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Es folgt ein Gastbeitrag von Sabrina Gundert.

Ich erzählte meinem Mann gerade, wie groß meine Angst sei. Es ging mal wieder ums Geld. Um die Angst, anstehende Rechnungen nicht zahlen zu können. Um die Angst, dass das, was für den Moment ins Stocken geraten war, nicht mehr ins Fließen kommen würde. Ich erzählte und sorgte mich – bis ich plötzlich innehielt. Und zu ihm sagte: „Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, ob ich wirklich Angst habe. Ich meine nur, Angst haben zu müssen, weil man die doch zu haben hat, wenn wenig Geld da ist. Ich fühle mich wie ein Fehler im System, wenn ich keine Angst habe.“

Ich – ein Fehler im System

Ein Fehler im System. Das traf es ziemlich gut. Wer war ich, kein Geld und keine Angst zu haben? Wer war ich, wenn ich nicht durchdrehte, mir Sorgen machte und all mein Handeln nach dieser Angst und diesen Sorgen ausrichtete (ob es jetzt um Schwierigkeiten mit Geld, im Job, in der Beziehung, im Leben, in der Welt oder um sonst irgendein Problem ging)? Ein freier Mensch. Das spürte ich immer mehr. Und doch fühlte es sich irgendwie verboten an, wie etwas, das man nicht tat.

Ich muss an Charles Eisenstein denken, Philosoph, Menschenrechtsaktivist und Autor von „Die schönere Welt, die unser Herz kennt, ist möglich“, der in einem Vortrag fragte: What do we worry about? Wovor fürchten wir uns eigentlich?

Getrennt oder verbunden?

Ich merke, dass mein Glaube Angst haben zu müssen, viel mit der Frage zu tun hat, wie ich leben will. Welche Geschichte ich mir jeden Tag erzählen will. An welche Geschichte ich glauben will. Charles Eisenstein spricht immer wieder von der alten Geschichte, die vom Getrenntsein der Menschen erzählt, davon, dass jeder ein Individuum ganz für sich ist, unverbunden, das Universum leblos-rational. Und er spricht von der neuen Geschichte, in der wir unser Verbundensein wieder erkennen und das Universum in einer höchst intelligenten, lebendigen Form erfahren. Lange war mir nicht bewusst, dass auch ich mir jeden Tag eine Geschichte erzähle. Ebenso wie mir nicht klar war, dass ich wählen konnte, welche Geschichte ich mir erzählen und von welcher ich wirklich Teil sein wollte.

Zugleich habe ich längst begriffen, dass ich schon so lange mitwebe, Teil bin, von jener neuen Geschichte, die zwar in den Medien nur selten ein Gesicht bekommt, aber schon längst neben der alten existiert. Dass sie mir zutiefst im Blut ist – und die alte dennoch immer wieder ihre Fäden mit hineinspinnt. Aus Gewohnheit. Aus dem Glauben, so müsse es sein. Aus dem Wunsch, geliebt zu werden, Teil zu sein – wenn ich die gleiche Geschichte erzähle wie das Gros der Gesellschaft und dadurch weiter Teil von ihr sein darf.

Auf einmal werde ich gefährlich

Denn was passiert, wenn ich mir erlaube, tatsächlich keine Angst zu haben? Was passiert, wenn ich den inneren Raum wieder öffne und zulasse, dass ich vertraue? Auf einmal funktioniere ich nicht mehr, laufe ich nicht mehr mit. Auf einmal wage ich es, meine Macht zu mir zurückzunehmen und den Gestaltungsspielraum meines Lebens – unser aller Leben! – wieder zu öffnen. Auf einmal werde ich gefährlich, weil ich zeige, dass es noch eine andere Geschichte gibt. Und weil ich so frei bin, sie einfach zu leben.

Ich sehe den Schmerz, der hinter dem Widerstand der anderen (und oft auch noch von mir selbst) verborgen ist. Die Angst, dass es tatsächlich stimmen könnte. Dass es vielleicht wirklich noch eine andere Geschichte geben könnte. Den Schmerz, so viel Zeit und Kraft, so viele Sorgen und Ängste an diese alte Geschichte verschwendet zu haben, so viele mögliche, ungegangene Wege ebenso, um dann zu entdecken, dass sie gar nicht die einzige ist, die existiert.

An jenem Morgen am Frühstückstisch, als ich meinem Mann von meiner (nicht vorhandenen) Angst erzählte – ja, einer Angst, die ich mir wirklich mit dem Verstand immer wieder erzählte, die ich aber nicht in meinem Körper fühlen konnte – passierte etwas in mir. Ich nahm wahr, dass ich tief in mir schon längst mehr vertraute, als ich es nach der alten Geschichte hätte tun dürfen.

Die neue Geschichte ist längst da

Heute spüre ich, dass ich mich selbst immer noch immer wieder zwischen beiden Geschichten bewege. Das ist in Ordnung. Mal rutscht mir der große Zeh, mal der ganze Fuß in die alte Geschichte hinein und ich drehe mich im Kreis mit Angst, Sorge und Panik. Immer öfter und immer rascher (manchmal auch langsamer) erkenne ich, erinnere ich mich, dass ich selbst die Macht habe, da wieder auszusteigen. Dass ich es bin, die jeden Tag wählt, welche Geschichte sie sich erzählt und damit wachsen lassen möchte.

Ich merke, es fühlt sich immer noch ein wenig verquer an, ein Fehler im System zu sein. Und es fühlt sich richtig gut an. Weil es mich zurückkommen lässt in meine Kraft und Macht. Weil es mich wieder lebendig macht und den Raum in mir weitet. Und mich – statt in den Problemen und dem Kreisen um die Angst zu verharren – nach Lösungen Ausschau halten und mich fragen lässt, was ich als Nächstes in die Welt geben mag. Zu spüren, wie ich dabei wachse, in meine Kraft, Freude und in mein Hiersein als Mensch, berührt mich immer wieder tief. Vor allem, wenn ich mich erinnere, dass da schon heute viele andere Menschen sind, die mit mir an dieser neuen Geschichte weben.

Siehe auch: 3 Fragen, die Deine Angst lindern und Was Dich tragen kann, wenn alles zusammenbricht.


Sabrina GundertAutor:

Sabrina Gundert begleitet Menschen und vor allem Frauen mit ihren Coachings, Seminaren und Büchern dabei, ihr Leben bewusst zu gestalten, zurückzufinden in ihre Kraft und ein Leben zu leben, das sie tief erfüllt.  sabrinagundert.de


Photo (oben): 古 天熱