Teile diesen Beitrag "Wie man Gewohnheiten schafft, die einen zu Glück und Erfolg tragen"
Die meisten leben in den Ruinen ihrer Gewohnheiten.
– Jean Cocteau
Wir denken gern, wir seien frei in unserem Willen und in unseren Entscheidungen. Doch das ist eine Lüge: wir sind Sklaven unserer Gewohnheiten. Zum größten Teil leben wir nicht, sondern werden gelebt. Und zwar jeden Tag auf die gleiche Weise. Wir denken, fühlen und tun heute nahezu dasselbe wie gestern.
Glaubst Du mir nicht? Meinst Du, Du seist meistens oder sogar immer Herr über das, was Du tust? Denkst Du, Du könntest dieses und jenes tun, wenn Du nur wölltest?
Dann lass mich Dir eine Frage stellen:
Gibt es etwas, das Dein Leben ganz sicher und stark bereichern würde – und das Du dennoch nicht tust?
Regelmäßig Sport treiben, gesund ernähren, meditieren, mit dem Rauchen aufhören, neue Leute kennen lernen, gute Bücher lesen statt stundenlang fernzusehen, Ordnung halten, bewusst innige Zeit mit Deinen Kindern oder Deinem Partner verbringen … oder etwas anderes?
Warum tust Du es dann nicht, obwohl Du weißt, wie großartig es sich auswirken würde?
Weil Verhaltensänderung hart ist. Daran sind vor allem die Gewohnheiten schuld. Gewohnheiten sind die Gleise, auf denen das Leben verläuft. Auf ihnen kann man von Tag zu Tag zu mehr Glück und Erfolg gefahren werden – oder näher heran an den Abgrund. Eine Gewohnheit kann Dein Freund oder Dein Feind sein.
In meinem Leben gibt es noch eine Reihe von Verhaltensänderungen, die mich definitiv bereichern würden, gesundheitlich, sozial, finanziell. Dinge, von denen ich lange dachte: „Ach, wenn ich wöllte, könnte ich das schon ändern“. Mir wird aber immer klarer, wie mächtig die Gewohnheiten und dass jeder Kampf gegen sie ein harter Kampf ist, den ich nur mit Entschlossenheit und der richtigen Technik gewinnen kann.
Und plötzlich war sie da
Unser Unterbewusstsein hält an den Gewohnheiten fest. Sie haben sich als Lösungen für bestimmte Probleme erwiesen, die wir immer wieder anwenden. Das erspart uns, immer wieder neu über immer wieder auftretende Herausforderungen nachdenken zu müssen. Deswegen beherrschen wir zum Beispiel das Autofahren blind – das Unterbewusstsein weiß was zu tun ist, wann wir schalten, blinken, schauen, Gas geben, bremsen und lenken müssen. Anders als ein Fahranfänger, für den jede Sekunde am Steuer anstrengend ist. Auch unsere Körperbewegungen gelingen mühelos – wir fangen Bälle, essen, tippen auf der Tastatur, laufen. Anders als ein Baby, für das jeder Schritt ein Abenteuer ist. Doch das Baby lernt schnell dazu, kommt Tag für Tag etwas besser aufrecht zurecht, verknüpft die notwendigen Bewegungen immer stärker im Gehirn, bis sie auch unbewusst funktionieren und das Laufen leicht wird.
Gewohnheiten sind also effizient, sie machen Platz im Bewusstsein für neue Anforderungen. Was für ein Albtraum es wäre, auch noch heute so viel Mühe aufwenden zu müssen, nur um ein paar Meter per Fuß zurückzulegen. Den Gewohnheiten sei dank haben wir den Kopf frei für andere Taten und Überlegungen und Pläne.
Gewohnheiten bringen allerdings auch Nachteile mit sich. Das Unterbewusstsein speichert teils auch Lösungen ab, die uns eher die Beine brechen als frei und beschwingt durchs Leben springen lassen. Jedes Mal, wenn wir denken „Ich kann das nicht“ oder „Ich bin es nicht wert, geliebt zu werden“, festigt sich der Gedanke und taucht immer häufiger auf. Jedes Mal, wenn wir morgens zuallererst unsere Mails checken um „auf dem Laufenden zu sein“, mit jeder Zigarette, die wir rauchen um den Stress zu bewältigen, mit jedem Mal, das wir gleich nach der Arbeit den Fernseher anschalten um abzuschalten, festigen sich diese Gewohnheiten. Schon sehr bald ist uns gar nicht mehr bewusst, was wir da täglich tun.
Aufwachen
Bevor man eine alte Gewohnheit ersetzen kann, muss man sie erkennen. Weil Gewohnheiten komplett vom Unterbewusstsein übernommen werden, ist das oft gar nicht so leicht. Der Zugfahrer fährt große Teile des Tages wie in Trance auf den festen Gleisen entlang. Wir müssen ihn zuerst aufwecken, dann erst kann er aus dem Zug aussteigen, die Weichen umstellen und den Zug auf einen neuem Gleis fahren lassen. Ihn aufwecken können wir am besten mit den richtigen Fragen:
Welche Gewohnheiten hast Du?
Welche dieser Gewohnheiten helfen Dir?
Welche bringen Dich Tag für Tag näher an den Abgrund?
Auf welche Gewohnheiten bist Du stolz?
Und für welche schämst Du Dich, sodass Du sie lieber verheimlichst?
Am besten funktioniert diese Übung, wenn Du sie schriftlich machst. Nimm Dir einen Zettel und schreib’ die guten sowie die schlechten Gewohnheiten auf. Schwarz auf weiß werden sie greifbarer und Du kannst besser mit ihnen arbeiten.
Wenn Dir bei einer Gewohnheit nicht klar ist, ob sie gut oder schlecht für Dich ist … dann schließe Deine Augen und stelle Dir vor, was passiert, wenn Du sie über die nächsten fünf, zehn und zwanzig Jahre beibehältst. Wird Dich die Gewohnheit Dich unterstützen oder aufhalten? Was kostet es Dich, sie beizubehalten, was gewinnst Du aus ihr?
Sei so ehrlich wie möglich zur Dir selbst. Wir alle haben Gewohnheiten, auf die wir nicht stolz sind. Und die meisten von uns kennen sicherlich das Gefühl, ihnen ausgeliefert zu sein.
So auch ich natürlich: in meiner frühen Jugend fing ich mit dem Rauchen an. Bald war die Morgenzigarette das erste, was ich nach dem Aufstehen tat. Ganz gleich, ob ich Kopfschmerzen, Hunger, Halsschmerzen und Husten hatte, ich ging in die Küche, steckte mir eine Zigarette in den Mund, zündete sie an und atmete drei bis vier Minuten lang Gifte ein. Kein so guter Start in den Tag, oder? Vor allem, weil ich als Raucher sehr oft unter Kopfschmerzen litt. Dass ich irgendwann bei 1,5 Schachteln am Tag angelangte, hat mich in jungen Jahren schon in den Fitnesszustand eines Siebzigjährigen versetzt. Doch nicht nur körperlich fühlte ich mich schwach, auch mental: ich war abhängig von diesem Dreck und ich dachte (wenn es mir auch oft nicht bewusst war), ich würde es für immer bleiben. Seit sieben oder acht Jahren bin ich nun Nichtraucher – das Gefühl, keine Chance gegen die ungeliebte Gewohnheit zu haben, betrog mich damals also.
Bis ich das Rauchen erfolgreich aufgegeben hatte, war es ein langer Weg. Der erste Schritt jedoch war, mir ehrlich einzugestehen: ich bin süchtig und ich vergifte mich selbst.
Es bleiben 24 Stunden
Neue Verhaltensweisen lösen zwangsläufig alte ab. Der Tag hat weiterhin 24 Stunden – und die werden weiterhin gefüllt. Man kann nicht nichts tun, und wenn das einzige, das man tut ist, die Decke anzustarren.
Dir dessen bewusst zu sein, kann Dir dabei helfen, alte Gewohnheiten langfristig loszuwerden. Versucht man nämlich, eine Gewohnheit ersatzlos zu streichen, entsteht ein Loch. Dieses Loch zieht uns entweder wieder in die alten Gewohnheiten herein, oder das Unterbewusstsein füllt es selbst mit einer neuen. Ein Klassiker: Nichtraucher greifen plötzlich 20 Mal am Tag in die Pralinen- statt in die Zigarettenschachtel. Alte Süchte werden so häufig ohne unsere Entscheidung durch neue ersetzt, alte negative Nebenwirkungen durch neue.
Möchtest Du zum Nichtraucher werden, ist es daher hilfreich, Dir eine Alternative zu überlegen. Was tust Du am Morgen zuerst, wenn Du nicht mehr rauchst, was tust Du in der Zeit, in der Du bisher für eine Zigarettenpause vor die Tür gegangen bist? Was könntest Du in Deinem Leben hinzufügen, wenn Du stattdessen nicht mehr rauchst?
Und auch wenn es Dir in erster Linie darum geht, eine neue Gewohnheit in Dein Leben holen möchtest (und nicht darum, eine alte loszuwerden), hilft es, schon im Vorfeld zu wissen, dass damit weniger Zeit für etwas anderes zur Verfügung steht – und was genau es ist, auf das man dann verzichtet.
Neue Gewohnheiten schaffen
Es gibt zwei Regeln für neue Gewohnheiten.
Die erste lautet: Beginne heute.
„Heute eine kurzfristige Herausforderung anzunehmen ist leichter, als das ganze Leben lang etwas zu bereuen “ schreibt der Blogger Steve Pavlina. Morgen wird es nicht leichter sein, und übermorgen auch nicht. Doch so hart die ersten Tage sein mögen, nach etwa drei bis vier Wochen ist die neue Gewohnheit etabliert. Dann kann sie uns schon bald mühelos-automatisch zu mehr Glück und Erfolg tragen.
Wir müssen trotzdem manchmal noch ein bisschen Willenskraft auftreiben sein, doch das wird immer leichter. Ich denke zwar noch heute gelegentlich daran, wie schön doch eine Zigarette wäre, wenn ich etwa mit einem Freund auf dem Balkon ein Abendbier trinke. Ich weiß aber auch, wie schnell man wieder zum Raucher werden kann, wenn man einmal schwach wird. Der Widerstand schwindet mit jeder Zigarette und nach wenigen Wochen ist man dort, wo man nie wieder sein wollte. Nicht anders ist es bei anderen Vorhaben: wenn ich einige Tage nichts schreibe, fällt es mir immer schwerer, mich an den Schreibtisch zu setzen und den Anblick des leeren Textdokuments zu ertragen, bis es sich langsam füllt.
Daher die zweite Grundregel: Weiche nicht ab.
Sich daran zu halten gelingt umso besser, je mehr Ressourcen wir dafür haben. Die folgenden Tipps können Dir dabei helfen, Deine Stärke anzuzapfen und eine neue Gewohnheit erfolgreich aufzubauen:
- Klare Ziele setzen: Was willst Du mit Deiner neuen Gewohnheit erreichen, wohin soll sie Dich tragen? Je klarer Du Dir darüber bist, umso größer wird Dein Verlangen und Dein Wille werden.
- Einklang mit der Lebensaufgabe: Sehr stark und auch langfristig motivierend ist es, sich zu überlegen, wie die ungeliebten alten und die angestrebten neuen Gewohnheiten im Einklang mit der eigenen Lebensaufgabe stehen. Spiegeln Deine Gewohnheiten den wider, der Du sein willst? Oder verkaufst Du Dich damit unter Deinem Wert? Wie hilft Dir die neue Gewohnheit, Deine Lebensaufgabe besser als vorher erfüllen zu können? Siehe auch Warum Du Deine Lebensaufgabe kennen solltest.
- Konsequenzen bewusst machen: Zu oft sabotieren wir uns selbst. Die ersten abgenommenen Kilos sind geschafft, und plötzlich fressen wir uns voll und machen alles zunichte. Die ersten Ersparnisse sind zur Seite gelegt, und plötzlich geben wir alles auf einmal aus – für Schrott. So etwas passiert nicht zufällig, sondern mit System. Das Unterbewusstsein will uns vor befürchteten negativen Folgen schützen, die eintreten könnten, wenn wir ein Ziel erreichen. Diese Folgen sind uns in der Regel nicht bewusst, und doch halten sie uns von unseren Vorhaben ab. Ein Beispiel: vielleicht hast Du Angst, einsam zu werden, wenn Du mehr Geld besitzt oder attraktiver bist als die Menschen in Deinem Umfeld? Siehe auch Die heimliche Angst vorm Erfolg.
- Komfortzone komfortabler machen: Streben wir neue Verhaltensweisen an, verlassen wir zwangsläufig unsere Komfortzone. Wichtig ist dafür, nach dem Ausbruch in die Unsicherheit auch wieder in die Sicherheit zurück zu können. Je sicherer wir uns in unserer Komfortzone fühlen, umso mehr Kraft haben wir für die Kämpfe außerhalb. Könntest Du Dir Deine Wohnung gemütlicher einrichten? Sind Dein Bett und Dein Schlafzimmer so gestaltet, dass Du Dich bestmöglich regenerierst? Unterstützen Dich Deine Beziehungen bei Deinen Vorhaben oder stehen Dir manche Menschen aus Neid, Missgunst und Angst im Weg?
- Hilfe suchen: Vielleicht neigst Du wie ich dazu, alles alleine schaffen zu wollen. Vielleicht fällt es Dir, wie mir, manchmal schwer, Hilfe zu suchen oder anzunehmen. Dabei gibt es so viele Menschen, die Dich unterstützen und mit denen Du Dich zusammen tun kannst. Du könntest Dich nach Vorbildern umschauen, die dort sind, wo Du hinwillst – und sie um Hilfe bitten, oder sie mittels Büchern oder Videos studieren. Du könntest Dich zum Joggen mit einem Freund verabreden oder Dir eine Gruppe von Joggern in Deiner Stadt suchen. Du könntest Teil eines Stammtischs oder einer Selbsthilfegruppe werden. Wie auch immer die Hilfe für Dich aussieht: gemeinsam ist es leichter.
- Rechenschaft ablegen: Verkünden wir unser Vorhaben laut, setzten wir uns und die alten Gewohnheiten damit unter Druck. Gibt es jemanden, dem Du täglich Bericht erstatten könntest? Jemanden, der Dich zur Rechenschaft zieht, wenn Du nachlässig wirst? Oder jemandem, dem Du dann einen Gefallen schuldig bist, auf den Du überhaupt keine Lust hast? Ich bin der Meinung, dass man nicht alle Ziele hinausposaunen sollte, aber die Scham vor Vertrauten, wenn wir etwas nicht schaffen, kann uns durchaus hilfreich sein.
- Den Frosch essen: Die menschliche Willenskraft ist ein knappes Gut. Über die größte Willenskraft verfügen wir in der Regel zu Beginn des Tages. Im Englischen gibt es den Ausspruch „Eat the Frog“ – iss den Frosch. Gemeint ist damit: wenn man gleich am Tagesanfang das Ätzendste tut (wie einen Frosch zu essen), ist der Rest des Tages vergleichsweise einfach zu bewältigen. Neue Verhaltensweisen trainiert man daher, wenn möglich, am besten gleich nach dem Aufstehen. Es ist zum Beispiel viel leichter, morgens in die Joggingschuhe zu schlüpfen als nach einem langen Tag im Büro.
- Nicht zu viel auf einmal: Manchmal nehmen wir uns einfach viel zu viel auf einmal vor. Dann ist das Scheitern vorprogrammiert. Wer gleichzeitig mit dem Nichtraucher, Ausdauersportler und Bodybuilder, Bodybuilder und Nie-wieder-Fernseh-schauer werden will, tut sich damit keinen Gefallen. Die bessere Chance auf einen Erfolg haben wir, wenn wir nur eine oder zwei Sachen auf einmal umsetzen. Und daraus dann Mut für die nächste Herausforderung zu gewinnen.
- Rückschläge richtig einordnen: Nicht immer schafft man es beim ersten Anlauf, eine neue Gewohnheit zu entwickeln. Das ist absolut normal, in Ordnung und kein Grund zum Verzweifeln. Im Falle eines Rückschlags ist es meiner Erfahrung nach besonders wichtig, wie man ihn einordnet. Wenn Du Dir sagst: „Wusste ich’s doch, dass ich’s nicht schaffe und niemals schaffen werde“, dann wirst Du damit Recht behalten. Genauso wirst Du vermutlich Recht behalten, wenn Du Dir hingegen sagst: „Hey, super, immerhin habe ich es eine Zeit lang geschafft, da kann ich stolz auf mich sein. Jetzt sammle ich noch mal Kraft und dann packe ich es im nächsten Anlauf für immer.“
Mit reiner Willenskraft allein kommen wir nicht weit. Wir müssen sie gezielt dafür einsetzen, Gewohnheiten zu schaffen, die uns zu Glück und Erfolg tragen. Diese Sichtweise weicht stark von den Ratschlägen der durchschnittlichen Selbsthilfe-Bücher, -Programme und -Seminare ab, die die Macht der Gewohnheit vernachlässigen und stattdessen auf permanente Selbstdisziplin setzen. Aber die meisten Tipps aus dieser Ecke funktionieren ja auch nicht.
Also: denke ungewöhnlich – denke in Gewohnheiten.
Photo: Vince Alongi
Bitte den ganzen ansonsten recht guten Artikel umschreiben und dabei alle Stellen weglassen, wo von „Unterbewusstsein“ und „unbewusst“ die Rede ist! –
In diesem (psychologisch leider auch sonst nicht ganz optimalen) Satz: „Doch das Baby lernt schnell dazu, kommt Tag für Tag etwas besser aufrecht zurecht, verknüpft die notwendigen Bewegungen immer stärker im Gehirn, bis sie auch unbewusst funktionieren und das Laufen leicht wird“ ist ganz richtig formuliert, was das Gerede von „dem Unbewussten“ und „dem Unterbewusstsein“ eigentlich meint: schlicht alles(!), was wir REFLEX-haft machen, quasi automatisch, aus Gefühl, aus einer Laune heraus, ohne nachzudenken, gedankenlos, unbedacht, intuitiv, natürlich, aus dem Bauch (heraus…), routinemäßig „aus Gewohnheit“ oder – wie beispielsweise zu blinzeln oder bei einem Knall zusammenzucken – „von Natur aus“!
Nicht ganz nebenbei der Hinweis, dass „natürlich“ auch Gewohnheiten natürlich sind; denn sie beruhen bekanntlich auf unserem Lernvermögen – und über das verfügen wir auch von Natur aus.
Psychologen reden deswegen in beiden Fällen von Reflexen, also nicht nur bei natürlichen Reflexen, sondern auch bei Gewohnheiten; denn der Ablauf beider ist genau gleichartig, nur ihre Herkunft ist unterschiedlich. Sie unterscheiden deswegen dann logischer Weise zwischen „angeborenen“ Reflexen und „erworbenen“ bzw. „gelernten“ Reflexen.
Weil wir mit einer Unmenge natürlicher Reflexe zur Welt kommen und jede Menge Gewohnheiten dann auch noch zusätzlich entwickeln bzw. einüben und immer noch mehr uns an- und eintrainieren können – bekannt ist sicher auch der Ausdruck von den „einfahrenden“ oder „eingefleischten“ Gewohnheiten –, tun wir unglaublich viel „reflexhaft“ oder wie in dem zitierten Satz über Babys gleichbedeutend dafür auch gesagt wird eben „unbewusst“.
Beides Mal ist dasselbe gemeint! Deswegen ist das ganze Gerede von unter- und unbewusst im Zusammenhang mit Gewohnheiten schlicht unnötig weil doppelt gemoppelt. Von Gewohnheiten zu reden, ist lediglich umgangs- oder alltagssprachlich ausgedrückt und wird deswegen zur sog. „Alltagspsychologie“ gerechnet; das andere ist pseudofachlich und stammt bekanntlich aus frühen Versuchen Freuds, seine Erfahrungen mit Patienten zu ordnen und sie in sinnvoll scheinende Zusammenhänge zu bringen und zu „erklären“. Gemeint ist aber immer dasselbe!!
Deswegen gibt es auch nicht das, was wir sprachlich aus den Wörtern un- und unterbewusst machen können und was auch schon Freud gemacht hat: aus diesen Eigenschaftswörtern oder Adjektiva sprachlich einfach Hauptwörter, also Substantiva zu fabrizieren und die dann immer mit bestimmten oder unbestimmten Artikel zu schreiben, weil die deutsche Sprache nur Hauptwörter mit Artikel kennt: „DAS Unbewusste“ gibt es wie „DAS Unterbewusste“ – das dann vielleicht auch noch weniger unbewusst wäre als DAS Unbewusste… – nur als Begriff, nicht als Realität. Wie willkürlich diese Begriffsbildungen sind, wird auch daran ersichtlich, dass Freud auch mal von DEM Unterbewussten oder Unterbewusstsein geredet haben soll, diese Ausdrucksweise aber zugunsten seiner Erfindung „EINES Vorbewussten“ verworfen und dann sein gelassen haben soll.
Erst recht kann keines dieser künstlichen Hauptworte auch nur irgendetwas TUN: weder kann ES an etwas „festhalten“ – schon gar nicht just an Gewohnheiten, wie in dem Text formuliert wird! ES „weiss“ auch nix, „füllt“ nix noch „speichert“ ES irgendwas irgendwo! Vor allem aber „will“ ES nix und niemals!! ES ist ja gerade zu einer bewussten und überlegten Willensbildung gar nicht fähig – so wenig wie zu irgendetwas sonst und schon gar nicht im Widerspruch zu sich selbst!
In dem Artikel sind an Stellen, wo von un- oder unterbewusst in normaler oder versubstantivierter Form die Rede ist, immer nur Gewohnheiten gemeint, dasselbe also.
Das leere Gerede von un- und unterbewusst ist leider weltweit zum psychologisch nichtssagenden Jargon geworden – nach dem schlechten Vorbild Freuds, der mit DEM Unbewussten alles von seinen Patienten Nicht-GEWUSSTE meinte erklären zu können: durch bloße Umformulierung, einem schlichten sprachlichen Trick also. (Unter anderem stammt von daher das schlechte Renommee seiner Theorie. Die Praxis der Psychoanalyse ist dagegen weit besser als ihre Theorie!)
Hallo,
danke für die ausführliche Erläuterung. Für mich als Laie ist der Text aber völlig in Ordnung. Die im Text benutzten Begriffe sind gängig und man weiß, was gemeint ist.
Vielleicht sollte man Fachjargon auch den Fachleuten überlassen.
Viele Grüße
Hi Dalia, danke für Deinen Kommentar – freut mich, dass Dir der Text gefällt. Ich denke auch, dass der Fachjargon nicht unbedingt für Laien (wie mich und viele der Leser) nötig ist, aber manchmal eben schon. Insofern vermute ich, dass Ingo-Wolf recht hat: mein Text hat so seine Ungenauigkeiten, der Wert für den Leser ist so an der einen oder anderen Stelle geringer, als er sein könnte. Liebe Grüße, Tim
Genau!! Exakt das wollte ich mit meiner „Bitte“ am Anfang ja anregen: „den Fachleuten“ den „Fachjargon“ zu „überlassen“ und selbst dann konsequenter Weise überall darauf zu verzichten! Danke für die Unterstützung! –
(Weil ich nicht drauf komme, wie meine Bitte, den ganzen ansonsten recht guten Artikel umzuschreiben und dabei alle Stellen wegzulassen, wo von “Unterbewusstsein” und “unbewusst” die Rede ist, anders verstanden werden könnte die Frage, ob meine Formulierung auch anders verstanden werden kann?)
Danke, wegen diesem Kommentar kann ich noch besser mit diesem Artikel arbeiten. Weil „Unterbewußtsein“ und „unbewußt“ suggerieren MIR immer:“da kommst du nur schwer ran; es ist schwer etwas „unbewußtes“ zu ändern, …“. Aber wenn ich von Gewohnheiten oder Reflexen ausgehe, dann kann ich es ändern! Das geht vielleicht nur mir so, aber Danke noch mal!
Interessant an den Kommentaren ist, dass nun über die Formulierungen verhandelt wird und nicht über den Kern des Artikels : „Wie man Gewohnheiten schafft, die einen zu Glück und Erfolg tragen“
Vielleicht macht Ihr das ja aus reiner Gewohnheit… 😉
Hi Kerstin, gefällt mir, Dein Kommentar! :). Guter Punkt!
Wirklich toller Artikel!
Genau das ist es…Man hat z.B. Kummer und greift automatisch auf Gewohnheiten zurück, die man damit verbindet. Mir gehts schlecht, also betrinke ich mich jetzt odere zeige allen meine miese Laune.
Dabei könnte man einfach das Gegenteil machen. Mir gehts schlecht und gerade deswegen male ich ein Bild oder spaziere fröhlich durch die Stadt.
Ps: Eine Frage bleibt mir jedoch offen: Gewohnheiten sind ja nicht von Anfang an „Gewohnheiten“, sondern treten irgendwann ins Leben. Z.B. am Tag X beginnt man zu rauchen. Wieso gewöhnt man sich „Schlechtes“ eher an und wie vermeidet man dies?
Danke und
Lg aus dem schneeweißen Berlin
Hi Valeri,
vielen Dank für Deine Worte. Freut mich sehr, dass Du mit dem Artikel etwas anfangen kannst!
Ob man sich „Schlechtes“ eher angewöhnt, weiß ich nicht. Ich vermute aber, dass die schlechten Gewohnheiten (z.B. zu viel essen, zu wenig Sport treiben) die sind, die kurzfristig zwar besser (essen schmeckt und dämpft Kummer, Couch ist bequemer) scheinen, langfristig aber negative Auswirkungen haben. Das menschliche Gehirn scheint mir in der Regel dazu zu tendieren, was im Moment einfacher / bequemer / schmerzstillender / freudebringender ist.
Ein Mittel gegen neue schlechte Gewohnheiten kenn ich leider nicht. Mir hilft es, mir das Gefühl und den Grund bewusst zu machen, warum ich mich jetzt mit Fraß vollstopfen will – den Zustand zu akzeptieren und dann zu überlegen, welche längerfristigen Folgen mein Verhalten hätte:
5 Minuten lang: GEIL, LECKER, MAMPF
Kurz darauf: MIST, schon wieder vollgestopft
Später: BUUHUU, DICK, will nicht mehr rausgehen
Hilft zwar auch nicht immer bei mir, aber doch häufig genug, um es als mögliche Lösung stehen zu lassen :).
Liebe Grüße
Tim
Ja stimmt. Es ist einfacher, sich schnell Pommes zu holen, anstatt 1. einkaufen zu gehen und 2. etwas gesundes und leckeres zu kochen…
Es ist einfacher, nach einem enstandenem Problem das Kissen vollzuheuln oder die Freunde anzuzicken, anstatt sich mit der Ursache auseinanderzusetzen usw.
Du hast recht, man sollte öfter langfristig denken (ohne das hier und jetzt aus den augen zu lassen) und nicht: „hauptsache für den Moment befriedigt“…
Das mit dem Essen ist ein prima Beispiel, klappt bei mir nahezu immer, so dass ich mich gegen Mcs und Co entscheide. 🙂
Danke
Valeria (habe oben das A vergessen)
😉
Ps: Ich wünsche mir folgenden Artikel: Wie handel ich nicht impulsiv? D.h. aus negativen Emotionen und Gedanken heraus, sodass ich kurzfristig+langfristig mir und anderen nicht „schade“…
Vielen Dank für diesen anregenden Artikel.
Das erste Problem stellt sich mir allerdings schon beim Niederschreiben: gerade weil Gewohnheiten nun mal die Verhaltensweisen sind, die uns schon so in Fleisch und Blut übergegangen sind, dass wir sie oft nicht mehr bewusst wahrnehmen, ist es schwer, sie als solchen zu erkennen. Auf die scheinbar einfache Frage hin „Was sind meine Gewohnheiten?“ Musste ich sehr lange überlegen.
Ich werde diese Aufgabe jetzt mit in meinen Alltag nehmen und immer, wenn ch eine Gewohnheit erkannt zu haben glaube, diese notieren.
Außerdem werde ich mein Umfeld um Hilfe bitten. Ein bisschen Fremdbild hilft da sicherlich, über den eigenen „gewohnten“ Tellerrand hinaus zu schauen.
Katharina
Gar nicht so leicht, wie es klingt! 🙂
Gewohnheiten haben eines immer gemeinsam: das quasi „Automatische“. An diesem Automatischen können Gewohnheiten am leichtesten, wie ich meine, und außerdem immer erkannt werden.
Alles was man ohne nachzudenken tut, „wie ein Automat“ oder impulshaft, ist entweder durch schlichtes Wiederholen irgendwann und irgendwie „in Fleisch und Blut übergegangen“, oder beruht auf sog. „angeborenen Reflexen“, über die wir schon „von Natur aus“ verfügen. (Wie erwähnt werden Gewohnheiten deswegen auch als gelernte oder erworbene Reflexe bezeichnet.)
Dazu gehört alles, was man „einfach so“ tut, jedes Reagieren „aus Gefühl“, jede Reaktion „im Affekt“,“auf den ersten Impuls hin“ oder „aus innerem Antrieb“. Reaktionen dieser Art setzen „von selbst“ ein, unvermittelt und deswegen immer blitzschnell – weil ja nichts dazwischen geschaltet ist, schon gar nicht „der Kopf“.
Der vielgenutzte Vorteil gewohnheitsmäßigen Reagierens ist genau das: man braucht dabei nicht nachzudenken und zu überlegen, ob es nachteilig oder von Nutzen ist, so zu reagieren, wohin es führt, was andere dazu sagen könnten und würden usw. –
Gewohnheiten sind vor allem aber unglaublich bequem; denn sie setzten ja wie erwähnt ganz von alleine ein! Wir brauchen uns nicht einmal für sie zu entscheiden! Es ist tatsächlich so, wie schon „der Volksmund“ sagt: für gewöhnliches Reagieren brauchen wir nicht den geringsten Gedanken „zu verschwenden“!
Erst zu überlegen, wie man „eigentlich“ reagieren möchte oder was man tun sollte, gar zu überlegen und abzuwägen, was am besten wäre zu tun, verzögert sofort – oder verhindert sogar – jedes spontane, natürliche und ungezwungene Reagieren, alles Tun, das unmittelbar „aus dem Bauch heraus“ erfolgt, dem Gegenpol zum erwähnten „Kopf“.
Die vielleicht unangenehmste Konsequenz des Ganzen will ich allerdings nicht verschweigen: Gerade das einem liebgewordene und vielleicht liebste, ja ganz natürlich erscheinende „Reagieren“ steht damit immer als erstes im Verdacht, „bloß/e Gewohnheit“ zu sein oder sogar „weiter nichts als“ Reflex. –
NB: Die beiden letzten Wendungen werden gerne benutzt, um „gewöhnliches“ Reagieren als irgendwie minderwertig oder „nicht so gut wie“ anderes erscheinen zu lassen. Dabei wird dann an sog. „bewusstes Handeln“ gedacht. Im Normalfall ist damit ein absichtliches und gezieltes Tun gemeint, also eines, bei dem man weiß, was man will und was man dafür tun muss. So wichtig derart bewusstes Tun ist: unser natürliches Reagieren ist nicht weniger wichtig, wenn auch auf ganz andere Art: es stellt die Grundlage all unseres Tuns dar, und zwar eine derart zuverlässige Grundlage, dass sie wie ein „Sicherheitsnetz“ für uns ist, auf das wir immer zurückgreifen und auf das wir uns immer verlassen können – blind!
Hi Ingo,
dankeschön für Deine Zeilen!
Ja, das nehme ich auch so wahr: „gewohnheitsmäßig“ hat einen überwiegend abschätzigen, gelangweilten, minderwertigen Ton.
Und ja, vielleicht sollten wir uns auch einer Sache ganz grundsätzlich bewusst sein: es gibt die Gewohnheiten, und im Grunde sind alle von ihnen da, um uns zu helfen.
Herzliche Grüße und eine schöne Zeit, lieber Ingo!
Tim
Ja, Tim, und „gewöhnlich“ hat dieses Herablassende und Abschätzige, ja oft Verachtend-Verächtlich erst recht.
Dabei gehören zu Gewohnheiten auch alle unsere Sitten und Gebräuche, unser gesamtes Brauchtum mit seinen Traditionen, Zeremonien und Ritualen, unsere Umgangsformen auch und andere Konventionen, Regeln und Gesetze bis hin zu Ethik und Moral, Begriffen, die als Worte in ihrer Ursprungssprache auch nur Sitte und Gebrauch bedeuten: so, wie man’s halt miteinander hält, worauf man sich geeinigt hat – die kulturelle Grundlage unseres gemeinschaftlichen Zusammenlebens auf der Basis der natürlichen Voraussetzungen dazu!
Hi Katharina,
dankeschön! Und: ja, ist überhaupt nicht leicht. Gewohnheiten können richtig fiese Schweine sein – oder eben richtig treue Freunde. Und beides ist manchmal in der Tat schwer zu erkennen. Aber ich glaube, Dir immer wieder die Frage danach zu stellen, wird Dir sehr helfen! Und Unterstützung von einem wohlwollenden, aber kritischen Umfeld ohnehin. 🙂
Dann mal viel Freude und liebe Grüße
Tim
Danke für diesen hilfreichen Artikel!!
Wir sind das, was wir wiederholt tun, Vorzüglichkeit ist daher keine Handlung, sondern eine Gewohnheit. (Aristoteles)
Lebensregel: Säe einen Gedanken und ernte eine Tat; säe eine Tat und ernte eine Gewohnheit: säe eine Gewohnheit und ernte einen Charakter: säe einen Charakter und ernte ein Schicksal.
Gewohnheiten sind machtvolle Faktoren in unserem Leben. Da es sich um gleich bleibende, oft unbewusste Muster handelt, bringen sie ständig, täglich unseren Charakter zum Ausdruck und produzieren unsere Effizienz … oder Ineffizienz.
(aus dem Buch „Die 7 Wege zur Effektivität“
Liebevolle Grüße
Arthur
Hi Arthur,
Danke für diese schönen Zeilen!
LG
Tim