Durch diesen Job weiß ich, wer ich bin. Er gibt mir das Selbstbewusstsein, den Hühnern zu erzählen, dass ich Kampfpilot bin.
– Barney Stinson, Anwalt (aus „How I Met Your Mother“)
Wenn Dich jemand fragt, wer Du bist, antwortest Du dann etwas wie:
„Ich bin eine leitende Marketingangestellte mit Personalverantwortung“
oder
„Ich bin ein Kampfpilot“?
Was würdest Du antworten … wenn Dir jemand dieselbe Frage stellt … Du aber inzwischen langzeitarbeitslos oder verrentet bist oder beruflich einen oder mehrere Gänge zurückgeschaltet hast?
Und wie würdest Du Dich dabei fühlen?
Nach dem, was ich aus eigener Erfahrung und aus Gesprächen weiß, fühlt sich das besonders am Anfang nicht gut an.
Wir identifizieren uns mit unseren Jobs, verschmelzen mit ihnen, machen unseren Wert davon abhängig, auf welcher Stufe der Karriereleiter wir gerade herumturnen. Ein Teil von mir antwortete damals stolzer „Ich bin Unternehmensberater“ (als ich noch als solcher arbeitete) als anschließend „Ich mache ein paar Sachen im Internet“ (nachdem ich den Job an den Nagel hing). Der Rest von mir war zwar davon überzeugt, dass es richtig und irgendwie auch cool ist, mein eigenes Ding zu machen, aber es blieb ein fades Gefühl: hatte ich es nicht gepackt in der Welt der Unternehmensberater? Bin ich nur geflüchtet? Hat’s mein Gegenüber mehr drauf als ich? Wer bin ich denn jetzt noch?
Vielleicht ist der Wunsch, klar und stolz mit Deinem Job antworten zu können, wenn jemand etwas über Dich wissen will, für Dich ein gewichtiger Grund, diesen Job zu behalten. Auch wenn Dein Herz schon seit langer Zeit schreit: „hau ab von dort, Du wolltest doch eigentlich schon immer Kunst machen / Menschen helfen / schreiben / reisen oder was auch immer“. Ich glaube, dieser Grund ist sehr weit verbreitet, und ich kann ihn, wie geschrieben, aus eigener Erfahrung sehr gut nachvollziehen. Doch so nachvollziehbar das auch sein mag – es steckt etwas Teuflisches darin, sich zu sehr mit dem eigenen Beruf oder der Position zu identifizieren.
Zum Einen, weil diese Identifikation uns von dem abhält, was wir wirklich wollen – unabhängig davon, was „die Leute dazu sagen“.
Zum Anderen, weil sie uns oberflächlich und angreifbar macht (der Job könnte morgen weg sein) und die Tiefe unserer eigenen Person und die Anderer vergessen lässt.
Also: Wer bist Du?
Photo: Dom Crossley
Oh ja, das kenne ich sehr gut. Es ist halt das, was viele zu hören erwarten, wenn sie so eine Frage stellen – und auch das, was sich am schnellsten in wenige Worte fassen lässt: „Ich bin Psychologin“ –> alles klar, nun entstehen Bilder im Kopf meines Gegenübers, die mit Psychologen assoziiert sind. Diese entsprechen oft Klischees und haben kaum etwas mit mir als Person zu tun, aber ich muss mich wenigstens nicht weiter rechtfertigen.
Wie wird wohl reagiert, wenn ich sage: „Ich bin eine nachdenkliche Suchende, die sich für Weisheit und Wissen interessiert, für die Menschen und für die Welt und viel darüber lernen möchte. Die gerne liebe Menschen um sich hat, aber oft auch Rückzug braucht. Die manchmal gerne im Mittelpunkt steht und manchmal lieber Beobachterin im Hintergrund ist. Die manchmal laut sein kann und oft auch ganz weise. Der ihre Prinzipien wichtig sind, diese ändern sich aber durchaus im Laufe ihrer Entwicklung… – und diese Aufzählung könnte ich ewig fortführen, denn das alles macht nur einen Bruchteil von dem aus, was ich wirklich bin – und was ich wirklich bin ist auch ständig im Wandel.“? Da ist es natürlich leichter, die Berufsbezeichnung zu sagen, obwohl ich das natürlich nicht wirklich bin ;-). Aber wer bin? Wer bist du?
Hi Lionessa,
ja, ich weiß, ich denke auch nicht, dass man unbedingt so auf diese Frage antworten muss, wenn einer in der Absicht eines harmlosen Smalltalks auf einen zukommt :). Gefährlich ist es nur dann, wenn Du über Dich selbst denkst „Ich bin ein XY“. Die Identifikation mit einem Job entsteht ja durch die eigenen Gedanken … wenn man sich selbst so oberflächlich / klischeehaft (und das machen echt nicht wenige) als das definiert, was oder wo man arbeitet und nicht (oder nur teils und dann auch abgeschwächt) durch das, was wir anderen über uns erzählen.
Timothy Ferriss hat dann immer, als es ihm zu doof war, auch nur seinen Beruf zu erklären, gesagt, dass er Drogen auf dem Schulhof verkauft. Kann man auch so machen, find ich okay (also das mit der Antwort, nicht das Drogenverkaufen selbst natürlich).
LG Tim
Oh ja, die Identifikation über den Beruf. Die kenne ich auch, wenn auch mehr bei denjenigen, die wirklich Vollzeit berufstätig sind. Spätestens seit ich Mutter bin ist der Beruf nur noch ein Teil meiner Identifikation.
Meine Antwort auf die Frage, wer oder was ich bin?
Ich bin ich. Ich habe einen Beruf, klar, aber ich bin viel mehr als nur das. Fragt mich einer, was ich beruflich mache, dann nenne ich ihn. Fragt mich einer, wer ich bin, kann ich nur sagen: ich. Wenn ich mag, kann ich das ausschmücken, meinen Beruf nennen, Eigenschaften hinzufügen, und so weiter.
Zugegeben, ich bin noch auf dem Weg dahin, als ich zu leben, so wie ich bin, ich habe noch ganz viele Schritte zu machen, bis ich wirklich weiß, wer oder was „Ich“ bin. 🙂
Hi Claudia, was heißt hier, Du bist „noch“ auf dem Weg 🙂 … das ist doch schon eine ganze Menge … ich würde sagen Du bist „schon“ auf dem Weg … weißt Du, ich glaube, dass es viel zu viele Menschen gibt, die das nicht von sich behaupten können. Außerdem ist der Weg ja eh unendlich lang, was zählt, ist das man auf ihm voranschreitet. LG Tim
Ich habe den Artikel soeben erst gefunden – und passender Weise steht demnächst ein Klassentreffen an. Da dort garantiert die Frage kommen wird „Und was machst Du so?“ habe ich mir bereits ein paar Gedanken gemacht.
Zu oben skizzierter Problematik würde ich eine Nuance in der Formulierung anpassen. Anstatt zu sagen „Ich BIN Unternehmensberater“ (ich mag diesen Ausdruck nicht), nehme ich mir vor zu erklären, dass „ich für eine Unternehmensberatung mit Schwerpunkt auf … in …“ arbeite. Klingt schon ganz anders, oder?
Hi Christian,
ohjeohje, ein Klassentreffen! 🙂
Gute Idee, diese Umformulieren, nur eine Anmerkung meinerseits:
Man könnte auch sagen, Du arbeitest nicht für den Arbeitgeber, sondern für Dich – bei dem Arbeitgeber.
LG
Tim