Die längste Zeit meines Lebens war mein liebstes Werkzeug nicht mein Verstand (oder das, was davon übrig ist nach absurd viel miesem Fernsehkonsum, Danke Britt, Danke Vera, Danke Arabella). Es war auch nicht meine Intuition, dieser kleine, sanfte Faden, an dem wir entlang gehen können. Mein liebstes Werkzeug war die Brechstange.
Wenn ich etwas wollte, musste es passieren. Und zwar am besten gestern. Dachte ich jedenfalls. Also ackerte ich, schob Nachtschichten, gab GAS, biss mir Zähne aus. Im Studium, in der Selbstständigkeit, auch in privaten Angelegenheiten (mag mich! lieb mich! komm zu mir!).
Ab und zu hatte ich auch Erfolge zu verzeichnen … die dann nur keine echten waren, denn so erschöpft konnte ich sie nie genießen. Kraft- und zahnlos am Pokal nuckeln, das ist nicht gerade der Stoff, aus dem Instagram-Storys gemacht sind.
„Wie man Sorgen, Stress und Selbstzweifel loslässt“
Nach zahlreichen Feldversuchen kann ich sagen: Das Gras wächst nicht schneller, wenn ich daran ziehe.
Und langsam lerne ich, die Dinge nicht mehr zu erzwingen. Ich lerne, ihnen Raum zu geben … und will in diesen Raum nicht mehr mit der Brechstange eindringen.
Ich lerne, dass vieles einfach seine Zeit braucht und manches unsicher bleibt, vielleicht auch nie passiert. Leicht ist das nicht. Aber immer noch leichter als ein ewiges Kämpfen und Verzweifeln, Wand gegen Kopf, Mensch gegen Universum.
Ich lerne, dass was kommen soll, kommt. Wenn ich wirklich bereit dafür bin, wenn es dafür bereit ist, wenn es passt, wenn es richtig ist. Und so oft war der größte Haufen Scheiße am Ende der Dünger für das Beste und Schönste.
Ich lerne, dass wer gehen will, geht. Reisende sollte man nicht aufhalten, denn nichts ist kälter als ein Mensch, dessen Herz an einem anderen Ort schlägt, weit weg von hier, von mir.
Ich lerne, meinen Wünschen weniger hinterherzurennen. Denn was vor mir davonläuft, ist wohl nicht für mich gedacht. Und wer zu viel will, der steht am Ende meistens mit leeren Händen da wie ein betrunkener Spieler im Casino, ein bisschen Glück gehabt und dann alles verzockt, alles verbockt und nun der größte Kater aller Zeiten.
Ich lerne, dass mich finden wird, was mich finden soll. Bis dahin kann ich mich auch mal zurücklehnen, auch mal zurückdrehen das Tempo. Denn wer zu angestrengt sucht, der findet meistens gar nichts. Hundert Tinder-Dates, Tausend zurechtgelegte Worte, noch mehr Unsicherheit und null Liebe. Bis sie plötzlich da ist, ganz woanders herkam, und kein Profil mehr verschönert, kein Wort mehr zurechtgelegt, keine Frage mehr beantwortet werden muss.
Ich lerne, meinen Versuch der Kontrolle aufzugeben, die ich nie hatte. Nicht alle Antworten haben zu müssen, nicht den Fahrplan für die gesamte Strecke zu kennen. Und ich will lernen, das Leben mehr als Freund zu sehen, der mir Gutes will, nicht als Feind, vor dem ich mich verstecken muss, mit offenen Augen schlafend, die Hand nie zu weit weg von der Waffe zur Selbstverteidigung.
Ich lerne, geduldiger mit mir selbst zu sein. Nicht mehr so viele Pläne zu schmieden, die höchstens ein Roboter erfüllen könnte. Mir Fehler zu verzeihen, die neuen und die alten und draus zu lernen. Zu sehen, dass ich tue, was ich kann, mit dem, was ich habe. Das kommt mir oft zu wenig vor, doch was ändert das schon.
Ich lerne, dem Fluss des Lebens zu folgen, statt ihn biegen oder anhalten zu wollen.
Langsam zwar, doch auch das ist einfach, wie es ist.
Mehr Inspirationen und Gedanken findest Du bei myMONK auf Instagram.
Mehr Texte zum Thema findest Du unter An alle, die glauben, sie hängen im Leben hinterher und unter Was, wenn ich einfach nur ein mittelmäßiges Leben will? sowie im myMONK-Buch Wie man die Dinge nicht mehr so persönlich nimmt.
Photo: Calm Man / Shutterstock | Inspiriert von: Rania Naim
Lieber Tim,
wenn Worte ein Lächeln ins Gesicht zaubern und ein Gefühl der Wärme auslösen, ist das ein wunderschönes Geschenk. Ich danke dir.
In einer Welt, in der alle wie Getriebene rennen, noch schnell das passende Tool kaufen, sich optimieren und alles tun, um endlich den heiligen Gral zu erreichen, ist es eine Wohltat bei dir zu lesen, dass wirkliche Zufriedenheit ganz woanders zu finden ist.
Liebe Grüße
Claudia
Liebe Claudia, lieber Tim,
vielen Dank für den tollen Text und den Kommentar, der es nochmal so auf den Punkt bringt.
Der Schlüssel zu allem ist Geduld und Loslassen. Das muss ich mir auch ganz oft sagen, wenn ich doch wieder hektisch werde.
Ich wünsche einen wunderbaren Tag!
Guten Morgen,
der Text hätte von mir sein können…
Eine Passage hat es mir besonders angetan, weil ich mich momentan genau damit extrem beschäftige.
„Ich lerne, meinen Wünschen weniger hinterherzurennen. Denn was vor mir davonläuft, ist wohl nicht für mich gedacht.“
Im Grunde, eine gute Einstellung zum Entschleunigen. Ich sehe hier jedoch ein größeres Problem, dessen Lösung ich noch nicht wirklich gefunden habe. Die Grenze hier, zwischen realer Einschätzung, Entschleunigung, Loslassen und Resignation ist sehr schwammig.
Gehen wir mal davon aus, ein konkreter Wunsch entsteht aus einem Mangel. Einem Mangel an Liebe, Verständnis, Geld, Erfolg, Aufmerksamkeit usw. Je größer der Mangel, desto größer die Anstrengung den Wunsch mit Hilfe des Willens und der Leidenschaft in die Tat umzusetzen. Solche starken Vorgänge entstehen meistens tief in unserem Unterbewusstsein, unsere innere Stimme sagt uns ganz genau was sie möchte und was nicht. (Leider hören viele diese nicht mehr, da zuviele Störfaktoren unser Denken und Fühlen zu uns selbst arg stören und manipulieren)
Den meisten Menschen fällt nichts in den Schoß. Egal ob bei der Liebe oder im Beruf, eigenes Engagement ist das A und O! Will ich was haben, WÜnsche ich mir was, bleibt mir oft nichts anderes übrig wie hinterherzurennen, denn die Konkurenz ist groß und wird immer größer. Wenn ich darauf warten will, dass meine Traumfrau mich anspricht, und mein Traumarbeitgeber mich anruft, dann werd ich wohl ewig warten können, und immer frustrierter werden weil nichts passiert…
Ich bin Realist… aber auch ein (hoffnungsloser) Romantiker, der ein ziemlich ausgeprägtes innerliches Feuer hat und an die große Liebe glaubt. Was mache ich nun wenn DIE EINE plötzlich auftaucht? Meditieren bis sie mich zum Kaffee einläd, oder werde ich aktiv und tue es selbst? Laufe ich meinem Wunsch nach, stecke Energie und Leidenschaft in diesen Menschen, breche meine Zelte eventuell zu einer existierenden Partnerin ab (die mich nicht so glücklich macht wie ich es gerne hätte) oder laufe ich nicht mehr nach, resigniere und bleibe wegen meinem Sicherheitsgedanken in meinem alten trott? Denn seien wir ehrlich, man bekommt selten was geschenkt oder?
Dieses Beispiel kann man auch auf viele andere Bereiche projezieren… lange Rede kurzer Sinn, für mich würde ein „nicht mehr hinterherlaufen“ eine Resignation darstellen, ein Aufgeben. Denn das Leben tut nun mal manchmal weh, und das ist auch gut so 😉
Vielleicht hab ich ja einen Denkfehler, wie siehst Du ( Ihr Alle) das?
LG
Henry
Hallo Henry,
für mich hakt deine Argumentation schon daran, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass du „DIE EINE“ einfach so auf der Straße erkennst 😉
Zum Teil gebe ich dir aber recht. Ganz ohne eigene Initiative passiert im Leben Garnichts. Ich glaube aber auch nicht, dass so ein Verhalten mit dem Text gemeint ist. Sondern das zwanghafte immer mehr, immer schneller, immer verkrampfter.
ich glaube, daß es „die Eine“ gar nicht gibt. Dabei handelt es sich mMn um eine Vorstellung zwischen den eigenen Ohren. Es ist eine meist sinnlose Projektion von Wünschen und Hoffnungen auf eine Person. Dieser Blogbeitrag beschreibt es treffend: Loslassen. Daduch gewinnt man Freiheit. Ich denke, es ist unbedingt wichtig, offen zu bleiben für die Menschen, denen man begegnet. Dann finden sich meist unerwartet und überraschend Menschen, mit denen man mehr teilt als nur Smalltalk.
Hi Henry,
Ich denke nicht das Denken, ein Fehler ist.
Der Inhalt bestimmt die Richtig.
zitiere:
Was mache ich nun wenn DIE EINE plötzlich auftaucht?
———
Und was macht Sie, wenn Du plötzlich auftauchst?
Es wird das passieren, was passieren wird. Doch ob es passieren wird, weiß Mann/Frau nie.
Die Frau oder der Mann als beliebtes Spekulationsobjekt.
Spekulation, Hoffnung, Glaube, Realität – ein unglaubliches Schauspiel von Emotionen.
Wünsche Dir jedoch von Herzen, einen liebevollen Wegbegleiter.
Vielen Dank für Eure Antworten.
Ja das mit der Projektion ist so eine Sache. Da gebe ich Euch recht. Das Unterbewusstsein hat einen Mangel und kommuniziert es ans Gehirn, nun liegt es an ihm das Ganze zu „entschlüsseln“. Es kann durchaus sein, das man was völlig falsch interpretiert und sich im Kreise dreht. In diesem Falle wohl das kanalisieren von tiefen Wünschen zb. nach Erfüllung oder Friede, in einen „Gegenstand“, hier eine Person.
Natürlich „die Eine“ auf der Straße zu treffen war etwas überspitzt dargestellt, aber Eure Reaktionen darauf haben mir einen Denkanstoß gegeben, Danke!
Also loslassen von allem was uns nicht gut tut, und aufnehmen von allem was uns gut tut…kling nach einem Plan!
LG
Henry
Henry, deine Gedanken sind sehr nachvollziehbar für mich. Ich habe lange gedacht, dass „Loslassen“ und „sein Leben in die Hand nehmen und handeln“ irgendwie im Widerspruch stehen. Inzwischen denke ich etwas anders. Verantwortung für sein Leben zu übernehmen, aktiv werden und seine Wünsche verfolgen sind wichtig. Nur brauchen viele Dinge eben ihre Zeit. Und es wird immer Hindernisse geben, was nicht heißen soll, dass man gleich das Handtuch schmeißt, weil es zu schwierig ist…
Ich denke man muss einfach weitermachen, sich aber gleichzeitig von der Idee lösen, dass alles sofort geschehen muss. Manche Dinge ergeben sich ganz anders als man sie ursprünglich geplant hatte. Loslassen halt. Perfektionismus ablegen. Alles zu seiner Zeit.
Lieber Tim
schön zu lesen, dass Du bezüglich Seinlassen und Loslassen, eine Bewusstseinserweiterung erfährst.
Denn Loslassen und Seinlassen, ist eine persönliche Befreiung.
Glückwunsch zum Lernerfolg.
Wow Tim, deine Worte haben mich gerade so tief berührt und genau da getroffen, wo sie hinsollen, ins Herz.
Ich mache gerade einen sehr ähnlichen Prozess bzw. Gedankengang durch und finde du hast es auf den Punkt getroffen.
Außerdem liebe ich deinen Schreibstil und vor allem wie du Worte in Bilder überträgst:
„Kraft- und zahnlos am Pokal nuckeln, das ist nicht gerade der Stoff, aus dem Instagram-Storys gemacht sind.“
Da musste ich schon ein wenig grinsen (zum Glück habe ich noch Zähne 😉 )
Mach weiter so, du bist auf dem richten Weg! Deine Worte inspirieren mich jedes Mal aufs neue, danke!
Liebe Grüße aus Hamburg,
Marilena
„Das Gras wächst nicht schneller, wenn ich daran ziehe.“ – Bester Spruch ever! Und so verdammt wahr (auch auf andere Bereiche bezogen).
Super! 🙂
Grüße
Felix
Bewusstseinserweiterung ist zu erkennen mit dem Artikel für mich. Das ist wohl der Punkt hier. Finde ich auch. Zulassen aus Vertrauen heraus in das, was hinter dem Tellerrand ist. Abwarten und etwas stimmges beabsichtigen, im Tun folgen. Vielleicht verstehen wir „lernen“ oft (noch) wenig in diesem Sinn von Bewusstwerdung und Gewahrwerdung.
Hi Tim,
danke für deine Worte! Deine Artikel sind sehr inspirierend!
Beim Lesen musste ich an Gartenarbeit denken: Man kann sich noch so sehr um die Pflänzchen kümmern, wachsen tun sie nur von alleine 😉
Liebe Grüße
Stefan
Geduld ist ein wichtiger Faktor. Richtig – das Gras wächst tatsächlich nicht schneller wenn man daran zieht.
Trotzdem muss das Gras auch gesät und gepflegt werden – dies sollte man dabei nicht vergessen.
Lieber Tim,
ich habe dir einige Jahrzehnte Leben voraus aber ich kann jedes einzelne Wort von dir unterschreiben.
Selten habe ich so kurz und klar die Wegbeschreibung zu einem wirklich glücklichen Leben gelesen.
Danke dir dafür
liebe Grüße
Edwin
Hi Tim,
das habe ich gerade gebraucht. Vielen Dank 🙂
Liebe Grüße
Ilo
Ich versuche, das auch zu lernen. Mal bin ich gut darin, oft nicht. Ich merke, wie mich die Welt behindert, da gibt es Menschen in meinem (beruflichen) Umfeld, deren einzige Lösung ist: Mehr zupacken, mehr beißen, mehr kämpfen. Viele Menschen denken, dass das Leben ein harter Kampf sein muss, sonst stimmt was nicht. Sie besiegen sich laufend selbst und sind daher immer die Verlierer. „Einfach mal kommen lassen“, das darf ich in diesem Umfeld nicht mal erwähnen, die Blicke könnten schiefer nicht sein. Man rutscht dann da verdammt schnell rein in so eine Denke.
Zum Glück hab ich auch noch andere Berufe/Berufungen, da kommen die Dinge oft auf mich zu. Wenn ich sie lasse. Nur: Ganz von alleine passiert auch nichts. Als faule Ausrede taugt dieses Prinzip nicht. Wer untätig herumgammelt auf seinem Sofa, zu dem kommt meist exakt nichts. Man muss schon rausgehen und was machen. Manchmal muss man auch nur der richtigen Person sagen, dass man dies und das machen will, dann geht’s auch schon.
„Denn was vor mir davonläuft, ist wohl nicht für mich gedacht.“ – einfach großartig! Danke für den Absatz zu den Wünschen, das ist grad genau mein Thema.
Hi Tim, danke! Hat gerade gepasst.
Sehr schön! Und es ließt sich wirklich gut…
Lg, Lani
… der Text ist sooo schön! Er spricht zu meiner Seele! Daaaaaaanke Tim
Ich bin zwar nicht sonderlich relgiös und man kann das Wort „Gott“ vielleicht auch weglassen, aber ich musst beim Lesen an folgenden Satz denken:
„Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden“
Zum Thema „Loslassen“. Ich habe mich monatelang nach einem psychischen Trauma damit rumgequält. Habe es wieder und wieder gedanklich durchgespielt und gemerkt, dass ich nur mir selbst damit schade und mich immer wieder runterziehe und psychisch nicht gesund werden kann. Lange habe ich über das Thema Vergebung gegrübelt, weil ich dachte, wenn ich dem Täter vergeben kann, kann ich das Trauma loslassen. So viel Grösse habe und hatte ich aber leider nicht – ich konnte nicht vergeben.
Und dann war ich alleine für ein paar Tage am Meer, habe das Ganze noch 1x durchgedacht und durchlitten. Dann habe ich es als Stichwörter in den Sand geschrieben. Es war ein sehr windiger Tag und ich habe dabei zugesehen, wie der Wind die Worte weggeblasen hat und mir dabei vorgestellt, dass der Wind „es“ mitnimmt – einfach nur, weil ich es wollte. Weil ich nicht mehr darunter leiden wollte. Es ist zwar eine Erfahrung in meinem Leben, aber eben nur EINE Erfahrung und nicht mehr. Und ich wollte dieser Erfahrung keinen Raum mehr geben.
So schräg es sich anhört, aber es hat funktioniert – ich konnte „es“ dortlassen. Es belastet mich nicht mehr. Wenn ab und zu mal ein Gedanke in die Richtung geht, denke ich an das Bild, wie der Wind die Wörter mitgenommen hat.
Das Loslassen macht frei und zwar ohne, dass ich dem Täter vergeben musste.
Wunderschön gesagt. Wir sind nicht unsere Vergangenheit, sondern was wir daraus machen. Viktor Frankl ist ein Paradebeispiel dafür (nur eins von vielen), dass man immer wieder die Möglichkeit hat aufzustehen und weiterzugehen, egal wie stürmisch und schlecht es manchmal kommt. Sam Berns hat mal gesagt: „Being brave isn’t supposed to be easy.“ Alles Gute dir jedenfalls 🍀
Wunderschöner Text, den ich nur teilen kann! Danke dafür! 🙂
Super schöner Beitrag und genau passend auf meine derzeitige Situation!
DANKE
besser hätte ich es für mich auch nicht ausdrücken können!!! Mal wieder den Nagel voll auf dem Kopf getroffen !!! Vielen Dank !!!
Wow, ein ganz toller Artikel… Klingt nach Frieden pur, wenn man das mal für sich umsetzen kann. Bei mir klappt es mit der Umsetzung leider noch nicht so ganz …:-D
Zum Thema Loslassen oder focussieren kann ich einen Beitrag leisten. Jetzt, wo ich im Begriff bin, meine diesbezügliche Geschichte niederzuschreiben, merke ich, wie sehr sie mich immer noch berührt und wie wenig ich letztendlich beeinflussen konnte – ausser mir immer wieder Druck zu machen.
Ich war eine im Leben stehende Frau, attraktiv, hatte einen tollen, erfüllenden Beruf, einen großen, guten Freundeskreis, eine schöne Wohnung, und, und und. Nur eines hatte ich nicht – einen passenden Mann. Natürlich über die Jahre immer wieder Beziehungen, einige auch etliche Jahre, und doch lief nichts auf Dauer richtig. Ich habe mich bemüht, bis ‚ziemlich angestrengt‘, hab mehrfach versucht, meine Einstellung den Gegebenheiten anzupassen (z.B. ‚stell dich nicht so an‘, ‚du bist zu wählerisch‘, ‚jetzt lass mal 5e grade sein‘, bis zu ‚mit mir nicht‘, ‚das mach ich kein ganzes Leben lang mit‘….und, und, und. Aber natürlich konnte ich die Situationen nicht beeinflussen, weder so noch so.
Ach ja, natürlich war ich zwischendurch auch in diversen Dating-Portalen unterwegs, traf mich mit etlichen Männern – und ich kann nur sagen, das war größtenteils nicht witzig. Mit ‚interessant’ könnte man es nötigenfalls auch betiteln. Ja, ich wollte eine feste, möglichst andauernde Beziehung in meinem Leben, aber nicht um jeden Preis.
Also richtete ich mir mein Leben (erstmal) allein ein, aber natürlich hab ich immer mal wieder nach ihm geschielt, nach ‚dem‘ Partner. Wie gesagt, eigentlich fehlte es mir nichts, außer IHM.
Ein halbes Jahr nach meinen 50. Geburtstag bat mich ein homosexueller Freund, der ebenfalls auf Partnersuche war, eine Kontaktanzeige in einem Wochenblatt anzuschauen und ihm meine Meinung darüber zu sagen. Gesagt, getan und nachdem unser Telefonat zu Ende war, überflog ich die Hetero-Anzeigen nochmal. Dazu muss ich sagen, dass ich zu dieser Zeit schon lange keine Kontaktanzeigen mehr las. Und siehe da, eine sehr lange Anzeige sprang mir ins Auge und der Text hat mir gut gefallen. Und nach einigem Ringen bin ich über meinen Vernunftsschatten gesprungen und dachte: na ja, einmal versuch ich’s noch und schrieb auf die Anzeige.
Und wie das Leben es halt manchmal gern tut: ein paar Tage später erhielt ich den Anruf eines sehr interessanten Mannes mit englischem Akzent.
Nach einigen weiteren Telefonaten und Treffen, war für uns beide schnell klar, dass unsere Suche beendet ist und er zu mir zieht. Ich weiss, wahrscheinlich klappt vielen von euch jetzt der Unterkiefer runter – bei mir war das innerlich ebenso und erst in meinem Umfeld! Ich war ein absoluter Sicherheitsmensch, Und doch wusste ich, ich will das.
Dazu kommt, dass es für uns keineswegs einfach war: mein Mann war arbeitslos und wir lebten überwiegend von meinem Geld (wenn mir das vorher jemand erzählt hätte, hätte ich ihm den Vogel gezeigt). Er übernahm den Haushalt und ich ging arbeiten – das war nicht mein Ursprungslebensmodell (dass ich auch in diesen Dingen altmodisch bin, wusste ich vorher nicht. War ich aber, – bis das Leben mich anders belehrte).
Nach 1 Jahr sind wir in die Staaten geflogen, erlebten dort, am Strand in Grand Beach, Manitoba, eine wunderbare Trauung mit unseren lieben Wirtsleuten Will und Irma, der Commissionerin Leni und ihrer Familie. Darauf folgte ein unvergesslicher Honeymoon-Trip durch USA und Kanada.
Am 13.11. beginnt unser 14. gemeinsames Jahr. Natürlich gab es auch schwierige Zeiten, aber die guten überwogen bei weitem. Unsere Liebe ist weiter gewachsen und hat sich gefestigt. Wir sind sehr dankbar, dass wir uns gefunden haben und freuen uns unseres gemeinsamen Lebens. Mittlerweile sind wir beide in Rente und gerade von einem ‚Zeit losen’ Trip aus Italien zurückgekommen.
Und seid gewiss – in meinem ganzen Leben hätte ich mir diesen Weg weder vorstellen, noch ‚basteln‘ können – er kam auf uns zu und wir waren bereit. Oder: wir waren bereit und er kam auf uns zu?
Liebe Grüße
Sylvia
Hallo Tim, das ist für mich einer der beeindruckendsten, besten Beiträge von Dir!!! Du schreibst eh sagenhaft:) Aber heute bin ich richtig richtig begeistert!!! Ich danke Dir!!! VLG Uli
Sgt geschrieben!
ICH habe also die Lizenz, mich auch mal einfach nur zurückzulehnen und den Dingen, ihren Lauf zu lassen?
O.k.
Will ich probieren!
Hi Tim, wie Recht Du hast! Weniger ist wesentlich mehr und wesentlich ruhiger und ausgeglichener!
Lass Menschen und Situationen an Dir vorbei ziehen, wie Autos auf der Autobahn und konzentriere dich auf die kleinen Schönheiten im Leben und plötzlich lächelt man still vor sich hin und fühlt sich frei und zufrieden! Der Weg dahin ist nicht einfach, aber er lohnt sich, um endlich befreit zu sein von dem Machtgehabe der Menschen. 😊 LG
Wie schön sich das liest und wie wahr … und so richtig ..ich bin auch gerade dabei es zu lernen.. ❤
…. Dass ich diesen Artikel erst jetzt lese – weiß auch nicht, warum. Letztes Jahr hat er mich halt wohl noch nicht gefunden 😉. Jetzt jedenfalls stimmt er für mich in den meisten Aussagen. Danke dafür und für die vielen Infos und Inspirationen, lieber Mönch.
Ich habe in den letzten 3 Jahren viel gelernt und fühl mich seit einigen Monaten so gut wie schon lange nicht mehr.
Auf Mymonk mag ich nicht mehr verzichten, auch wenn ich mich nicht immer sofort selbst wiederfinde… Danke für diese Seite, Tim!
Ein wunderbarer Tex, über das sein lassen!
Wie auf mich zugeschnitten.
D.h. dass ich nicht permanent, aktiv sein muss (und dann natürlich zahlreiche Enttäuschungen verbuche).
Sondern ich kann/darf und soll mich sogar, einfach mal zurücklehnen und darauf vertrauen, dass alles wird, wie es wird. Und am Ende ist es gut!
Worte können Schmerzen lindern
Danke
Wortspirin
Richtig gut geschrieben! Ich erkenne mich da leider wieder und bin wohl noch nicht an dem Punkt, zu behaupten, ich hätte all das schon gelernt. Aber danke, danke für döse Worte!
Wundervoller Text, der mir aus der Seele spricht 🙂
Danke …. ich lerne das auch alles … einfach nichts tuen gibt mir ein gefühlt wertlos und nichts erreicht zu haben – muss ständig machen machen machen . aber immer für andere (meistens) weil es mir selbst ja nicht gut gehen darf.
ja plötzlich was Sie da . die Liebe und ich habs kaputt gemacht aus Angst, aus zweifel aus nicht ZULASSEN können 🙁
LG
Lieber Tim, ich habe diesen Text bei mir abgespeichert, um ihn in schweren Zeiten immer wieder durchzulesen. Dieser Artikel gibt mir sehr viel Kraft. Danke dafür ❤️
Ich bin auf anderem Weg auf dieselbe Antwort gekommen und es tut gut zu lesen, dass jemand anderes dieselbe für sich gefunden hat.
Ich hatte stürmische Zeiten, aber noch so viel Ruhe, Gelassenheit gespürt und Klarheit gesehen. Es ist so wichtig, zu erkennen, dass Kontrolle begrenzt und das Leben endlich ist. Und dass aber mein Wille und mein Liebe unbegrenzt und unendlich sind.
Vielen dank.
Wunderschöner Text! Danke!