Teile diesen Beitrag "Psychologen empfehlen: Kinder sollten sich in den Ferien langweilen"
Das Leben ist kurz, aber die Schulferien des Kindes können ziemlich lang werden. Also muss ein Programm her. Am besten ein vollgepacktes. Und so wird kindgerecht verreist, werden Tagesauflüge gemacht, Sommercamps organisiert, Klavier- oder Tennislehrer, Intensiv-Sprachkurse, Ferienjobs, Dinge, von denen die mehr oder weniger Kleinen bestenfalls noch in der Zukunft profitieren.
Dabei ist es gar nicht nötig, die Kinder permanent zu beschäftigen und zu bespaßen. Weder in den Ferien, noch an Wochenenden und Nachmittagen.
Und es ist gar nicht gut.
Denn was passiert mit einer Pflanze, die wir rund um die Uhr gießen, wieder und wieder? Sie geht wahrscheinlich ein.
Action killt Selbstergründung und Fantasie
Von „Over-Scheduling“ sprechen die Psychologen, dem Überfrachten der Terminkalender in Ferienzeiten. Sie warnen. Denn dies könne das Kind davon abhalten, zu entdecken, was es selbst wirklich interessiert.
Die Londoner Kinderpsychologin Lyn Fry dazu:
„Die Rolle der Eltern ist, das Kind darauf vorzubereiten, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden. Wenn sie sich verantwortlich dafür fühlen, die Freizeit des Nachwuchses zu füllen, dann kann er das nie selbst lernen.“
Dr. Teresa Belton ist Psychologin an der University of East Anglia und forscht über die Verbindung von Langeweile und Vorstellungskraft. Sie betont in einem Interview, wie entscheidend wichtig Langeweile für die Entwicklung des Gehirns ist. Nur dann können „interne Stimuli“ entstehen und wahrgenommen werden, die auch Kreativität erst möglich machen. Nichtstun ist dafür unverzichtbar, vor allem in Zeiten dauerhafter Medienbeschallung.
Der Psychoanalytiker Adam Phillips schrieb schon 1993, dass „die Möglichkeit, sich zu langweilen, ein erfolgreicher Schritt der psychischen Entwicklung von Kindern“ ist. In seinem Buch On Kissing, Tickling and Being Bored heißt es:
„Es zählt zu den erdrückendsten Anforderungen von Erwachsenen, dass das Kind ‚intereressiert’ sein solle … statt sich selbst Zeit nehmen zu können für die Ergründung der eigenen Interessen. Langeweile ist ein essentieller Bestandteil von Selbst-Zeit und dem Erlernen von Eigen-Motivation.“
Was Eltern tun können
Eltern können sich, so der Vorschlag der Psychologen, zu Beginn der Ferien mit dem Kind zusammensetzen (spätestens ab einem Alter von 5 Jahren) und gemeinsam eine Liste schreiben mit allen Dingen, auf die das Kind in den Ferien Lust hätte. Dazu gehören kleine, alltägliche Sachen wie Kartenspielen oder Fahrradfahren ebenso wie Ausgefalleneres – ein aufwändiges Essen zusammen zu kochen oder Fotografieren zu lernen.
Sollte das Kind sich im Verlauf der Ferien dann über Langeweile beschweren, können Eltern auf die Liste verweisen und fragen, ob es davon etwas machen möchte. Dadurch kommt es selbst in die Verantwortung und muss den eigenen Bedürfnissen nachspüren.
Die Eltern können sich Fry zufolge immer wieder klarmachen, dass Langeweile eben keine vergeudete Zeit ist, keine Sünde. Nichts, was es um jeden Preis zu vermeiden gelte.
Das einzige Problem am Langweilen ist schließlich, dass wir sie zum Problem machen. Wo sie doch eigentlich so wertvoll ist … vielleicht ja nicht nur für Kinder.
Mehr unter Das passiert, wenn man Kindern zu viel Zeug schenkt und unter So schaden Hausaufgaben unseren Kindern.
Photo: Dreaming Boy
Die Nichtstun Zeit. Natürlich ist das wichtig. Ich glaube ohne das beginnen Ursachenvon Krankheiten. Gefühle von Lust und Leidenschaft sind zurückgestellt oder lösen zumindest wenig Gedanken aus, die zu einem Tun von innen heraus führen. Weil es bereits einen anderen Plan gibt für das Tun. Oder weil es etwas Bedrückendes gibt, das nicht heraus kann.
Auch beim Kind dürfen wir auf den Weg des Menschen vertrauen, denke ich. Mit genug Raum und Bereitschaft von aussen, wird er sich auch öffnen und ordnen. Besonders wenn es noch nicht schwerere Blockaden gibt.
Hi Richard,
beim Lesen Deines Kommentars musste ich gleich ans „innere Kind“ denken. Dem wir (ich) oft noch zu wenig zugestehen an Raum, so wie viele Eltern vielleicht bei ihren (äußeren) Kindern schwer fällt.
Ich fahre jetzt gleich mal an die Isar, trink dort n Kaffee und versuche, einen Teil meiner heutigen zu straffen Pläne loszulassen.
Liebe Grüße und einen schönen Tag!
Tim
Guter Gedanke, Tim. Wahrscheinlich gehen wir mit unserem inneren Kind ähnlich um wie mit unseren eigenen Kindern. Also können wir auch bei uns selber anfangen und üben.
Ich hoffe, der Kaffee war gut und die Langeweile lang.
LG Richard
Für mich ist klar, dass Langeweile zu Selbstfindung führt.
Stellt sich die Frage, was Langeweile eigentlich ist?
Doch nur aus der Langeweile heraus, können eigene und somit neue Ideen kreativ entstehen.
Also, dass Kind als kreativer Entdecker und Schöpfer, in der Phase sich vermeidlich zu langweilen.
Lieber Tim und liebe Alle,
Ich plädiere dafür, dass hier auch Erwachsene angesprochen werden (dürfen?)
Hoffe, ich werde hier nicht gelyncht, bitte nicht.
Bin ein absoluter Fan Eurer Seite, also bitte das nicht als Kritik zu verstehen sondern nur als spontanen Gedanken zu diesem Text.
Rundherum, wohin ich sehe, pflastern sich erwachsene Menschen den Tag, die Woche, den Monat, das Jahr mit Terminen zu.
Ja, und auch deren Kinder sind verplant ab Ferienbeginn bis Schulanfang.
Alles wird lange im Voraus organisiert, um nur ja keine Lücken im Tag aufkommen zu lassen.
Als Erfolgstitel bekommt man dann „perfekt organisiert“ verleiht.
Um nur ja nicht nachdenken zu müssen… über eventuelle Bedürfnisse, die vielleicht auftauchen?
Bedürfnisse wie die nach Ruhe oder einer Auszeit, selbst wenn das nur 1 Stunde am Tag ist.
Diese Pausen, die kann man als Langeweile bezeichnen. Ich finde diese „Langeweile“ die in der heutigen Zeit als negativ behaftet ist, wichtig. Und vor allem gut und sehr gesund.
Es war ja früher, in der analogen Zeit auch erlaubt, diese Auszeiten zu haben, beispielsweise ohne Handy im Zug oder der S Bahn zu sitzen.
Und ja, Kinder werden auch schon dazu erzogen, ja nur keine Langeweile zu haben. Man könnte ja auf kreative Gedanken kommen…
Ja genau Tim, der Kaffee an der Isar wäre so ein richtig schönes analoges Beispiel.
Sehr guter Punkt Wien,
wenn Erwachsene das selbst können, leiden ihre Kinder vermutlich auch automatisch weniger daran.
Ja, auch Erwachsene sollten sehr viel Langeweile haben – vielleicht ganz besonders dann, wenn diese als Kind zu kurz gekommen ist. Ich habe seit geraumer Zeit immer wieder Phasen von Langeweile. Weil ich mich bewusst dafür entschieden habe. Es ist eine gute Möglichkeit herauszufinden, wer und wie man wirklich sein möchte, wohin das Leben (bestenfalls) führen kann oder soll. Abschied nehmen vom Sollen und Müssen, das ist sehr befreiend und eröffnet Perspektiven, die bislang nicht einmal erahnt wurden. Ich bereue es nicht.
Hi,
wir merken immer wieder nach Actionphasen von unseren Kindern, dass sie sich nach Ruhe sehnen. Es kann manchmal sehr sehr chillig sein, einfach nur zuhause herumzuhängen.
LG;
Christian
Sehr gut auf den Punkt gebracht!
Artikel und Kommentare.
Dankeschön!
Liebe Grüße
Manu