Teile diesen Beitrag "Von leidvollen Gedanken befreien mit einer Frage"
Petras Mann steckt fest, er hat gerade angerufen, ist im Stau, sagt er, er wird’s nicht mehr ins Restaurant schaffen, sagt er, wir müssen das verschieben. Petra steht nun zuhause, vorm Spiegel, wollte eigentlich gerade losgehen, hat schon ihr schönes Kleid an (vom Abiball 1973).
Petra legt auf, ist erst sprachlos, dann kriecht die Wut in ihr hoch, das Atmen wird schwer, der Kopf rot, in dem roten Kopf werden bald rote Augen sein, die ersten Tränen kullern nämlich, die Wut macht der Traurigkeit Platz. Die Traurigkeit wird bald zur Verzweiflung, Petra schluchzt, es tut so weh, sie weiß nicht mehr weiter, Petra zündet ihr Kleid an, das Kleid brennt, Petra brennt, denn sie hat es vorher nicht ausgezogen.
Das ist, was wir von außen sehen. Hier ein Einblick in Petra’s Kopf, ihr Mann anrief:
„Das gibt’s doch nicht, ich hatte mich so darauf gefreut … ob er wirklich im Stau ist? … wahrscheinlich hat er nur keine Lust auf mich … hat er eine Andere? … war sie bei ihm, als er angerufen hat, hat sie gelacht, haben sie beide gelacht? … wie lange hat er sie schon? … was macht er mit ihr, was macht sie mit ihm, steckt er in Wirklichkeit nicht im Stau, sondenr in ihr fest? … bestimmt ist sie jünger als ich … wahrscheinlich liebt er mich nicht mehr … ich werde mich nie wieder schön machen, für ihn nicht und für niemanden mehr … das geht sowieso nicht … ich bin alt und fett und hässlich … dieses Scheiß-Kleid ist doch nur noch jämmerlich, ich bin jämmerlich … ich will es nie wieder sehen … am besten ich verbrenne es … am besten, ich verbrenne mich gleich mit …“
Später erfahren wir noch, dass Petra’s Mann wirklich nur im Stau stand, er kommt rein und ruft den Notarzt, er liebt sie, vielleicht wird sie überleben.
Ich hab zwar kein Abiballkleid, aber ich kenn das gut, diese Verzweiflung, wie sie aus Gedanken geboren wird, wie sie anrollt, mich überrollt.
Was tun?
Das Schlimme ist selten der einzelne Gedanke. Der vergeht, wie alles. Schlimm und belastend ist, dass er schnell zu weiteren Gedanken führt. Zu einer Kette, die länger und länger wird, sich schwer um unseren Hals legt.
Dann kann eine einfache Frage aus der Welt von Buddhismus und Achtsamkeit helfen, ein Mittel des Geistestrainings:
Ist dieser Gedanke nützlich?
Die Frage hält die Maschine an und baut eine Distanz auf zwischen uns und dem Gedanken.
Wir ziehen uns raus aus der Geschichte im Kopf, spinnen sie nicht weiter, veheddern uns nicht weiter. Sondern atmen tief durch und blicken von außen darauf, wir übernehmen die Kontrolle.
Wir können so sehen, dass es eben keine objektive Berichterstattung ist. Sondern nur ein kleines, blödes Horrormärchen, das uns die Luft abgeschnürt hat.
Unbezahlbar, diese Distanz, und unsere Sache, dann nach einem Gedanken zu suchen, der uns mehr hilft.
Du kannst auch noch eine weitere Frage stellen, siehe: Von Leid befreien mit einer einfachen Frage. Mehr dazu im myMONK-Buch Wie man Sorgen, Stress und Selbstzweifel loslässt.
Photo: Ishai Parasol
Hallo Tim,
Wieder ein schöner Beitrag. Und ich liebe diese Frage ebenfalls. Wobei hilft mir dieser Gedanke? Hilft er mir dabei den Weg zu gehen, den ich gehen möchte?
Das schöne an dieser Frage ist, dass man nicht anfängt darüber nachzudenken, ob der Gedanke falsch oder richtig ist. Wenn wir damit anfangen sind wir gleich in der nächsten Gedankenspirale. Wir suchen nach für und wider und stellen fest, dass es … Trommelwirbel… Für und wider gibt in dieser Frage. Wir sind also keinen Millimeter vorangekommen.
Wie Du so schön schreibst geht es darum Distanz zu schaffen, zwischen mir und meinen Gedanken. DENN: Du bist nicht Deine Gedanken. Du hast sie. Distanz schaffen hat auch etwas von loslassen und nicht mehr so festbeißen und die Perspektive zu wechseln beim Blick auf den Gedanken.
Ein weiterer schöner Aspekt dieser Frage: „Ist dieser Gedanke nützlich“ Es stellt sich die Anschlussfrage: Wofür? Nützlich, um was zu erreichen. Ich kann mich dann mit der Frage beschäftigen, was ich denn jetzt und hier erreichen möchte. Und was ich überhaupt erreichen kann. Wie in deinem Beispiel kann ich auch mit Gedankenkraft nicht erreichen, dass der Mann schneller nach Hause kommt. Also was kann ich jetzt und hier erreichen. Das verändert den Raum der Gedanken unheimlich.
Also wie gesagt schöner Artikel. Danke dafür!
Alles Gute
Sandro
Hey Tim,
es stimmt, dass viele Gedanken einfach unnütz und selbstzerstörerisch sind. Da ist man eigentlich gut drauf und kurz darauf geht’s einem scheiße, weil mal wieder ein unpassender Gedanke kam… passiert mir leider oft genug. Manchmal haben Gedanken aber auch Recht, wenn man z.B,. das Gefühl hat, der Partner lügt einen an und dann ist es nicht selten wirklich so. Allerdings resultieren diese Gedanken dann mehr aus dem Innern heraus und weniger selbstzerstörerisch.
LG – Anja
Ja, ein guter Ansatz, mich zu beobachten. Mir meiner Gedanken bewusst zu werden. Auch mir bewusst zu sein, dass etwas in mir diesen und jenen Gedanken treibt. Hilft mir diese Bewussstheit, dem Gedanken und jenen, die sich anschliessen mögen, wenig Bedeutung zu geben (im Aussen), dann finde ich dies tatsächlich unbezahlbar. Mit Gewahrsein kann ich womöglich die Gedanken weiter ziehen lassen. Sie mögen kommen und gehen wie Wolken.
Tatsächlich arbeitet aber unser Intellekt oft annders. Und die Psychoanalyse arbeitet anders. Wir fangen oft an, zu analysieren und weitere Fragen zu stellen. So geben wir zumindest zunächst den Gedanken Energie, wo einfaches Weiterziehen Lassen ihnen die Bedeutung nehmen würde.
Oder wir belassen es einfach bei der erreichten Distanz wie zum Ende im Artikel. Einfach zu erkennen kann aber auch in die Verdrängung münden, wodurch auch Energie zugeführt wird. Und die Ursachen werden gar nicht angegangen.
Wie komme ich dann in die Lage, die Gedanken ziehen zu lassen und gelassen zu bleiben? Ich meine, ich sollte daran arbeiten, den Fokus zu verlagern, vom Geschehen im Aussen, hin zum Innen. Kann ich mich hinbewegen zu einer Bewusstheit, mit der ich den Schmerz aushalte und annehme? Ja zu sagen zu dem was innen ist? Im Beispiel wäre wohl gut, mein geringes Vertrauen zu erkennen, und die darauf aufbauende Eifersucht. Auch diese Schmerzen hinter dem Gedanken sollten mit der Zeit weniger werden, so dass sie zunehmend weniger Kathastrophen Gedanken hervorrufen. Und wenn so ein Gedanke sich doch wieder zur Prüfung meldet? Vielleicht kann ich irgendwann sogar geistig durch den schlimmsten Fall hindurch schreiten.
LG Richard
Toll! Manche Lösungen sind so einfach, aber draufzukommen, und vor allem genau dann, wenn man es braucht, ist alles andere als leicht.
diese gedanken hatte ich auch, war aber spirituell genug, sie nicht zu zulassen. oder vielleicht wollte ich auch nur weggucken, weil´s weh tat. weil´s konsequenzen gehabt hätte. letztlich mindestens 6 jahre lug und betrug und die seele in der tonne! es waren die richtigen gedanken /gefühle und sie wären so nützlich gewesen. bitte aufpassen! nicht alles was man spürt/denkt ist schlecht.auch wenn man vieles nicht glauben darf. wie war das: hinterher ist man immer schlauer!
Du meinst unspirituell genug, Petra?
Wenn es nur so einfach wäre. Ich habe nämlich auch dasselbe Problem. Aber ich fühle mich mit der Frage „Ist dieser Gedanke nützlich ?“ schlecht. Ich muss leider immer alles hinterfragen…..
Einfaches beobachten der Gedanken reicht, Samsie. Sie werden dich dann bald weniger vereinnahmen.