Teile diesen Beitrag "Leidenschaft oder Selbstdisziplin – Was uns wirklich voranbringt"
Was ist wichtiger, was lässt uns wirklich erfolgreich und glücklich sein, Leidenschaft oder Selbstdisziplin? Die Einen sagen: „wenn Du etwas leidenschaftlich gern tust, wirst Du alles schaffen“, die Anderen: „Leidenschaft ist was für romantische Spinner, wer wirklich vorankommen will, braucht nur eines: stahlharte Selbstdisziplin“.
Lassen wir die Leidenschaft und Selbstdisziplin gegeneinander antreten.
In der rechten Ecke:
// Leidenschaft: eine das Gemüt völlig ergreifende Emotion.
In der linken Ecke:
// Selbstdisziplin: ein stetiges und eigenkontrolliertes Verhalten, das Anstrengungen aufwendet, die den Ablenkungen von einer einzuhaltenden Zielvorgabe entgegenwirken. Die Ablenkungen können von innen kommen (Müdigkeit, Lustlosigkeit, Plateaus, auf denen scheinbar nichts vorangeht etc.) oder von außen (z.B. TV oder Einladung auf eine Party, obwohl man lernen müsste).
Der Kampf kann losgehen. Lieber Leser, der Du ihn mit mir gemeinsam anschaust: ich kann Dir sagen, ich bin echt aufgeregt.
Warum?
Weil ich seit Jahrzehnten manche Ziele erreiche und viele nicht und mir nicht sicher bin warum, weil ich immer wieder wanke, wenn ich etwas über die Wichtigkeit von Selbstdisziplin und Leidenschaft lese und wissen muss, auf welches Pferd ich nun setzen soll, um die besten Chancen für mein Leben zu haben. Vielleicht geht’s Dir ja genauso: Du hörst oder liest mal wieder, dass Leidenschaft ja alles sei, was man brauche … und dann denkst Du darüber nach, dass Du doch schon seit Deiner Kindheit so gern malst oder singst oder schreibst oder sportelst und Du denkst darüber nach, warum Du es dann um Himmels Willen nicht geschafft hast, was aus Deiner Leidenschaft zu machen … warst Du nicht leidenschaftlich genug, hast Du überhaupt eine Leidenschaft, die es wert ist verfolgt zu werden … oder was jetzt?
Warum Leidenschaft allein nicht ausreicht
Derjenige, der mit Tinte schreibt, ist nicht zu vergleichen mit demjenigen, der mit seine Herzblut schreibt.
– Khalil Gibran
Die Opponenten wurden ja eingangs bereits vorgestellt und dabei auf eine große Schwäche der Leidenschaft hingewiesen: sie ist eine Emotion.
Manche Emotionen vergehen wie Wolken am Himmel, einmal davongeblasen oder aufgelöst sind sie für immer weg. Bei anderen Emotionen ist es eher wie mit dem Mond und der Sonne: sie sind immer wieder da … und immer wieder weg. So ist es beim Gefühl der Leidenschaft. Anders als die Wut, die verschwindet, wenn man verarbeitet und verziehen hat, taucht die Leidenschaft über Jahre auf und ab – allerdings weniger regelmäßig als es Mond und Sonne tun. Es mögen Jahre vergehen, in denen Du nicht daran denkst, wie sehr Du es liebst, etwas Bestimmtes zu tun. Und dann packt sie Dich wieder, Du holst den Pinsel raus, schwingst ihn mit göttlicher Kreativität über die Leinwand, blühst auf, gehst auf in der Tätigkeit, Du spürst die Liebe und alles um Dich herum verblasst. Oder Du entdeckst etwas Neues für Dich, wenn Du zum Beispiel zum ersten Mal Bogenschießen ausprobiert hast, es liegt Dir und Du weißt: das wird Dich nicht mehr loslassen.
Und dann lässt es Dich doch los.
Irgendetwas passiert, dass Deine Aufmerksamkeit einfordert, der Job wird gerade wieder mal besonders anstrengend oder privat wackelt es in der Kiste. So sehr Du es zu tun liebst, so gern Du Dein Leben um diese Tätigkeit herum aufbauen würdest, so gern Du davon leben und nicht mehr jeden Morgen ins Büro gehen müsstest … so sehr bleibst Du trotz Deiner Leidenschaft ablenkbar von den großen und kleinen Anforderungen oder Feierlichkeiten des Lebens, von der unvermeidbaren Unlust und Demotivation. (Siehe Warum Du nie das Buch geschrieben oder das Unternehmen gegründet hast, von dem Du schon so lange träumst.)
Leidenschaft kann kurzfristig Handlungen auslösen, aber ein zuverlässiger Treibstoff ist sie auf keinen Fall.
Sie ist zu mächtigen Schlägen im Ring fähig wie Obelix, fällt aber immer wieder um, etwa wenn mal jemand aus dem Publikum ruft oder ihr der Hintern juckt.
Warum Selbstdisziplin allein nicht ausreicht
Wenn man einen falschen Weg einschlägt, verirrt man sich umso mehr, je schneller man geht.
– Denis Diderot
Mit genügend Selbstdisziplin können wir jeden Plan umsetzen, jedes Ziel erreichen. Auch den Plan und das Ziel, das gegen unsere Bedürfnisse, Werte und Wünsche verstößt. Selbstdisziplin löst Handlungen am laufenden Band aus. Das Band kann allerdings in den Abgrund führen. Und dann stürzen wir und prallen in aller Härte auf, weil wir nicht auf unsere Körper hörten und krank werden, auf dem Weg die Beziehung oder Freunde vernachlässigt haben und einsam dastehen, oder wir den ganzen Tag Dinge machen müssen, die uns weder besonders liegen, noch die wir besonders lieben.
Die Selbstdisziplin kann dem Gegner kontinuierlich Rechts-Links-Kombinationen verpassen … bang bang … doch leider ist sie blind. Dass sie das richtige Ziel trifft, ist eher Zufall. Manchmal schlägt sie in eine Richtung, in der niemand steht, in anderen Momenten verdrischt sie den Ringrichter oder sogar sich selbst.
Die große Vereinigung
Wir brauchen also beides.
Die Leidenschaft als Kompass und Quelle der Inspiration und die Selbstdisziplin als zuverlässigen Treibstoff, der uns Tag für Tag für Tag voranbringt, auch wenn wir gerade am liebsten nur noch aufgeben und einschlafen würden.
Die Leidenschaft zeigt Dir, was Du liebst und tun solltest, die Selbstdisziplin sorgt dafür, dass Du es auch tust – unabhängig vom Auf und Ab der Emotionen.
So können wir auch langfristig durchhalten und die Hindernisse notfalls über die Entscheidung der Punktrichter niederstrecken, wenn’s mit dem Sekunden-K.O. nicht klappt (ich habe kein nennenswertes Ziel je mit einem solchen K.O. erreicht).
Stellen wir uns also vor, dass die beiden Gegner im Ring merken: „hey, wir sind gar keine Feinde, wir sind Freunde, wir gehören zusammen“. Die Beiden gehen aufeinander zu, erst in langsamen, zögerlichen Schritten und plötzlich hält sie nichts mehr und sie rennen aufeinander zu (obwohl die Disziplin blind ist, sie hört die Leidenschaft freudig rufen) und nehmen sich der der Ringmitte in den Arm. Und dann, ja dann … oh mein Gott … verschmelzen sie wie zwei Pokémon zu einem Superpokémon (hoffentlich können Pokémon sowas, sonst mache ich mich ja lächerlich hier).
Nein, mal ohne Scheiß. Ich glaube, das wird uns helfen, uns vom Entweder-Oder zu verabschieden und die Kräfte in uns zu verbinden, auf dass sie uns nicht nur erfolgreich, sondern vor allem auch glücklich machen.
Also zwei Fragen, in dieser Reihenfolge:
- Was tust Du leidenschaftlich gern? – Siehe auch 7 Fragen, die Dich zu Deiner Lebensaufgabe führen und Die Lebensaufgabe finden in 30 Minuten
- Wie kannst Du dafür sorgen, dass Du es regelmäßig und intensiv genug tust, um davon leben zu können? Die Antwort ist: Deine Selbstdisziplin entwickeln (siehe auch Wie man die Selbstdisziplin eines Shaolin entwickelt) – und sie vor allem dafür einsetzen, Gewohnheiten zu erschaffen, die Dich weitgehend automatisch handeln lassen.
Photo: The Wandering Angel
Hi Tim,
kommt mir fast so vor, als wäre der Beitrag nur für mich geschrieben 😉 passt im Moment wie die Faust auf’s Auge (um im Bild zu bleiben)
Gruß Birgit
Hi Birgit,
ja, so oft Du hier kommentierst (freu mich immer, ohne scheiß) hast Du’s längst auch mehr als verdient, dass ein Beitrag nur für Dich geschrieben ist. 🙂
Danke!
Mach Dir einen schönen Abend,
Tim
Sehr gut auf den Punkt gebracht!
Das war auch für mich ein sehr hilfreicher und wichtiger Artikel!
Herzlichen Dank!
Vielen Dank für Deinen guten Artikel ich werde mir Deinen Ratschlag zu Herzen nehmen 🙂
Let’s go!
Lieber Tim,
dankeschön, eine schöne Synthese!
Ich glaube an unseren inneren Antrieb. Gleichzeitig ist er bei mir, so wie du schreibst, mal mehr, mal weniger deutlich spürbar. Wenn ich nur ihm folgte, würde ich jeden Tag etwas Neues anfangen. An sich nicht schlecht, aber als Geschäftsmodell hat es sich bei mir noch nicht lohnend durchgesetzt (wenngleich ich auch das schon als Idee hatte 😀 ).
Kurzum: Ich glaube auch, dass die beiden ein gutes Team abgeben!
Danke für deine schönen Beiträge.
Silvia
Liebe Silvia,
ich Danke Dir. Die Idee mit dem Geschäftsmodell würde mich echt mega interessieren. Gibt’s das dann auch als Flatrate? :))
Auf das innere Team jedenfalls und Dir einen schönen Abend!
LG
Tim
ich hinterlasse keine comments…dennoch bin ich immer wieder sprachlos und begeistert über deinen blog!!! die art wie du schreibst, was du schreibst, deine recherchearbeiten, deine eigenen Gedanken und dein bezug zur realität…ich könnte die liste ohne mühe fortführen….aber mit einem satz : du bist ein segen! danke, dass es Menschen wie dich gibt…
Dankeschön für Dein großes Kompliment an meine Arbeit! Und dafür, dass Du dafür extra Deinen Kommentier-Unwillen überwunden hast, freu mich wirklich sehr, dass ich Dich mit den Sachen hier irgendwie erreiche. LG Tim
Schöner Beitrag! Dankeschön! Ich lese beim Artikel der Selbstdisziplin weiter 🙂
Ich denke, alles was ich mit Freude und Spaß mache bringt auch den Erfolg, denn dann mache ich es gerne und bin somit automatisch „fleissig“. Vorausgesetzt ich weiß wo meine Stärken und Schwächen liegen.
Finde ich auch sehr gut analysiert und gegenübergestellt, Tim. Und ich meine, es geht tatsächlich nur dann einigermaßen gut, wenn beide Pferde zum Einsatz kommen.
Nun ist es natürlich ein Segen, wenn die beiden Pferde nebeneinander antraten und den Wagen ziehen. Wer nicht beides hat, kann sich nach meiner Meinung auch etwas trösten. Als Minimum würde Bereitwillig anführen, um zumindest eine Weile durchzuhalten. Ohne diese wirst du jedem um dich schaden, nicht nur dir selber. Längerfristig solltest du etwas Begeisterung mitbringen. Dann stehen die Chancen auch recht gut, dass sich Disziplin aufbauen lässt und die Dinge fließen. Leidenschaft ist klar die beste Bedingung. Schwanken die Dinge mal etwas auf und wieder ab hin zu Unlust, kann die mit etwas Disziplin bestimmt überbrückt werden, um dann im Auf wieder herzhaft die Früchte einzufahren.
Ich klicke mich jetzt schon einige Zeit durch die Links und vieles ist mir so absolut aus der Seele gesprochen. Ob man nun Monster, innerer Schweinehund oder sonstwie sagt, die Existenz dieser Energie ist machtvoll, und es ist gut und hilfreich, sie zu kennen, und wir kennen sie alle in unterschiedlichen Erscheinungsformen. Sie hat ihre Berechtigung, ist Teil der Dualität, der Erscheinungswelt. Wir können sie zu unserem Freund machen, dann sind wir schon mal nicht im Kampfmodus. Geben wir im Rhythmus beiden ihren Raum!
Ein Ganz toller Artikel! Ich sehe das Ganz genauso. Die Leidenschaft finden und diszipliniert daran arbeiten. Das klappt bei mir Noch nicht so gut. Das mit der Disziplin. Aber ich gebe nicht auf!