Teile diesen Beitrag "Consulting, Tai Chi, Qigong und Meister Wangs knifflige Fingerspiele – Interview mit Angelika Fritz"
Erst BWL-Studentin, dann 80-Stunden-in-der-Woche-Unternehmensberaterin, heute Taijiquan-Lehrerin, das ist Angelika Fritz von Qialance. Wie sie das Hardcore-Arbeitsleben erlebt hat … und wie sie die „inneren Kampfkünste“ verändert haben – dies und vieles mehr im myMONK-Interview.
Wie hast Du den Großteil Deiner BWL-Kommilitonen erlebt (in meinem BWL-Studium an der LMU waren es traurigerweise zum Beispiel nicht wenige aktenkoffer- und anzugtragende Erstsemester)?
Ich habe an einer kleineren Universität studiert, an der es etwas beschaulicher zuging, daher kann ich mich nicht an aktenkoffer- und anzugtragende Erstsemester erinnern.
Allerdings kann ich mich an die WG-Diskussion erinnern, dass man BWLer sofort erkennt – genauso wie man aber auch auf den ersten Blick einen Geologie-Studenten oder eine Romanistik-Studentin erkennt.
So hat eben jede Gruppe ihre Kleidungsmerkmale. Taijiquan-Lehrer kleiden sich ja gerne in chinesischen Anzügen mit diesen Boppeln dran. Aber ich denke, wie gut jemand etwas kann, erkennt man nicht am Anzug oder am Aktenkoffer!
Wie viele Stunden in der Woche hast Du in der Beratung gearbeitet? Hattest Du das Gefühl, dass Deine Kollegen in ihrer Arbeit aufgehen – und einen Sinn in ihr finden? Und wie ging es Dir dort?
Ich habe viele Stunden gearbeitet, es waren durchschnittlich bestimmt so um die 80 Stunden pro Woche! Zum Glück habe ich es meistens geschafft, mir die Wochenenden freizuhalten – da habe ich dann viel Taijiquan und Qi Gong geübt!
Natürlich hatte ich Kolleginnen und Kollegen, denen man den Spaß an der Arbeit angemerkt hat. Auch bei mir gab es Momente, wo ich im „Flow“ war und es gab Projekte, die für mich Sinn gemacht haben. Allerdings habe ich gemerkt, dass ich mehr direkt mit Menschen arbeiten möchte – in der Beratung geht es ja eher um Unternehmen und Systeme, die man verbessern möchte. Ich möchte Menschen unterstützen, sich weiterzuentwickeln und entspannt zu bleiben.
Zunächst hast Du Qigong und Tai Chi gelernt, um einen Ausgleich zum stressigen Job zu erschaffen. Von welchen „Benefits“ kannst Du heute, nach langer Zeit des Übens, berichten?
Ich bemerke viele gesundheitliche und körperliche Benefits. Ich bin entspannter und beweglicher. Ein Beispiel: Ich habe als Kind 12 Jahre lang Ballett gemacht und konnte trotzdem nie bei gestreckten Beinen mit den Fingerspitzen den Boden berühren – inzwischen kann ich das!
Was mich aber noch mehr fasziniert, ist, was mit meinen Gedanken und meiner Sicht auf meine Welt passiert ist. Ich bin gelassener und glücklicher, weil sich mein Blick auf das was mir wirklich Wichtig ist geschärft hat. Und ich freue mich viel mehr darüber, was ich für ein schönes Leben führe.
Ist es Dir schwer gefallen, den gutbezahlten Job gegen eine unsichere Zukunft als Tai Chi- und Qigong-Lehrerin einzutauschen? Was haben Deine nahen Mitmenschen gesagt, und was hat Dir am meisten geholfen, auf Dein Gefühl zu vertrauen, dass Du genau das tun solltest?
Natürlich ist es eine Umstellung, von einem gutbezahlten Job in die Selbständigkeit zu gehen. Und wahrscheinlich haben mich einige für eine esoterische Spinnerin gehalten! Aber mir war klar, dass ich zwar weniger Geld, aber dafür eine viel höhere Lebensqualität bekomme.
Ich hatte den Wechsel zudem schon lange geplant. Die Ausbildung zur Lehrerin für Taijiquan habe ich parallel zum Job gemacht, so dass ich fast 2 Jahre Zeit hatte, mir zu überlegen, ob ich das wirklich machen möchte. Nach der Abschlussprüfung habe ich noch ein paar Monate weitergearbeitet und bin dann krank geworden – heute würde man sagen, ich hatte Burnout. Aber ich wusste ja, was ich machen will. Ich hatte mein Taiji-Zeugnis und habe einfach gekündigt und bin in die Selbständigkeit gestartet. Mein Körper hat mir also sehr deutlich signalisiert, was zu tun ist!
In Deinem Blog berichtest Du von Deinen Erfahrungen mit „Meister Wangs Fingerspielen“. Bringt das ‚was? Und kannst Du eine einfache Fingerübung empfehlen?
Ich denke, jede Bewegung „bringt was“ und es ist einen Versuch wert! Zum Glück gibt es ja viele verschiedene Übungen im Qi Gong, so dass man immer etwas findet, was einem gerade gut tut.
Eine sehr einfache Fingerübung – allerdings nicht von Meister Wang – ist die Hexenleiter: Man legt den linken kleinen Finger an den rechten Daumen. Dann legt man oben den rechten kleinen Finger an den linken Daumen. Nun die Finger unten (linker kleiner Finger & rechter Daumen) lösen, die Hände drehen, so dass diese Finger nach oben kommen und man sie wieder zusammen legen kann. So geht das immer weiter. Man kann das auch mit Ringfinger & Daumen, Mittelfinger & Daumen etc. machen. Damit bewegt man nicht nur die Finger sondern trainiert auch die Koordination der beiden Gehirnhälften!
Wie schaffst Du es, Tai Chi und Qigong in den Alltag zu integrieren – und auf häufig als nervig erlebte Situationen gelassener zu reagieren?
Das häufige Üben von Taijiquan und Qi Gong hilft mir, auch im Alltag ein besseres und bewussteres Körpergefühl zu haben. Wenn ich z.B. so wie die Leserinnen und Leser, gerade am Rechner sitze und etwas lese, „erinnert“ mein Körper mich daran, dass ich doch einfach mal die Schultern sinken lassen kann.
Ich reagiere gelassener, weil ich in vielen Situationen denke: das ist jetzt nicht wichtig genug, um mich darüber aufzuregen. Die Seniorin vor mir an der Kasse kramt im Portemonnaie nach den Cent-Stücken und deshalb komm ich 2 Minuten später aus dem Supermarkt? Das ist doch vollkommen egal! Statt mich zu ärgern über eine Situation, die ich sowieso nicht ändern kann, versuche ich eher, die Dame anzulächeln. Das ist zugegebenermaßen nicht immer leicht, aber ich fühle mich besser dabei.
Du hast ein eigenes Taiji-Zimmer. Wie hast Du dieses eingerichtet?
Mein Taiji-Zimmer ist sehr klein, insofern passt nicht viel herein! Ich habe dort ein paar Bücher, Papier und einen Hocker. Auf der Fensterbank stehen eine Pflanze und eine Buddha-Statue, die ich vor ein paar Jahren in China gekauft habe. Außerdem darf, wenn ich übe, die Tasse Tee nicht fehlen!
Was ist „Qialance“ und wofür steht das Wort?
Qialance ist eine Wortschöpfung aus Qi (=Lebensenergie) und Balance!
Wo können die Leser mehr über Dich und Qialance erfahren?
Ich schreibe regelmäßig über Taijiquan und Qi Gong auf meinem Blog und würde mich sehr über neue Leserinnen und Leser freuen: blog.qialance.de.
Herzlichen Dank!