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Das Leben läuft oft nicht so, wie wir’s uns wünschen. Wir verlieren, werden krank, werden gefeuert oder verlassen, sehen unsere Partner einen anderen oder eine andere küssen, wie sie uns seit Jahren nicht geküsst haben, sehen schlimmstenfalls sogar unsere Kinder verunglücken.

Das allein heißt aber noch nicht, dass das Leben auch unfair ist.

Die Christen sagen: „Man erntet, was man sät“. Wenn auch vielleicht erst im Himmel oder in der Hölle. Oder: „Gottes Wege sind unergründlich, aber am Ende wird er Dir widerfahren lassen, was am Besten für Dich ist.“

Die Buddhisten sagen: „Karma – also Ursache und Wirkung – bestimmt alles“. Wer jetzt als Baby mit drei Augen, aber ohne Arme und Beine in eine Familie voller bösartiger Gewalttäter statt liebevoller Versorger geboren wird – und dem mit drei Augen erst recht zuschauen muss und ohne Arme und Beine erst recht ausgeliefert ist – um nach wenigen Lebensjahren an einen Organhändler verkauft zu werden, der hat ja sicher im letzten Leben eine Menge falsch gemacht und damit sein heutiges Leid verursacht. Das gilt auch für Millionen toten Zivilisten, die in Kriegen elendig verreckten, für alle Feuerwehrmänner, die beim Einsatz sterben, alle Opfer von mit bis zum Anschlag besoffenen Autofahrerunfallbauern und für alle, die unschuldig ihr halbes Leben lang im Knast sitzen.

Die Selbsthilfeindustrie sagt oft, um ihren Scheiß zu verkaufen: „Du hast es in der Hand! Du kannst ALLES erreichen, wenn Du nur weißt wie! Wer sich genug anstrengt dem wird alles gelingen. Oder: alle Krankheiten sind selbst verursacht. Oder: wer sich etwas genug wünscht oder visualisiert, der wird es definitiv bekommen.“

Was ist aber mit denen, die sich nicht in die religiösen, weltanschaulichen oder marketing-befleckten Betten legen können oder wollen, und daher nicht auf etwas Weichem liegen, das die Gläubigen aller Art besser aushalten lässt, was auf den ersten Blick und auch noch auf den tausendsten Blick unfair scheint?

Fair oder unfair – das ist hier die Frage. Oder?

Die meisten Menschen, mich eingeschlossen, verzehren sich nach der Gerechtigkeit. Nach dem guten Ende. Danach, dass die Schurken bestraft und die Helden belohnt werden. Je nachdem, wie wir mit dieser Sehnsucht umgehen, lassen sich mindestens vier Typen unterscheiden:

  • Typ 1: Wer das Leben für fair hält und sich darin durch nichts erschüttern lässt, ist vermutlich ganz gut dran. Die Leute aus dieser Gruppe berufen sich auf eine Religion, Weltanschauung, ihr eigenes Gefühl oder irgendwelche Gurus.
  • Typ 2: Wer das Leben nicht für fair hält, aber meint ein Recht darauf zu haben, fair vom Schicksal, Zufall oder wem auch immer behandelt zu werden, der ist schlecht dran. Muss er doch wieder und wieder und wieder erleben, wie sich das Leben nicht daran hält. So wie Michel Houellebecq schreibt: „Bei den Verletzungen, die es uns zufügt, wechselt das Leben zwischen Brutalität und Heimtücke.“
  • Typ 3: Man hält das Leben für unfair, denkt aber nicht, dass es eigentlich anders sein sollte, sondern findet sich damit ab.
  • Typ 4: Man hält das Leben für weder fair noch unfair. Man hält „fair“ und „unfair“ nur für Begriffe, gebildet von einem Ego, das zwischen sich und allem anderen eine Grenze zieht, die es eigentlich nicht gibt. Man würde also die Frage „Ist das Leben fair?“ vielleicht beantworten mit „Das Leben ist.“ – jedoch würde man sich diese Frage selbst nie stellen. Unser Ego, unsere selbst auferlegte Trennung vom Großen Ganzen, unterscheidet erst in Richtig und Falsch, Gut und Böse, Fair und Unfair. Ohne Ego keine Unterscheidungen.

Mir geht’s ziemlich gut, ich habe ein schönes Leben, hab mich oft angestrengt, aber auch oft Glück gehabt. Ich musste nie Hunger leiden, konnte ein Gymnasium und eine Uni besuchen und hatte immer Freunde (nur mit mir selbst war ich lange Zeit nicht befreundet). Genauso hätte ich als das dreiäugige Baby ohne Arme und Beine auf die Welt kommen können, und in eine Welt voller Bösartigkeit und Leid.

Und trotzdem, auch wenn alles viel schlimmer hätte kommen können: ich hadere regelmäßig mit so vielen Dingen, die mir oder anderen passieren oder nicht passieren und unfair erscheinen, wenn ich darüber nachdenke.

Ich denke nicht, dass es für diese nicht eintretenden oder eben doch eintretenden Sachen immer einen Grund gibt – an Gott und Karma kann ich zurzeit nicht glauben. Von einer Erleuchtung, sofern es diese überhaupt gibt, bin ich Lichtjahre entfernt – und bis dahin werde ich wohl an einem Ego hängen und damit auch an Begriffen und Unterscheidungen.

Doch verzweifeln will ich an der fehlenden Fairness auch nicht.

Daher denke ich mir, oder versuche zumindest zu denken, so gut ich kann:

Das Leben ist nicht fair. Aber was soll’s.

„Zu erwarten, dass das Leben Dich fair behandelt, weil Du ein guter Mensch bist, ist wie von einem Stier zu erwarten, dass er Dich nicht angreift, weil Du Vegetarier bist.“

– Dennis Wholey

Das Leben ist nicht fair, aber auch nicht unfair. Das Leben meint’s jedenfalls nicht persönlich.

Irgendwie finde ich das sogar befreiend.

Meine Gedanken dazu sehen ungefähr so aus:

  • Das Leben ist nicht fair. Aber auch nicht unfair – ihm ist es einfach egal, was mit uns passiert. Niemand hat uns versprochen, dass es fair ist. Also können wir Fairness auch nicht einklagen und brauchen mangelnde Fairness nicht beklagen.
  • Was mir passiert, hab ich nicht voll in der Hand. Aber was ich tue oder wie ich damit umgehe, kann ich meistens trotzdem beeinflussen. Damit bleibt es für mich sinnvoll, zu kämpfen und zu wachsen. Mein Abenteuer mit offenem Ausgang.
  • Was anderen passiert, haben sie nicht voll in der Hand. Dadurch kann ich leichter mitfühlen. Und leichter dankbar sein für das, was ich habe – denn ein Anrecht hab’ ich auf nichts von Alldem, weder auf Gesundheit, noch auf sonst etwas.

Zum Schluss denke ich an einen Ausspruch der Gebrüder Grimm: „Das Leben mag unfair sein, aber der Tod ist absolut fair“.

Wir alle enden mit leeren Taschen unter der Erde.

Was sagt ihr – ist das Leben fair?

 

Photo: wolfgangfoto