Und folgst Du myMONK schon bei Instagram?

Es folgt ein Gastbeitrag von Tobi Rosswog. Mit seiner Kampagne geldfreierleben.de möchte er zu einem neuen Miteinander motivieren. Als „Mitweltpädagoge“, Aktivist und Speaker ist er beim Netzwerk living utopia aktiv.

 

„Geld regiert die Welt“ heißt es … Täglich denken wir daran und haben damit zu tun. Fast jede soziale Interaktion ist dadurch geprägt. Aber macht Dir das Freude? Erfüllt Dich das Streben nach Geld mit Sinn? Was motiviert Dich eigentlich aktiv zu sein?“

Diese Fragen haben sich mir jedenfalls gestellt und ich entschied Anfang 2013 für zweieinhalb Jahre konsequent geldfrei zu leben.

Dabei machte ich inspirierende Erfahrungen außerhalb der Verwertungslogik von Leistung und Gegenleistung. Sie motivieren mich bis heute und geben mir Hoffnung, dass ein anderes Miteinander möglich ist.

Sieben Dinge, die ich durch diese Zeit gelernt habe, möchte ich mit Dir im Folgenden teilen.

Mir ist davor wichtig zu erwähnen, dass ich in diesem Artikel nicht die gesamte Philosophie des geldfreien Lebens skizzieren kann – das ist selbst innerhalb zweistündiger Vorträge eine Herausforderung (obwohl ich genau das in den letzten 100 Vorträgen zu dem Thema üben durfte).

Einige Vorbermerkungen deswegen zu Beginn, damit die Reise nicht holprig wird:

  • a) Geld ist nicht das Böse und wir sollten nicht durch verkürzte Kapitalismuskritik zu schnell die vermeintlich „Schuldigen“ ausfindig machen. Natürlich ist Geld aus meiner Sicht nicht das ideale Mittel der Interaktion und auf einige Gründe dafür gehe ich im Folgenden ein.
  • b) Lass Dich auf die nächsten sieben Punkte ein und versuche offen zu bleiben, sodass der Knoten in Deinem Kopf sich nicht immer weiter zu zieht. Wenn Du Dich darauf einlässt, kann es spannende Perspektivwechel geben.
  • c) Vermutlich werden dennoch Fragen offen bleiben. Darauf versuche ich in den Kommentaren einzugehen. Antworten findest Du auch auf unserer Website.

Nun aber los! Sieben Dinge, die ich in zweieinhalb Jahren geldfreiem Leben gelernt habe:

1. Vorhandenes sinnvoll nutzen

Natürlich ist die erste Frage so oft: Aber wie funktioniert das? Das ist der erste Knoten im Kopf der Menschen, wenn sie hören, dass ein Mensch geldfrei lebt. Letztendlich lässt sich die Frage durch eine simple Antwort zusammenfassen: Vorhandenes sinnvoll nutzen! Wir leben in einer unglaublichen Überfluss- und Wegwerfgesellschaft! Geldfrei(er) zu leben, ist das Nachhaltigste, was wir momentan machen können, denn wir generieren hierdurch keine weitere Nachfrage für ein Angebot, welches sowieso schon in Hülle und Fülle vorhanden ist.

Um einen kleinen Einblick in den Überfluss alleine in Deutschland zu bekommen:

  • 50 % der Lebensmittel werden weggeworfen.
  • Es gibt viel ungenutzten Wohnraum – allein 1,8 Millionen Wohnungen stehen leer.
  • Durchschnittlich konsumiert jeder 40 – 70 Kleidungsstücke. Das sind 12 kg Stoff pro Jahr.
  • Wenn sich eines der 52 Millionen Autos bewegt – im Schnitt nur eine Stunde am Tag – sitzen gerade mal 1,3 Personen drin.

Insgesamt kann und möchte ich aber keinen Survival Guide geben. Denn mir geht es weniger darum, das „Wie“ zu beschreiben, als vielmehr darum das „Warum“ dahinter zu skizzieren.

2. Bist Du Konsument, Produzent oder einfach nur Mensch?

Fast all unsere Begegnungen werden reduziert auf die klassischen Rollen von Produzent und Konsument. Zum Beispiel, wenn Du in einem Laden Lebensmittel kaufst oder, wenn Du in Deinem Job selbst etwas produzierst und anschließend verkaufst. Es gibt nur wenige Momente, in denen wir uns alle auf einer menschlichen Ebene begegnen. Beobachte Dich im Alltag. In welchem Verhältnis lebst Du mit anderen Menschen?

Als ich auf einem Markt nach Lebensmitteln fragte, die sie nicht mehr verkaufen können, sagte der liebe Serge, der den Obst- und Gemüsestand betreute: „Ich gebe Dir keine schlechten Lebensmittel. Ich gebe Dir nur frische! Welche brauchst Du? Ich möchte Menschen nicht einteilen in welche, die Geld haben und jene, die keines haben. Alle Menschen haben ein Recht auf Nahrung!“ Auch, wenn verkaufsfähiges Obst und Gemüse zu bekommen natürlich nicht mein Ziel war, ist es dennoch eine wunderschöne kurze Geschichte und außerdem eine passende Überleitung zur Nummer Drei …

3. Wir teilen ein in Besitzende und Besitzlose

Mit den klassischen Rollen geht auch einher, dass wir Menschen einteilen: In jene, die etwas besitzen und die anderen, die nichts besitzen. Wieso denken und leben wir in diesen Kategorien? Wir denken, wenn wir besitzen und uns mit Geld  alles kaufen können, sind wir sicher und unabhängig. Das stimmt nicht, wie Erich Fromm wunderbarerweise in seinem Buch „Haben oder Sein“ auf den Punkt bringt:

„Die Vorsichtigen, die Besitzenden wiegen sich in Sicherheit, doch notwendigerweise sind sie alles andere als sicher. Sie sind abhängig von ihrem Besitz, ihrem Geld, ihrem Prestige, ihrem Ego – das heißt von etwas, das sich außerhalb ihrer selbst befindet. Aber was wird aus ihnen, wenn sie verlieren, was sie haben?“

Durch das geldfreie Leben kann ich allen Menschen mein Talent frei zur Verfügung stellen. Vor meinem geldfreien Leben verdiente ich vor allem durch Vorträge und Seminare zu verschiedenen Nachhaltigkeitsthemen sehr viel Geld. Da ich das ganze Geld nicht brauchte, konnte ich glücklicherweise das meiste weiterverschenken.

Innerhalb der gewöhnlichen Verwertungslogik ist es jedoch normalerweise notwendig sich nicht unter Wert zu verkaufen. Somit hätte beispielsweise eine Schulklasse, die gerade nicht das Geld aufbringen kann, nicht die Möglichkeit den Workshop mitzumachen.

4. Zeitverschwendung durch Bürokratie

Mit der Fokussierung aufs Anhäufen von Geld geht auch einher, dass wir viel unserer Lebenszeit dafür aufbringen. Ich möchte dazu nur reflexive Fragen stellen:
Warum unterscheiden wir zwischen Arbeitszeit und Lebenszeit?

Oder mit Heinrich Böll in seiner „Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral“ gefragt:

„Leben wir um zu arbeiten oder arbeiten wir um zu leben?“

Wer kennt das nicht: Wir arbeiten jetzt, um genug Geld für später zu akquirieren, um dann zu leben?! Wir projizieren unser Glück in die Zukunft.

Wir glauben, dass wir erst nach dem Abi, nach der Arbeit, nach dieser Aufgabe oder jenem Lebensabschnitt anfangen können wirklich zu leben. Eine Paliativpflegerin schrieb ein Buch mit dem Titel: „Die fünf Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“. Zusammenfassen lassen sich die Wünsche in:

Ich wünschte…

… ich hätte den Mut gehabt, mein eigenes Leben zu leben.
… ich hätte nicht so viel gearbeitet.
… ich hätte mir erlaubt, glücklicher zu sein.

Wenn wir tot sind, ist es zu spät für diese Erkenntnisse.

Ich möchte im Hier und Jetzt loslegen und meine Talente dem Gemeinwohl dienlich bedingungslos einbringen und verschenken. Damit spare ich sehr viel Lebenszeit, weil ich keine Honorarverträge oder Ähnliches zeitaufwendig auszufüllen habe. Früher fragte ich mich nach zehn solcher Verträge, ob ich in der gleichen Zeit nicht lieber hätte wieder einen Vortrag geben können?

5. Ersatzbefriedigung durch Konsumgüter, die wir mit Geld kaufen müssen, weil die sozialen Grundbedürfnisse nicht erfüllt sind

Was glaubst Du? Wie viel Prozent sind mit ihrem Job unzufrieden? 30%, 50%, 70% oder 90%? Eine Überschrift im Handelsblatt titelt dramatisch mit einer offiziellen Zahl, die sie aus verschiedenen Studien belegt wissen: „90 Prozent sind mit ihrem Job unzufrieden“. Sei mal ehrlich: Du auch?

Wenn wir unzufrieden sind, kann das ein Zeichen dafür sein, dass unsere sozialen Grundbedürfnisse nicht erfüllt sind. Nach dem Friedenspädagogen Ernst Bittl, der viele Bedürfniskonzepte pointiert zusammenfasst, sind dies:

  • Liebe (leistungsfreier Selbstwert)
  • Anerkennung (für unsere Talente und unser Engagement)
  • Sicherheit (durch bspw. eine Aufgabe oder einen geschützten Raum)
  • Orientierung (roter Faden im eigenen Tun und Handeln),
  • Autonomie (Ich als Individuum. Eigene Identität),
  • Sinnvolles Tun (Sinn erkennen im eigenen Tun → Motivation)

Es kann leicht passieren, dass wir auf überflüssige Konsumgüter zurück greifen, wenn unsere sozialen Bedürfnisse nicht erfüllt sind. Um dann wenigstens die vermeintlich materiellen (Grund-)Bedürfnisse zu befriedigen. Das ist eine trügerische Kompensation, die nur für kurze Glücksmomente taugt. Bald brauchen wir wieder Geld, um weitere Konsumgüter zu erwerben, von denen wir irrtümlicherweise annehmen, dass sie uns glücklicher machen. Überlege mal, wann Du zuletzt glücklich warst.

Und da kommen wir zum nächsten Punkt:  Mehr Geld, mehr Glück – stimmt das?

6. Nein! Mehr Geld bedeutet nicht mehr Glück!

Der Ökonom Richard Easterlin hat 2010 seine Studien aus dem Jahr 1974 bestätigt. Das Easterlin Paradox zeigt: Wenn grundlegende Bedürfnisse gestillt werden, führt mehr Reichtum nicht zu mehr Glück. Ab einer gewissen Höhe an Geld nehmen Glück und Zufriedenheit sogar wieder ab – aus Angst, „alles“ verlieren zu können. Irgendwie auch logisch, oder?

Menschen, die sich von der Fokussierung des Geldes frei machen konnten, habe ich bisher als sehr zufrieden und glücklich erlebt. Dabei ist es mir wichtig zu betonen, dass dies ein freiwilliger Akt sein muss. Wenn Menschen zwangsweise zu wenig Geld haben und ihre Existenz nicht sichern können, geht damit natürlich kein befreiender Moment einher.

7. Außerhalb der Box denken und kreativ werden

Außerhalb der gewohnten Konventionen zu denken und zu handeln, durfte ich vor allem in den letzten zweieinhalb Jahren lernen. Ein Beispiel: Wenn das Bedürnis aufkommt, etwas zu konsumieren, fragen wir uns ab und zu, welches nun das nachhaltigste Produkt ist. Ist es dieses oder jenes? Dabei vergessen wir die leichteste Konsumentscheidung: den Nicht-Konsum!

Wenn wir wirklich etwas brauchen, sollten wir kreativ werden und nicht ganz bequem uns über große Onlinehändler aktuelle Konsumgüter bestellen. Alles soll jederzeit verfügbar sein. Damit überfordern wir uns selbst und die Kapazitäten der Erde. Einen Schritt zurücktreten, reflektieren und entschleunigen, wäre eine notwendige Handlungsalternative.

Es gibt viele Initiativen, die den Wandel in eine zukunftsfähige Gesellschaft von Morgen anstoßen. Lasst uns gemeinsam aktiv werden!

„Aber das kann doch nicht funtkionieren …“, ist ein häufiger Einwand an dieser Stelle.

Ob es funktioniert oder nicht, können wir nur heraus finden, wenn wir es ausprobieren.

Nur weil etwas gerade nicht vorstellbar zu sein scheint, es undenkbar ist, heißt es nicht, dass es unmöglich ist. Realität ist nicht starr, sie ist veränderbar!

 

Autor:
Tobi Rosswog
Die Erfahrungen aus dem geldfreien Leben und über 100 Vorträgen zum Thema möchten wir durch die Internet-Kampagne „Geldfreier leben“ mit Dir teilen. Wenn Du Weiteres über die Philosophie, die Praxis und den Perspektivwechsel der Idee eines geldfreieren Lebens erfahren magst, schau vorbei auf www.geldfreierleben.de. Durch einen 20 Tage „geldfreier leben“ Newsletter, das eBook „Lebe Deine Utopie“, monatliche Webinare und weitere Tools möchten wir Impulse geben.

Photo (oben): Mary Bailey