Maries Gesicht ist fast bis zum Platzen angespannt. Ihr herzliches, offenes Lachen von damals? Keine Ahnung, ist wohl verloren gegangen, hat jedenfalls schon lange niemand mehr gesehen. Ihr Gang schleppt sich dahin, sieht nach großem Mühsal aus.
Kein Wunder: Marie trägt einen Stein auf ihrem Rücken. Er ist unsichtbar, wiegt aber mindestens einen Zentner. Es ist der Stein der Erwartungen.
Sie erwartet viel – vor allem von sich selbst. Will tagein, tagaus perfekte Mutter sein für den kleinen Korbinian, und die heißeste Frau der Welt für ihren Mann. Dann ist da noch ihr Job (halbtags bezahlt, ganztags beansprucht). Ach ja, und ihr Fernstudium, für eine Zusatzqualifikation, die sich schnell als Zusatzquälifikation entpuppte.
Druck. Überdruck. Wäre Marie ein Teekessel, das Pfeifen würde wohl alle Ohren auf der gesamten Welt sofort taub machen.
Aber sie macht weiter, macht den Stein auf ihrem Rücken noch etwas schwerer. Das geht schon, das geht schon, das muss gehen, denkt sie. Schließlich ist sie noch immer unzufrieden mit sich: Könnte, sollte, müsste sie nicht noch viel mehr machen aus sich und ihrem Leben? So wie Claudia, die ihre eigene, brummende Heilpraktiker-Praxis hat und nebenbei noch Bücher schreibt und Zeitschriften Interviews gibt. Oder wie Marc, der zwischen seinen Triathlons und dem Aufbau seiner Non-Profit-Organisation noch Blut und Knochenmark und Organe spenden geht, jede Woche.
Vielen von uns geht’s so wie Marie.
Doch was uns wirklich fehlt, ist nicht die nächstkleinere Kleidergröße, der nächste Abschluss oder Gehaltssprung, und auch nicht das Traumbusiness oder der Traumpartner.
Sondern, dass wir uns etwas lockerer machen.
Dass wir unsere absurden Selbstansprüche enttäuschen … und das okay finden. Dass wir öfters mal Pause machen davon, wie sehr wir uns malträtieren , und einfach passieren lassen, was passiert.
Lass jemand anderen die besten Eltern sein an diesem Nachmittag. Lass andere die aufgeräumteste Wohnung haben, die hotteste Pant tragen, den waaahnsinnigsten Erfolg haben und die toooollste Beziehung der Welt. Lass uns zwölf Kugeln Eis essen, gleich am ersten Tag der fest vorgenommenen neuen Diät, während unser Hund mitten auf den Bürgersteig kackt und der Chef die Mailbox vollquatscht, als ging’s ums nackte Überleben schwerstverwundeter Kinder (tatsächlich will er natürlich nur wissen, ob die bedeutungslose Präsentation fertig ist). Lass die Todo-Listen in den Mülleimer fallen, und wenn Du schon dabei bist, die ganzen dämlichen Ziele, die nie wirklich Deine eigenen waren, gleich mit.
Lass locker. Lass die anderen besser sein. Lass den schweren Stein von Deinem Rücken gleiten, lass Dich vom Leben ein bisschen treiben.
Nur für heute.
(Nicht für immer, das wäre nur eine neue überzogene Erwartung.)
Mehr dazu unter An alle die glauben, sie hängen im Leben hinterher und Warum Du so erschöpft bist (der schmerzhafte wahre Grund).
Photo: Lauren Delizia
You made my day….!!!!!
Danke, das freut mich, Simone!
Sehr schön geschrieben! Echt toll!
Dankeschön Christian!
Herzhaft erfrischend… deine Art zu schreiben. Danke für all diesen Input.
Merci, liebe Diana!
Das rettet nicht nur heute, sondern viele viele Tage und Jahre. Danke Tim 🙂
Knuuutsch, Danke Eva!
richtig stark Tim! Wir können es doch wieder einmal zusammenfassen mit „Lebe DEIN Leben!“, oder? 🙂
Lieber Dirk, herzlichen Dank mal wieder fürs Lesen und Deine Wertschätzung!
Volltreffer… wieder einmal … Danke, Tim!
Ich danke, Doris. 🙂
Danke, Tim, fürs Erinnern.. verrückt, wie man in der lärmenden Verwirrung des Lebens das immer wieder vergisst…und danke für deinen „lockeren“ Schreibstil…. 😉
Danke Caleya – ja, das geht leider schnell, der Sog treibt uns schnell davon. Aber am Morgen, gleich zu Beginn, haben wir noch die besten Karten.
Sehe ich ähnlich! Nur wer entspannt, kann sich und das Leben annehmen und genießen. Wir dürfen nicht immer auf andere oder das vermeintlich Fehlende schielen. Wir dürfen und sollen so sein wie wir sind. Natürlich schließt das nicht aus, dass wir uns weiterentwickeln und Neues lernen wollen. Aber am besten ohne Druck und den Vergleich.
Gerade heute, gerade jetzt.
Das hat gut getan. Danke.
Danke für die Erinnerung.
Ich finde, daß die Schwierigkeit dabei ist, zu erkenenn, welchen Stein man auf dem Rücken trägt. Dieser wird doch immer größer und größer und wir bemerken es meist gar nicht.
Wie bei einem Reifen, der langsam die Luft verliert.
You made my day, too
thank you