“Zeit totschlagen” … dieser Ausdruck … ist fast mörderisch negativ.
Aber ist es wirklich so schlimm, auch mal nichts zu machen – und zwar gar nichts? Kein gutes Buch lesen, keine Zeitung, kein Meditieren, keine Fremdsprache lernen.
Die gängige Meinung ist: ja, es ist schlimm.
Man muss die Zeit doch nutzen, heißt es, immer.
Viele Berufstätige nehmen heute zum Beispiel ihr Blackberry mit aufs Klo, um sich gleichzeitig noch auf das nächste Meeting vorzubereiten. Wäre ja sonst total verschenkt, diese Chance, nicht nur po-duktiv sondern auch pro-duktiv zu sein. Eine Sünde! Genau wie laaanges Ausschlafen oder an die Stecke starrend nicht nur für zwei Minuten liegen bleiben, sondern für zwanzig oder gleich für ein paar Stunden. Oder während einer Zugfahrt aus dem Fenster zu schauen, lange, ganz in Ruhe. Was man da stattdessen für Präsentationen erstellen könnte.
Irgendein deutscher Schauspieler hat neulich im Fernsehen berichtet, wie er mit seinem Kind draußen war, um Fußball zu spielen. Mit voller Wucht schoss der Vater den Ball immer möglichst weit weg. Warum? Um, während der Sohn nach ihm lief, ein paar Mails schreiben zu können.
In jedem Zeitpunkt scheinen wir etwas leisten zu müssen.
Warum denn eigentlich – sind wir nur zum Arbeiten geboren? Was heißt es, aus jedem Tag / jeder Minute das Meiste herauszuholen? Was ist denn das Meiste überhaupt?
Vielleicht sollten wir zuerst einmal den Irrglauben totschlagen, dass alles scheinbar Unproduktive böse ist.
Leo Babauta, der Autor von zenhabits.net, schreibt: es geht nicht darum, Zeit totzuschlagen, sondern sie zu genießen. Dass wir es als “Totschlagen” bezeichnen, hindert uns daran, sie genießen zu können:
Killing time isn’t a sin — it’s a misnomer. We’ve framed the question entirely wrong. It’s not a matter of “killing” time, but of enjoying it.
If we ask ourselves instead, “How can I best enjoy this moment?”, then the entire proposition is reframed.
Now we might spend this moment working if that work brings us joy. But we might also spend it relaxing, doing nothing, feeling the breeze on the nape of our neck, losing ourselves in conversation with a cherished friend, snuggling under the covers with a lover.
This is life. A life of joy, of wonderfulness.
Leben heißt auch “sein”, heißt auch “genießen” – und nicht nur “tun”.
Photo: Tripp
Hallo Tim
ich habe erst gestern in einem Buch von Deepak Chopra gelesen (hier zitiere ich nur sinngemäß), dass es lebensbedrohlich wird, wenn man sich ständig sagt: „Mir läuft die Zeit davon“. Zunächst sei Zeit sowieso nur eine Vorstellung, in der wir leben, dann aber noch sagen, sie laufe einem davon – das könne nur dazu führen, dass man sich anstrengen muss, hinterher zu kommen und somit früher stirbt.
Ich glaube, dass da was dran ist und ich freue mich sehr, heute morgen auf Facebook auf deinen Artikel aufmerksam gemacht worden zu sein. Es passt gerade soo gut in mein Thema: ich habe Urlaub und ich sollte…. – und weißt du was? Ich mach gar nix. Ich geniesse dieses wunderbare Wetter, ich bin stockfaul und warte mit dem ganzen „ich-sollte-doch“ bis ich Lust und Laune dazu habe.
Und da sind sie wieder, diese Synchronizitäten im Leben.
Vielen Dank für deinen Artikel!
Liebe Grüße aus Augsburg
Sabine
Oh, bin ich froh, dass ich gerade diesen Artikel gefunden habe. Und den hätte ich nicht gefunden, wenn ich jetzt brav meine To-Do_Liste abgearbeitet hätte.
Und ich wollte gerade ein schlechtes Gewissen kriegen, weil ich heute schon wieder rumdaller, dabei sollte ich doch eigentlich hochkonzentriert ganz viele Dinge tun.
Einfach mal gar nichts tun und auch einfach mal gedankenleer zu sein, bringt mich auf jeden Fall mehr zu mir selbst. Und dann habe ich wieder einen Impuls, dem ich folgen muss, weil ich es will und nicht meine olle To-Do-Liste. Und dann macht mir das Leben wieder so ein angenehmes, warmes, weiches Gefühl im Bauch. 🙂
Fluffige Grüße aus Berlin
Manu
Hi Manu,
ganz genau: und auch beim Ausruhen geht es wirklich nicht darum, hinterher wieder leistungsfähiger zu sein. Sondern nur um einen selbst und darum, dass man was tut, das einem gut tut.
LG Tim