Teile diesen Beitrag "„Bei den besten Reisen weiß man nicht, wo man abends übernachtet“ – Interview mit Jörg Baldin"
Jörg Baldin liebt das Reisen und schreibt über seine Abenteuer im In- und Ausland. Was er auf seinen Reisen gelernt hat, ob er das Reisen allein empfiehlt und mehr im myMONK-Interview.
Wo sind Sie gerade – und wie geht es Ihnen?
Im Moment bin ich gerade zuhause und plane einige meine nächsten Reisen, die nach Fuerteventura, Barcelona und Österreich. Allerdings erwarten wir im nächsten Monat Nachwuchs, so dass ich meine Reisetätigkeit derzeit etwas eingeschränkt habe und es mir – auch aus diesem Grund – gerade sehr gut geht.
Welche zwei Orte gehören zu den schönsten, die Sie je besucht haben?
Die Frage ist bei mir sehr leicht zu beantworten und vielleicht auch überraschend. Da ich ein absoluter Australien-Fan bin, liegt einer diese Orte natürlich auch dort: Noosa, ein kleines Städtchen an der Ostküste und Wien. Ich bin absolut verliebt in die Stadt. Hier ticken die Uhren irgendwie anders und mir kommt es so vor, als läuft dort alles langsamer und entspannter ab. Zudem ist die Stadt an sich wunderschön.
Welche drei Erkenntnisse zählen zu den wichtigsten, die Sie auf Reisen über sich selbst gewonnen haben? Und ist es überhaupt wichtig, aus der gewohnten Umgebung herauszukommen, um sich selbst besser kennen zu lernen?
Ich denke schon, dass es absolut wichtig ist, die gewohnte Umgebung zu verlassen und sich und vor allem die Welt und Kulturen besser kennen zu lernen. Wenn das noch mit einer Reise verbunden werden kann, super. Die wichtigsten drei Erkenntnisse über mich: Ich packe immer zu viele Sachen ein. Ich bin auch im Urlaub ein typischer Deutscher, was die Themen Pünktlichkeit, Verbindlichkeit oder Sauberkeit angeht (was mich manchmal richtig nervt) und ich komme immer gerne wieder nach Hause. Auswandern wollte ich mal, aber irgendwie sind meine Wurzeln hier und deshalb komme ich immer wieder gerne zurück.
Was haben Sie auf Ihren Reisen über „die Menschen“ gelernt?
Die meisten Menschen, denen man begegnet sind offen und freundlich. Auch hier spielt natürlich eine Rolle, wie man selbst auf die Menschen zugeht.
Haben sich auf Ihren Reisen tiefe Freundschaften entwickelt, die Sie auch heute noch schätzen und pflegen?
Naja, tiefe Freundschaften haben sich nicht entwickelt aber viele Kontakte, zu denen ich immer noch tiefen und guten Kontakt habe.
Wie viel Planung, wie viel Spontaneität empfehlen Sie Reisenden?
Wenn möglich, alles auf eine zukommen lassen. Aus meiner Sicht sind die Reisen die besten, bei denen eine Planung schwierig oder gar nicht möglich war und man selbst nicht wusste, wo man abends übernachtet oder wo der nächste Tag hinführt. So lernt man am besten die Menschen und die Gegend kennen.
Ist es gefährlich, die Welt allein zu bereisen?
Jein… Kommt natürlich auf das Gebiet an, in das man reist. Aber meine Erfahrung ist, dass man nie ganz alleine reist. Egal wo, in der Regel trifft man auf Gleichgesinnte, mit denen man ein Stück zusammen reist und dann wieder getrennte Wege geht. Aber wie gesagt, es gibt auch Länder, die ich meiden würde wenn ich alleine reise.
Was raten Sie einem Freund, der schon seit vielen Jahren davon träumt, ein Land zu bereisen, das ihn besonders fasziniert – wenn dieser „in einem Job feststeckt“ und / oder eine Familie zu versorgen hat?
In der Situation habe ich mich vor Jahren selber befunden und bin mir sicher, eine Generallösung für alle gibt es nicht. Ich musste erst meine persönliche Situation ändern, um das möglich zu machen. Um den Traum zu leben, braucht man natürlich auch einen Partner oder eine Partnerin, die das duldet, und eine Familie mit Kindern macht das natürlich noch schwieriger. Mein Rat wäre: Wenn möglich, die Familie mit auf die Reise nehmen, es lohnt sich allemal.
Wo können die Leser mehr über Sie und Ihre Erfahrungen lesen?
Auf BREITENGRAD53 gibt es viele Reportagen und Videoblogs von mir aber auch von anderen Reisebloggern und Reisejournalisten. Ich nenne meine Seite „Blogazin“, weil es eine gute Mischung aus Reiseblog und Reisemagazin ist. Wer sich fürs Reisen interessiert sollte auf jeden Fall mal reinschauen.
Herzlichen Dank!
Photo: New Brunswick Tourism
„… Aus meiner Sicht sind die Reisen die besten, bei denen eine Planung schwierig oder gar nicht möglich war und man selbst nicht wusste, wo man abends übernachtet oder wo der nächste Tag hinführt. So lernt man am besten die Menschen und die Gegend kennen.“
Dem stimme ich gerne zu. Das Gefühl der Freiheit ist dabei kaum zu überbieten. Meine Fahrradreisen plane ich nie detailliert voraus, sondern eher folgendermaßen: Ich wohne in Augsburg, ich habe 2 Wochen Zeit, ich möchte nach Tirol/Südtirol. Also radle ich am ersten Urlaubsmorgen einfach los nach Süden. Einige Zwischenziele werden grob angepeilt, wie z.B. Füssen, der Fernpass, das Inntal, der Rechenpass, das Vinschgau, Bozen – und dann: mal sehen. Ich buche nicht im Voraus, sondern radle einfach, solange es Spaß macht. Zum späten Nachmittag suche ich auf der Karte einen mit der restlichen Kraft gut erreichbaren Ort auf der Strecke aus, fahre hin und nehme mir ein Zimmer (im Sommer auch gerne einen Campingplatz). Fertig. So weiß ich morgens nicht, wie weit ich komme und wo ich abends landen werde – das Gefühl ist herrlich.
Wenn ich nun unterwegs schon nach 30 km einen wunderschönen Ort oder einen idyllisch gelegenen Campingplatz entdecke, bleibe ich einfach – auch wenn ich normalerweise 60 – 100 km am Tag fahre. Ich zwinge mich dann nicht selbst zum Weiterfahren „um mein Tagessoll zu erfüllen“ oder „eine vorausgebuchte Unterkunft zu erreichen“. Ich bleibe da, wo es mir gefällt. Punkt. Und wenn es dort besonders schön ist, bleibe ich einfach auch noch einen oder zwei weitere Tage. Die Lust am Radfahren treibt mich dann schon von selbst wieder weiter.
An einer organisierten Radreise könnte ich nie teilnehmen. Ich praktiziere meine liebste Leidenschaft (Radeln) – und lasse den Urlaub dabei einfach auf mich zukommen. Er passiert von selbst. Der Erlebniswert ist grandios! Nach 3 Tagen on tour hat man einen Erlebniswert von 3 Wochen gespeichert.
Gerhard