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Ich war Anfang 20 und ziemlich am Ende, es war das Ende eines weiteren einsamen Tages hinter zugezogenen Gardinen und der Anfang einer Phase, in der ich mich betrank, allein in meiner Wohnung, mit Wein (Bier lernte ich erst in München lieben) und Schnaps (irgendwas Billiges). Zeichnet nicht gerade ein strahlendes Bild von mir, war aber so.

Gefragt, warum ich mich betrinke, hätte ich geantwortet, was die meisten von uns wohl antworten würden: Es schmeckt. Es entspannt. Es belohnt. Die anderen machen‘s doch auch. Party. Yeah.

In Wahrheit ist‘s etwas anderes – und mehr oder weniger wissen oder spüren wir das ja auch.

Aber warum genau betrinken wir uns?

Warum wir uns betrinken

Ich bin kein Psychologe, deswegen ist alles, was ich hierüber schreibe, mit so viel Vorsicht zu genießen wie Selbstgebrannter aus Russland. Aber ich hab von einer Theorie Tolstois dazu gelesen, die ich sehr nachvollziehbar finde.

Tolstoi schrieb:

Der Mensch macht sein Leben lang nichts anderes als zwei Dinge:

  1.  Er versucht, seine Handlungen in Einklang zu bringen mit seinem Bewusstsein, seinem Verstand, mit dem, was er für richtig hält und von sich erwartet. Er richtet den Scheinwerfer auf sein Inneres und gestaltet sein Leben dementsprechend, so gut es eben geht.
    Oder:
  2. Er versucht, sich zu verstecken vor seinem Bewusstsein, seinem Verstand, vor dem, was er für richtig hält und von sich erwartet, aber trotzdem nicht tut. Oft, um einfach wie bisher weiterleben zu können, trotz der Zerrissenheit.

Manchmal passen wir unser Verhalten an das an, was unsere innere Stimme uns sagt – und gehen damit den gesunden ersten Weg. Manchmal den ungesunden zweiten.

Der zweite Weg gabelt sich noch mal. Entweder lenken wir den Scheinwerfer von innen nach außen, lenken unser Bewusstsein ab mit Bettgeschichten und obsessiven Hobbys und der Jagd nach Geld. Oder wir lassen den Scheinwerfer auf unserem Inneren, hängen ihm aber die Lichter ein und sorgen so für Dunkelheit und scheinbare Ruhe. So, wie wir etwas Hässliches vor uns nicht sehen müssen, wenn wir woanders hinschauen oder uns die Hand vor die Augen halten.

Alkohol ist letzteres. Das eingeschlagene Licht. Die Hand vor unseren Augen.

Bei kleineren Unterschieden zwischen dem, was wir für richtig halten und dem, wie wir handeln, gelingt uns die Ablenkung im Außen eher. Bei größeren Unterschieden oder einer höheren Sensibilität reicht das oft nicht mehr aus.

Bevor ich mich betrank, in diesen einsamen Nächten, hatte ich erst versucht, mein Bewusstsein abzulenken, indem ich vom großen Reichtum träumte, ununterbrochen Bücher las und fernsah und mehrmals täglich badete (warm, geborgen). Erst als das alles nicht mehr langte, versuchte ich‘s damit, das Bewusstsein auszuschalten.

Die eine Flucht, und dann die andere.

Wenn wir uns betrinken, lohnt sich immer die Frage:

Wo in meinem Leben handle ich falsch?

Oder vielleicht auch:

Wo in meinem Leben fühle ich mich falsch?

„Wie man Sorgen, Stress und Selbstzweifel loslässt“

Mehr Infos

Du und ich und der Alkohol

Zum Glück ist die Sache mit dem Alkohol bei mir nie zu etwas noch Ernsterem ausgewachsen, betrunken bin ich nur noch selten (und das nicht, weil ich mich an ne Menge Promille im Blut gewöhnt hätte).

Aber da sollte man sich nie zu sicher fühlen. Es ist einfach verlockend, nur ein Paar Gläser entfernt vom Ende der Zerrissenheit und der Problemen, wenigstens eine Weile. Wie für die eine, die im Vorstellungsgespräch gefragt wird, wo sie sich denn in fünf Jahren sieht, und sie: „In fünf Jahren will ich fünf Jahre trocken sein … okay, viereinhalb.“

Ich würde sehr gern von euch lesen, wie ihr zum Alkohol steht und ob ihr ihn vielleicht auch mal missbraucht habt oder das immer noch tut.

Natürlich gern auch AAnonym.

Prost.

P.S.: Dasselbe gilt auch fürs Rauchen, Fressen, Arbeitssucht, Sexsucht, Spritzen und Schlucken (von Medikamenten und all diesen Drogen, die ich selbst natürlich nicht mal beim Namen kenne). Siehe auch Warum Du so erschöpft bist (der schmerzhafte wahre Grund).

Photo: Johnny Silvercloud