Teile diesen Beitrag "Eines Tages wird dies nicht mehr Dein Leben sein"
Mit 12, 13, 14 Jahren trafen wir uns auf dem Fußballplatz, nach der Schule, jeden Tag, Wetter egal, Hausaufgaben egal, Hauptsache zusammen abhängen und bolzen und Eistee aus dem Tetrapack trinken. Mir kam’s vor, als hätte es nie was anderes gegeben und als würden wir da ewig spielen, ewig zusammen sein, ewig im Gras sitzen in den Pausen.
Kurze Zeit später war das nicht mehr mein Leben.
Mit 15, 16 Jahren saß ich in zugequalmten Zimmern und wir haben gekifft und gelacht und Baggy Pants getragen und mitgerappt zu dem, was vom Band lief, wir wollten cool sein und waren’s irgendwie vielleicht sogar ein bisschen. Wir wussten nicht, woher das nächste Dope oder die nächste (in meinem Fall: erste) Freundin kommen soll. Wir hatten Taschengeld und eine Menge Zeit nachmittags.
Kurze Zeit später war das nicht mehr mein Leben.
Mit 17, 18 gab’s Partys in Clubs (zu denen ich viel zu oft nicht mitgegangen bin), Beziehungen sprossen bei anderen wie bei mir nur die Pickel. Und dann war da noch der Abi-Druck, der nie zu Ende zu gehen schien; Prüfungen, Noten, Durchschnitte und die Angst, es nach zwölf Jahren Schule nun endgültig zu verkacken. Ich konnte mich kaum erinnern, dass es mal anders gewesen sein musste.
Kurze Zeit später war das nicht mehr mein Leben.
Der Zivildienst kam, richtig arbeiten, auch in Nachtschichten, abends um 10 ins erste eigene Auto steigen und dann ab ins Krankenhaus. In meiner Erinnerung war’s da immer Winter, was nicht ganz stimmen kann, aber was soll’s, für mich war immer Winter und der Berg war steil und rutschig und manchmal war’s so arschkalt, dass die Batterie sich weigerte und meine Karre Starthilfe brauchte, und dann müde ins Bett fallen am nächsten Morgen und zum ersten Mal im Leben so erschöpft (und erfüllt) gewesen, dass ich keine Träume hatte im Schlaf. Zehn Monate, okay, doch die fühlten sich an wie zehn Ewigkeiten.
Kurze Zeit später war das nicht mehr mein Leben.
Es wurde abgelöst vom Umzug in eine andere Stadt und von einem Studium, das es eigentlich nur auf dem Blatt Papier gab. So, wie es mich eigentlich nur in meiner Wohnung gab, die leisen bis mittellauten Selbstzweifel der Vergangenheit schrien jetzt und was sie schrien war gemein genug, dass ich mich kaum noch raus traute, stattdessen im Bett liegen blieb, Bücher fraß und mich irgendwie bis zum Abend durchhangelte, an dem’s zumindest ein bisschen erträglicher war. Nicht unbedingt weniger traurig, verzweifelt und einsam … doch passte die Einsamkeit besser in die Dunkelheit. Würde ich da jemals rauskommen?
Eine Weile später war das nicht mehr mein Leben.
Dann wieder Umzug, wieder Studium, wieder Notendruck, diesmal so richtig.
Auch das war nicht für immer.
Dann ein Berater-Job und an jedem Tag, jedes Mal auf dem Weg ins Büro dachte ich: Das darf doch nicht wahr sein, ich fühle mich fremd und falsch hier, ich wollte doch irgendwann mal was ganz anderes machen.
Auch das änderte sich.
Mit meiner Selbstständigkeit und myMONK.
Je älter ich wurde, desto eher konnte ich erahnen, dass alles, was heute ist, morgen vielleicht vorbei ist und ab übermorgen immer mehr als Erinnerung vernebelt, bis man nicht mehr so recht sagen kann, was wirklich passiert ist und was nur konstruiert ist. Doch ahnen ist nicht wissen, nicht sich bewusst machen, nicht spüren.
Vielleicht wäre genau das eine gute Idee. Mir die Vergänglichkeit häufiger bewusst machen und wertschätzen, was gerade da ist – auch, wenn es nicht perfekt ist.
Denn wenn ich zurückschaue, erinnere ich mich zuerst an ganz andere Dinge, als ich es erwartet hätte:
Ich sehe die Erfolge und gemeinsamen Momente viel mehr als die Anstrengungen und Kämpfe um Notendurchschnitte. Ich sehe manche kleinen Dinge, die ich vermisse und ich sehe, wie viel Großes daran und dabei war, das sich in der Situation gar nicht so angefühlt hatte, weil es selbstverständlich schien und garantiert und immerwährend. Ich sehe das Glück, das ich oft hatte. Die Menschen, die da waren, sogar dann, wenn ich mich zurückzog. Ich sehe die Freunde, die ich hatte, mehr als die Freundin, die mir fehlte. Ich sehe, wie mir die schwereren Zeiten später geholfen haben, wie viel ich aus ihnen gelernt habe. Ich sehe, wie viel Schönes es gab rechts und links neben den Problemen.
Schau Dich um.
Eines Tages wird dies nicht mehr Dein Leben sein.
Eines Tages wirst Du diesen Weg zur Uni oder zur Arbeit oder zum Supermarkt zum letzten Mal gehen. Zum letzten Mal durch Deinen Lieblings-Park spazieren. Am Campus rumhängen. Bescheuerte lustige Mails mit Deinem Lieblingskollegen austauschen. Die Kekse essen, die Deine Oma oder Mama gebacken hat. Die Katze streicheln. myMONK lesen. Deine Fußballschuhe zuschnüren. Zusammen mit der Mannschaft trainieren. Kopfüber ins Wasser springen. Den Schulranzen für Dein Kind packen.
Und vieles davon wird verblassen, Treppenstufen nach unten steigen in die Verliese Deines Gedächtnisses.
Etwas ist immer da, etwas Gutes, Wertvolles, Unwiederbringliches, schon jetzt und nicht erst, wenn X erreicht oder Y endlich anders ist.
Koste es aus, solange es da ist, gib alles, wirf Dein ganzes Herz hinein.
Denn eines Tages wird dies nicht mehr Dein Leben sein.
Mehr unter:
- Langsam lerne ich, die Dinge sein zu lassen
- Im neuen Youtube-Kanal von myMONK
- An alle die glauben, sie hängen im Leben hinterher
- 3 buddhistische Sichtweisen, die Dein Leben auf den Kopf stellen können
- und im Buch Wie man Sorgen, Stress und Selbstzweifel loslässt.
Photo: Waterfall / Shutterstock
Aus entsprechender Perspektive gesehen ist alles nur Kleinkram. Bleibt uns nur, ein hilfreiches Glaubenssystem und die Absicht, uns nicht zu sehr wichtig zu nehmen.
LG
Richard
Ich glaube ich schreibe auch mal auf wie oft sich mein Leben schon geändert hat. Ein wunderschöner Gedanke und eine gute Erinnerung daran, noch mehr im Moment zu leben.
Danke für diesen Artikel Tim.
Ein schöner Gedankenanstoß bezüglich der Vergänglichkeit.
So belehrte sie mich, über den Verlust den Wert der Dinge zu erkennen.
Doch jenseits dessen was ich wahrnehme, wartet zeitgleich das Unvorhersehbare. Rückschauend betrachtet, scheint sich das Leben, anders darzustellen, als im Hier und Jetzt. Was bleibt ist die Erinnerung.
Toller Beitrag – Danke.
Eines Tages wird es anders sein und das ist auch gut so. Und zwar nicht nur in schwierigen Situationen, sondern auch in den scheinbar schönen Situationen.
Nur so entwickeln wir uns weiter, auch wenn uns das hin und wieder Angst macht.
Kann den geschriebenen nur zustimmen und musste direkt an dieses Zitat von Matsuo Bashō denken:
„Every moment of life is the last.“
Einen wundervollen Tag euch allen 🙂
ein schöner beitrag <3
Wunderschöner Artikel, der echt zum nachdenken anregt!
Ein Befreiungsschlag, ein umstürzendes Ereignis oder das Umsetzen einer lange ersehnten Veränderung wandeln sich, so dass bei Rückschau oft das Gute überwiegt. Ohne das Erlebte, ohne die Stationen, ohne die Tiefschläge wäre ich nicht da wo ich heute bin. Ja, dafür bin ich einfach dankbar.
Danke für den Beitrag.
Eine der besten Artikel, die ich bisher hier gelesen habe. Vielen Dank!
Super Beitrag.
Hat mir gerade geholfen in einer Situation das positive zu sehen
Jep, toller Artikel!
Dich scheint so richtig der Blues gepackt zu haben, so wie Du dir das von der Seele geschrieben hast. Mir fallen beim Nachdenken deinen Text sehr viele letzte Momente ein, traurige, lustige, sehr schmerzhafte, sehr schöne und auch befreiende. Und immer bleibt die einzige Konstante im Leben: Veränderung.
Danke Tim!
Wow…bin gerührt…
Danke, wunderschön geschrieben. So wahr, dass es kurz ein bisschen zieht im Herzen.
„So wahr, dass es kurz ein bisschen zieht im Herzen.“
Exakt so hab ich es auch empfunden. Ich hätt´s nur nicht so gut ausdrücken können…
Ich kann euch de nur recht geben. Wollte etwas Ähnliches formulieren, aber die richtigen Worte stehen schon da. <3
Wow … tolle Headline und der Text hält, was die Headline verspricht.
Danke für die Einblicke und die achtsamen Gedanken!
Viele Grüße,
Frank
👍👍👍😊😊😊
Danke Tim! Wie wahr dein Text doch ist!
Die Gedanken kenne ich..
Leerstehende Häuser und abgestellte Autos etwa vermögen dieses Gedankenspiel bei mir aus der kalten anzustoßen. Eine alte Gardine..wann diese in letztes Mal aufgezogen wurde, das Fenster das letzte Mal geschlossen, die Wände das letzte Mal gestrichen..Eine Frage auch..was bleibt als Reliquie, der Gardarobenhaken, Lichtschalter, das Poster in der verlassenen Garage oder auch die ehemalig angepflanzte Blume in einem verlassenen, verkrauteten Garten..
Dieser Moment der der letzte ist, ist eben auch nur Teil eines routinemäßigen Ablaufes.
Man kann ihn nicht festhalten oder konservieren, weil er uns nicht erscheint und nichts Besonderes ist (Zum Beispiel wenn man das letzte Mal zum Supermarkt geht)
Man weiß (in den meisten Fällen) auch nicht, wann es das letzte Mal sein wird..
Was uns bleibt ist die Erinnerung mit all diesen Gefühlen und Bildern..
Hey,
vielen Dank für diesen Artikel. Sehr gut geschrieben und trifft es absolut. Erst im Rückblick merken wir oft, dass alles vergänglich ist – das Gute UND das Schlechte.
Wir sollten versuchen, auch die kleinen Dinge & Momente zu sehen und wertzuschätzen. Denn ihre Summe ergibt am Ende unser Leben…
Weiterhin alles Gute und Danke für die inspirierenden Artikel!
LG Nicole
Wow, das ist so toll geschrieben – trifft mitten hinein ins Herz.
Echt ein toller Blog und Eintrag.
Ähnliche Gedanken kamen mir in letzter Zeit auch in den Sinn.
Die Zeiten, das Umfeld, die Gebäude und die Menschen ändern sich.
Einige Menschen gibt es auf einmal nicht mehr und das Leben mit ihnen
war ein anderes als ohne sie. Das Leben ist wie ein Buch mit vielen Kapiteln.
Der eine hat mehr, der andere hat weniger Kapitel bzw. Veränderungen..
Viele Grüße!
Der beste Text den ich von Dir gelesen habe…
hat mich sehr berührt. Irgendwie traurig und glücklich gleichzeitig… aber mehr glücklich! 🙂
so wahr! Wir hetzen und streben täglich nach mehr – ohne zu sehen, wo wir schon längst angekommen sind. Unsere Generation ist leider seeeehr neidisch und irgendwer hat gefühlt immer mehr Erfolg, Glück, Schönheit, Geld.
Super Blogpost!
Wunderbar geschrieben, sehr anregend um sich darüber eigene Gedanken zu machen. Danke Tim, für deine wertvolle Arbeit!
Worte, die auf jeden Fall zum Nachdenken einen bringen. Ich habe sehr viel Respekt davor, dass du den Mut gehabt hast, diesen Weg einzuschlagen.
Super Text. Spricht mir auch aus der Seele. Fast jeder einzelne Satz. Leider ist man viel zu oft doch nur Passagier in seinem Leben.
Ich habe in meinem Blog auch auch mal probiert das Thema in Bezug auf Büroarbeit anzugehen. Vielleicht magst du ja mal einen Blick darauf werfen, ob es etwas für deine Seite sein könnte.
Alles Gute
Stefan
Ich denke in diese Richtung öfter seit das Thema Schulstart meines ersten Kinders aufkam. Wie oft man im Alltag und beim ganzen blöden Genervtsein über Kleinigkeiten bei den Kindern vergisst, dass vieles irgendwann zum letzten Mal geschieht und man es gar nicht mitbekommt. Zum letzten Mal vorlesen, Jause machen, auf den Schultern tragen, alle in einem Bett kuscheln, auf den Spielplatz gehen, das freudige Gequietsche in der Badewanne und vieles, ganz vieles mehr… Und das macht mich irrsinnig sentimental.
Und dann schlafen meine Kinder bei meinen Eltern und die meinen danach ganz freudig dass sie sich gefühlt haben wie damals als ich und meine Geschwister klein waren. Sie erinnern sich an die schönen Momente mit uns, nicht an die schlaflosen Nächte etc. Und ich denke dass schöne daran ist, dass man sich die guten Erinnerungen immer wieder holen kann und event. wiederholen kann (den Enkelkinder Buch vorlesen) und nicht in negative Gedanken hineinsteigern(dafür bin ich zu alt etc)
… Und ja wenn das was grad ist bäh ist: es geht vorbei.
LG
Wow das klingt fast, als würdest du gerade Abschied nehmen. Wundervoller und sehr berührender Artikel. Danke fürs Teilen.
Du bist ein weiser Mensch 😉 Sehr, sehr schön geschrieben!
Hallo Tim…
Ich lese schon länger von dir aber nach dem Lesen dieses Textes muss ich schreiben..ein Feedback geben.
Es ist das beste, was ich bisher von dir gelesen habe. Es ist so tief berührend und so eine .. deine tiefe Erkenntnis die du ganz tief in dir spürst und sie deshalb in so wunderschöne worte fassen kannst. Gelebte..erlebte Erfahrung und das kommt sooo intensiv rüber im Text..danke von Herzen, dass du uns daran teilhaben lässt ..immer wieder..du hast so eine grosse gabe auszudrücken was elementar ist für jeden Menschen wenn er mutig genug ist ganz in die Tiefe seiner Seele zu schauen..
Ich selbst habe auch gerade diesen Punkt zu erkennen, dass es schon immer viel mehr gutes und wertvolles in meinem Leben gab als mir bewusst war. Das da so viel mehr war was mich getragen hat als ich wahrgenommen habe. Es sind alles Phasen unseres Lebens und nichts ist so sicher wie die Veränderung. Das ist schwer zu akzeptieren wenn es um die schönen Momente geht und es tröstet wenn es um die schweren, leidvollen Zeiten geht.
Irgendwann ist das was gerade ist nicht mehr dein Leben..genau so ist es ..also erlebe alles bewusst ..es wird ein ganzes irgendwann und aus allen Zeiten bleibt etwas zurück was gut war in jeder Phase..
Danke Tim und bleibe so mit dir verbunden und hoffentlich noch lange mit my Monk
Fühl dich mal umarmt ..ist mir gerade ade ein zutiefstes Bedürfnis
einfach klasse 🙂
Schöner Text! Ich werde bald umziehen, und so passt es gerade sehr gut. Ich merke, dass ich auf gewisse Weise jetzt schon Abschied nehme, obwohl ich noch zwei Monate Zeit habe 🙂
Ein schöner Kommentar, der Mut macht seinen richtigen Weg zu finden und gehen. Verirrungen gehören auch dazu, oft bringen diese gerade einen weiter.
💗