Teile diesen Beitrag "Wie man Loslassen lernt (eine Übung aus dem Buddhismus)"
Kommt eine junge Frau zum Meister.
Sagt:
Meister, mein Leben ist so schwer
ich will nur noch weinen
und der Himmel ist so grausam schwarz.
Antwortet der Meister:
Das geht vorbei.
Kommt eine junge Frau zum Meister, dieselbe junge Frau, derselbe Meister, einen Monat später.
Sagt:
Meister, mein Leben ist so leicht
ich könnte die Welt umarmen
und der Himmel strahlt so schön blau.
Antwortet der Meister:
Das geht vorbei.
Wolken, die die Sonne fressen,
Tage, die wie große Freiheit schmecken,
Nächte, in denen wir lieben, mit allem, was wir haben,
Sommer, Winter, Küsse, Flüche, Jungsein, Altsein.
All das geht vorbei. Und alles andere auch.
Nichts bleibt.
Nur unser Wunsch, dass manches doch bleiben möge. Oder sogar unsere Erwartung, dass es bleibt. Und der Schmerz, der diesen Wünschen, diesen Erwartungen folgen muss wie der Kater einem billigen, mit Benzin gestreckten Wodka aus Polen.
Die Übung
Die folgende Übung macht uns klarer, was wir sonst nicht sehen wollen oder können:
Dass alles vorbeigeht.
Mir ihrer Hilfe überrascht uns das Ende weniger. Und die Zeit bis zum Ende werden wir intensiver auskosten, weil uns kein Tag, kein Mensch, kein Leben für immer bleibt und uns das bewusst ist.
Hier die Übung:
Nimm ein Blatt Papier. Nimm einen Stift.
Schreib auf:
Dieser Tag wird vorbeigehen.
Dieses Jahr wird vorbeigehen.
Dieses Leben, wie es jetzt ist, wird vorbeigehen.
Dieses Leben, mein Leben, wird vorbeigehen.
Das Leben der Menschen, die ich liebe, wird vorbeigehen.
Wie fühlst Du Dich, mit diesen Zeilen, diesen Aussichten vor Deinen Augen?
Du kannst die Übung auch jederzeit im Alltag im Geist durchführen.
Du siehst eine Blume und denkst: „Diese Blume wird verblühen.“ Du hast ein neues teures Handy und denkst: „Dieses Handy wird kurz nach Ablauf der Garantiezeit Schrott sein.“
Und natürlich kannst Du Dich auch immer daran erinnern, wenn’s Dir schlecht geht:
Das geht vorbei.
Mehr dazu unter Wie Du belastende Erwartungen loslassen kannst und Wie man Ärger und Zorn loslassen kann in 60 Sekunden.
Photo: Guyon Morée
Danke für diese tolle und sehr effektive Übung.
Vielleicht hilft es, sich über 2-3 Wochen diese Zeilen jeden Morgen oder jeden Abend einmal aufzuschreiben. Ich denke, dass sich diese Gedanken dann besser festsetzen können.
Ich werde es mal ausprobieren.
Ich suche noch immer nach etwas positivem an dieser Übung. Das alles Vergänglich ist, ist seit Entstehen der Menschheit eine große Urangst der Menschen. Man wird täglich mit dieser Vergänglichkeit des Lebens konfrontiert und nur die wenigsten können damit umgehen. Es ist die Angst vor Veränderung, die Angst vor dem Ungewissen, die Angst vor dem Nichts und der Dunkelheit. Alle diese Faktoren kannst Du nicht mit dieser Übung wegwischen. Im Gegenteil, wenn ich mir jeden Tag sage, dass alles endlich ist, dass alles vorbeigeht, ziehe ich mich dadurch noch in ein größeres Loch der Leere. Denn für was soll ich denn noch leben?Warum sollte ich noch ein Haus bauen? Warum Kinder erzeugen? Der „normale“ Mensch wird niemals seine Endlichkeit greifen oder verstehen können. Denn diese Urangst ist bei den meisten tief verankert. Ich möchte nicht wissen, wieviele von uns ein unglückliches Dasein verbringen, wieviele einsam sind obwohl immer jemand da ist, wieviele sich arm fühlen, obwohl es an nichts fehlt. Das Leben plätschert bei vielen nur dahin, ein Leben aus Kompromissen, Angst, Feigheit, Bequemlichkeit und schrecklicher Angepasstheit. Es ist leicht nach einer Schablone zu leben, ohne selbst über den Tellerrand hinauszuschauen. Manche können dies nicht, andere wollen oder dürfen nicht. Ich glaube, nur die Weisheit, das Ablegen sämtlicher Unzulänglichkeiten und negativen Eigenschaften oder Emotionen, und vorallem DAS LEBEN das man leben MÖCHTE, ja genau das nimmt uns die Angst vor der Endlichkeit….
Kann dich gut verstehen. Ich finde diese Übung sehr gut nur leider kommt der Beitrag in einem sehr negativ Touch daher. Der Fokus liegt schon sehr stark darauf dass alles Gute vergehen wird während die Vergänglichkeit des Schlechten mit:
„Und natürlich kannst Du Dich auch immer daran erinnern, wenn’s Dir schlecht geht:“
abgespeist wird.
der schlüssel zur spirituellen praxis liegt in der fähigkeit, den geist zu bändigen.
herr über den eigenen geist zu werden
ziel auf dem spirituellen weg ist die innere transformation – mit der intension, dazu beitragen zu können, dass andere sich von leid befreien.
kleiner auszug aus „glück“ von matthieu ricard
Hallo Tim,
diese Übung stimmt mich eher depressiv. Ich weiß, sie soll aufbauend und motivierend sein, aber die Schilderung und vor allem das Rezitieren wirken eher bremsend als anfeuernd. Bin eher für …würde…sollte…könnte…MACHEN
Lieben Gruß, Yvonne
Hey Yvonne,
kann ich gut nachvollziehen. Die Übung kann erst mal – wie Vieles aus der buddhistischen Ecke – deprimierend wirken. Aber ich empfinde sie als sehr wertvoll. Zwar können wir uns auf Verluste nur begrenzt vorbereiten. Aber: die Übung lässt uns die Wahrheit betrachten, von der wir uns allzu oft mit „Machen“ ablenken. Das Machen jedoch ist im zweiten Schritt eine sehr gute Sache, denke ich – nämlich, nachdem wir uns vor Augen geführt haben, ganz bewusst, wie kostbar das Gute ist (und wie vergänglich auch das Schlechte).
Liebe Grüße
Tim
Moin Tim,
Danke für die Antwort. Habe jetzt noch einmal drüber geschlafen. Finde den Nachklang im Basistext nach wie vor nicht sehr positiv, doch nehme ich daraus folgendes mit: Sich bewusst mache, das es endlich ist und wir entsprechend noch mehr Wert auf Dinge legen sollten, die uns wichtig sind.
Und keine Sorge, ich bin jeden Tag dankbar, für alles, was ich lernen darf, fürs Atmen, für Begegnungen, im Großen, wie im Kleinen, positiv oder negativ, und und und. Das MACHEN war für mich keine übersteigerte Tätigkeit, sondern eher als Gegenteil von „im Zustand verharren“ gemeint. Denn wenn ich davon aus gehe, dass ja eh alles bald zu Ende ist, warum sollte ich mich dann noch für irgend etwas interessieren? Und das ist der erste Tenor, der im Text mitschwingt.
Also, nichts für Ungut. Mach einfach weiter, denn egal was kommt, es ist alles auf die eine oder andere Art inspirierend.
Sonnige Grüße,
Yvonne
Sehr gut Timm. Das wesentliche liegt im Auge des Betrachters. Werde die Dinge mal so betrachten das alles mal vorbei ist. Dann schätzt man die Dinge die gut sind und gibt ihnen mehr Raum.
Oberflächlich betrachtet ist alles vergänglich,aber WIR sind es eigentlich nicht.Teilweise,aber nicht ganz…Wir können nicht sterben,wir ändern nur unsere Form…Ist trotzdem irgendwie nicht so leicht,auch wenn man weiß,dass man eigentlich ein ewiges Leben hat (nur nicht als der Mensch,der man jetzt gerade ist…).Ich finde trotzdem irgendwie alles schwer.
..es ist die Hoffnung, die bleibt, dass es besser werden kann. Ein ewiges Leben, wenn es unglücklich ist, möchte niemand. In welcher Form lebt man weiter? Die Fragestellung kann auch irgendwie Angst machen.
Glaube, Liebe und Hoffnung bleiben.
Hi Tim,
danke schön. Ein Klassiker ist das, der nicht von jedem verstanden wird.
Ich denke, die Essenz ist, dass durch die Übung des Loslassens die Identifikation mit den Gedanken gelöst werden soll.
Nur das Ego hat ein Problem mit dem „scheinbaren“ Ende. Im Endeffekt gibt es aber niemanden, der endet 😉
LG, Tobias
Ein sehr schöner Beitrag.
Wie furchtbar!! Ich fühle mich nach dem Lesen dieses Beitrags eher depremiert. „Die Blume wird verblühen“ .. „Liebe vergeht“ ..Ja was bleibt dann eigentlich noch?
Wenn mir etwas wehtut oder ich mich ärgere..und jemand sagt „Das geht vorbei“ Also ehrlich..das ist doch mal richtig sch..Worin liegt hier Empathie oder gar manch nötiger Trost?
Hallo Tim,
ich bin für mich noch hin- und hergerissen 🙂
Ich verstehe die Kommentare hier, dass es natürlich auf den ersten Blick befremdlich wirken kann, wenn man sich vor Augen führt, dass alles vergeht. Auf der anderen Seite ist es einfach die Realität 🙂
Meine Sicht ist die Folgende:
Alles ist vergänglich, alles kann ein Ende haben. Das Leben wird sogar definitiv eines haben.
Von daher sollte ich für mich sorgen, mein Leben leben und dieses genießen.
Dazu gehört es für mich, auch die Dinge wertzuschätzen, die gerade bei mir sind.
Partner, Freunde, liebe Menschen und Tiere.
Wenn ich für mich verstehe, dass dies nicht selbstverständlich ist, kann ich sicher meine Lebensqualität am Ende noch erhöhen und wer weiß: das eine oder andere bleibt dann vielleicht gern etwas länger da 🙂
Liebe Grüße
Dirk
„Bedenke stets, dass alles vergänglich ist, dann wirst du im Glück nicht so fröhlich und im Leid nicht so traurig sein.“ – Sokrates
„Alles hat seine Zeit, / es gibt eine Zeit der Freude, / eine Zeit der Stille, / eine Zeit des Schmerzes, der Trauer / und eine Zeit der dankbaren Erinnerung.“ D. Bonhoeffer
Diese beiden Zitate/Sprüche fallen mir dazu ein. „…Im Glück nicht so fröhlich..“ hört sich erstmal befremdlich an. Warum soll ich nicht SO fröhlich sein? Vielleicht ist gemeint, dass man nicht allzu überschwenglich sein sollte. Das Glück bewusst wahrnehmen, dankbar sein und schätzen, aber nicht kopflos sein. Es ist (meistens) auch „nur“ ein flüchtiges Gefühl…
Liebe Grüße,
Sigrid
Ja, es geht vorbei. Irgendwann wird der Kopf auch aufhören mit seinem Kontrollwahn. Er wird am Morgen nicht die Kraft haben, nur das momentan Angenehme zu fokussieren und das andere auszublenden. Er wird einfach mal still sein und das Tal zulassen.
Er wird erfahren, dass sich das auch ganz alleine wieder ausgleicht. Vielleicht hat er damit ein klein wenig gelernt und spart sich dann etwas vom üblichen Kraftaufwand. Auch am anderen Ende. Spart er sich vielleicht Festhalten und Kontrollieren Wollen, im schönen Leben Bleiben Wollen. Denn sie wechseln sich ja auch alleine ab. Die Hochs und die Tiefs. Lass auch im Hoch los. Dann fällst du weniger tief.
Manch einer ist gerade jetzt in seinem Hoch. Oktoberfestzeit in München. Es war ein langes Tief für Manchereiner. Und das Hoch dauert gerade 2 Wochen. Dann wartet er wieder und spart vielleicht schon für 2017. Aber es ist gewiss. Es kommt wieder ein Hoch.
Vielleicht lesen wir den Artikel mal im Bewusstsein, dass auch wieder was Angenehmes folgt auf das was vorbei geht. Was wissen wir schon. Vielleicht wird dann auch was noch grösseres geboren.
LG Richard
Ein schöner Beitrag.Es ist sehr wichtig, sich die Vergänglichkeit von allem, was uns lieb und teuer ist und auch von dem welches das nicht ist stets vor Augen zu führen, damit wir das, was ist erst richtig schätzen lernen. Irgendwann wird sogar unser lebenspendender Stern, die Sonne, verglühen und mit ihr die Erde. Warum soll ich mir dann nicht auch bewusst sein, dass die Schokolade irgendwann aufgegessen, der Ärger über meine Mitmenschen verflogen und die Verletzungen vielleicht aus der Kindheit oder der letzten Beziehung geheilt sein werden.
Ich glaube, dass das Bewusstsein der Endlichkeit von allem bzw der ständigen Veränderung erst ermöglichen, die Menschen und Dinge in unserem Leben erst richtig zu schätzen. Der Gedanke an die Endlichkeit von allem soll auch nicht heißen, das Glücksempfingen, welches sich bisweilen durch positiv bewertete, äußere Umstände einstellt nicht auch voll auskosten zu dürfen, überschwänglich zu sein und auf Wolke 7 zu schweben oder, der Gegensatz davon, auch mal richtig mies drauf zu sein. Dafür sind wir Menschen und dafür ist das Leben da. Also seid fröhlich, singt, ärgert Euch und schimpft, was das Zeug hält! Alle Gefühle sind erlaubt und alle gehen vorbei;-)
„Alles geht vorbei.“ Diese Einsicht machte mir früher Angst – so wie es einige in den Kommentaren beschreiben. Auf einer meiner Reisen erkannte ich aber irgendwann die Kraft, die in dieser Einstellung liegt. „Ich gehe vorbei“ – so wie alles und alle. Das rückt die Perspektive zurecht, denn wir Menschen sehen uns gern als Mittelpunkt der Welt. „Alles geht vorbei, ich auch“ – heute schenkt mir diese Einsicht Gelassenheit. Aber ich muss mich immer wieder daran neu erinnern. Und doch versuche ich mit dem Schreiben meines Romans, dass etwas von mir bleibt, das berührt, wenn ich schon lange „vorbei“ bin. Danke Tim, für den Beitrag!
Eine gute Übung, die uns hilft, die Gegenwart weitestgehend auszukosten, bevor es vorbei ist.
Ich meinte v.a. was Rosenberg in seinem Klassiker „Nonviolent Communication“ anschaulich umschreibt: Der Mensch hat Grundbedürfnisse, und der Schlüssel zu uns und allen Mitmenschen ist die Empathie – für uns selbst und damit auch für andere. Vermutlich ist mir vieles im Buddhismus einfach einen Tick zu spirituell für mein Gefühl – ich verstehe jedoch, dass es anderen Menschen hingegen in ihren Bedürfnissen entspricht, hilfreich und weise erscheinen vermag. Mir nicht. Und das ist okay ;-).
hai tim,
ist mir gerade mal wieder – nach langem nicht hören – in die hände gefallen.
beyond – buddhist and christian prayers
eine sehr inspirierte cd mit tina turner.
musik ist wichtig – singen erhellt –
sehr empfehlenswert – schöne harmonien – und das ist wichtig 🙂
good vibrations…………….
herzlichst
Das mit dem billigen Wodka aus Polen ist wohl Teil der Übung? Bewußte Herabsetzung anderer Völker, um was zu erreichen? Die Erkenntnis, daß auch Vorurteile vorbei gehen? 😉
Es geht vorbei. Je nach Situation, gut zu wissen, d.h. sich das bewusst zu machen. Oder unangenehm, an das weniger Schöne erinnert zu werden. Der Schreck kann geradezu in die Glieder fahren, wenn das wohlige Hochgefühl mal eben weggezogen wird. Die warme Bettdecke ist weg und uns friert nur noch in elenden Gefühlen. An das denken wir oft gerade nicht bei Gedanken an Loslassen. Eher an Belastendes oder Verführerisches und Gefährliches.
Einmal nüchtern geschaut, werden wir daran erinnert, wie wir uns Illusionen machen. Wie erfinderisch wir sind mit Vorstellungen einer möglichen Zukunft. Und wie fest wir uns zuweilen an solchen Strohhalmen festkrallen. Na ja. Die Übung ist vielleicht leichter, während wir eher gelassen und ausgeglichen sind.
Nehmen wir das mal weg, was war, ist oder sein wird, dann spüren wir vielleicht wieder mal unsere Seele. Sie sendet uns vielleicht sogleich ein Gefühl von Leidenschaft. Einfach als Gefühl und Freude zu sein. Oder eine sanfte Traurigkeit. Diese zu beachten tut aber auch gut. Und das Schöne ist: das geht nicht vorüber. Höchstens wir denken, das ist auch vorüber mit dem Tod, womit wir aber bereits aus der Übung gefallen sind.
[…] alles, was wir da draußen erreichen können, ist instabil, dem Wandel unterworfen, dem Ende geweiht (meistens schneller als unser […]
Eine toller Bericht. Es zeigt, wie schnell sich etwas ändern kann. Ich werde, wenn es mir mal schlecht geht an diese Geschichte denken. Vielen Dank dafür.
Alles was in der Welt der Erscheinungen entsteht, muss auch wieder vergehen, sogar dieses Universum vergeht und wird wieder in den Urgrund augesogen um nach einer Zeit der Ruhe wieder herovrzukommen. Nur 3 Dinge sind zeitlos ewig und unsterblich, das ist der Urgrund, die Wesenheiten und die Urmaterie. Wer es zu fassen vermag, der fasse es.
Ich finde es gut
Gern denk ich z.b.auch ueber den tod nach
Das deprimiert mich irgendwie nicht, sondern macht mir einfach nur mut, zu leben.. Aus der hast rauszugehen… Mut haben, sich zu öffnen (denn warum soll ich es nicht tun, wo ich doch sowieso sterbe… :-))
„Die Übung kann erst mal – wie Vieles aus der buddhistischen Ecke – deprimierend wirken….“.
Na ja, wenn einer meint, da er nun seinen Ferrari hat, sei sein Leben erfüllend und glücklich bis zum Ende (und täglich einen andere Schönheit auf dem Beifarersitz) … Und dann kommt einer an und sagt, das geht vorüber. Deprimierend! Und sogar das Leben geht vorüber, wo er doch schlecht drauf ist und Ängste hoch kommen, wenn er an den Tod denkt.
Ich meine, wenn jemand das nicht hören will, dann lass ihm doch die Freude und die Zeit, in der er nicht an den Tod denkt. Er will ja nicht üben. Und wenn er sich angesprochen fühlt von dem Begriff „Loslassen“ in der Überschrift und dann enttäuscht ist, weil nun unerwartet auch vom Loslassen von Hochgefühlen die Rede ist? Dann gibt es bestimmt passende mentale Trainings, mit denen man Hochgefühl und Motivation stärken und anhalten lassen kann.
Nur sollte man das tatsächlich nicht in Texten erwarten, die Buddhismus als Hintergrund andeuten.
Woher kommt denn das Loch, das ich „deprimierend“ nennen will, wenn ich nur daran denke, dass es einmal zu mir kommt? Bestimmt ist so ein Loch auch in der Energie-Hülle erkennbar. Genauso, wie ein mühsam hochgehaltenes Hochgefühl wohl eine Energie darüber schiebt, für die aber mehr oder wenig beständig Aufwand getrieben werden muss. Letztlich mit Gedanken, die illusionäre Muster schaffen. Und die Gedanken geben dem einen wie dem anderen ihre Bedeutung. Doch, wenn nun das alles vorüber geht, erscheint ja unweigerlich irgendwann die Depression, die das Loch ist. Oder gleich eine körperliche Beeinträchtigung, als Signal oder als „Benefit“.
Die Gedanken scheinen da eine Eigenleben zu haben. Es sei denn, ich fange an, Bewusstheit einzubringen und das Geschehen zu beobachten. Aber wer ist dann das Ich? Ich denke, das ist die zentrale Frage.
Sich bewusst zu werden, dass das vorüber geht, kann ungemein helfen, denke ich. So verliert manches an Bedeutung und die Dynamik bekommt weniger Gedanke-Nachschub.
Natürlich gibt es das Problem schon immer. Und deshalb auch Wege. Auch wenn diese nicht unbedingt unseren Erwartungen entsprechen. Denn es geht um Bewusstwerdung. Hier mal ein Beispiel, das aber auch mal einige Wochen tägliche Übung fordert:
Frage: Wer bin ich? (Anfangs wohl recht leicht zu beantworten in unserem üblichen Denkraum)
Frage: Wem geschehen diese Gedanken? (natürlich mir!?)
Frage: Wer bin ich, da ich ja das Geschehen beobachte? (der Beobachter muss ja irgendwie getrennt sein vom Geschehen!?)
Frage: Wem geschehen diese Gedanken von Getrenntheit? (noch ein Beobachter?)
Mach einfach weiter so … die Gedanken werden sich weniger wichtig nehmen. Und wo ist der Beobachter, wenn es kaum noch Gedanken gibt? Statt Gedanken und Materie dann nur noch „Gewahrsein, Bewusstheit“?
LG Richard
Seit ich so mit dem Leben umgehe, vermisse ich doch mitunter die Zeit davor. Dieser verhaftet sein an Dingen, Momenten, Menschen. Alles ist vergänglich, aber jede Energie bleibt . Das sage ich mir dann. Es hilft
Es hilft beim loslassen. Macht aber auch traurig. Aber ich nehme an, daß geht vorbei?!
Bin gerade erst auf diesen Artikel gestoßen. Ich finde ihn schon okay, doch zeigt er keine Lösung auf – und bleibt ein wenig an der Oberfläche hängen. Auch den Vergleich mit dem „Wodka aus Polen“ finde ich daneben. Schade.
Zur Sache: Das Problem scheint ja die Anhaftung zu sein – je größer die Anhaftung, desto größer auch die Probleme.
Wir alle sind als Lebewesen mit allen anderen verbunden. Nur unsere eigene Gier nach immer mehr „Glück“ für uns selbst, ohne die „anderen“ zu berücksichtigen, oftmals sogar im Gegensatz zu anderen auf deren Suche nach „Glück“, schafft die Trennung zwischen mir und den anderen, schafft also noch größeren Mangel, den wir wieder mit noch verstärkter Gier beseitigen wollen… ein Teufelskreis.
LOSLASSEN heißt die Lösung. Loslassen von unserem unbewußten Greifen nach immer mehr… und dazu gehört natürlich auch unsere eigene Sterblichkeit. Wenn wir darüber in geschickter (richtiger) Weise meditieren, wird uns die Kostbarkeit unserer menschlichen Existenz erst richtig bewusst – und wir erleben: FREUDE, mit der wir dieses Leben wirklich gut mit Erfüllung leben können. Aus „Vergänglichkeit“ durch eine innere Haltung der Anhaftung produziert, erleben wir durch allmähliches Loslassen dieser (übertriebenen) Anhalftung „Veränderlichkeit“ als Lebensprinzip. Bei weiterem Loslassen des Greifens erfahren wir dieses Lebensprinzip als „Erneuerung“ – denn damit sich Neues kreiert, muss etwas Altes gehen.
Die klassischen buddhistischen Übungsprogramme erklären heir die sog. Drei Gewissheiten:
1) Die Gewissheit unseres Todes
2) Die Gewissheit der Ungewissheit über den Todeszeitpunkt
3) die Gewissheit, dass der Dharma, also die eigene Dharmapraxis, im Todeszeitpunkt und danach hilft.
Ich erhalte viel Inspiration durch ein Gedicht von Longchen Rabjam, einem tibetischen Mystiker aus dem 14. Jahrhundert zu diesem Thema:
„Vergänglichkeit ist offensichtlich –
Trotzdem denke ich, Dinge und Menschen seien von Dauer.
Für immer
Möchtest Du mit Familie
Und geliebten Freunden leben.
Gewiss ist,
dass Du sie verlassen musst.
Für immer
Möchtest Du Deinen schönes Heim behalten.
Gewiss ist,
dass Du es verlassen musst.
Für immer
Möchtest Du Dich an Wohlstand,
Bequemlichkeit und Glück erfreuen.
Gewiss ist,
dass Du das verlieren wirst.
Für immer
Möchtest Du diese ausgezeichnete menschliche Existenz
mit ihren Freiheiten und Vorzügen behalten.
Gewiss ist,
dass Du sterben wirst.
Für immer
Möchtest Du mit Deinem wundervollen Lehrer
Den Dharma studieren.
Gewiss ist,
dass ihr euch verabschieden müsst.
Für immer
möchtest Du mit Deinen spirituellen Freunden
zusammen sein.
Gewiss ist,
dass ihr getrennt werdet.
Oh ihr Freunde,
die ihr zutiefst enttäuscht seid von Samsara,
dem Kreislauf der bedingten Existenz,
ich, der Dharmabettler, ermuntere Euch:
Von heute an tragt die Rüstung freudiger Anstrengung,
denn es ist Zeit, auszuwandern
in das Land Großer Glückseligkeit,
in dem Trennung unbekannt ist.“