Teile diesen Beitrag "Hochsensible Menschen – 11 Fragen, 11 Antworten"
Es folgt ein Text von Ulrike Hensel, Autorin des myMONK-Buchs Hochsensibel das Leben meistern.
1. Was versteht man unter Hochsensibilität?
Elaine N. Aron, US-amerikanische Psychologieprofessorin, Forscherin und Psychotherapeutin hat in den 90er Jahren der deutlich höheren Sensibilität als grundlegendem Persönlichkeitsmerkmal den Namen „High Sensitivity“ (korrekt ins Deutsche übersetzt mit „Hochsensibilität“) gegeben. Arons Kurzdefinition zufolge hat die hochsensible Person (HSP) ein empfindliches Nervensystem, nimmt innere und äußere Reize verstärkt wahr, bemerkt Feinheiten in ihrer Umgebung und ist leichter als andere von einer stark stimulierenden Umgebung überreizt. 15–20 Prozent der Menschen – Männer wie Frauen – gehören zur Gruppe der Hochsensiblen.
2. Ist der Begriff „Hochsensibilität“ wissenschaftlich anerkannt?
Die Frage lässt sich nur sehr schwer klar beantworten. Es gibt keine Instanz, die darüber befindet, was nun wissenschaftlich anerkannt ist und was nicht. Wie es in der Wissenschaft abläuft formuliert der Informations- und Forschungsverbund e.V. (IFHS) auf seiner Website so: „Neue Ideen und Theorien werden zunächst von Einzelnen in der Fachpresse veröffentlicht. Im Laufe der Zeit – dies kann sehr lange dauern – werden die neuen Thesen durch weitere Forschungen bestätigt, widerlegt oder verfeinert. Bis eine Position ‚herrschende Meinung‘ oder sogar ‚allgemeine Ansicht‘ wird, ist es aber meist ein weiter Weg. Der Ausdruck ‚Hochsensibilität‘ als wissenschaftlicher Terminus existiert seit einer grundlegenden Veröffentlichung im (hoch angesehenen) Journal of Personality and Social Psychology aus dem Jahre 1997. Viele Forschungen vorher und nachher scheinen ferner in Ergebnissen Ähnliches auszusagen wie Forschung unter dem Stichwort ‚Hochsensibilität‘, obwohl andere Anknüpfungspunkte gewählt wurden.“
Zum Stand der Forschung befragt, berichtet Elaine Aron in einem Interview in PSYCHOLOGIE HEUTE vom April 2012 von Forschungsarbeiten, die ihr Mann Arthur Aron an der Universität Stony Brook, New York, betreut. Seine Doktorandinnen hätten mit bildgebenden Verfahren festgestellt, dass bei Hochsensiblen durch Reize andere Hirnregionen aktiviert werden und dass sich auch zeitliche Abläufe im Gehirn von denen der Bevölkerungsmehrheit unterscheiden. Hochsensibilität gehe also tatsächlich mit Unterschieden in den Hirnstrukturen und -prozessen einher. Erkennbar sei, dass die für Furchtreaktionen zuständigen Hirnareale wie die Amygdala eine untergeordnete Rolle spielen würden. Daraus folgert Aron, dass man es eben nicht mit Ängstlichkeit zu tun habe.
In einem Artikel mit dem Titel „Zu viel Welt fürs Gehirn“ für „Bild der Wissenschaft“ vom 18.06.2013 hat die Wissenschaftsjournalistin Patricia Thivissen wissenschaftliche Erkenntnisse über Hochsensibilität zusammengetragen.
Aktuell beschäftigt sich Sandra Konrad, Diplom-Psychologin und Doktorandin an der Universität der Bundeswehr in Hamburg im Rahmen ihres Dissertationsprojekts mit einem diagnostischen Instrument zur Erfassung von Hochsensibilität sowie einer genauere Bestimmung der typischen Persönlichkeitseigenschaften und Dispositionen, die mit einer höheren Empfindsamkeit einhergehen (Aufruf zur Teilnahme an einer empirischen Untersuchung).
Man muss bedenken: Weder Mediziner noch Psychologen haben das Konzept der Hochsensibilität in ihrem Studium kennengelernt, sie kennen lediglich Hypersensibilität als ein krankhaftes Geschehen. Insofern darf es nicht verwundern, dass es wenig Ärzte und Therapeuten gibt, die mit Hochsensibilität als Normvariante – wie Elaine Aron das ansieht – etwas anfangen können. – Der IFHS bietet ein Informationsblatt an, das HSP ihren Ärzten und Therapeuten übergeben können „Hochsensibilität – Kurzinformation für VertreterInnen von Heilberufen“.
3. Wie kommt man darauf, dass 15-20 Prozent der Menschen hochsensibel sind?
Es wird verschiedentlich darüber diskutiert, wie groß der Anteil der hochsensiblen Menschen an der Gesamtbevölkerung tatsächlich ist. Die individuellen Einschätzungen reichen von „Eigentlich sind doch alle Menschen hochsensibel“ bis hin zu „nur rund ein Prozent“ (Professor Dr. Siegfried Gauggel, zitiert im WDR-Beitrag „Hochsensibilität – Erkrankung oder Erfindung?„).
Elaine Aron gibt als Zahl 15-20 Prozent an und stützt sich dabei sowohl auf eigene Erhebungen wie auch auf die Auswertung ganz unterschiedlicher vorangegangener und aktueller Forschungsergebnisse.
Der russischen Mediziner und Physiologe Iwan Pawlow (1849–1936), bekannt geworden durch den von ihm entdeckten ‚bedingten Reflex‘ bei Hunden, forschte über Erregungsprozesse im Nervensystem. Bei Versuchen mit Versuchspersonen zur Belastbarkeit bei extremem Lärm zeigte sich entgegen der ursprünglichen Erwartungen keine Gauß´sche Normalverteilung in der gesamten Versuchsgruppe, sondern es bildeten sich zwei deutlich unterschiedliche Gruppen heraus. Ungefähr 15 Prozent der Versuchspersonen erreichten die Grenze ihrer Belastbarkeit sehr schnell, dann kam lange nichts (das heißt, es gab keinen fließenden Übergang), dann eine Normalverteilung unter den verbleibenden circa 85 Prozent. Für Pawlow waren die Hochempfindlichen ein eigener Menschenschlag und ihre Besonderheit angeboren.
Der US-Psychologe Jerome Kagan (geboren 1929), der als einer der Pioniere der Entwicklungspsychologie gilt, beschäftigte sich intensiv mit der Entwicklung von Persönlichkeitszügen („Traits“) bei Kindern und Jugendlichen. Ihn interessierte, wie sich das angeborene Temperament durch äußere Einflüsse und Lebenserfahrungen verändert und fand heraus, dass sich das Naturell bis ins Erwachsenenalter relativ konstant im Verhalten zeigt. Laut Kagan reagieren etwa 20 Prozent schon im Alter von vier Monaten empfindlich auf fremde Gegenstände, Personen und Situationen, sie weinten, zappelten mit den Armen und Beinen. Diese Kinder bezeichnet er als „hochreaktiv“ und bringt dies mit dem Wesenszug „Ängstlichkeit“ in Verbindung.
Elaine Aron bezieht sich mit ihrer Theorie unter anderem auf die Forschungsergebnisse von Kagan, interpretiert diese allerdings abweichend. Sie sieht in dem Persönlichkeitsmerkmal, das Kagan als „Ängstlichkeit“ bezeichnet, im Wesentlichen das der Hochsensibilität. Wie Pawlow ist sie sich sicher, dass die sehr empfindlichen Menschen eine ganz eigene Gruppe bilden, die sich stark von den weniger empfindlichen unterscheidet.
4. Woran merke ich, dass ich hochsensibel bin?
Die hohe Irritabilität des Nervensystems führt dazu, dass HSP intensiver, nuancenreicher und umfangreicher wahrnehmen, demzufolge auch tiefer empfinden und auf innere und äußere Reize stärker als andere reagieren. Die Hochsensibilität wird im Vergleich zur Mehrheit der Menschen deutlich: Typischerweise finden HSP eher als andere etwas zu laut, zu unruhig, zu voll, zu hektisch, zu heftig, zu belastend, zu viel … Befindlichkeiten und Stimmungen anderer Menschen und Konflikte zwischen den Menschen werden leicht erspürt – auch wenn sie nur unterschwellig sind – und beeinflussen die eigene Verfassung. – Siehe 23 Anzeichen, dass Du hochsensibel bist.
5. Was bewirkt es, sich selbst als hochsensibel zu erkennen?
HSP haben in gewisser Hinsicht einen Minderheitenstatus. Von klein auf haben sie immer wieder festgestellt, dass sie irgendwie „anders“ sind, haben sich oftmals als außenstehend erlebt – in der Ursprungsfamilie, der Schulklasse, der Freundesclique, später im Kollegenkreis. Dies ist eine schmerzliche Erfahrung, denn für jeden ist es ein elementares Bedürfnis, sich zugehörig zu fühlen. Der Mensch ist ein zutiefst soziales Wesen. Wer von Kindheit an auf Unverständnis trifft und abwertende Kommentare über seine Wesensart zu hören bekommen hat, vermisst die persönliche Anerkennung und das beruhigende Gefühl, ein selbstverständlich akzeptiertes und vollwertiges Mitglied einer Gemeinschaft zu sein.
Für das bislang unerklärliche Anderssein die Erklärung Hochsensibilität zu finden, ist für die meisten eine riesige Erleichterung und Freude. Auf einmal fügen sich unzählige Puzzleteile zu einem schlüssigen Bild zusammen. Das Erkennen der Hochsensibilität ermöglicht eine Wende im Selbstverständnis und im Selbstbewusstsein und beschert auf jeden Fall die Zugehörigkeit zu der Gruppe der HSP, was schon wohltuend wirkt.
6. Ist Hochsensibilität mehr Belastung oder Befähigung?
Ob Hochsensibilität eher als Belastung oder eher als Befähigung empfunden wird, hängt von der Einschätzung und Einstellung des Einzelnen ab. Darüber hinaus wird die hohe Sensibilität je nach aktueller Situation und Herausforderung eher als Nachteil oder als Vorteil empfunden. Belastung und Befähigung sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Beim Spaziergang über die bunte Blumenwiese oder in einem Symphoniekonzert zum Beispiel beschert die intensive Wahrnehmung eine besondere Sinnesfreude. Während einer Fahrt in einer vollen S-Bahn oder in einem Großraumbüro ist die hohe Sensibilität eine Last. Wer beginnt, sich mit dem eigenen Hochsensibelsein zu beschäftigen, richtet verständlicherweise häufig zunächst sein Augenmerk auf die Bewältigung der Schwierigkeiten. Die noch größeren Entwicklungschancen aber liegen im Erkennen und Nutzen der Befähigungen und Begabungen.
7. Ist hochsensibel gleichzusetzen mit introvertiert?
Der Schweizer Psychiater C. G. Jung (1875–1961), Begründer der analytischen Psychologie, entwickelte eine Typologie, nach der die Unterscheidung von Introversion und Extraversion grundlegend war. Als introvertiert bezeichnete er einen Menschen, der bevorzugt auf seine innere Welt der Gedanken, Empfindungen, Fantasien und Träume ausgerichtet ist, als extravertiert einen Menschen, der sich vor allem der äußeren Welt der Dinge, Menschen und Aktivität zuwendet. Mit Introversion einhergehende Eigenschaften haben viel Gemeinsamkeit mit den Eigenschaften von HSP, dennoch ist die Gleichsetzung nicht richtig. Laut Elaine Aron ist zwar die Mehrzahl der HSP introvertiert (sie gibt ca. 70 % an), aber es gibt auch die extravertierten Hochsensiblen. Dazu möchte ich anmerken, dass Introversion bzw. Extraversion lediglich die deutliche Tendenz zu dem einen oder anderen Verhalten angibt und wohl nie in Reinform ausgeprägt ist.
Ich hatte Gelegenheit, eine Reihe von Interviews mit HSP zu führen, die sich selbst als extrovertiert bezeichnen. Die Quintessenz daraus war, dass extrovertierte Hochsensible ganz klar immer wieder auch ihre Rückzugsphasen brauchen und sich nehmen. Sie gaben durchweg an, dass sie auch viel über Dinge nachdenken und ihren Gefühlen nachspüren.
Spannend finde ich, dass es für Menschen, die weder dem einen noch dem anderen Verhalten eindeutig zuneigen, die Bezeichnung „ambivertiert“ gibt: damit sind Menschen charakterisiert, die sich in der Mitte zwischen extrovertiert und introvertiert befinden. Meine These ist, dass HSP entweder introvertiert oder ambivertiert sind. Denn auch diejenigen, die oft und gerne unter Menschen sind, die als gesellig und kontaktfreudig gelten können, ermüden nach einiger Zeit (eher als nichthochsensible Extravertierte) und brauchen dann wieder Zeit für sich alleine.
8. Sind hochsensible Menschen auch hochbegabt?
Obwohl Hochbegabung und Hochsensibilität einige Gemeinsamkeiten aufweisen (z. B. das Mehr an Wahrnehmung, das vernetzte Denken) und beides auch gemeinsam vorkommen kann, sind das meiner Kenntnis nach zwei einzelne Phänomene, die nicht in einen Topf geworfen werden sollten.
„Hochbegabung bezeichnet eine umfassende, weit über dem Durchschnitt liegende intellektuelle Begabung eines Menschen. (…) In der differentiellen Psychologie gelten nach der häufigsten Definition Menschen als hochbegabt, deren Testergebnisse bei einem Intelligenztest den Mittelwert um mehr als zwei Standardabweichungen übertreffen. Dies sind also Menschen, die einen IQ erreichen, der von höchstens 2,2 % ihrer Mitmenschen erreicht oder übertroffen wird.“ (Quelle: Wikipedia)
Trotz aller – wie ich meine – berechtigten Kritik am gängigen Intelligenzbegriff, an den Intelligenztests, die sich nur auf kognitive Fähigkeiten beziehen, und an der im Grunde willkürlichen Festlegung von Hochbegabung, halte ich es für angezeigt, die Begriffe „Hochbegabung“ und „hochbegabt“ nur im engen Sinn (IQ-Wert in einem normierten Test ab 130) zu verwenden, um unnötige Verwirrung zu vermeiden.
Geht man von 2,2 % Hochbegabten und von 15–20 Prozent Hochsensiblen, dann können rein rechnerisch nicht alle Hochsensiblen zugleich hochbegabt sein. Umgekehrt wäre es von den Prozentzahlen her zwar möglich, dass alle Hochbegabten auch hochsensibel sind, aber auch das halte ich für eine irrige Annahme.
Unterschiede sehe ich unter anderem darin, worauf sich die überdurchschnittlich ausgeprägten Wahrnehmungsfähigkeit vornehmlich bezieht: auf Informationen, Logik und Zusammenhänge (Hochbegabte) oder auf Sinneswahrnehmungen aller Art und das Wahrnehmen von Emotionen bei sich selbst und anderen (Hochsensible).
Die hohe geistige Wachheit und die aufmerksame Wahrnehmung sind bei Hochbegabten nicht unbedingt verbunden mit der für Hochsensiblen typischen hohen emotionalen Irritierbarkeit und Verletzlichkeit.
Das Denken bei Hochbegabten läuft noch weitaus schneller ab und hat einen höheren Vernetzungs- und Abstraktionsgrad hat, während es bei Hochsensiblen tendenziell bildhafter, assoziativer und intuitiver ist.
Ein großer Unterschied liegt meines Erachtens darin, dass es Hochbegabten ohne Weiteres gelingen kann, sich ganz in ihrem eigenen Denk-Kosmos zu bewegen und ihre Mitmenschen gedanklich beiseite zu lassen, während Hochsensible ihre Mitmenschen irgendwie immer mit im Blick sowie im Denken und Fühlen haben.
Nun mag man sich entscheiden, den Begriff Hochbegabung sehr weit auszulegen und die hohe Wahrnehmungsbegabung Hochsensibler einfach als „Hochbegabung“ zu deklarieren und entsprechend das Attribut „hochbegabt“ der Bezeichnung „hochsensibel“ hinzuzufügen. Ich bin allerdings der Meinung, dass das einem besseren Selbstverständnis in den meisten Fällen den HSP nicht dienlich ist. Sie könnten erneut an sich zweifeln, wenn sie bei sich feststellen, dass sie über keine außergewöhnliche intellektuelle Begabung verfügen. Vielmehr halte ich es zur Stärkung des Selbstwertgefühls für wichtig, den HSP die mit der Hochsensibilität einhergehenden Stärken und Befähigungen bewusst zu machen. Grund genug, sich selbst zu wertschätzen!
9. Wie kann ich gut mit Hochsensibilität leben?
Es ist dem Wohlbefinden und der Gesundheit von HSP abträglich, wenn sie dauerhaft den Lebensstil und die Gangart von Nicht-HSP übernehmen. Wenn HSP sich wirklich wohlfühlen und langfristig gesund bleiben wollen, kommen HSP nicht um die Aufgabe herum, ihre Lebensgestaltung auf ihre hochsensible Wesensart auszurichten und aktives Selbstmanagement zu betreiben. Es beginnt damit, sich die besonderen Bedürfnisse bewusst zu machen und sie ernst zu nehmen, statt sich fortwährend anzupassen. So werden sich HSP vermutlich einen eher ruhigen Wohnort wählen, sich in der Wohnung einen Rückzugsbereich schaffen, der ihnen Alleinzeit ermöglicht; vielleicht sogar allein wohnen. Sie werden sich für einen Job entscheiden, der sie nicht über Gebühr stresst, sondern ein eher reizarmes Arbeitsumfeld und ausreichend ruhige Phasen für konzentriertes Arbeiten bietet. Sie werden den Aufenthalt in betriebsamen Innenstädten und Einkaufszentren auf wenige Stunden beschränken, große Menschenansammlungen nach Möglichkeit meiden, häufig in der Natur neue Kraft schöpfen. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Selbstverständlich brauchen auch HSP anregende Erlebnisse, herausfordernde Aufgaben, inspirierende Begegnungen, nährende Beziehungen – alles jedoch in passender (hochsensibler!) Dosierung.
10. Wie kann ich lernen, mich besser abzugrenzen?
Der oberflächliche Ratschlag „Sag einfach öfter mal Nein“ greift aller Erfahrung nach zu kurz. Man muss wissen: Hochsensible haben ein feines Gespür für die Bedürfnisse und Erwartungen ihrer Mitmenschen. Sie empfinden nicht nur intensiv ihre eigenen Gefühle, sondern in hohem Maße auch die der anderen Menschen. Demzufolge tangiert sie deren Trauer, Enttäuschung, Frustration oder Verärgerung so stark, dass sie viel zu tun bereit sind, um derartige negative Gefühle bei anderen gar nicht erst aufkommen zu lassen. Sie leiden mit, wenn andere negative Gefühle haben, freuen sich mit, wenn andere positive Gefühle haben. Verständlich daher auch, dass sie bestrebt sind Freude zu bereiten, Wünsche zu erfüllen.
Soweit so gut, nur sollten dabei eigene Wünsche und Bedürfnisse (neben dem Bedürfnis, zum Wohlsein anderer Menschen beizutragen) nicht zu weit ins Hintertreffen geraten. In jedem einzelnen Fall ist die Entscheidung zu treffen, was mir wichtiger ist. Anstelle den Aspekt des „Abgrenzens“ zu betonen, bei dem andere Menschen als „Angreifer“ erscheinen, die es abzuwehren gilt, nutze ich gerne das sprachliches Bild, sich selbst Raum zu nehmen. Dabei liegt der Fokus bei einem selbst, bei dem, was einem wichtig ist, was man für sich braucht. Es gilt, den Selbstrespekt und die Selbstwertschätzung zu stärken, damit kommt – so wie ich es sehe – die selbstverständlichere Selbstbehauptung von allein. Und dann gelingt auch der Umgang mit der Reaktion auf ein Nein besser.
11. Was ist im Umgang mit HSP zu beachten?
HSP brauchen eine gehörige Portion Verständnis dafür, dass sie sich für ihre Bedürfnisse einsetzen, zum Beispiel für sich möglichst passende Umgebungsbedingungen schaffen und sich aus mancher Aktivität vorzeitig ausklinken wollen. Im Zusammenleben und -arbeiten sind sie in vielen Belangen des privaten und beruflichen Alltags auf die Bereitschaft der Nicht-HSP zur gemeinsamen Lösungssuche angewiesen.
HSP fassen Äußerungen leicht persönlich auf, fühlen sich schnell angegriffen und sind generell emotional sehr verletzlich („dünnhäutig“!). Schon kleine Störungen auf der Beziehungsebene irritieren sie nachhaltig. Kritische Kommentare und unfreundliche oder gar abwertende Bemerkungen nehmen sie sich sehr zu Herzen nehmen und machen sich noch lange Gedanken darüber. Im Miteinander brauchen HSP mehr noch als andere eine von Respekt, Akzeptanz und Wertschätzung getragene Kommunikation. Die Antwort auf die Frage, wie das praktisch aussehen kann, liefert meines Erachtens bestens das Konzept der so genannten Gewaltfreien Kommunikation (GfK) nach Marshall B. Rosenberg. Für Rosenberg ist Empathie eine Grundvoraussetzung für gelingende Kommunikation: „Was ich in meinem Leben will, ist Einfühlsamkeit, einen Fluss zwischen mir und anderen, der auf gegenseitigem Geben von Herzen beruht.“
Mehr zum Thema Hochsensibilität findest Du im myMONK-Buch Hochsensibel das Leben meistern. Siehe auch Hochsensible Menschen – Wer sie sind und was sie wirklich brauchen.
Text von und herzlichen Dank an: Ulrike Hensel Die Autorin Ulrike Hensel studierte Angewandte Sprachwissenschaft und absolvierte später eine Coaching-Ausbildung. Sie arbeitet selbstständig als Textcoach für Trainer, Berater und Coaches sowie als Coach für Hochsensible. www.coaching-fuer-hochsensible.de |
Photo (oben): Lara Cores
DANKE !!
Auch ich bedanke mich für den Artikel. Ich bin seit ca. zwei Monaten auf den Begriff Hochsensibilität gestoßen und habe mich sofort wieder erkannt. Die vielen Puzzleteile passen wirklich sehr gut zusammen und nach vielen Jahren mit den Diagnosen Burn Out, Depression, Angststörung und zwanghafter Persönlichkeitsstörung beginne ich zu begreifen, dass ich nicht vorrangig „krank“ bin, sondern einfach nicht ausreichend gemäß meinem hochsensiblen Naturell gelebt habe. Aber das kann ich ja nun endlich ohne schlechtem Gewissen immer mehr umsetzen … auch mit Hilfe vieler anderer MyMonk-Beiträge, die ich schon länger mit viel Begeisterung verfolge … Danke Tim
Auch ich spürte eine Welle der Erleichterung, als ich diesen Artikel las. Vielen Dank!
Ich bin selbst nicht hochsensibel, habe aber hochsensible Menschen kennengelernt und dabei als hellfühlender Mensch auch erfahren, welche Geschenke diese Menschen für uns sind.
Wenn so ein Mensch an dich denkt, erhältst du einen Strom hoch schwingender Energie in deine Aura. Sie wirken aufhellend und aufheiternd und auch heilsam. Grund genug, mit Dankbarkeit zu antworten und zu versuchen, unsere schwereren Energien bei uns zu halten, damit das Strahlen erhalten bleiben kann.
Dieser Beitrag hat mich sehr berührt. Solch schöne liebevolle Worte für und über Hochsensible.
Außerdem geschrieben genau ein Jahr nachdem ich erfahren habe, dass ich selbst HS bin. 🙂
Schön, danke Richard
Dankeschön!
Sehr liebevoll und voller Achtung!
Mein Weg hat mich raus aus dem Job geführt um eine intuitive Heilerin zu werden, was meine Berufung ist.
Dass ich HSP bin, hab ich dann so nebenbei zufällig erfahren, was eine Erleichterung war zu wissen, dass es auch einen Begriff dafür gibt.
Ich sehe meinen Weg als ein Geschenk und es macht mir sehr viel Freude, anderen helfen zu können 😉
Wie schön deine Worte sind… sie zaubern mir ein Lächeln ins Gesicht! Danke 🙏
Sau cooler und sehr ausführlicher Artikel! Ganz lieben Dank dafür.
Das Buch werde ich mir mal anschauen – sonst habe ich zu Hause noch „Wenn die Haut zu dünn ist“ oder so ähnlich zu Hause stehen. Zum gleichen Thema =)
wow, danke für den neuen Einblick auf mein Leben, ich dachte immer einfach ich wäre ein Freak… nach Beantwortung der Fragen zur Selbsteinschätzung die alle auf mich zutreffen werde ich mal an meiner Selbstabgrenzung arbeiten… ich bin Menschenmassen so gut es ging einfach immer aus dem Weg gegangen, aufgrund mehrerer Kreislaufzusammenbrüche wurde ich von Neurologen mit einer klaustrophobischen Angststörung versehen und bekam Tabletten die meine Nervenbahnen wieder gerade Rücken sollten, jetzt kann ich die Angelegenheit mal aus einem anderen Blickwinkel sehen… danke
Danke
Vielen Vielen Dank,
jetzt verstehe ich erst alle Zusammenhänge.
Ich hab etwas was bei anderen nicht so stark ausgeprägt ist, dachte immer irgendwas stimmt nicht weil es Dinge gibt die andere nicht die Bohne jucken.
… 😉
<3 D A N K E <3
Vielen Dank für diesen Artikel, als ich vor 2 Wochen das erste mal von HSP laß,(einer Verlinkung über myMONK) fiel es mir wie Schuppen von den Augen! Von über 33 Eigenschaften trafen lediglich 2 nicht so ganz 100% auf mich zu. Ich dachte mein ganzes Leben seit frühester Kindheit ich bin irgendwie falsch, und wurde von meinem gesamten Umfeld auch in diese Ecke geschoben. Irgendwann, so erinnere ich mich hatte ich das einfach aus meinem Leben verdrängt „empfindlich“ zu sein und mich angepasst soweit es mir möglich war, bzw. versucht mit den Anderen mitzuhalten, weil in unserer Gesellschaft, ein dickes Fell, Belastbarkeit und Dinge gut wegstecken Grundvoraussetzung zu sein scheinen, dass man nicht sofort in eine negative Schiene gesteckt wird, nicht brauchbar oder nicht wünschenswert zu sein in verschiedenen Bereichen des Lebens.
Hervorgehoben hat der Artikel aber auch tolle Eigenschaften, die ich schon lange an mir bemerkte, die bei anderen Menschen nicht sehr stark bis gar nicht ausgeprägt sind.
Es erklärten sich auch viele viele Situationen in denen ich dachte, leidet mein Gegenüber unter Wahrnehmensstörungen??
Also wie gesagt vielen Dank fürs darauf stoßen! 😉
…Danke…. nach all den Jahren, in denen ich versucht habe, mir ein dickeres Fell zuzulegen, mein Bauchgefühl zu ignorieren und meine Feinfühligkeit im Umgang mit anderen Menschen zu verleugnen (vor mir und vor den anderen), bin ich vor ein paar Wochen auf mymonk gestossen und mit jedem Tag und jedem Artikel den ich hier lese, finde ich mehr und mehr zu mir selbst zurück und lerne mich akzeptieren wie ich bin. Feinfühlig, emotional, hochsensibel. Und es ist gut so wie es ist, ich bin gut so, wie ich bin. und ich bin nicht allein 🙂 dies fest zu stellen ist ein wunderbares Gefühl… Danke!
Ich musste schon ein paar Mal lachen und schmunzeln da mir das was hier so wunderbar in diesem Artikel beschrieben ist sehr bekannt vorkommt. 😉 Viele Dinge wie das „sich der besonderen Bedürfnisse bewusst machen und sie ernst zu nehmen, statt sich fortwährend anzupassen, Aufenthalt in betriebsamen Innenstädten und Einkaufszentren auf wenige Stunden beschränken, große Menschenansammlungen nach Möglichkeit meiden, häufig in der Natur neue Kraft schöpfen“ musste auch ich erst durch viele manchmal schmerzhafte aber doch wertvolle und dankbare Erfahrungen lernen. 🙂 Wirklich Wunderbarer Artikel. Kann ich absolut nachfühlen und bestätigen. Ich lese gerne bei dir.
Super Erklärung dessen was wir hier als 5 köpfige Familie im Alltag erleben. Papa und Mama sind HSP, da wir es anfangs nicht wußten warum wir so sind wie wir sind haben wir uns selbst überfordert. Panikattacken waren unter anderem eine Folge dessen. Unsere Kinder 10,7,4 haben es leider/glücklicherweise- wie man es sehen mag, auch. ADHS ähnliche Symptome treten auf wenn alles mal wieder zu viel zu laut zu intensiv war. Sei es in der zu großen Kindergarten Gruppe mit 22 Kids auf engem Raum, 28 Kinder 5.Schulklasse Gymnasium oder zb.absolute Unsicherheit des mittleren Kindes bei neuen, nicht einzuschätzenden Situationen. I1 Testung beim 10 jährigen Kind haben wir hinter uns mit sehr hohem Ergebnis. Jedoch kann er das nicht nutzen da die Umgebung nicht lernfördernd ist…nun heißt es entweder Augen zu und durch und lernen wie die anderen zu ticken oder Schulwechsel mit wenigen Schülern im Klassenverband. ..aber wo noch finden als normale Familie mit normalem Einkommen die sich keine teure Privatschule leisten kann…
Wenn es weiter Aufklärung gibt über uns HPS dann wird es vielleicht im Schulleben oder Arbeitsleben weniger Burnouts oder Sitzenbleiber geben… wenn man die Uhr mal wieder anhält, seinem eigenen Pulsschlag folgen kann und nicht in dieser über hektischen Zeit alles fix fix erledigen muss.
Anschließend noch:Ja es gibt uns und ja wir sind keine außerirdische Spezies 🙂
Ganz toll…danke für den Text! 🙂
Das ist immer wieder interessant, zu sehen, wie sich unsere Wissenschaft in ihrem Denken einsperrt. Nun gibt es doch bereits bildgebende Techniken, mit denen wir die Aura farblich darstellen können. Wieso ist denn nicht bekannt, dass die Aura eines HSP heller strahlt und sich weiter ausdehnt als bei anderen Menschen?
Ein spirituell fortgeschrittener Mensch kann dies oft ohne Hilfsmittel wahrnehmen. Und ein Mensch, der fühlen kann, was ein anderer Mensch fühlt, der fühlt sich mit seiner Aura in die Aura des anderen hinein. An der Aura können wir auch ablesen, in welchem Zustand der Mensch ist. Fühlen wir uns verbunden oder eins mit jemandem, so machen wir seine Sache zu der unseren, sind verbunden mit ihm über die Energiehüllen.
Es geht um das Wahrnehmen. Während ich rational denke, arbeitet allerdings die andere Gehirnhälfte, weniger jene, die etwas erspüren hilft. Und Doktoranden konzentrieren sich wohl auf das wissenschaftlich rationale Denken und auf die physikalisch ausgemachten Funktions-Bausteine, wie Gehirn und Nerven.
Für mich sind dies nur Werkzeuge. Ursächliches liegt in der (normalerweise) nicht sichtbaren Hülle. Ein Nicht-HSP sieht sich und ist wohl auch energetisch viel mehr isoliert als ein HSP, er wird deshalb dem HSP unbewusst eher Energie entziehen, als ihm zu geben.
Bin auch ein HSP, und ich muss sagen das es ein schwerer Weg ist den man gehen muss. ich bin 43 Jahre alt und schon seit Kindheit damit belastet,oft wünsche ich mir nicht so sensibel zu sein.
Dieser Beitrag hat mir sehr weiter geholfen.
Vielen Dank
Marc
Ja, ich finde auch, dass es ein schwerer Weg ist und ich wünsche mir, nicht so sensibel zu sein. Ich komme mir oft unverstanden vor.
Ich bin 16 Jahre alt und aufgrund von Depressionen und Panikattacken in einer stationären Klinik. Heute kam eine Therapeutin mit der Idee, ich könne hochsensibel sein. Und tatsächlich: Ich kann mich mit allem, was ich bisher über Hochsensibilität gelesen habe, identifizieren. Danke für die Klarheit!
Ich bin HSP und habe über 10 Jahre Vieles dazu gelesen. Leider überwiegt mit der Zeit immer wieder die Überzeugung, dass HSP zu sein eher ein Nachteil für mich ist. Durch diese hohe Sensibilität bin ich krankheitsanfälliger und oft depressiv. Dabei zähle ich mir immer wieder die Vorteile der HS auf. Es ist ein lebenslanger (gefühlter) Kampf. Sehr oft empfinde ich innerlich Wut über einige meiner weniger sensiblen Mitmenschen, durch die ich sehr viel Energie verliere und deren Kommentare das „Schwache“ „Sensible“ „Zerbrechliche“ im Menschen abwerten. Ich höre sie alle, diese Kommentare. Sie hinterlassen alle eine Spur in mir. Diese Welt so zu akzeptieren wie sie ist fällt mir ungeheuer schwer. Ich würde so vieles ändern wenn ich die Energie dazu hätte. Ich habe keine Schwierigkeiten mit Menschen in Kontakt zu kommen und dennoch fühle ich mich oft einsam. Ich bin ja gezwungen oft allein zu bleiben um der Vielfalt an erlebten Reizen, Gefühlen, überschrittenen Grenzen und dem stets empfundenen Druck entkommen zu können. Ausserdem will jedes Gespräch und Situationen in Ruhe verarbeitet und einsortiert werden. Mein ganzes Leben lang habe ich unbewusst vor den Menschen meine wahren Gefühle verschleiert. Das allein hat täglich Riesenmengen an Energie gekostet. Das Haus zu verlassen und unter Menschen zu gehen ist für mich genauso aufregend wie für normal Sensible ein Fallschirmsprung. Ich brauche keine grossen Abenteuer um mir einen Kick zu verschaffen. Sogar dieser Kommentar hier ist eine Überwindung. Es ist für mich so heilsam diese tausend angestauten Gefühle mal loszuwerden, sonst würde ich wohl irgendwann platzen. Leider wird einem auch von der spirituellen Szene suggeriert, man solle das Jammern vermeiden um glücklicher und gesünder zu werden. Ich schaffe nichtmal 1 Tag ohne einen Jammer-Gedanken. Wo soll ich hin mit all den Gefühlen wenn ich sie nicht rauslassen darf?