Teile diesen Beitrag "Streng Dich nicht so an – Eine kurze Geschichte"
Angestrengt ging ich durch die Tage und durch viele Nächte. Bemüht. Verkrampft. Manchmal (okay: oft) tue ich das noch immer. Mache mir Druck, will entweder leisten oder glaube, ich müsste es. Bin im Kopf, und der Kopf sagt: „Gib Gas, Mann, hau rein. Liefere, da geht noch was, da ist noch Luft.“ Dass ich diese Luft aber vielleicht lieber einfach atmen würde statt sie mit dem inneren Motor zu verbrennen, vergesse ich dann.
Aus Angst, dass es sonst nicht reicht. Aus Angst, dass ich sonst nicht reiche. Vielleicht auch aus mangelndem Vertrauen ins Leben.
Da gibt es eine Geschichte aus dem Taoismus. Und die geht so:
Im alten China lebten zwei Männer namens Yoyo und Zang. Beide waren Ziegenhirten.
Yoyo verbrachte seine Zeit am liebsten beim Zocken mit seinen Freunden. Oft spielte er auch, während er auf seine Ziegen aufpasste.
Zang hingegen war ein sehr ernsthafter Mann. Unbedingt wollte er alles lernen über Ziegen und das Hirtentum. Oft las und studierte er auch, während er auf seine Ziegen aufpasste.
Eines Tages, als Yoyo ganz in sein Spiel vertieft war, haute eine seiner Ziegen ab. Er fand sie tot. Am selben Tag war Zang so in seine Studien vertieft (schließlich wollte er ja unbedingt besser werden), dass eine seiner Ziegen ebenfalls verschwand. Auch er fand sie tot.
Zwei abgelenkte Männer, zwei tote Ziegen. Zwei verschiedene Wege, das Leben anzugehen, zwei gleiche Ergebnisse. Nur, dass der eine Mann seine Zeit deutlich entspannter verbrachte, wahrscheinlich auch viel mehr genoss.
Zuviel Verbissenheit und ist halt auch nicht gut. Und manche Dinge passieren einfach, nehmen ihren Lauf. Also können wir auch genauso gut etwas locker lassen.
Ich geh jetzt erst mal n bisschen Landwirtschafts-Simulator aufm iPad spielen. Aber ganz relaxed.
Mehr Geschichten aus dem Taoismus findest Du unter Sei wie der hässliche Baum und unter Du kannst nie wissen, wofür es gut ist. Siehe auch Warum unsere Gesellschaft so kaputt ist.
Photo: Laughlin Elkind
Hi Tim,
weiß nicht, ob Zocken so entspannend ist.
Frage mich auch: Sollte die Geschichte, die ja schließlich mit dem Tod von zwei Tieren endete, nicht vielleicht sagen, dass sowohl zu viel Ehrgeiz als auch auch zu viel Vergnügen nicht gut sind? Bei einem gesunden Mittelmaß wäre der Hirte in Bewegung und käme so öfters auch mal an seinen Tieren vorbei. In beiden Fällen hat er auf jeden Fall seine Verantwortung nicht erfüllt. Möglicherweise ist dies noch ein versteckter Hinweis: Kümmerst du dich zu sehr um dich selber (egal ob Vergnügen oder Bildung) , vergesse nie deine Verantwortung für andere Seelen. Möchtest du diese nicht tragen, dann ziehe die Konsequenzen und übertrage sie jemand anderem. Denn bist du zu egoistisch, leiden Unschuldige darunter.
Passt vielleicht nicht ganz zu deiner ursprünlichen Intention, ist jedoch das, was mit hier als erstes auffiel.
Lieben Gruß,
Yvonne
Hey Yvonne,
Danke für Deine Gedanken – Deine Interpretation ist bestimmt mindestens genauso richtig wie meine.
Kann gut sein, dass da an etwas erinnert werden soll, zu dem auch Buddha aufgerufen hat, die goldene Mitte: https://mymonk.de/der-mittlere-pfad-eine-kurze-buddha-geschichte/
Oder aber es geht ums Hier und Jetzt und das, was da eigentlich gerade wichtig ist.
Für mich persönlich liegt der Schwerpunkt auf der Gefahr der Überanstrengung, weil das eher so mein Problem ist.
Liebe Grüße und einen guten Wochenstart,
Tim
Sehr schön. Das wir uns mit unserer Verbissenheit selbst im Wege stehen begreifen wir meist nicht.
Dabei ist das leben wesentlich leichter und alles kommt zu seiner Zeit ohnehin.
Hi Artur,
das ist eine sehr entspannende Sicht. Ich denke, dass es hier und da schon ein Maß an Überwindung braucht (zum Sport etwa oder für neue Gewohnheiten insgesamt) – die dann aber stimmig sein sollte und sich nicht anfühlt, als würde man sich selbst vergewaltigen.
LG Tim
Da ist was dran, mit dem Anstrengen. Oder besser mit dem „einfach ganz da sein“. Ich glaube es ist tatsächlich der Fluss des Lebens gemeint, dem man sich hellwach aber ohne große Kraft und ohne viel Anspannung hingibt. So erfahren wir dann oft, wie alles mit Leichtigkeit einen guten Weg nimmt. Oder anders gesagt, mit Anstrengung agieren wir in der Polarität, in der sich dann auch Gegenkräfte aufbauen, die dann auch irgendwann zurückkommen.
Hey Richard,
Du siehst das also unkritisch, dass auch die Ziege des Zockers tot ist?
LG Tim
Na ja, die beiden waren nicht ganz „da“. Sie waren bei ihrem Wollen, was ja eine Art Anstrengen ist. Und wenn es nur Vergnügen, Wissen oder Ablenkung war, auf das sie den Fokus hatten. Sonst hätten sie vielleicht sogar etwas Unruhe gespürt in einem entspannten Zustand, als die Ziegen abhauten. Auch wenn sie mal nicht die Augen bei ihrer Aufgabe hatten.
Maaah…wahnsinn…ich finde mich in dieser Geschichte…Eine gewusse Zeit war auch ich so…während mein Mann Wettbürosüchtig war…Habe ich zu sehr Ehrgeiz gehabt und wollte alles Mögliche schaffen…Arbeit wegen Geld..ev.zusätzlich Studium wegen besserer finanzieller Zukunft und wegen Anerkennug dass man halt ein „wer“ ist(so dumm sage ich heute nur dazu…)..singen zum entspannen(das war schon schön)…Musikalische Ausbildung auf die ich mich nicht konzentrieren könnte..“Nebenbei „die Tochter fördern in Musik und Sport was auch sehr oft zum hinfahren war in der Woche in eine andere Stadt…Er war sowieso selten daheim(…irgendwo spielen ums Geld war interessanter für ihn)…Essen und schlafen nur zusammen..Mein Sohn war klein und viel bei meiner Mama(da ging es ihm aber eh gut)und deswegen traute ich mich was zu ausprobieren für mich und dachte dadurch kriegen wir bessere Zukunft meine Kinder und ich…wenn ich ein“wer“ werde und uns finanziell absichere mit gute Ausbildungen aus denen wir mal ernten…Aber mir ging es eh nicht gut dabei…so tief im Herzen..hatte oft Migräne..Ich glaube ich suchte Beschäftigung ausserdem um das Gefühl von nicht geliebt zu sein zu dämpfen…Und wenn ich daheim war dann Mama zu 100%.Das von Herzen von ganzen Herzen….Heute weiß ich das mit Studium war nich gut zu der Zeit…hätte das wenn überhaupt später angehen sollen.Jetzt wäre ich nur mit den Kindern in der Freizeit…das weiß ich…
Hey Tatjana,
wow, Dein Bericht über Dich und Deinen Mann spiegelt diese Geschichte oben ja auf sehr interessante Weise wieder. Einer, der (zu viel) zockt und eine, die sich vielleicht zu viel Dampf gemacht hat.
Liebe Grüße
Tim
Dafür bin ich jetzt“NUR“Mama:)
LG
Finde die Geschichte sehr lehrreich…Interessant.Wie auch das eine sowie das andere negativ sein kann…
Hahaha richtig gut. Ich musste schmunzeln. Damit war es das Lesen schon wert. Ich habe auch manchmal das Gefühl und schaue mich um und denke: Ich mache A, B und C, damit ich in X, Y und Z besser bin als die anderen. Und während ich an mir arbeite und mich stresse haben die anderen eine gute Zeit und kriegen oft sogar noch bessere Ergebnisse.
Ich bin zwar der letzte der Arbeit an sich selbst jemals aufgeben würde, aber man sollte das Vergnügen nicht zu kurz kommen lassen. Sonst ist es wie ein alter Mann, der reich ist, weil er sein ganzes Leben lang nichts ausgegeben hat. Aber dann ist es zu spät.
Grüße aus Hambug
Dennis
Hey dennis,
Danke für Deinen Kommentar und für Deine Offenheit. Dieses Besser-als-andere-sein wollen ist noch anstrengender (und sinnloser, weil man es nicht in der Hand hat, was die anderen tun) als das Immer-besser-sein wollen, wie es der studierende Hirte zeigt. Ich kenne das leider auch von mir.
Liebe Grüße, Tim
Kenne ich auch von mir. Früher war ich auch so unbewusst unterwegs, es hatte einen verkrampften Beigeschmack. Mit den Gedanken überall, alles Hauptsache schnell und schneller…
Möchte Euch dazu meine eigene, persönliche „Wollknäuelmetapher“ senden 🙂
Vor einigen Wochen spazierte ich bei einem Geschäft vorbei, das wunderschöne Strick- und Häkelwolle verkauft. So ein richtig kleines, gemütliches Geschäft zum stöbern.
Als Kind habe ich gestrickt, also warum nicht jetzt als Erwachsene? Also 2 Stricknadeln gekauft, Wolle dazu-fertig!
Zu Hause angekommen sass ich da und wusste nicht, wie anfangen. Wie es heute eben so ist… YouTube aufgedreht, Anleitung zum Stricken angesehen (übrigens gibts da wirklich nette Videos dazu)-dann legte ich los.
Meine Hände erinnerten sich an dieses Handarbeiten einfacher als ich dachte und so strickte ich wie eine Wilde 😉 bis spät in die Nacht.
Da verhedderte sich das Wollknäuel, es war nur mehr ein Knäuel ohne Anfang und Ende, die Wolle war komplett verfilzt und nicht mehr zu lösen. Ich konnte nicht mehr weitermachen.
Ich ertappte mich bei dem Gedanken, einfach eine Schere zu nehmen und irgendwo reinzuschneiden, egal ob der Rest der Wolle dann nicht mehr verwendbar ist. Dann hielt ich inne und musste schmunzeln.
Früher habe ich alles unter Druck „das muss doch gehen“ gemacht und ich entschied, es diesmal anders zu machen. Nämlich entspannt, mit Ruhe und Geduld.
Ich sass als da, atmete tief durch und löste ganz langsam den einen noch verbliebenen losen Faden und dann ganz langsam und mit Ruhe löste ich das gesamte verfilzte Knäuel auf.
Die Wollknäuelmetapher war geboren 🙂
Den Schal, der daraus entstanden ist, trage ich gerne. Und die Stricknadeln liegen sichtbar in meiner Wohnung, als Erinnerung, wenn ich wieder mal in den unbewussten Modus rutsche.
Liebe Grüße
Ich finde den Text super.
Ich habe ein Studium nebenberuflich absolviert was sehr viel Lebenszeit genommen hat.
Ich wollte umbedingt wissen wie es ist eine Studentin zu sein. Ehrlich gesagt ist es zwar schön das ich nun einen Abschluss habe aber studieren ist für mich nicht gerade eine Bereicherung gewesen.
Wenn nun jemand sagt er ist Student oder hat was studiert dann schaue ich nicht mehr auf diesen Menschen auf.
Ich habe 4,5 Jahre Lebenszeit verpasst in der ich lieber mit Freunde Spaß gehabt hätte oder das Studiengeld in Urlaube investiert.
Hey Jenny,
Du kannst ja nicht sicher wissen, ob der Abschluss Dir nicht irgendwann eine Tür öffnet, die sonst verschlossen bliebe.
Liebe Grüße
Tim
Liebe Wien und Jeany:) ich finde eure Geschichten schön:)….Alles verfilzte schön langsam wieder gut gemacht:)…Und zu studierte nicht mehr so „rauf“ schauen…dazu tendiere ich leider immer noch dass ich mir denke „wow die/der hat aber viel im köpfchen“…Muss aber eh nicht sein…Meine ehemalige Arbeitskollegin eine Friseurin z.B.ist eine sehr kluge..ohne super Universitätsabschluss…Aber Herr oder Frau Mag.oder Dr.der klug und menschlich ist….ist doch was tolles:)
Hi Tim
ich finde Eure Beiträge echt gut …
MFG Nono