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Es folgt ein Text von Ulrike Hensel, Autorin des myMONK-Buchs Hochsensibel das Leben meistern.

1. Was versteht man unter Hochsensibilität?

Elaine N. Aron, US-amerikanische Psychologieprofessorin, Forscherin und Psychotherapeutin hat in den 90er Jahren   der deutlich höheren Sensibilität als grundlegendem Persönlichkeitsmerkmal den Namen „High Sensitivity“ (korrekt ins Deutsche übersetzt mit „Hochsensibilität“) gegeben. Arons Kurzdefinition zufolge hat die hochsensible Person (HSP) ein empfindliches Nervensystem, nimmt innere und äußere Reize verstärkt wahr, bemerkt Feinheiten in ihrer Umgebung und ist leichter als andere von einer stark stimulierenden Umgebung überreizt. 15–20 Prozent der Menschen – Männer wie Frauen – gehören zur Gruppe der Hochsensiblen.

2. Ist der Begriff „Hochsensibilität“ wissenschaftlich anerkannt?

Die Frage lässt sich nur sehr schwer klar beantworten. Es gibt keine Instanz, die darüber befindet, was nun wissenschaftlich anerkannt ist und was nicht. Wie es in der Wissenschaft abläuft formuliert der Informations- und Forschungsverbund e.V. (IFHS) auf seiner Website so: „Neue Ideen und Theorien werden zunächst von Einzelnen in der Fachpresse veröffentlicht. Im Laufe der Zeit – dies kann sehr lange dauern – werden die neuen Thesen durch weitere Forschungen bestätigt, widerlegt oder verfeinert. Bis eine Position ‚herrschende Meinung‘ oder sogar ‚allgemeine Ansicht‘ wird, ist es aber meist ein weiter Weg. Der Ausdruck ‚Hochsensibilität‘ als wissenschaftlicher Terminus existiert seit einer grundlegenden Veröffentlichung im (hoch angesehenen) Journal of Personality and Social Psychology aus dem Jahre 1997. Viele Forschungen vorher und nachher scheinen ferner in Ergebnissen Ähnliches auszusagen wie Forschung unter dem Stichwort ‚Hochsensibilität‘, obwohl andere Anknüpfungspunkte gewählt wurden.“

Zum Stand der Forschung befragt, berichtet Elaine Aron in einem Interview in PSYCHOLOGIE HEUTE vom April 2012 von Forschungsarbeiten, die ihr Mann Arthur Aron an der Universität Stony Brook, New York, betreut. Seine Doktorandinnen hätten mit bildgebenden Verfahren festgestellt, dass bei Hochsensiblen durch Reize andere Hirnregionen aktiviert werden und dass sich auch zeitliche Abläufe im Gehirn von denen der Bevölkerungsmehrheit unterscheiden. Hochsensibilität gehe also tatsächlich mit Unterschieden in den Hirnstrukturen und -prozessen einher. Erkennbar sei, dass die für Furchtreaktionen zuständigen Hirnareale wie die Amygdala eine untergeordnete Rolle spielen würden. Daraus folgert Aron, dass man es eben nicht mit Ängstlichkeit zu tun habe.

In einem Artikel mit dem Titel „Zu viel Welt fürs Gehirn“ für „Bild der Wissenschaft“ vom 18.06.2013 hat die Wissenschaftsjournalistin Patricia Thivissen wissenschaftliche Erkenntnisse über Hochsensibilität zusammengetragen.

Aktuell beschäftigt sich Sandra Konrad, Diplom-Psychologin und Doktorandin an der Universität der Bundeswehr in Hamburg im Rahmen ihres Dissertationsprojekts mit einem diagnostischen Instrument zur Erfassung von Hochsensibilität sowie einer genauere Bestimmung der typischen Persönlichkeitseigenschaften und Dispositionen, die mit einer höheren Empfindsamkeit einhergehen (Aufruf zur Teilnahme an einer empirischen Untersuchung).

Man muss bedenken: Weder Mediziner noch Psychologen haben das Konzept der Hochsensibilität in ihrem Studium kennengelernt, sie kennen lediglich Hypersensibilität als ein krankhaftes Geschehen. Insofern darf es nicht verwundern, dass es wenig Ärzte und Therapeuten gibt, die mit Hochsensibilität als Normvariante – wie Elaine Aron das ansieht – etwas anfangen können. – Der IFHS bietet ein Informationsblatt an, das HSP ihren Ärzten und Therapeuten übergeben können „Hochsensibilität – Kurzinformation für VertreterInnen von Heilberufen“.

3. Wie kommt man darauf, dass 15-20 Prozent der Menschen hochsensibel sind?

Es wird verschiedentlich darüber diskutiert, wie groß der Anteil der hochsensiblen Menschen an der Gesamtbevölkerung tatsächlich ist. Die individuellen Einschätzungen reichen von „Eigentlich sind doch alle Menschen hochsensibel“ bis hin zu „nur rund ein Prozent“ (Professor Dr. Siegfried Gauggel, zitiert im WDR-Beitrag „Hochsensibilität – Erkrankung oder Erfindung?„).

Elaine Aron gibt als Zahl 15-20 Prozent an und stützt sich dabei sowohl auf eigene Erhebungen wie auch auf die Auswertung ganz unterschiedlicher vorangegangener und aktueller Forschungsergebnisse.

Der russischen Mediziner und Physiologe Iwan Pawlow (1849–1936), bekannt geworden durch den von ihm entdeckten ‚bedingten Reflex‘ bei Hunden, forschte über Erregungsprozesse im Nervensystem. Bei Versuchen mit Versuchspersonen zur Belastbarkeit bei extremem Lärm zeigte sich entgegen der ursprünglichen Erwartungen keine Gauß´sche Normalverteilung in der gesamten Versuchsgruppe, sondern es bildeten sich zwei deutlich unterschiedliche Gruppen heraus. Ungefähr 15 Prozent der Versuchspersonen erreichten die Grenze ihrer Belastbarkeit sehr schnell, dann kam lange nichts (das heißt, es gab keinen fließenden Übergang), dann eine Normalverteilung unter den verbleibenden circa 85 Prozent. Für Pawlow waren die Hochempfindlichen ein eigener Menschenschlag und ihre Besonderheit angeboren.

Der US-Psychologe Jerome Kagan (geboren 1929), der als einer der Pioniere der Entwicklungspsychologie gilt, beschäftigte sich intensiv mit der Entwicklung von Persönlichkeitszügen („Traits“) bei Kindern und Jugendlichen. Ihn interessierte, wie sich das angeborene Temperament durch äußere Einflüsse und Lebenserfahrungen verändert und fand heraus, dass sich das Naturell bis ins Erwachsenenalter relativ konstant im Verhalten zeigt. Laut Kagan reagieren etwa 20 Prozent schon im Alter von vier Monaten empfindlich auf fremde Gegenstände, Personen und Situationen, sie weinten, zappelten mit den Armen und Beinen. Diese Kinder bezeichnet er als „hochreaktiv“ und bringt dies mit dem Wesenszug „Ängstlichkeit“ in Verbindung.

Elaine Aron bezieht sich mit ihrer Theorie unter anderem auf die Forschungsergebnisse von Kagan, interpretiert diese allerdings abweichend. Sie sieht in dem Persönlichkeitsmerkmal, das Kagan als „Ängstlichkeit“ bezeichnet, im Wesentlichen das der Hochsensibilität. Wie Pawlow ist sie sich sicher, dass die sehr empfindlichen Menschen eine ganz eigene Gruppe bilden, die sich stark von den weniger empfindlichen unterscheidet.

4. Woran merke ich, dass ich hochsensibel bin?

Die hohe Irritabilität des Nervensystems führt dazu, dass HSP intensiver, nuancenreicher und umfangreicher wahrnehmen, demzufolge auch tiefer empfinden und auf innere und äußere Reize stärker als andere reagieren. Die Hochsensibilität wird im Vergleich zur Mehrheit der Menschen deutlich: Typischerweise finden HSP eher als andere etwas zu laut, zu unruhig, zu voll, zu hektisch, zu heftig, zu belastend, zu viel … Befindlichkeiten und Stimmungen anderer Menschen und Konflikte zwischen den Menschen werden leicht erspürt – auch wenn sie nur unterschwellig sind – und beeinflussen die eigene Verfassung. – Siehe 23 Anzeichen, dass Du hochsensibel bist.

5. Was bewirkt es, sich selbst als hochsensibel zu erkennen?

HSP haben in gewisser Hinsicht einen Minderheitenstatus. Von klein auf haben sie immer wieder festgestellt, dass sie irgendwie „anders“ sind, haben sich oftmals als außenstehend erlebt – in der Ursprungsfamilie, der Schulklasse, der Freundesclique, später im Kollegenkreis. Dies ist eine schmerzliche Erfahrung, denn für jeden ist es ein elementares Bedürfnis, sich zugehörig zu fühlen. Der Mensch ist ein zutiefst soziales Wesen. Wer von Kindheit an auf Unverständnis trifft und abwertende Kommentare über seine Wesensart zu hören bekommen hat, vermisst die persönliche Anerkennung und das beruhigende Gefühl, ein selbstverständlich akzeptiertes und vollwertiges Mitglied einer Gemeinschaft zu sein.

Für das bislang unerklärliche Anderssein die Erklärung Hochsensibilität zu finden, ist für die meisten eine riesige Erleichterung und Freude. Auf einmal fügen sich unzählige Puzzleteile zu einem schlüssigen Bild zusammen. Das Erkennen der Hochsensibilität ermöglicht eine Wende im Selbstverständnis und im Selbstbewusstsein und beschert auf jeden Fall die Zugehörigkeit zu der Gruppe der HSP, was schon wohltuend wirkt.

6. Ist Hochsensibilität mehr Belastung oder Befähigung?

Ob Hochsensibilität eher als Belastung oder eher als Befähigung empfunden wird, hängt von der Einschätzung und Einstellung des Einzelnen ab. Darüber hinaus wird die hohe Sensibilität je nach aktueller Situation und Herausforderung eher als Nachteil oder als Vorteil empfunden. Belastung und Befähigung sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Beim Spaziergang über die bunte Blumenwiese oder in einem Symphoniekonzert zum Beispiel beschert die intensive Wahrnehmung eine besondere Sinnesfreude. Während einer Fahrt in einer vollen S-Bahn oder in einem Großraumbüro ist die hohe Sensibilität eine Last. Wer beginnt, sich mit dem eigenen Hochsensibelsein zu beschäftigen, richtet verständlicherweise häufig zunächst sein Augenmerk auf die Bewältigung der Schwierigkeiten. Die noch größeren Entwicklungschancen aber liegen im Erkennen und Nutzen der Befähigungen und Begabungen.

7. Ist hochsensibel gleichzusetzen mit introvertiert?

Der Schweizer Psychiater C. G. Jung (1875–1961), Begründer der analytischen Psychologie, entwickelte eine Typologie, nach der die Unterscheidung von Introversion und Extraversion grundlegend war. Als introvertiert bezeichnete er einen Menschen, der bevorzugt auf seine innere Welt der Gedanken, Empfindungen, Fantasien und Träume ausgerichtet ist, als extravertiert einen Menschen, der sich vor allem der äußeren Welt der Dinge, Menschen und Aktivität zuwendet. Mit Introversion einhergehende Eigenschaften haben viel Gemeinsamkeit mit den Eigenschaften von HSP, dennoch ist die Gleichsetzung nicht richtig. Laut Elaine Aron ist zwar die Mehrzahl der HSP introvertiert (sie gibt ca. 70 % an), aber es gibt auch die extravertierten Hochsensiblen. Dazu möchte ich anmerken, dass Introversion bzw. Extraversion lediglich die deutliche Tendenz zu dem einen oder anderen Verhalten angibt und wohl nie in Reinform ausgeprägt ist.

Ich hatte Gelegenheit, eine Reihe von Interviews mit HSP zu führen, die sich selbst als extrovertiert bezeichnen. Die Quintessenz daraus war, dass extrovertierte Hochsensible ganz klar immer wieder auch ihre Rückzugsphasen brauchen und sich nehmen. Sie gaben durchweg an, dass sie auch viel über Dinge nachdenken und ihren Gefühlen nachspüren.

Spannend finde ich, dass es für Menschen, die weder dem einen noch dem anderen Verhalten eindeutig zuneigen, die Bezeichnung „ambivertiert“ gibt: damit sind Menschen charakterisiert, die sich in der Mitte zwischen extrovertiert und introvertiert befinden. Meine These ist, dass HSP entweder introvertiert oder ambivertiert sind. Denn auch diejenigen, die oft und gerne unter Menschen sind, die als gesellig und kontaktfreudig gelten können, ermüden nach einiger Zeit (eher als nichthochsensible Extravertierte) und brauchen dann wieder Zeit für sich alleine.

8. Sind hochsensible Menschen auch hochbegabt?

Obwohl Hochbegabung und Hochsensibilität einige Gemeinsamkeiten aufweisen (z. B. das Mehr an Wahrnehmung, das vernetzte Denken) und beides auch gemeinsam vorkommen kann, sind das meiner Kenntnis nach zwei einzelne Phänomene, die nicht in einen Topf geworfen werden sollten.

„Hochbegabung bezeichnet eine umfassende, weit über dem Durchschnitt liegende intellektuelle Begabung eines Menschen. (…) In der differentiellen Psychologie gelten nach der häufigsten Definition Menschen als hochbegabt, deren Testergebnisse bei einem Intelligenztest den Mittelwert um mehr als zwei Standardabweichungen übertreffen. Dies sind also Menschen, die einen IQ erreichen, der von höchstens 2,2 % ihrer Mitmenschen erreicht oder übertroffen wird.“ (Quelle: Wikipedia)

Trotz aller – wie ich meine – berechtigten Kritik am gängigen Intelligenzbegriff, an den Intelligenztests, die sich nur auf kognitive Fähigkeiten beziehen, und an der im Grunde willkürlichen Festlegung von Hochbegabung, halte ich es für angezeigt, die Begriffe „Hochbegabung“ und „hochbegabt“ nur im engen Sinn (IQ-Wert in einem normierten Test ab 130) zu verwenden, um unnötige Verwirrung zu vermeiden.

Geht man von 2,2 % Hochbegabten und von 15–20 Prozent Hochsensiblen, dann können rein rechnerisch nicht alle Hochsensiblen zugleich hochbegabt sein. Umgekehrt wäre es von den Prozentzahlen her zwar möglich, dass alle Hochbegabten auch hochsensibel sind, aber auch das halte ich für eine irrige Annahme.

Unterschiede sehe ich unter anderem darin, worauf sich die überdurchschnittlich ausgeprägten Wahrnehmungsfähigkeit vornehmlich bezieht: auf Informationen, Logik und Zusammenhänge (Hochbegabte) oder auf Sinneswahrnehmungen aller Art und das Wahrnehmen von Emotionen bei sich selbst und anderen (Hochsensible).

Die hohe geistige Wachheit und die aufmerksame Wahrnehmung sind bei Hochbegabten nicht unbedingt verbunden mit der für Hochsensiblen typischen hohen emotionalen Irritierbarkeit und Verletzlichkeit.

Das Denken bei Hochbegabten läuft noch weitaus schneller ab und hat einen höheren Vernetzungs- und Abstraktionsgrad hat, während es bei Hochsensiblen tendenziell bildhafter, assoziativer und intuitiver ist.

Ein großer Unterschied liegt meines Erachtens darin, dass es Hochbegabten ohne Weiteres gelingen kann, sich ganz in ihrem eigenen Denk-Kosmos zu bewegen und ihre Mitmenschen gedanklich beiseite zu lassen, während Hochsensible ihre Mitmenschen irgendwie immer mit im Blick sowie im Denken und Fühlen haben.

Nun mag man sich entscheiden, den Begriff Hochbegabung sehr weit auszulegen und die hohe Wahrnehmungsbegabung Hochsensibler einfach als „Hochbegabung“ zu deklarieren und entsprechend das Attribut „hochbegabt“ der Bezeichnung „hochsensibel“ hinzuzufügen. Ich bin allerdings der Meinung, dass das einem besseren Selbstverständnis in den meisten Fällen den HSP nicht dienlich ist. Sie könnten erneut an sich zweifeln, wenn sie bei sich feststellen, dass sie über keine außergewöhnliche intellektuelle Begabung verfügen. Vielmehr halte ich es zur Stärkung des Selbstwertgefühls für wichtig, den HSP die mit der Hochsensibilität einhergehenden Stärken und Befähigungen bewusst zu machen. Grund genug, sich selbst zu wertschätzen!

9. Wie kann ich gut mit Hochsensibilität leben?

Es ist dem Wohlbefinden und der Gesundheit von HSP abträglich, wenn sie dauerhaft den Lebensstil und die Gangart von Nicht-HSP übernehmen. Wenn HSP sich wirklich wohlfühlen und langfristig gesund bleiben wollen, kommen HSP nicht um die Aufgabe herum, ihre Lebensgestaltung auf ihre hochsensible Wesensart auszurichten und aktives Selbstmanagement zu betreiben. Es beginnt damit, sich die besonderen Bedürfnisse bewusst zu machen und sie ernst zu nehmen, statt sich fortwährend anzupassen. So werden sich HSP vermutlich einen eher ruhigen Wohnort wählen, sich in der Wohnung einen Rückzugsbereich schaffen, der ihnen Alleinzeit ermöglicht; vielleicht sogar allein wohnen. Sie werden sich für einen Job entscheiden, der sie nicht über Gebühr stresst, sondern ein eher reizarmes Arbeitsumfeld und ausreichend ruhige Phasen für konzentriertes Arbeiten bietet. Sie werden den Aufenthalt in betriebsamen Innenstädten und Einkaufszentren auf wenige Stunden beschränken, große Menschenansammlungen nach Möglichkeit meiden, häufig in der Natur neue Kraft schöpfen. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Selbstverständlich brauchen auch HSP anregende Erlebnisse, herausfordernde Aufgaben, inspirierende Begegnungen, nährende Beziehungen – alles jedoch in passender (hochsensibler!) Dosierung.

10. Wie kann ich lernen, mich besser abzugrenzen?

Der oberflächliche Ratschlag „Sag einfach öfter mal Nein“ greift aller Erfahrung nach zu kurz. Man muss wissen: Hochsensible haben ein feines Gespür für die Bedürfnisse und Erwartungen ihrer Mitmenschen. Sie empfinden nicht nur intensiv ihre eigenen Gefühle, sondern in hohem Maße auch die der anderen Menschen. Demzufolge tangiert sie deren Trauer, Enttäuschung, Frustration oder Verärgerung so stark, dass sie viel zu tun bereit sind, um derartige negative Gefühle bei anderen gar nicht erst aufkommen zu lassen. Sie leiden mit, wenn andere negative Gefühle haben, freuen sich mit, wenn andere positive Gefühle haben. Verständlich daher auch, dass sie bestrebt sind Freude zu bereiten, Wünsche zu erfüllen.

Soweit so gut, nur sollten dabei eigene Wünsche und Bedürfnisse (neben dem Bedürfnis, zum Wohlsein anderer Menschen beizutragen) nicht zu weit ins Hintertreffen geraten. In jedem einzelnen Fall ist die Entscheidung zu treffen, was mir wichtiger ist. Anstelle den Aspekt des „Abgrenzens“ zu betonen, bei dem andere Menschen als „Angreifer“ erscheinen, die es abzuwehren gilt, nutze ich gerne das sprachliches Bild, sich selbst Raum zu nehmen. Dabei liegt der Fokus bei einem selbst, bei dem, was einem wichtig ist, was man für sich braucht. Es gilt, den Selbstrespekt und die Selbstwertschätzung zu stärken, damit kommt – so wie ich es sehe – die selbstverständlichere Selbstbehauptung von allein. Und dann gelingt auch der Umgang mit der Reaktion auf ein Nein besser.

11. Was ist im Umgang mit HSP zu beachten?

HSP brauchen eine gehörige Portion Verständnis dafür, dass sie sich für ihre Bedürfnisse einsetzen, zum Beispiel für sich möglichst passende Umgebungsbedingungen schaffen und sich aus mancher Aktivität vorzeitig ausklinken wollen. Im Zusammenleben und -arbeiten sind sie in vielen Belangen des privaten und beruflichen Alltags auf die Bereitschaft der Nicht-HSP zur gemeinsamen Lösungssuche angewiesen.

HSP fassen Äußerungen leicht persönlich auf, fühlen sich schnell angegriffen und sind generell emotional sehr verletzlich („dünnhäutig“!). Schon kleine Störungen auf der Beziehungsebene irritieren sie nachhaltig. Kritische Kommentare und unfreundliche oder gar abwertende Bemerkungen nehmen sie sich sehr zu Herzen nehmen und machen sich noch lange Gedanken darüber. Im Miteinander brauchen HSP mehr noch als andere eine von Respekt, Akzeptanz und Wertschätzung getragene Kommunikation. Die Antwort auf die Frage, wie das praktisch aussehen kann, liefert meines Erachtens bestens das Konzept der so genannten Gewaltfreien Kommunikation (GfK) nach Marshall B. Rosenberg. Für Rosenberg ist Empathie eine Grundvoraussetzung für gelingende Kommunikation: „Was ich in meinem Leben will, ist Einfühlsamkeit, einen Fluss zwischen mir und anderen, der auf gegenseitigem Geben von Herzen beruht.“

Mehr zum Thema Hochsensibilität findest Du im myMONK-Buch Hochsensibel das Leben meistern. Siehe auch Hochsensible Menschen – Wer sie sind und was sie wirklich brauchen.

 

Bildschirmfoto 2014-01-22 um 16.38.25Text von und herzlichen Dank an:
Ulrike Hensel
Die Autorin Ulrike Hensel studierte Angewandte Sprachwissenschaft und absolvierte später eine Coaching-Ausbildung. Sie arbeitet selbstständig als Textcoach für Trainer, Berater und Coaches sowie als Coach für Hochsensible.
www.coaching-fuer-hochsensible.de


Photo (oben): Lara Cores