Teile diesen Beitrag "Ich lag und las und das Leben tanzte … an mir vorbei (trotzdem danke)"
Die Wesen stellen eine Distanz her
Zugleich als Vorwand, sie zu überwinden;
So tanzen sie am Abend;
Transpiration und Reue.Ich fühle mich auf meinen Stuhl gebannt
Wie ein allzu gut genährter Engerling;
Dabei duften die Frauen nach Erdbeeren,
Nach Reseda und Patschuli.– Michel Houellebecq
Gestern schlug ich ein Buch auf. Ein Gedichtband von Michel Houellebecq, „Der Sinn des Kampfes“. Darin fand ich nicht nur die zitierten Zeilen, sondern auch einen Kassenbon. Er stammt aus einer Buchhandlung nahe meiner alten Wohnung in Leipzig. In dieser Zeit, zwei Jahre waren es fast, tat ich fast nichts, außer Bücher zu kaufen und Bücher zu lesen. Und fernzusehen (damals lief eine großartige Staffel von Big-Brother). Die Frühlinge und Sommer waren besonders hart. Meine Wohnung verließ ich tagsüber fast nur, um selbstlieblos Nahrungsmittel einzukaufen, und abends fast nur, um allein spazieren zu gehen.
Das Gedicht spiegelt ganz gut wieder, wie ich mich damals fühlte. So, als hätte das Leben mich ausgeschlossen, als dürfte ich bestenfalls nur zuschauen. Wenn andere in die Uni gingen, lag ich im Bett. Wenn andere tanzten, lag ich im Bett. Ich war selbst Student, hätte also in die Uni gehen können. Und ich hatte Freunde, hätte also mit tanzen gehen können. Die Möglichkeiten waren da, im Außen, nur konnte ich sie in dieser Zeit nicht ergreifen.
Heute gelingt mir das zum Glück – nein, nach vielen Anstrengungen – schon viel besser. Ich bin sehr froh darüber, mitzutanzen (wenn auch nur sehr selten und ungern in irgendwelchen Clubs). Und dennoch würde ich diese Zeit nicht gern ungeschehen machen. Zum einen, weil ich weiß, wie es schmeckt, „Scheiße zu fressen“, kein Sunnyboy zu sein, dem alles zufliegt. Zum anderen, weil es mir die Chance gab, mich aus dieser Lage zu befreien. Das hat mich stärker gemacht und lässt mich hoffen, dass ich auch anderen die Hand ein Stück weit reichen kann. Ach ja, außerdem fing ich in dieser Zeit mit dem Schreiben an (siehe Das traurige Zwischenspiel eines jungen Mannes, der heute viel besser drauf ist). Ohne diese Zeit hätte es myMONK nie gegeben.
Daher: Danke für diese Erfahrung.
Man weiß nie, wofür’s gut ist.
Photo: Lucia Whittaker
So etwas zu lesen tut unheimlich gut, weil ich mich darin wiederfinde. Und ich nehme es als unbeschreiblich motivierend wahr.
Vielen Dank für die Möglichkeit so ehrlichen Worte lesen zu können 🙂
Viele Grüße
Hi Marija – das freut mich, dass Dir meine Worte gut tun! Liebe Grüße!
Der Titel ist schön… selbst ausgedacht oder aus dem Gedicht?
Hi Juli der Titel ist von mir – danke! Hätte aber noch lieber das Gedicht selbst geschrieben 🙂
Wow. Wirklich ein schöner Beitrag. Da finde ich mich selbst drin wieder. Solche Situationen habe ich auch schon erlebt. Vielen Dank für deinen Artikel.
Dankeschön, Michel!
Und was, wenn die Möglichkeiten NICHT da sind?
Hi Chris,
ich weiß nicht. Mir war’s / schien’s unmöglich, die Möglichkeiten zu ergreifen, keine Ahnung, ob das einen großen Unterschied macht. Hat sich damals nicht gerade wie ein Luxusproblem für mich angefühlt … 🙂
Glaubst Du nicht, dass es immer ein paar Möglichkeiten gibt, auch wenn die in Reichweite vielleicht nicht die geilsten sind, dann doch zumindest mögliche Schritte in die richtige Richtung?
LG Tim
Vielleicht ist man dann noch in der Phase, in der man die Möglichkeiten nicht sehen kann oder will…
Und Möglichkeiten ergeben sich auch manches Mal erst. Es gibt sie oft erst dann, wenn sie „auftreten“. Möglichkeiten schließen ja auch immer denjenigen mit ein, der sie ergreift und der sie einzigartig macht, durch die Konstellation mit ihm und dem Moment und der Angelegenheit.
Marie, super beschrieben. 😉
Raum für Veränderung gibt es doch irgendwie immer, oder?
Klar,man muss die Veränderung nicht nur wollen, man muss den ersten Schritt in die Richtung tun. Auch mit Bleischuhen an den Füßen, auch wenn es mal Rückschritte gibt. Ich kenne das auch nur zu gut-aber es lohnt sich . Und es wird immer leichter. Das wichtigste dabei ist ,sich selbst zu akzeptieren, liebevoll und geduldig mit sich zu sein und nicht immer auf andere zu schauen. Ich bin wichtig, ich gehe meinen Weg, tanze in meinem Rhythmus in meinem Leben. Und das ist gut so!
Mir geht es oft auch so,ich fühle mich dann,als ob ich mir wertvolle Lebenszeit wegfressen lasse!Jeder Tag ist anders,endlich habe ich Begriffen,das ich ,nur ich,das ändern kann,manchmal fällt es leicht,manchmal sehr schwer!Schön,Monk,das es Dich gibt!q
Hin und wieder kommt es vor, da bringe ich es nicht über mich zu Parties hinzugehen, zu denen man mich einlädt.
Warum? Ich fühle mich bei der Vorstellung, dort anwesend zu sein, einsamer als wenn ich alleine zuhause bliebe.
Komische Sache, aber so empfinde ich es manchmal.