Lass uns den Tag nicht einfach wegwerfen oder verstreichen lassen, wie’s bei mir noch zu oft ist.
Lass ihn uns greifen – und zwar nicht, als wär’s der letzte, sondern vielleicht so, als wär‘s der erste.
Das hat nämlich den Vorteil, dass es uns nicht so stresst und mehr Platz macht für die kleinen und mittelgroßen und vielleicht sogar großen Wunder, die’s so gibt und die wir meistens für selbstverständlich nehmen. Und uns gleichzeitig auch die lange Frist nicht ganz aus den Augen verlieren lässt.
Denn: Wenn heute mein letzter Tag wäre würde ich vielleicht ungeschützt mit zehn Frauen Liebe machen, falls ich die irgendwie dafür gewinnen könnte, und ich würde sechs Kilo Pommes Essen, wahrscheinlich währenddessen und hinterher würde ich mir Sprühdosen besorgen und in riesig großen Buchstaben was mit Message an den Reichstag sprühen, so was wie „129 % der Menschen übertreiben’s völlig“ sprühen und danach einen Helikopter mieten und alle Menschen besuchen, die mir wichtig sind.
Nur hätte ich dann immer noch nicht das Gefühl, genug für den letzten Tag getan zu haben. Und am nächsten Tag hätte ich Bauchschmerzen, eine Geschlechtskrankheit, eventuell Beziehungsprobleme und ene sehr teure Heli-Rechnung plus die Justiz an der Backe.
Stell Dir vor, Dein Leben wäre ein Garten …
… manche Pflanzen blühen schon, wollen geerntet werden, andere sind kurz davor, wieder andere sind erst noch Samen und brauchen Zeit, wieder andere müssen erst noch gepflanzt werden. Wenn es heute mein letzter Tag wäre, dann ich einfach alles aufessen und sogar noch die Samen aus der Erde buddeln. Ich würde mir wohl auch nicht die Mühe machen, etwas Neues anzupflanzen.
Die Vorstellung, so zu leben, als wär’s unser erster Tag, macht da was anderes mit mir. Und mit dem ersten Tag ist nicht gemeint, dass wir uns nackt ausziehen und wie ein Neugeborenes auf dem Rücken liegen und strampeln und Milch auf unsere haarigen Körper sabbern.
Um beim Gartenbeispiel zu bleiben: Wenn heute mein erster Tag wäre, wäre ich bestimmt total begeistert über das, was da gerade schon blüht, und das, was verwelkt würde mich auch interessieren, aber nicht fertig machen, und ich würde wenigstens einen Teil meiner Zeit dafür einsetzen, mir zu überlegen, was ich mit den freien Flächen machen soll, was ich anbauen will, was in Zukunft mal blühen soll.
Ich würde mir ein paar Samen raussuchen und ein bisschen gießen und mich auch schmutzig machen, was soll’s, und dann würde ich auf alle Fälle auch eine Pause machen, mir einen reifen Apfel schnappen, mich hinsetzen, meinen Blick schweifen lassen über den ganzen Garten und mich an dem Anblick erfreuen und auch daran, was ich schon geschafft habe.
In einem TED Talk sagt die Autorin und Krankenschwester Leanne Delle:
„Lebe jeden Tag, als wäre es Dein erster. Wenn wir jeden Tag voller Wundern und Wertschätzung leben, während wir einen sanften Sinn für Freude entdecken, ich glaube, dann würde sich die Motivation für unsere wahrste und tiefste Leidenschaft viel wahrscheinlicher zeigen. Ich glaube, wir können mit der täglichen Routine klarkommen und unsere Verantwortlichkeiten, während wir unseren Leidenschaften nachgehen. Es muss nicht alles oder nichts sein.“
Welche eine Sache könntest Du heut tun, die heute zu einem besonderen Tag für Dich macht?
Dieser Text ist ein Auszug vom myMONK-Podcast. Die ganze Folge kannst Du hier hören:
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Photo (oben): Stock Photos von Nadino/ Shutterstock
Wunderschöner Text. Ich habe immer auf Kriegsfuß gestanden mit der „üblichen“ Version, aber dann „einfach“ daraus das hier zu machen – das ist wirklich sehr klug. Ich danke dir.
Melanie