Teile diesen Beitrag "Erst denken, dann reden (kleiner Aufruf zu mehr Achtsamkeit)"
Früher fand ich das nur peinlich. Und ich-kotz-gleich-öde, im Deutschunterricht. Jetzt lese ich sie wieder häufiger: Gedichte.
Dabei bin ich auf dieses gestoßen. Es ist von Erich Fried und heißt „Humorlos“.
Die Jungen
werfen
zum Spaß
mit Steinen
nach Fröschen
Die Frösche
sterben
im Ernst
Die Steine können auch Worte sein, die wir Menschen uns gegenseitig an den Kopf werfen. War doch nur Spaß, hahahahaha, jetzt mach doch nicht auf beleidigte Leberwurst, stell Dich nicht so an, ist doch nicht so gemeint.
Nicht so
gemeint
aber
gemein
trotzdem.
Und gefährlich.
Ich weiß noch immer, wie mir jemand vor 10 Jahren zwischen fünf halbfremden Mädchen bei einer Silvesterfeier sagte, ich sehe aus „wie Rudolf das rote Rentier“, weil ich einen fiesen Pickel auf der Nase hatte. Ich weiß auch noch, wie mir damals echt mageren Jungen vor 15 Jahren jemand sagte, ich sei „dünn wie ein Strich in der Landschaft“. (Beispiele aus der harmloseren Ecke.)
Und ich wette, dass der Junge, den ich vor 15 – „im Spa-a-a-ß natürlich!“ – wegen seines Stotterns hänselte, ja, dass der es auch noch weiß.
Ist doch in der Erwachsenenwelt nicht viel besser.
Nicht, dass ich jetzt heulen muss, wenn ich daran denke. Aber wer weiß, welche kranken, unsichtbaren Wurzeln der „Spaß“ im Baum meiner Synapsen geschlagen hat.
Zeit, ein bisschen mehr aufzupassen, was wir anderen an den Kopf knallen. Kann mich selbst da auch nicht von freisprechen.
P.S.: Siehe auch Sprich achtsam: Wie Deine Worte nachhaltig Dein Gehirn verändern sowie Achtsam sprechen oder einfach mal die Schnauze halten.
Photo: José Manuel Ríos Valiente
Dazu gibt es ein indianisches Sprichwort:
„Zwei Dinge kannst du nicht zurück holen:
Den verschossenen Pfeil und das gesprochene Wort“
Beides trifft und bewirkt etwas im Augenblick des Treffens (Ursache/Wirkung)
Interessant finde ich auch dabei, dass die negativen Formulierungen nicht vor Verletzungen schützen:
„Heute siehst du gar nicht mehr so schei**e aus wie gestern!“
„Ich sag jetzt nicht, dass ich das voll doof finde… aber mach mal weiter…“
und das Kompliment „nicht schlecht“ ist weit entfernt von „gut“.
Liebe Grüße,
Tobias
hilft es denn?
ich habe vorige Woche jemandem, der mich sehr verletzt hat, verbal eine verpasst (in der Annahme, es würde ihn treffen, was ich aber nicht weiß, da er nicht mehr mit mir spricht: zur Erklärung – ich habe mich mit einem anderen Kollegen über ein Projekt unterhalten, bei dem besagter Kerl beteiligt ist und dieser saß zwei Tische weiter)
hat es mir geholfen? ich weiß nicht, meinen Schmerz, der mich schon lange verfolgt, hat dieser Seitenhieb nicht beseitigt
Hey Bettina,
ich glaube gleiches mit gleichem zu vergelten wird niemals irgendeinen Schmerz lindern können. Es macht es eher noch schlimmer.
Vergebung ist meiner Meinung nach das Mittel der Wahl für solche Fälle.
Das kannst du nicht? Dafür hat er dich zu sehr verletzt?
Je schwieriger es dir scheint, desto wichtiger ist es für dich.
„… Und vergib uns unsere Sünden, wie auch wir vergeben unseren Sündigern…“
Kommt dir das bekannt vor?
Grüße Norman
(http://www.vomleben.de)
Interessant ist ja auch aus meiner Sicht auch, dass der, der mit Worten wirft, der eigentliche Bedürftige ist. Er ruht nicht in sich, sondern tut etwas, das ihm einen Moment des Herabschauens gibt. Und er tut dies, weil er sich ohne das etwas unwert fühlt.
Denn wenn ich mit Fingerzeigen agiere, dann fehlt mir selber etwas. Ich habe mich bereits vorher entfernt von Empathie, Akzeptanz und Wertschätzung, vielleicht weil ich dies dies selber wenig erfahren habe.
Reagiere ich nicht selber mit einem Unwertgefühl, geht die Rechnung nicht auf, denn dann gebe ich keine Energie ab und sein Mangel tritt wieder hervor. Oft schämt er sich dann und er gibt somit selber Energie ab, anstatt welche zu erhalten.
Absolut.
Ob das demjenigen, der mich mit seinen Worten treffen will, wohl bewusst ist?
Glaube ich nicht. Jedenfalls nicht im Moment des Sprechens oder Schreibens. Denn er spricht/schreibt aus der Illusion heraus, weiter oben zu sein und Bewusstheit vertreibt Illusionen.
Hallo Tim,
ein super Thema, genau meins. Ich rede viel. Das war schon immer so. Wahrscheinlich, auch wenn dies wissenschaftlich nie bestätigt wurde, rede ich auch BEVOR ich gedacht habe. Ich bin mir aber, aufgrund eigener leidvoller Erfahrung in der Kindheit und Jugend, immer bewusst, WAS ich sage. Und achte akribisch darauf, dass ich, wenn ich es irgendwie vermeiden kann, nichts verletzendes zu Menschen sage, schon gar nicht im Beisein Dritter.
Auch ich bin sehr dünn und kann deine Erfahrungen mit Sprüchen wie dem berühmten „Strich in der Landschaft“ sehr gut nachempfinden. Ich kann sogar noch folgende, ähnlich verletzende Sprüche hinzufügen:
„Du bist so dünn, wenn du duschst, musst du von einem Wasserstrahl zum nächsten springen, damit du nass wirst.“
„Du bist so dürr, auf deinen Beckenknochen kann man ein Tablett abstellen.“
Es wird besser, je älter man wird, finde ich, am grausamsten sind Kinder und Jugendliche mit solchen Sprüchen!
Aber auch ich bin nicht frei von Schuld: Ich muss daran arbeiten, weniger zu reden, wobei ich halt eher ins erzählen über Dinge komme, die mich interessieren oder faszinieren, und dann kein Ende finde 😉 Ich arbeite dran!
Liebe Grüße
Arizona
Lieber Tim,
Erich Fried hat wirklich wunderschöne Gedichte geschrieben! „Es ist was es ist….“ ist für mich eines der schönsten. 🙂 „Der Panther“ von Rilke ist für mich auch unglaublich berührend.
Ich stimme dir mit deinem Beitrag vollkommen zu. Heute noch, kann ich mich erinnern, das mich ein Kind am Weg nach Hause….ich muss etwa 7 gewesen sein…nach meinem Namen gefragt hat. Als ich ihr gesagt hab:“mein Name ist Alexandra“, meinte sie:“Pfui, das ist aber ein hässlicher Name!“. Ich weiss das noch, als obs gestern war und wie sehr mich das verunsichert hat, wie verletzend das war und im Laufe meines bisherigen Lebens sind noch etliche Aussagen dazu gekommen, die mich getroffen haben. Ich nehme an, auch ich werde Menschen in Erinnerung geblieben sein, weil ich sie verletzt habe.
Dein heutiger Beitrag macht mich nachdenklich.(was gut ist) 🙂 Danke! 🙂
wow. love your fucking bullshit
ich erinnere mich noch gut dran, wie mich in der 5.klasse jmd „fettarsch“ nannte. seither trug ich nur noch schlabberklamotten und wollte abnehmen. und mit 16 war ich dann voll in der essstörung.
Hi M.,
das tut mir sehr leid zu lessen. Ich hoffe, dass Du die Krankheit inzwischen überwunden / im Griff hast?
Liebe Grüße!
Tim
Wer kann sich davon schon freisprechen…? Unter guten Bekannten, bei Familie oder Freunden kann ich ein paar Frotzeleien aber mal durchgehen lassen. Wie heisst es so schön: was sich liebt das neckt sich. Wichtig finde ich vor allem zu wissen wann Ende sein muß oder schnell zu erkennen, wann einfach der falsche Zeitpunkt für doofe Sprüche ist.
Hi Susi,
ich kann mich jedenfalls nicht davon freisprechen.
Die meisten, die blöde Sprüche machen, denken vermutlich, der andere „wisse schon, wie’s gemeint“ ist, und dass sie selbst wüssten, wann und wo der Schlusstrich zu setzen wäre … aber in den Kopf des Gegenübers kann man einfach nicht schauen.
LG
Tim
Da hast du recht… und manche können auch leider nicht aufhören. Wichtig ist sicher die richtige Dosis und bei der richtigen Person und im richtigen Moment. Frotzeleien kommen ja auch nicht immer bei der gleichen Person gut an… und bei mir auch nicht. Selbst achtsamer zu sein ist da sicher der erste Schritt wie du sagst, ohne sich aber selbst auf die Füsse treten zu lassen 🙂
LG, Susi
Nun ist da doch ein Unterschied zwischen einem Stein und einem Wort. Der Stein tötet den Frosch. Doch das Wort kannst du durch dich hindurch sausen lassen. Ob es schmerzt hängt davon ab, welche Emotionen es auslöst.
Und es kann nur die Emotionen auslösen, die bereits latent da sind. Löst das Wort nichts aus, kommt es ohne Wirkung zum Werfer zurück. Und dieser hat die Emotionen in sich, sonst wollte er sie nicht auf dich werfen.
Löst es was aus bei dir, brauchst du dem auch keine Energie geben und den Werfer damit stärken. Werde dir der falschen Emotionen bewusst. Hältst du sie für sinnlos, gibst du ihnen keine Nahrung. Und sie werden schwächer. Du kannst sogar dem Werfer danken. Er hat sie dir bewusst gemacht.
Hey Richard,
find ich gut, nur spricht es den „Täter“ vielleicht zu sehr frei.
Die meisten von uns werden von den Worten allerdings wirklich verletzt – auch wenn sie dabei selbst irgendeine Rolle spielen … und der Werfer weiß das und wirft mit der Absicht zu verletzen – ich finde das schon ver-werf-lich, und es ist in seiner Verantwortung, seine Themen auf die Reihe zu bekommen … meinst Du nicht?
LG
Tim
Ja Tim, wir sind alle in Ego und Trennung und arbeiten mit dem Verstand. Nur wenn du diese Ebene verlässt kannst du es anders sehen. Doch gibt es die Ebenen nebeneinander. Auch der alte beworfene Meister, der nicht kämpfen wollte, wird sich im letzten Moment körperlich wehren, wenn er sonst getötet würde.
Daneben gibt es ein höheres Bewusstsein. In „Eine neue Erde“ wird das Negative, das uns umtreibt, der „Schmerzkörper genannt“. So ist es auch der Schmerzkörper der Werfers, nicht der Werfer selber, um den es geht, dessen wir uns aber meistens nicht bewusst sind. Und die Muster des Schmerzkörpers sind verwerflich.
Nur ist es wohl so, dass wir diesem Wesen der Negativität Nahrung geben, wenn wir ärgerlich werden und dagegen ankämpfen. Ein Meister sollte es meistens schaffen, den Werfer zu segnen. Und das hungert den Schmerzkörper aus.
Auch indem wir an Verantwortung appellieren und damit Schuldgefühle erzeugen, nährt dies den Schmerzkörper. Er wird dann gerne auch noch mehr mit dem Finger zeigen auf andere und sich daran nähren, wenn sie im Schuldgefühl Energie abgeben.
Der Täter wird nicht freigesprochen, denn es gibt genug Egos auf seiner Bewusstseinsebene, die das nur im Kontext von Regeln, Verantwortung und damit Verurteilung sehen und auch entsprechend reagieren. Ein Ego alleine kann nicht bestehen.
Nur ist es wohl mir selber am meisten zuträglich, wenn ich bewusst genug bin und die geistigen Zusammenhänge erkenne auf einer anderen Ebene. Es ist ein unbewusstes Spiel, bei dem der andere immer wieder erwischt wird an seinen Schwächen. Du kannst dabei auch das Verletztsein durchdringen und damit das alte Beleidigtsein abbauen. Besonders Ehepartner spielen dieses Spiel und „helfen“ sich gegenseitig. Unbewusst reagieren sie auf die Schwächen des Partners und stacheln ihn an. Denn wenn mir was weh tut, dann habe ich noch was zu heilen, und zwar bei mir selber.
Hi Richard,
Danke für Deine Erklärung, das hilft mir wirklich. Auch wenn mein Ego sicher in der nächsten Situation erst einmal wieder Überhand gewinnt, ist es vielleicht schon einen Ticken kürzer an der Macht.
Danke!
LG
Tim
Danke Richard.
Das ist eine für mich sehr hilfreiche Lektion.
Schmerzkörper.
Aus diesem heraus, werden wohl einige verletzende Aussagen meinerseits, die letzten Jahre entstanden sein.
Selbst wenn man es wirklich nicht so meint, können Aussagen, bezüglich des Körpers, verletzend ankommen.
Ich habe das wohl als Kind eingespeichert, in diesem Schmerzkörper mitgeschleppt und unbeabsichtigt weitergegeben.
Ein unbewusstes Spiel.
So ist das leider manchmal…………..
Super Vio. Die Auflösung des Schmerzes beginnt, wenn du erkennst, dass du einen Schmerzen hast. Eckhat Tolle
*Schmerzkörper*
Vor langer Zeit, hörte ich die Unterhaltung zweier Männer, möglicherweise Vater und Sohn, bei der der Ältere sagte:“Wenn du nichts Nettes zu sagen weisst, einfach mal Schnauze halten!“ Es hat mich gleichermaßen amüsiert wie beeindruckt, das sollten alle Eltern ihren Kindern mitgeben! Denn wenn man mit einem Finger auf einen anderen zeigt, zeigen drei Finger auf einen selbst.
Ich habe da mal den Spruch aufgeschnappt: „Silence before bullshitting“, also quasi: „Bevor du was falsches sagst, sag lieber nichts.“ 🙂
Ein Satz den ich auch gerne fallen lasse, vor allem wenn ich etwas nicht kommentieren möchte, ist: „Ich hülle mich in buddhistisches Schweigen!“ 🙂
Und dann gibt es da natürlich noch die Dieter Nuhr Variante: „Wenn man keine Ahnung hat – Einfach mal die Fresse halten!“ Zugegeben, das klingt nicht besonders nett, aber das halte ich mir durchaus auch manchmal selber, gedanklich, vor die Nase.
Hi,Tim
Das ist auch meine Thema und ich versuche das zu endern,weil ich jemanden der mir nach steth,von kurzem sehr,sehr verletzt habe….mich auch übrigens….habe vieles kaputt gemacht…
Dieses Gedicht begleitet mich seit meiner Schulzeit und hilft mir, manchmal leider nur, auch mal die Klappe zu halten.
Unaufhaltsam von Hilde Domin
Das eigene Wort,
wer holt es zurück,
das lebendige
eben noch ungesprochene Wort:
wo das Wort vorbeifliegt
verdorren die Gräser,
werden die Blätter gelb,
fällt Schnee.
Ein Vogel käme dir wieder.
Nicht dein Wort,
das eben noch ungesagte,
in deinen Mund!
Du schickst andere Worte
hinterdrein,
Worte mit bunten, weichen Federn
Das Wort ist schneller
das schwarze Wort.
Es kommt immer an,
es hört nicht auf anzukommen.
Besser ein Messer als ein Wort.
Ein Messer kann stumpf sein,
ein Messer trifft oft
am Herzen vorbei,
Nicht das Wort.
Am Ende ist das Wort,
immer
am Ende
das Wort.
Vor sehr vielen Jahren ich war etwa 15 sagten zwei Männer zu mir Du hast einen Arsch wie ein Brauereiroß . Das hat gesessen ! Zu den Zeitpunkt war ich gar nicht dick aber hatte immer schon stärkere Oberschenkel. Die wollten halt wizig sein. Aber ich kann mich auch nicht ausnehmen, den ich habe als Kind meinen um zehn Jahre älteren Bruder oft bis aufs Blut geärgert den ich schrie sofort u er bekam Schelte u Schläge von den Eltern. Erst als Erwachsene Frau wurde es mir bewußt. Meine Eltern hielten nur zu der Kleinen u ich habe das ausgenutzt. Heute tut es mir leid, kann mich aber nicht mehr entschuldigen weil mein Bruder jung gestorben ist. Es ist mir ein Leben lang eine Lehre gewesen.