„Ich will meine Batterien aufladen“, sagst Du.
Ja. Klar.
Aber Du bist kein Laptop. Kein Roboter. Kein elektrisch betriebener Dildo. Und diese harmlos klingende Formulierung mit den Batterien könnte auf was Gefährliches hinweisen. Unsere Sprache verrät viel über uns.
Vielleicht brauchst Du keine „aufgeladenen Batterien“.
Sondern ein anderes Verhältnis zu Dir. Ein liebevolleres.
Vielleicht hast Du Dich lange genug wie eine Maschine behandelt. Die verdammt noch mal funktionieren soll. Die „Techniken“ sucht für möglichst wenige und kurze Pausen. Die minimale unproduktive Leerlaufzeit will und maximale Ergebnisse!. Die mithalten will oder outperformen, in allen Bereichen.
Wir müssen uns nicht „aufladen“. Wir stehen doch schon genug unter Strom.
Wie wär’s stattdessen mit mehr Verständnis dafür, dass Du und ich Menschen sind. Fühlende, großartige Wesen, die nichts leisten müssen, um wertvoll zu sein.
Jedenfalls, was mich angeht … ich will diese Batterie-Aufladen-Sache nie wieder sagen. Und auch nie wieder hören. Es sei denn, ein Roboter spricht mit mir. Oder ein Dildo.
P.S:: Dieser Text sollte nicht mit dem Wort Dildo enden. Daher ein Hinweis auf etwas, das Dir auch gefallen könnte: An alle die glauben, sie hängen im Leben hinterher.
Photo: Henry Hemming
1:0 für Dich. Volltreffer.
Danke, Markus!
Danke! So hab‘ ich das noch nie gesehen – aber stimmt: ich muss meine Batterien nicht aufladen. Und wenn ich bisher gemeint habe, dass ich das z. B. im Urlaub oder am Wochenende mache, dann war ich in Wirklichkeit nur ich selbst und war bei mir – eben einfach Mensch!
Hi Gilla,
dann hattest Du in der Arbeit also Urlaub von Dir selbst?
Liebe Grüße Tim
Na, zumindest ein Teil meiner selbst hat beim Arbeiten „Urlaub“… 😉
Ich denke, es gibt in jedem mehrere „Selbst-Seiten“, ein „Arbeits-“ oder „Tagesroutine-Selbst“ und eben noch andere Seiten, die im Arbeitsalltag schon mal überdeckt werden und schwups: schon bist Du drin in der „Maschinerie“…
Ausgleichende Maßnahmen (Urlaub, Sport, lesen, in die Luft gucken) klappen nicht immer, aber tagsüber einfach mal meinen unterschiedlichen Seiten zuzuhören, hilft schon, damit das „Arbeits-Selbst“ nicht wieder zu dominant wird.
Danke! Das sind gerade die richtigen Worte für mich. Denn im Moment bin ich „leer“ vom Maschine-sein.
Hey Susa,
„im Moment“?
Vielleicht ist das ein guter Moment, ganz langfristig irgendwas zu ändern?
Liebe Grüße
Tim
Gestern habe ich mich erholt. Ich habe eine Tischplatte zugesägt und die Kanten geschliffen. Dreck gefressen und geschwitzt. Danach ging es mir nach einem sehr stressigen Tag wieder gut. „Batterien aufladen“ ist wirklich ein sehr schräges Bild. Irgendwie wie Infusion kriegen, etwas passives, etwas von außen.
Es geht so schnell, dass man wie eine Maschine behandelt wird und mitmacht oder gar sich selbst so behandelt. Und es generiert bei mir automatisch Stress. Der Irrtum, Mensch und Arbeit seien berechenbar, steckt schon überall zu tief drin.
Hi Toc,
ja, der steckt tief drin, und wahrscheinlich schon seit ziemlich langer Zeit. Das Problem ist, dass die maschinelle Sicht auf den Menschen und seine Arbeitskraft zumindest kurzfristig die andere Sicht „outperformt“ und das heißt schnell nicht nur schlechtere Zahlen als Unternehmen, sondern bald schon gar keine mehr, da Insolvenz.
Auf der anderen Seite scheinen sich etliche Unternehmen doch zunehmend zu öffnen für neue Modelle (einige dieser Unternehmen bestimmt nur alibi-mäßig).
Liebe Grüße Tim
Irgendwo hab ich mal über Kühe geschrieben. Kühen stellt man so Kratzbürsten hin, mit denen sie sich genüsslich schubbern können. Das macht die Kühe glücklich. Hört sich richtig toll an, glückliche Kühe. Die Wahrheit aber ist simpel und trostlos: Glücklichere Kühe geben mehr Milch. Und ich denke, genau darum geht es vielen Arbeitgebern am Ende auch. Glückliche Mitarbeiter kann man besser melken. Was mich daran stört? Es geht wieder nur um die Kohle. Der erfüllte, glückliche Mensch als Wert an sich ist eigentlich wieder wertlos. Heiner Geißler hat mal gesagt, es sei unsittlich, dass der Mensch dem Kapital diene und nicht anders herum. Es ist also eine ganz grundsätzliche Frage: Ist Geld der einzige Zweck von allem? Oder ist Geld nur ein Mittel zum Zweck?
Es ist alles eine Perspektivfrage. Ist Geldmachen das primäre Ziel einer Firma? Ich denke, das sollte es nicht sein. Eine Firma erbringt eine Dienstleistung oder produziert etwas. Das ist das primäre Ziel. Dafür wird Geld benötigt.
Letztendlich zieht sich diese Perspektive „Geld über alles“ sehr durch bei uns. Erfolg wird in Einkommen gemessen, was zum Beispiel Menschen in Sozialberufen per se zu Versagern macht. Selbst die Achtsamkeitswelle schwappt unter dieser Prämisse übers Land. Schneller, besser, erfolgreicher durch Achtsamkeit. Das kann eigentlich alles gar nicht funktionieren.
Und sehr viele von uns hätten genug Geld, würden sie nur mal endlich aus der Konsumspirale aussteigen und versuchen, mehr durch Tätigkeit glücklich zu werden als durch immer neuen Besitz. Tätigkeit braucht aber Zeit, und mehr Zeit für sich selbst würde bedeuten, weniger Zeit zum Geldverdienen. Und natürlich ist das auch subversiv, denn wir sollen ja alle konsumieren. Da wir den Grundbedarf des Lebens meist schon gut gedeckt haben, sollen wir Luxusgüter konsumieren. Und diese wollen wir möglichst billig. Erm, ja. Bzw.: Nö! Ich mach da nicht mehr mit.
Das passt wohl für viele Menschen, Tim. Die dann sufgeladene Energie ist aus der Gewohnheit heraus bereits schon wieder verplant. Allerdings meinen die Menschen die ich kenne damit durchaus Abschalten und Seele baumeln lassen und sie denken dabei an Entspannung und das Hamsterrad steht erst mal in der Ecke.
Hi Richard,
Ich denke, dass die Worte, die wir benutzen, auch wenn wir sie anders meinen, doch eine Wirkung auf uns haben. Sie sickern ein, irgendwie, auch wenn es uns nicht oder lange nicht bewusst ist.
Liebe Grüße
Tim
Ja, die Wirkung auf das Unbewusste. Ein Wort verstärkt ein Gefühl, mit dem wir es bereits verbunden haben. Ich verbinde „Baterie Aufladen“ mit dem Gefühl der Erholung. Und das Unbewusste kann nicht schlussfolgern auf das Funktionieren danach.
So passt es für viele Menschen, aber nicht für sehr viele, die ich kenne.
[…] völlig? Das kann beim Hören von Musik sein oder beim Wandern. Was machst du, um deine „Batterien aufzuladen“ (was übrigens ein völliger Blödsinn ist – siehe hier!), um zu dir zu kommen? Nein, […]