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Siegbert Engel ist zertifizierter Lehrer für Medizinisches Qigong und Tai Chi Chuan und nach dem Buddhistischen Zentrum für Qi Gong in Shanghai autorisierter Lehrer des Mi Gong Rulai.

Wie kamen Sie mit den asiatischen Techniken Qigong und Tai Chi erstmalig in Berührung?

Ich habe mich bereits in meiner frühen Jugend für Yoga und Kampfsport interessiert. Mit 18 bekam ich dann ein amerikanisches Buch in die Hände, in dem es um ganzheitliche Gesundheit ging. Unter anderem wurden in diesem Buch die Prinzipien des Aikido und des Tai Chi Chuan vorgestellt. Das hat mich so stark angesprochen, dass ich mich auf die Suche nach einem Lehrer gemacht habe. Ich habe dann in der Tat einen Tai-Chi-Lehrer gefunden. Nach ein, zwei Jahren merkte ich, dass meine Gelenke durch den eher unprofessionellen Unterricht und doch mangelnde Korrektur arg in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Da die Methode als solche und das zugrunde liegende Wissen mich nach wie vor faszinierten, suchte ich nach einer Bewegungsform, die meiner Gesundheit zuträglicher war und fand so zum Qigong und vor allem zum Medizinischen Qigong.

Welche Auswirkungen von Qigong und Tai Chi auf Körper und Geist sind heute wissenschaftlich nachgewiesen? Und welche Wirkungen sehen / erfahren Sie darüber hinaus?

Qigong und Tai Chi Chuan wurden in den ersten Jahren vor allem von westlich orientierten Menschen als esoterische Spinnerei oder als meditativer Tanz abgetan. Leider haben viele Praktizierende zu diesem negativen Ruf maßgeblich beigetragen, so dass es eine Weile gedauert hat, bis ernst zu nehmende Untersuchungen durchgeführt wurden, in denen die Wirksamkeit der Übungen des Tai Chi Chuan und des Qigong nachgewiesen werden konnte. Chinesische Quellen waren hier nicht sonderlich hilfreich, da die Methoden in China teilweise idealisiert, teilweise verboten wurden und wissenschaftliche Berichte über die Wirkung von Tai Chi Chuan und Qigong einer näheren Überprüfung oft nicht standhalten konnten. Ich könnte jetzt eine Vielzahl an Wirkungen auf Körper, Geist und Seele aufzählen, doch sucht man im Netz, beispielsweise bei PubMed, nach Qigong, Qi Gong, Tai Chi Chuan oder Taijiquan, wird man überrascht sein, wie viele Studien es mittlerweile gibt, die eindeutig belegen, dass das Praktizieren von Qigong oder Tai Chi Chuan eine tiefe und nachhaltige Wirkung auf die gesamte Gesundheit hat. Ob es nun um Asthma, Arthrose, Parkinson, altersbedingte Gleichgewichtstörungen geht, oder um stressbedingte Symptome – es besteht kein Zweifel mehr an der Wirksamkeit der Übungen. Das sehe ich übrigens auch in meinen Kursen, zumal in den letzten Jahren mehr und mehr Menschen in meine Kurse kommen, die akut oder chronisch erkrankt sind oder Qigong bzw. Tai Chi in der Reha kennengelernt haben und es nun fortsetzen möchten.

Welche Fehler sehen Sie bei Anfängern immer wieder? Und wie kann man sie verhindern?

Die meisten Anfänger und Anfängerinnen erwarten Entspannung von der ersten Minute an und sind überrascht, wenn ihnen das nicht geboten wird. Einer meiner chinesischen Lehrer reagierte auf die Frage, was das Entspannende am Tai Chi Chuan sei, mit deutlicher Verwunderung. Dass Tai Chi Chuan per se entspannend ist, hielt er für ein typisches Missverständnis westlich orientierter Menschen. „Tai Chi ist kung fu – erst die Arbeit, dann die Entspannung“, war seine Antwort. Dazu muss man wissen, dass der Begriff „kung fu“ sinngemäß übersetzt werden kann mit „bewusste, ausdauernde Anstrengung zur Erlangung von Selbstbeherrschung bzw. persönlicher Reife“. Also, am Anfang steht die Mühe, die dann aber durch ein sehr tief empfundenes Wohlbefinden belohnt wird. Tai Chi Chuan und Qigong setzen in gewisser Weise eine Entspannungsbereitschaft und auch ein wenig Disziplin voraus, um in den Genuss einer spürbaren Wirkung zu kommen. Das ist schwer zu verstehen, wird aber schnell klar, wenn man sich auf die Übungen einfach einlässt und schaut was passiert.

Sie lehren Tai Chi und Qigong auch Führungskräften in großen Unternehmen. Wie reagieren die Karriereorientierten auf die Techniken, wenn sie sie das erste Mal ausprobieren sollen?

Irritiert, erstaunt, überzeugt. Was ich an Führungskräften besonders schätze, ist die große Bereitschaft sich auf Neues einzulassen. Häufig kommen nach dem Training sehr gezielte und  durchaus kritische Fragen. Das schätze ich sehr, zeigt es mir doch, dass diese Menschen ernsthaft bemüht sind, das Gelernte umfassend zu verstehen. Und ich sehe, wo noch Erklärungsbedarf besteht. So sind Diskussionen in diesem Zusammenhang stets für beide Seiten sehr befruchtend.

Kann das Üben uns helfen, über Schmerzen hinwegzukommen – zum Beispiel über einen aktuellen Trennungsschmerz nach dem Ende einer Beziehung? Wenn ja, können Sie eine Übung besonders für diese Zwecke empfehlen?

Bei ausgeprägten emotionalen Regungen, egal ob es sich um Trauer, Wut, Angst oder andere Gefühle handelt, oder auch bei extremer Müdigkeit oder sehr starkem, negativen Stress, sollte man Qigong oder Tai Chi Chuan nicht üben. Gehen Sie stattdessen eine Stunde an die frische Luft, laufen Sie, gehen Sie schwimmen – oder schlafen Sie sich einfach mal aus. Danach können Sie immer noch Übungen für Ihr inneres Gleichgewicht machen. Um sich auszugleichen und um sich zu erden empfehle ich das Sitzen in Stille oder das etwas anspruchsvollere Stehen in Stille.

Sitzen in Stille – Das Innere Lächeln

Setzen Sie sich auf einen Stuhl oder Hocker. Stellen Sie Ihre Füße in Hüftbreite flach auf den Boden. Ihre Unterschenkel stehen im rechten Winkel zu Ihren Oberschenkeln. Richten Sie Ihr Becken so weit auf (nach vorne kippen), bis Ihr Rücken sich angenehm aufrecht und von innen heraus gehalten anfühlt.

Legen Sie Ihre Hände entsannt auf die Oberschenkel. Ihre Schultern hängen entspannt, in den Achselhöhlen ist ein wenig Platz (also nicht die Arme eng an den Körper legen). Stellen Sie sich vor, dass alle Spannungen aus dem Nacken und Schulterbereich zu den Seiten abfließen und verschwinden.

Halten Sie Ihren Kopf als würde er wie ein gasgefüllter Luftballon leicht und mühelos nach oben schweben. Nehmen Sie Ihr Kinn ein klein wenig zurück.

Atmen Sie dreimal tief durch die Nase ein und atmen Sie jeweils mit einem herzhaften Seufzer durch den Mund aus. Lassen Sie mit jedem Ausatmen noch vorhandene Spannungen oder störende Gedanken nach außen strömen und sich auflösen.

Legen Sie nun Ihre Zungenspitze hinter den oberen Schneidezähnen sanft an den Gaumen (so als würden Sie ein „L“ sprechen). Schließen Sie Ihre Augen und fühlen Sie nach und nach ein Gefühl der Entspannung auf Ihrer Stirn – in den Schläfen – rund um die Augen – in den Kiefergelenken.

Lassen Sie ein leichtes Lächeln um Ihren Mund spielen, gerade so als sei Ihnen etwas sehr angenehmes widerfahren oder als würden Sie sich an etwas Schönes erinnern. Begeben Sie sich ganz in diese Stimmung und spüren Sie, wie sich die Zufriedenheit in Ihrem Lächeln ausdrückt. Das Lächeln muss noch nicht einmal für andere sichtbar sein, es reicht wenn Sie es spüren können.

Halten Sie dieses Lächeln und lassen sie es nach und nach zu Ihren Augen aufsteigen. Spüren Sie wie das Lächeln in Ihre Augen fließt, sie ausfüllt – bis auch Ihre Augen „lächeln“. Lächeln Sie sich selbst zu und genießen Sie für einige Minuten diese friedliche, heitere Stimmung. Während Sie das Innere Lächeln üben, lassen Sie Ihren Atem auf natürliche Weise ruhig und gleichmäßig fließen.

Beenden Sie das Innere Lächeln indem Sie Ihre Aufmerksamkeit allmählich wieder nach außen lenken und die Umgebungsgeräusche bewusst wahrnehmen. Atmen Sie abschließend einmal tief durch die Nase ein und durch den Mund aus. Lösen Sie Ihre Zunge vom Gaumen und öffnen Sie Ihre Augen. Werden Sie vollständig wach. Bewahren Sie sich die Stimmung die Sie während der Übung erfahren haben und widmen Sie sich wieder mit ganzer Aufmerksamkeit den Dingen um Sie herum.

Das Innere Lächeln ist eine Basisübung des Stillen Qi Gong und von unschätzbarem Wert wenn sie regelmäßig geübt wird.

Diese und viele andere Übungen finden Sie auch in meinen Büchern, vor allem in dem Buch Qi Gong – Innere Ruhe für den Alltag, erschienen bei BLV, München.

Welche drei Bücher gehören zu den wichtigsten, die Sie je gelesen haben – und was haben Sie aus ihnen gelernt?

Schwer zu sagen… Ich lese viel, ich lese gerne. Drei Bücher, die einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen haben, sind „Zen für die Küche und das Leben“ von Kosho Uchiyama Roshi, Der Ochs und sein Hirte (eine alt-chinesische Zen Geschichte), und Tiziano Terzanis „Das Ende ist der Anfang“. Was ich daraus gelernt habe? Am Ende ist alles Nichts. 🙂

Herzlichen Dank!