive ganz gezielt anders erfüllen können.
So wird die Lücke kleiner und es ist etwas leichter.
Liebe Grüße
Dirk
(…) Oftmals bricht nämlich beim Loslassen (wenn es uns so schwer fällt) ein Stück unseres Lebens weg. (…)
Genau das ist es, so wahr!!
Lieben Gruß
Angie
aber da können wir wirklich aktiv gegensteuern, Angie…auch, wenn es schwer ist.
LG
Dirk
Hallo Dirk,
was für 16 Lebensmotive sind das? Wäre über einen Link zu weiteren Quellen dankbar.
VG Maja
Hallo Tim,
inspirierender Text und viel Wahrheit. Ich erkenne mich zwischen den Zeilen selbst. Arbeite aber schon fleißig am Loslassen und Angst überwinden. Deine Seite werde ich nun öfter besuchen 🙂
Hallo Tim,
ich lese deinen Block schon sehr sehr lange und möchte heute mal einen persönlichen Gedanken äußern… Alles was du schreibst, egal welches Thema, ergibt ein großes Ganzes mit dem ich mich absolut selbst identifizieren kannn. Es ist wie eine Essenz in der sich garantiert jeder Mensch finden kann.
Unter anderem denke ich schon lange über meine Lebensaufgabe und meinen Traum nach. Ich bin „erst“ 27 Jahre alt, aber je eher man seinen Herzenstraum findet, desto besser kann darauf hinsteuern, denn auch Träume brauchen Zeit um verwirklicht zu werden… Zumindest denke ich das. Das letzte Stück was mir jetzt noch fehlt ist der Mut.. sich aus dem bekannten System zu lösen, die Sicherheitsnetze loszulassen und die Angst zu überwinden. Vielen Dank, dass du mich auf diesem Weg immer begleitest! Ich freue mich auf jeden weiteren Beitrag..
Ganz liebe Grüße,
Dana
vielen, vielen dank für diese erinnerung!
🙂
…die Worte sitzen und treffen mich tief. Viele Dank, Tim
Klar ist es wichtig loszulassen, gehen zu lassen, aufzuhören hinterher zu rennen….. Schwierig, aber in meinen Augen mindestens genauso wichtig ist aber auch,die Tür offen zu lassen für eine Rückkehr oder zumndest die Tür nicht vor der Nase zuzuschlagen. „Nur“ aus Angst, aus dem Wunsch heraus schmerzhaftes Verhalten andrer auszuschließen….. Ganz liebe Grüße und offene Herzen wünscht Evelyn
[…] dazu unter Warum Du noch nicht loslassen kannst und im myMONK-Buch für mehr tiefes, echtes […]
Letztlich ist es das, was uns befreien kann, das Loslassen. Doch ist es aus meiner Sicht nicht immer ganz so leicht, einen Weg dort hin zu finden, der uns weiter bringt. Nur in ganz wenigen Fällen geht es nur darum, einfach auch zu tun, was wir mit Sicherheit nicht bereuen werden.
Habe ich eine fixe Ideen verfolgt und muss mir nun eingestehen, dass der Weg zu ändern ist? Dann kann ich mir einfach vorstellen, die Idee sei eine heiße Kartoffel in meiner Hand, die sich gerade in die Hand brennt. Dann öffne ich am besten die Hand so schnell es geht und lasse das fallen, gehe weiter und schaue nicht zurück.
In anderen Fällen spielt viel mehr mit und das Hauruck Herangehen ist Verdrängung, die schnell zurückschlägt. Mit Anstrengung in die eine oder andere Richtung kommen die Dinge ja doch wieder zurück. Hier geht es dann aus meiner Sicht um ein „alles ist möglich“. Und die gegensätzlichen Potentiale und Emotionen sind einfach da und träge. Sie wollen angenommen und verglichen werden, bevor wir uns tief innen entscheiden können. Es geht aber so um einen Prozess, der seine eigene Geschwindigkeit hat.
Oft leben wir einfach anerzogene Muster, die Opferdenken und Schuldgefühle erzeugen. Oder wir wagen es tatsächlich nicht, der Angst zu begegnen und einmal das schlimmst Mögliche durchzugehen. Oder unser Selbstwert und unsere Energie ist im Keller. Dann lässt der Sprung in das Vertrauen auch oft auf sich warten.
Bleibt nur, bewusster zu werden. Anerzogenes in Frage zu stellen und zuerst auf das eigene Wohlbefinden zu schauen.
LG Richard
[…] Die wenigsten Schwierigkeiten können wir mal eben so loslassen wie einen Tischtennisball: Hand öffnen und weg isser, für immer. Einiges braucht Zeit und Raum, will vielleicht erst noch mal richtig zugelassen werden, bevor es uns loslässt. […]
[…] Wenn Du Deine Sorgen dauerhaft in den Griff bekommen und befreiter leben möchtest, wird Dir das myMONK-Buch helfen: Wie man Sorgen, Stress und Selbstzweifel loslässt. […]
Was aber ist, wenn man selbst quasi losgelassen wurde? Einfach so abgeschoben. Und man nun als emotionaler Scherbenhaufen vor den Trümmern seines Lebensentwurfes steht? Wenn ich dies loslasse, was bleibt mir dann? Es geht weiter, ich weiß. Aber loslassen ist einfacher, wenn etwas zum Halt geben da ist. Ist mir grad zwischen Schutt und Scherben abhanden gekommen…
Sehr gut geschrieben. Sehr inspirierend. Aber oft schwer. Jeder hat seine Baustelle und hat diese auf unterschiedlichste Weise beginnen müssen. Ich erleb das gerade, suche Gespräche und finde nur Ausflüchte Anderer. Damit dann loslassen können ist dann noch schwerer. Also muss ich das Loslassen loslassen….