Stell Dir vor: Du willst einem Menschen, den Du magst, eine Freude machen, machst Dir Gedanken, machst Dich auf in den Laden und findest ein tolles Geschenk. Verpackst es liebevoll, Schleifchen und so weiter, und dann überreichst Du es, freust Dich auf seine / ihre Freude und er / sie:
„Nee, lass mal. Kannst Du behalten.“
Du stehst da mit offenem Mund und weißt gar nicht, was Du sagen sollst, bist irgendwie vor den Kopf gestoßen und verwirrt und traurig.
Nichts anderes tun wir täglich anderen an mit ihren wertschätzenden Worten, die man uns schenken möchte.
In „The Assertiveness Workbook“ schreibt der Psychologe Dr. Randy Paterson davon, wie und warum wir Komplimente zurückweisen. Hier ein paar Dinge, die ich gelernt habe.
Wie wir Komplimente zurückweisen
Die meisten Komplimente erreichen uns gar nicht. Als hätte der Nette den Liebesbrief direkt in die Mülltonne geworfen. Studien zufolge trifft das auf über zwei von drei Komplimenten zu.
So reagieren wir auf:
„Du siehst heute echt gut aus!“
zum Beispiel so:
- Ignorieren: „Äh … Dein Schuh ist offen!“
- Verleugnen: „Ja, stimmt, ich sehe heut echt Scheiße aus.“
- Bestreiten: „Nein, eigentlich nicht, vor 20 Jahren sah ich vielleicht mal gut aus.“
- Selbstbeleidigung: „Das verdeckt nur meinen hässlichen Charakter.“
- Infrage stellen: „Alter, Du musst ja im Schabrackenland leben, wenn Du DAS schön findet.“
- Einschränken: „Na ja, mit diesem Hut sieht jeder gut aus.“
- Zurückgefeuern: „Wow, Du siehst umweeeeerfend aus!“
- Versichern: „Meinst Du wirklich? Ich fühle mich irgendwie fett heute und mein Damenbart hatte auch schon mal mehr Volumen und Glanz.“
- Entwerten: „Nein, schau nur die da drüben an, das ist eine 10, ich bin höchstens Mittelmaß. Und ohne Make-Up will man neben mir auch nicht aufwachen.“
- Umleiten: „Ja, mein Damenbart-Friseur hat ganze Arbeit geleistet.“
Traurig. Aber kein Zufall.
Warum wir Komplimente zurückweisen
Wir tun uns schwer damit, ein Kompliment zu akzeptieren. Eher laufen wir Wände hoch, springen aus dem achten Stock oder essen uns selbst auf, als einfach nur dazustehen, dem anderen in die Augen zu schauen und das Geschenk anzunehmen.
Paterson nennt dafür folgende Gründe:
- Angst, arrogant zu wirken. Und deshalb nicht mehr gemocht zu werden.
- Geringes Selbstwertgefühl. Wenn wir einfach nicht glauben können, dass es ernst gemeint ist, weil wir uns mit einer negativen Brille sehen. Als hätten wir keine guten Seiten, oder als hätten wir es nicht verdient, sie ein bisschen zu würdigen. Eine andere Variante: wir fürchten, aufzufliegen – dass die nackte, warzige Wahrheit über uns rauskommt und wir doppelt verlieren.
- Niemandem etwas schulden wollen. Ist tief im Menschen verwurzelt: der Drang, die Dinge im Gleichgewicht zu halten (Reziprozität). Deshalb werten wir das Geschenk ab als wär‘s nur ein Werbekuli vom örtlichen Bestatter oder feuern sofort ein Gegenlob zurück, wollen die Schuld bar und ohne Zinsen begleichen.
- Motive anzweifeln. Der will nur irgendwen vögeln, dafür würde er doch sogar einer Diskuswerferin im Minirock was vom Pferd erzählen (Anmerkung: oh man, Damenbärte, Diskuswerferinnen … irgendwas läuft hier aus dem Ruder). Oder: Sie will mich nur in Sicherheit wiegen und mir dann ein Messer in den Rücken rammen.
- Noch besser wirken wollen. Der Andere soll denken: ach, die ist ja nicht nur schön, sondern auch noch soo bescheiden. Und wenn die an einem schlechten Tag schon so aussieht, was für eine Göttin ist das bitte an einem guten?
Warum wir mehr Komplimente ins offene Herz lassen sollten
Gibt demnach reichlich Ursachen, dass wir Komplimente zurückweisen.
Warum wir es trotzdem häufiger tun sollten?
- Weil wir dem Gebenden sonst abwerten. Signalisieren: Deine Meinung ist nicht wichtig, Dein Geschmack das Letzte.
- Weil der Gebende sich sonst schlecht fühlt. Frustriert, traurig, nicht gesehen, dumm vielleicht.
- Weil wir unser Selbstbewusstsein untergraben, wenn wir Komplimente zurückweisen. Das wirkt nach innen („Ich bin‘s nicht wert“) und nach außen („Der scheint ja nicht viel von sich zu halten“).
- Weil Bumerang-Komplimente oft nicht ehrlich gemeint sind. Das merkt das Gegenüber, was eine authentische Beziehung erschwert.
- Weil wir uns sonst selbst um gute Gefühle betrügen.
- Weil die Wertschätzung anderer uns heilen kann, sofern wie sie wirklich in unser Herz lassen. Wir Menschen sind nun mal soziale Wesen und brauchen Streicheleinheiten.
- Weil uns auch Komplimente verteilen mehr Spaß macht, wenn wir wissen, wie gut sie tun können. Und weil Geben gut ist und wir es eher häufiger als seltener tun sollten.
Wie man ein Kompliment mit Stil annimmt
Stil braucht weder Freudentänze noch lange Erklärungen.
Stil braucht nicht mehr als:
„Danke!“
Was auch immer wir über uns selbst denken, ob wir stolz sind oder uns schämen … die Worte des Anderen dürfen gelten und geschätzt werden. Unsere Gefühle dabei sind unser Problem, nicht das des Gegenübers.
Wenn die Situation es hergibt, wenn wir es aufrichtig so empfinden, können wir das „Danke!“ noch ergänzen um etwas wie:
- „Freut mich, dass es Dir gefällt.“
- „Ich freue mich sehr, dass ich helfen konnte.“
- „Es hilft mir, dass Du das sagst.“
- „Das bedeutet mir wirklich viel.“
- „Du warst auch ziemlich gut heut Nacht, ich wusste nicht, dass Du den Diskus so schleudern kannst.“
Zum Abschluss was zum Üben von mir für Dich:
Schön, dass es Dich gibt – Du bist großartig und Du bist wichtig.
(Antworte gern in den Kommentaren darauf wenn Du es annehmen willst.)
P.S.: Wie wir mir Komplimenten umgehen, hat eben viel mit unserem Selbstwertgefühl zu tun. Wenn Du davon mehr möchtest, wird Dir das myMONK-Buch helfen: Selbstwertgefühl – Wie es entsteht und wie Du es stärken kannst.
Photo: martin.mutch | Inspiriert von: Art of Manliness
Danke, das freut mich grade sehr! 🙂
LG
Sabine
So sollte es sein! 🙂
Ein schöner Artikel, Tim.
Komplimente locker leicht annehmen zu können ist ein guter Indikator für ein gesundes Selbstwertgefühl. Und von diesem Selbstwertgefühl darf man dann auch gerne etwas an die anderen geben, indem man Komplimente ehrlich und mit einem Lächeln annimmt. Denn auch der, der das Kompliment verteilt, wird sich damit den Tag versüßen können.
So haben dann tatsächlich alle Seiten etwas davon. 🙂
Wie verhält sich das eigentlich mit Komplimenten, die tatsächlich einen Hintergedanken beinhalten? Zum Beispiel dem Chef schmeicheln, weil man auf eine Gehaltserhöhung aus ist oder so etwas in der Art?
Hey Marco,
Dankeschön.
Zu Deiner Frage: Ansprechen finde ich da schwierig, wir können nie wirklich wissen, welches Motiv der andere hat, also sollten wir ihm nichts unterstellen (das bloße Nachfragen ist im Grunde ja schon eine Unterstellung). Die Reaktion, zumindest nach außen, kann aber dieselbe sein, denke ich:
„Danke“.
Was meinst Du?
Hey Tim,
von Ansprechen habe ich ja zum Glück nichts geschrieben, würde ich auch niemals tun. Mir ging es um die Reaktion, die du ja schon gut beschrieben hast. Nicht anders, als sonst auch: „Danke“.
Da bin ich mit dir einer Meinung.
Was ich meinte, bezieht sich daher mehr auf das Thema „Komplimente verteilen“, statt „Komplimente annehmen“. Vielleicht kannst du darüber ja auch mal was schreiben. Oder ich mache das auch mal auf unserem Blog. 🙂
Herzlichen Dank für deine Wertschätzung, Tim!
Deine Worte berühren mich wieder einmal sehr!
Viele liebe Grüße aus dem Weinviertel, Esther
Danke liebe Esther, das freut mich natürlich! Weinviertel klingt gut. Auf jeden Fall besser als zum Beispiel Bankenviertel.
Viele liebe Grüße zurück, Tim
Ich meine, das ist viel weniger kompliziert, als wir es uns zuweilen machen. Worte können helfen, das klarer zu vermitteln, was wir empfinden. Sie sind aber nicht zwingend notwendig dafür, bzw. reicht auch mal ein Blick, eine Geste oder ein einzelnes Wort und ein Lächeln. Und auch hinter einer verlegenen Reaktion können wir noch erahnen, dass es gut tut. Wir müssen nicht zwingend mit Worten antworten. Mehr als Worte zählt für mich spürbare Ehrlichkeit und das Gemeinsame, das nun gerade bewusst ist. Zuweilen ist es mit all zu schnellem Lob wie mit Smalltalks. Es kann oberflächlich wirken. Zuweilen tun wir es hauptsächlich aus der Empfindung heraus, dass es jemand haben will.
Hi Richard,
ich wollte erst antworten: Schau mal, Du bist auf das Kompliment an Dich ja gar nicht eingegangen!
Dann hab ich den Part in Deinem Kommentar gelesen vom Moment des Gemeinsamen.
Danke für Deine Zeit hier und Deine vielen guten Gedanken.
Tim
Danke für das Kompliment,Tim. Ja die Erwartungen. Grass ausgedrückt ist ein Kompliment mit Erwartung egoistisch und Manipulation. Drücke es aus, weil es in dir ist. Immer wieder. Es wird arbeiten in den harten Schalen deiner Herzdame und sie erweichen. Umso weniger gezeigt, umso heiliger ist was darunter kommt.
Richard
Salut Tim,
Herlichen Dank für deine Worte!
Ich finde auch, dass man Komplimenten mit offenerem Herzen begegnen sollte. Allermeistens sind sie ehrlich gemeint und das Risiko, das man eingeht, wenn man sich für ein geheucheltes Kompliment bedankt, ist ja doch recht klein.
Dafür ist die geteilte Freude umso grösser, wenn es das Gegenüber ehrlich gemeint hat. Manchmal wäre es schön, man könnte die berührendsten Komplimente in kleine Fläschchen packen und wieder daran „riechen“, wenn es einem wiedermal elend zumute ist. Dann vergisst der Mensch meist viel zu schnell, was ihm bisher schönes gesagt worden ist.
Letzthin hat mir mein Partner gesagt, ich würde von innen heraus leuchten. Das wäre so eins für ins Fläschchen 😊
Liebe Grüsse, Natalie
Danke, dass freut mich sehr!
Danke!
Ich danke dir von Herzen, Tim:
– für die Wertschätzung, die ich gerade sehr gut brauchen kann
– für deine tollen, hilfreichen Beiträge, die trotz ihrer Ernsthaftigkeit und Tiefe auch oft ein Schmunzeln bei mir auslösen
– für deine Begleitung in Form von mymonk – diese Seite (und somit auch ein Stück Tim) ist mittlerweile mein ständiger Begleiter, der mich immer wieder daran erinnert, wer ich bin, was ich kann und was ich noch lernen darf.
Danke, so ein schöner Text! Wie Balsam 🙂
Vielen lieben Dank für Deine Worte! Kritik findet häufig schneller den Weg ins Herz als Komplimente. Habe mich bei deinem Artikel direkt ertappt gefühlt 🙂
Danke.
Mir fällt es tatsächlich sehr schwer, Komplimente anzunehmen.
Das gilt auch für Geschenke….. es beschämt mich. Zumindest fühlt es sich so an ….
Good Job
Tim
Juchu! Ein wirklich schöner Beitrag..Vielen Dank 🙂
Danke!
Ich hasse es Komplimente zu kriegen… Liegt bei mir an mangelndem Selbstwertgefühl und Selbsthass, unter Anderem aufgrund diverser psychischer Störungen. Mir war zwar immer bewusst, dass ich mit meiner oft harschen Ablehnung von Komplimenten viele vor den Kopf stoße, aber so klar, inklusive der weiteren Konsequenzen, wie nach diesem Artikel war es mir dann doch nicht.
Ich werde versuchen es ab sofort mehr umzusetzen!
Dafür auch nochmal danke!
Kompliment zu diesem schönen Beitrag!
[…] Komplimente: Komplimente von außen sind schön. Aber für die meisten von uns leider selten. Und auch nur dann was wert, wenn wir sie wirklich annehmen können. Warum nicht uns selbst häufiger mal sagen, dass wir etwas gut gemacht haben? Das dürfen auch vermeintliche Kleinigkeiten sein. An der Eisdiele vorbeigegangen, und zwar nicht nur, weil sie geschlossen war. Eine besonders schöne Haarfrisur vorm Spiegel hinbekommen. In der Arbeit gut was geschafft. Egal was. (Wenn Dir das schwerfällt, siehe: Wie man ein Kompliment mit Stil annimmt.) […]
danke tim.
seitdem ich merke wie gut es sich anfühlt, wenn auch der komplimentegeber sich freut, dass ich sein kompliment ehrlich annehmen konnte, tue ich das mit wachsender begeisterung und dann freuen wir uns gemeinsam – immer wieder toll! 🙂
das lesen deiner artikel ist jedesmal eine bereicherung für mich.
anja
Danke, danke, danke😊😊
Danke 😌
Danke, es tut gut das zu hören. Danke, dass ich durch Dich und deine Seite / Bücher lernen durfte mir selbst zu vertrauen und den Weg aus meiner Depression an zu gehen. Ich beuge mein Knie in Dankbarkeit aber stehe dennoch erhobenen Hauptes vor Dir, da ich gelernt habe mich selbst zu schätzen und zu lieben.
Danke! Ich leite das Kompliment gerne an meine Eltern weiter.
Dankeschön! Du hast mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert – da geht’s mir gleich viel besser!
Top Beitrag!
Danke, das hat mir den Start in den Tag versüßt 🙂