Teile diesen Beitrag "Wie man sich von Ängstlichkeit und Sorgen befreit (eine einfache Technik)"
BUUH!
Na, erschrocken?
Ich schon, beim Tippen. Aber da fängt es erst an. Ich bin ein eher ängstlicher Typ, fürchte mich regelmäßig. Auf Brücken, in der Dunkelheit, in Menschenmassen, im Straßenverkehr, im Angesicht einer Spinne. Vor morgen und vor übermorgen, vor Krankheiten, vor dem Ruin.
Und ich glaube – bitte sagt, dass das so ist – ich bin damit nicht allein. Viele von uns kennen die Sorgen, die Anspannung, die Nervosität, die uns den Tag über im Nacken sitzen und nachts mit uns ins Bett gehen.
Warum ist das so?
Der Neuropsychologe Dr. Rick Hanson schreibt:
Es sind unsere Instinkte, die uns permanent in Unruhe versetzen. Unser Gehirn ist allen voran aufs Überleben programmiert. Es stammt aus einer Zeit, wo die ständige Sorge durchaus berechtigt war. Ein Unwetter konnte damals genauso tödlich sein wie der Angriff eines 4,30 Meter großen Killer-Kängurus. Ängstlichkeit, die kleine oder große nagende Stimme im Kopf, ist ein Schutzschild. Sie ließ unsere Vorfahren wachsam bleiben und ständig nach Problemen Ausschau halten.
Heute ist unser Leben weniger gefährdet, unser Gehirn aber noch immer dasselbe, es PASST AUF, ist pausenlos in Alarmbereitschaft. Deshalb fällt es uns oft so schwer, entspannt zu bleiben in Situationen, die an sich völlig harmlos sind.
Die Stimme im Kopf mag gute Absichten haben, wenn sie uns sagt: „Bald passiert was ganz Schlimmes! Sei vorsichtig! Oder es ist schon was ganz Schlimmes passiert und Du weißt es nur noch nicht!“
In Wirklichkeit ist meist nur eines schlimm: die Folgen dieser Gedanken. Denn wie sollen wir das Leben genießen, wenn wir uns ständig bedroht fühlen (ich hab gerade wieder über die Schulter geschaut, im Moment kein Hinweis auf Riesenkängurus)?
Über die Zeit werden wir so zunehmend nervöser, negativer und anfälliger für Depressionen.
Ein Ausweg
Rick Hanson empfiehlt eine kleine Übung, die unsere Ängstlichkeit lindert und mehr inneren Frieden schenkt.
Mit ihr befreien wir uns von der Lüge, wir seien jederzeit kurz davor, dass uns etwas oder jemand einen Abgrund runter schubst.
Schließe dazu mehrmals am Tag Deine Augen. Atme tief ein und aus. Und sag Dir:
Jetzt, in diesem Moment bin ich okay.
Niemand greift Dich an. Niemand will Dich ertränken. Es fallen keine Bomben vom Himmel. Und wahrscheinlich gibt es auch keine riesige akute Krise. Es ist nicht alles perfekt, aber im Kern – der tiefer reicht als alle Sorgen, Ängste und Todos – bist Du okay.
Dein Herz schlägt, Deine Lunge atmet, Dein Verstand funktioniert. Genau hier und jetzt, in dieser Sekunde, bist Du okay.
Auch wenn nicht alles perfekt ist: Du darfst Dich gut fühlen. Es wird nichts Schlimmes passieren, wenn Du das tust.
Du kannst diese kleine Übung auch mit offenen Augen machen, im langweiligen Meeting, in der Warteschlange, in der U-Bahn, beim Abwasch, beim Fußnägelschneiden, auf dem Klo.
Atme tief ein und aus und denke:
Jetzt, in diesem Moment bin ich okay.
P.S.: Du kannst natürlich auch einen anderen Satz wählen, etwa: „Jetzt gerade geht es mir gut.“ Das mit dem Okay-Sein hat den Vorteil, dass es auch dann zutrifft, wenn wir uns im Moment nicht unbedingt supergut fühlen, es lässt Raum für alle Gefühle.
P.P.S.: Selbstverständlich gibt es neben dieser „nervösen Angst“ andere Arten von Angst, tiefer sitzende, traumabedingte, die vielleicht einer Therapie bedürfen (siehe 5 Anzeichen, dass Du eine Therapie brauchst).
Photo: Jonathan Kos-Read
Hallo Tim,
ein wirklich interessantes Buch zum Thema Angst ist auch: The Gift Of Fear von Gavin de Becker.
Vielleicht kennst Du es bereits?
http://www.amazon.com/Gift-Fear-Gavin-Becker/dp/0440226198
bzw
http://gavindebecker.com/resources/book/the_gift_of_fear/
Viele Grüße
Frau E.
P.S.: Ich freue mich, dass es Deinen Blog gibt! Eine echt riesige Sammlung von Inspirationen! Herzlichsten Dank fürs (Mit-)Teilen, immer wieder.
Hey Frau E.
Dankeschö für Dein tolles Lob und den Buchtipp, schaut wirklich interessant aus. Was war denn für Dich die Hauptaussage, die Du aus dem Buch mitgenommen hast?
Liebe Grüße
Tim
Hallo Tim.
Für mich waren die wichtigsten Aussagen (und Aha-Momente), dass es sinnvolle, überlebenswichtige Angst und nicht sinnvolle Angst gibt. Klingt vielleicht komisch jetzt wo ich es schreibe.
Aber ich habe den Sinn von Angst bis dahin wirklich nicht hinterfragt und bin auch in einem „stell-dich-nicht-so-an“-Umfeld aufgewachsen, in dem über Ängste nicht gesprochen wurde. Angst gehört weg, ist unangebracht und ist was für Weicheier. So in etwa. Ist vielen sicherlich bekannt. Ich habe nicht unterschieden zwischen Ängsten.
Für mich war es ein Gewinn, zu wissen, wie stark die („unbewusste“ weil viel zu schnelle) Wahrnehmung an Angst gekoppelt ist (Stichworte Bauchgefühl, Intuition). Und wie sehr sinnvoll sie dadurch ist, die richtig echte nackte (Todes-)Angst. Wie unglaublich der menschliche Körper wieder einmal erscheint. Und dass ich darum auch einem ersten flauen oder unguten Gefühl ruhig trauen darf – selbst wenn die Vernunft oder der höfliche Anstand mir eventuell etwas anderes sagen.
Was für mich auch sehr sehr interessant und nach einigen Beispielen auch plausibel zu lesen war, sind ein paar charakteristische Merkmale von Gewalttätern (Forced Teaming, Charm and Niceness, Too many details,Typecasting,Loan Sharking,The Unsolicited Promise,Discounting the Word „No“ – alles kurz und knapp hier: https://en.m.wikipedia.org/wiki/The_Gift_of_Fear)
Ist etwas lang geworden… Hoffentlich nicht zu konfus.
Lieben Gruß von
Frau E.
Hi Frau E.
Dankeschön für Deine Zusammenfassung – ich finde die kein bisschen konfus.
Die Angst also grundsätzlich erst mal ernst nehmen und die gute Absicht (bzw. Notwendigkeit) sehen, statt sie zu verteufeln.
„Und dass ich darum auch einem ersten flauen oder unguten Gefühl ruhig trauen darf – selbst wenn die Vernunft oder der höfliche Anstand mir eventuell etwas anderes sagen.“ schreibst Du, was hervorragend zum heutigen Textchen passt: https://mymonk.de/bauchgefuehl/
Liebe Grüße
Tim
Hey super Artikel Tim!
Am Ende lässt sich genau das Kernproblem rauslesen. Das ist, dass wir nicht im Moment leben, sondern entweder in unserer Vergangenheit oder in unserer Zukunft und uns auf unsere Ängste und Sorgen konzentrieren.
Der Schlüssel ist im Jetzt zu leben. Das erfordert viel Training, Motivation und nach Innen schauen.
Ein gutes Buch, das viele sicher kennen ist „Jetzt! Die Kraft der Gegenwart“ von Eckhart Tolle.
https://www.amazon.de/Jetzt-Kraft-Gegenwart-Eckhart-Tolle/dp/3899013018/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1465489452&sr=8-1&keywords=die+kraft+der+gegenwart
Danke Dan, ja, ein Kernproblem – und eins, dass wir außerhalb von Klostermauern kaum komplett überwinden können, denke ich. Das Buch von Tolle ist auf jeden Fall lesenswert! Liebe Grüße Tim
Ich meine, dass Ängste grundsätzlich kein Problem sein müssen. Klar ist jeder betroffen von diesen Gefühlen. Etwas düsteres kommt auf uns zu oder in den Sinn und das Gefühl ist da, egal ob ich das dann schon Angst nennen will oder nicht. Das Gefühl bewirkt eine Fokussierung auf etwas.
Die Fragen sind für mich aber, wie lange das Gefühl anhält, ob ich es aufstaue, ob ich damit Gedankenmuster anstoße, oder ob ich in ein Urvertrauen gehen kann, ein Annehmen und eine Gewissheit, dass letztlich alles gut ist, egal was ist. Letzteres und die Bereitschaft, das Gefühl auszuhalten, sind für mich entscheidend dafür, dass das Gefühl nicht lange genug anhält, um es Angst nennen zu können.
Hi Richard,
meinst Du, dass das Urvertrauen und „die Gewissheit, dass letztlich alles gut ist, egal was ist“ sich automatisch mit der Zeit einstellt, wenn wir das Annehmen üben?
Liebe Grüße Tim
Ohne Annehmen wird es sich wohl nicht leicht einstellen und auch den Gedanken sollte man zuschauen, damit sie zunehmend weniger anstellen. Aber ich meine, Vertrauen müssen wir immer wieder wagen und auch der Möglichkeit von Enttäuschung zustimmen. Mit Gewohnheit könnte es sich dann mit der Zeit sogar wie „automatisch“ anfühlen. Und warum sollten wir es nicht für möglich halten, dass wir sehr wenig wissen und nur nicht sehen, dass alles gut ist.
In der Vergangenheit hatte ich manchmal große Angst, ein Gefühl (zum Beispiel auch die Enttäuschung) könnte mich kaputtmachen, zerstören, wenn ich es nicht abwehre. Dann braucht es schon sehr viel Vertrauen – was mir dann geholfen hat, war, mir nur ein paar Sekunden vorzunehmen, und dann ein paar mehr …
Das Bewusstsein ist unseren Träumen nah und unseren Ängsten fern. Wir müssen einfach lernen unsere Ängste zu kontrolieren. Je öfter man es „einfach tut“ trotz Angst, desto einfacher wird es, finde ich.
Hi Denis,
ich persönlich glaube nicht so ans „Kontrollieren“ – weder bei Ängsten, noch bei anderen Gefühlen (es gibt auch Studien dazu, dass, wer an etwas nicht denken will, doppelt so häufig denkt – zum Beispiel bei Zigaretten oder Bier). Das trotzdem tun hingegen ist bei Angst bestimmt oft eine gute Strategie – anders als es vielleicht bei anderen Gefühlen der Fall ist, auf die wir auch nicht immer hören sollten, von denen die meisten Menschen heute aber eher zu sehr distanziert zu sein scheinen.
Liebe Grüße Tim
Hey, zufällig vor ein paar Wochen über diese Webseite gestolpert, heute ein bisschen gestöbert und bei dem Wort Angst hängen geblieben….einer meiner Trigger. Angst.
Obwohl ich mich freue bald Urlaub zu haben, mache ich mir jetzt schon Sorgen, ob alles gut geht. Und überhaupt. Ob es nicht sicherer ist, zu Hause zu bleiben. In der gewohnten Umgebung, hier kann die Risiken besser einschätzen – ich weiß, dass es hier keine Killer Kängugrus gibt.
Ich werde diese Übung mitnehmen – ich bin sicher, dass sie mir helfen wird (vor allem nachts) zur Ruhe zu kommen und ein bisschen zu ent-spannen. Vielen Dank dafür.
Genau zum richtigen Zeitpunkt gefunden, gelesen und mit mir genommen…
liebe Grüße, Sylke
Hey Sylke,
bist Du Dir sicher, dass es in der Nähe Deines Zuhauses keine Killer-Kängurus gibt? Ich glaub, ich hatte bei mir neulich welche im Stadtpark gesehen … kann aber was anderes gewesen sein, verzerrt von meiner Angst.
Kann ich jedenfalls gut nachvollziehen, ist womöglich auch einer der Gründe, warum ich nicht so super gern verreise.
Liebe Grüße und schon mal einen tollen Urlaub (falls wir vorher nichtsvoneinander lesen),
Tim
Hi Tim
„Und ich glaube – bitte sagt, dass das so ist – ich bin damit nicht allein. “
ich kann bestätigen dass du nicht allein bist 😉 früher hat mir Dunkelheit nichts ausgemacht, fand es eher lustig wenn sich Leute wegen ihr unbegründet unwohl gefühlt haben. Ich kenne aber seit längerem auch diese Gefühle. Es ist nix schlimmes vorgefallen oder so…
Ich denke es liegt daran dass ich mittlerweile schlechter sehe und Nachts alles was weiter als 5 Meter weg ist verschwommen ist. Das Gehirn sieht dann dass was es sehen will und Schattenformationen oÄ lassen einen dann kurz aufschrecken – auch wenn man natürlich weiß dass man nicht in Gefahr ist.
Aber jetzt, in diesem Moment bin ich okay 😉
Grüße
Alex
PS: cooler Blog übrigens!
Danke Alex, da bin ich beruhigt. 🙂
Das mit dem Schlechtersehen könnte sein – ich bräuchte auch seit ungefähr fünf Jahren eine Brille …
Gibt es wirklich Hilfe wenn man mit seinem Seellenleben in Gedanken im Kopf und beim Denken nicht mehr klar kommt.Unbegründet Hysterisch wird und das einmal im Monat passiert,auch wenn man es nicht will und sich hinterher noch schlechter fühlt?