Teile diesen Beitrag "Wie man über 100 Jahre alt wird – Lehren eines 256-Jährigen"
Dieser Text ist für Dich, wenn Du alt werden willst, so richtig alt, die nächsten 80 Fußball-WMs noch mitbekommen willst, die Besiedlung (und Besudelung) des Mars oder wie Dein Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Und-so-weiter-Enkel eingeschult wird.
Kann ja nicht schaden, dazu auf den Rat eines 256-Jährigen zu hören.
Der 256-Jährige bin natürlich nicht ich (aber da fällt mir ein: Manche von euch haben neulich vergessen, mir neulich zum 231. Geburtstag zu gratulieren!). Sondern der Chinese Mr. Li Qing Yun. Angeblich lebte er von 1677 bis 1933 und hat 24 Ehefrauen und neun Herrscher der Qing-Dynastie überlebt.
Wie hat er das gemacht?
Hat er sich am ganzen Körper drei Zentimeter dick mit Anti-Aging-Creme eingeschmiert, die schon bald verkrustete und an der die Zeit abprallte wie Fliegen an einem Fenster? Nein, das kann nicht sein. Denn damals gab’s noch keine Anti-Aging-Creme. Zumindest keine mit „DNAge“, wie’s in der Fernsehwerbung heißt.
Stattdessen hatte er eine Art zu leben, die das Time-Magezine in seiner Todesanzeige mit Schildkröte, Taube, Hund zusammenfasste: „Sitze wie eine Schildkröte, halte Dein Herz ruhig. Laufe munter wie eine Taube. Und schlafe wie ein Hund.“ Dahinter stecken einige besondere Gewohnheiten, die seine Tage formten und von denen die Epoch Times schreibt:
- Er trank keinen harten Alkohol und rauchte nicht
- Er aß seine Mahlzeiten immer zur selben Uhrzeit
- Er ernährte sich vegetarisch und trank regelmäßig Wolfsbeeren-Saft (heute als Goji Beere bekannt)
- Er ging früh ins Bett und stand früh auf
- Er setzte sich, wenn er Zeit hatte, mit geradem Rücken hin, Augen geschlossen, Hände im Schoß (seine eigenen) und bewegte sich nicht … manchmal über Stunden
- Er füllte seine Freizeit mit Kartenspielen, und irgendwie verlor er dabei meistens
- Er war großherzig und anständig, was ihm viele Freundschaften besorgte, die Menschen waren gern in seiner Nähe
- Er verbrachte große Teile seines Lebens mit dem Studium chinesischer Kräuter und reiste über die Landesgrenzen hinaus um seltene Pflanzen zu bekommen, von denen er sich ein längeres Leben versprach
Wie alt Li tatsächlich wurde, weiß keiner. Doch das, was über sein Leben bekannt ist, deckt sich erstaunlich gut mit dem, was die Wissenschaft heute übers Erreichen eines hohen Alters weiß.
Die Ernährung der Über-100-Jährigen
Altersforscher und Autor Dan Buettner schreibt in seinem Buch „The Blue Zones: Lessons for Living Longer From the People Who’ve Lived the Longest“ von den vier Plätzen auf der Welt, an denen Leute entweder durchschnittlich mindestens zwölf Jahre länger als woanders lebten oder an denen es übermäßig viele gibt, die über hundert Jahre auf dem schrumpeligen Buckel haben:
Die kalifornischen Anhänger der Adventisten-Kirche, die Bewohner der südjapanischen Inselgruppe Okinawa („Insel der Hundertjährigen“), die Costa-Ricaner und die Sardinier (nicht Sardinen, das sind Fische, um diesen Fakt konnte ich im Rahmen meiner Recherche soeben mein Geographie-Wissen ausbauen). Buettner schreibt:
- All diese Gruppen ernähren sich von besonders viel Gemüse, die Adventisten zum Beispiel vor allem von Hülsenfrüchten und Gräsern, die in der Bibel erwähnt werden, die Sardinier aßen zusätzlich eine Menge ungesäuertes Brot und Käse von mit Gras gefütterten Weidentieren und tranken einen speziellen Wein.
- Die Okinawas essen, wie es Konfuzius empfahl: „Hört auf zu essen, wenn ihr zu 80 Prozent satt seid“.
- Die Goji-Beere weckte wegen Herrn Li das Interesse medizinischer Forscher aus Großbritannien und Frankreich, die sie genau unter die Lupe nahmen. Dabei fanden sie ein einzigartiges Vitamin namens Vitamin X. Die Goji-Beere hindert das Fett daran, sich am Körper breeeeiiit zu machen, regeneriert die Leberzellen, verringert Cholesterin und den Blutzucker. Außerdem aktiviert es Gehirnzellen, bringt die Hormone in Ordnung und befreit das Blut von Giftstoffen.
Ist jedoch mehr als die Ernährung, die eine Rolle spielt.
Meditation hält jung
In den letzten Jahrzehnten haben sich Forscher auf die Meditation gestürzt. Und viel Beeindruckendes gefunden. Neurologen der University of Massachusetts Medical School verglichen zwei Gruppen von durch Stress runtergewirtschafteter High-Tech-Arbeitnehmern. Die eine Gruppe meditierte acht Wochen lang, die andere nicht:
- Bei den Meditierenden verschob sich die Hirnaktivität in den linken Frontallappen. Dadurch waren die negativen Folgen von Stress verringert, sowie milde Depressionen und Ängste gelindert.
- Meditation hinderte das Hirn außerdem am Schrumpfen und hellte die Stimmung auf.
Auf der Matte still sitzen ist allerdings gar nicht zwingend nötig. Auch schon regelmäßige Erholungszeiten über den Tag und über das Jahr, im Kalender geplant und durchgezogen, verringern zum Beispiel die entzündlichen Prozesse, mit denen der Körper auf Stress reagiert. Die Adventisten (oh, Mann, inzwischen klingt das, als würde ich für die Werbung machen wollen, ist aber überhaupt nicht so, würde ich sogar auf die Bibel schwören) haben immer wieder 24-Stunden-Sabbaths, in denen sie nur beten, zusammen rumhängen und über das Leben reflektieren.
Jung bleibt man nicht allein
Sehr wichtig für ein hohes Alter sind Gemeinschaften. Die Okinawas haben ungewöhnlich viele enge Ferunde, mit denen sie alles teilen. Für die Adventisten steht die Familie im Mittelpunkt. Und die Sardinier zeichnen sich durch eine Ehrfurcht vor und Integration von den Alten aus, die hierzulande unvorstellbar geworden ist in einer Gesellschaft, in der das Altern nur noch lästig ist (Fünfzigjährige in Teenager-Klamotten; wundert mich, dass die späte Zahnspange noch nicht in Mode ist) und in der alte Menschen angeblich bloß Geld kosten und froh sein sollen, wenn man sie noch ein paar Jahre im Heim vor die Glotze schiebt.
Die Zugehörigkeit hält nicht nur jung, da sie entlastet und Sinn verschafft (siehe 5 Wege, dem Leben mehr Sinn zu geben). Sie ermuntert die Alten auch, gesund zu leben.
Paradebeispiel sind eine „Rosetans“ genannte Gruppe von Italienern, von denen Malcom Gladwell im Buch „Überflieger“ berichtet und die nach Pennsylvania auswanderten und erstaunlich wenig Herzinfarkte und ein erstaunlich hohes Durchschnittsalter erreichten – obwohl sie sich eher ungesund ernährten. Die engen, starken sozialen Strukturen, die sie sich selbst schufen, schützten sie vom Druck der modernen Welt.
Der Ruhestand ist zum Sterben da
Überall in den Gebieten mit der außerordentlich hohen Lebenserwartung fand Buettner eins nicht vor: das Konzept des Ruhestands. Die Alten bleiben aktiv, arbeiten einfach weiter, steigen auf Berge, fischen, bauen Zäune, pflanzen Gemüse an oder kümmern sich um ihre Ur-Ur-Ur-Enkel; langsamer vielleicht, und weniger, aber sie hören nie damit auf.
In Fitnessstudios hingegen sieht man sie nie. Das Leben ist ihr Fitnessstudio, der Garten, die Küche, der Haushalt, die Spaziergänge.
Meinen Tee trinke ich heute jedenfalls auf Mr. Li Qing Yun. Ich hoffe, ich hab noch ein paartausend Liter davon vor mir, bis die Sache gelaufen ist.
P.S.: Ist, mal wieder, allen voran eine Frage der Gewohnheiten.
Photo (oben): Nicolas Alejandro
256 Jahre? Ja, der Gedanke könnt mir gefallen.
Ich bin sehr gespannt, welche Erkenntnisse wir über die Meditation in den nächsten Jahren noch erfahren. Als lebens- und alltagstaugliche Übungssequenz verschafft uns die Meditation viele Vorteile.
Interessant dabei ist der Fakt, dass schon wenige Minuten täglich ausreichen. Es ist nicht nötig, sich täglich stundenlangen Meditations-Sessions in abgelegenen Berg-Dörfern unter Anleitung eines Gurus hinzugeben.
Hi Michel,
„nötig“ ist das vermutlich nicht – aber es gibt auch Studien von intensiver meditierenden Mönchen, deren Gehirne noch mal deutlich stärker verändert waren (zum positiven). Insofern: wenn man Bock drauf hat hat das sicherlich auch Vorteile, so eine stundenlange Session im Bergdorf. 🙂
LG
Tim
Hi Tim,
klar, wenn man Zeit und Lust hat, kann die stundenlange Session in Angriff nehmen. Würde ich auch gerne. Gerne auch in einem Dort in den Bergen in Asien. Gerne auch unter Anleitung eines erfahrenen Guru und alles möglich.
Ich höre nur leider noch viel zu oft, dass Leute sagen, sie schaffen es nicht zu meditieren, weil sie zu wenig Zeit haben bzw. sie denken, sie müssten täglich 1-2 Stunden dafür aufwenden.
Durch die aktuellen Ergebnisse der „Meditations-Forschung“ hat man teilweise keine Ausrede mehr.
Bei Untersuchungen dieser Art frage ich mich immer, wie statistisch relevant das alles ist. Vor einiger Zeit las ich das Buch „the secret of the world’s longest living people“ von Sally Beare. Im Grunde ging es dort auch um diese 4 Zentren hohen Alters und was die Menschen dort anders machen als wir. Auf einem anderen Blog las ich vor einiger Zeit über ein dritten Buch zu genau diesem Thema. Das Thema ist beliebt.
Aber ist es wirklich das Verhalten dieser Menschen das den Unterschied macht? Wenn die Lebensspanne der Menschen normalverteilt ist, werden sich zwangsläufig irgendwo auf der Welt Ort mit besonders hoher Lebenserwartung finden lassen. In dem Fall ist es purer Zufall. Wenn sehr viele Menschen dreimal hintereinander würfeln, wird immer jemand dreimal hintereinander die sechs würfeln. Also falls jemand von einer statistischen Untersuchung zu dieser Sache weiß, würde ich mich sehr über einen Hinweis freuen.
Falls es statistisch relevant ist (was ich mir durchaus vorstellen kann), dann wäre die nächste Frage: Kann man das Altwerden dieser Menschen auf einzelne Verhaltensweisen zurückführen und wenn dem so ist – kann man diese Verhaltensweisen einfach auf das Leben eines anderen Menschen übertragen und damit das gleiche Ergebnis erzielen? Die Systemtheorie sagt ja im Grunde, dass Alles mit Allem auf eine komplexe Art und Weise zusammenhängt und, dass man eben keine Rosinenpickerei betreiben darf, was die Kausalitäten angeht.
Auf jeden Fall ein spannendes und inspirierendes Thema.
Hi Jan,
die statistische Relevanz bzw. Zufälligkeit kann ich nicht einschätzen. Eine interessante Frage. Ich finde es aber in jedem Fall schlüssig, dass diese Dinge das Leben verlängern können.
„Rosinenpickerei, was die Kausalitäten angeht“ gefällt mir sehr. 🙂 Klar, die besagten Gruppen leben eindeutig in anderen Systemen als wir. Gemeinsam haben sie aber auch, dass die Systeme enger, dichter, verknüpfter sind als hier in unserer zerfallenden westlichen Welt. Also eine Art Meta-System-Charakteristikum. Vielleicht würde es schon sehr helfen, wenn wir wieder mehr Zusammenhänge erkennen und (er-)leben würden.
LG
Tim
Tja, ich weiß nicht. Ist es nicht viel wichtiger, *wie* man lebt als wie viele Jahre man damit verbringt?
Schon. Aber Qualität und Quantität schließen sich doch nicht aus.
Lange leben ist eine Sache, gut leben oft eine andere. Qualität kommt bei mir allemal vor der Quantität. Ich würde nicht auf etwas, das mir Freude bereitet verzichten wollen, selbst wenn ich dadurch ein paar Lebensjahre einbüßen würde.
Hi Oliver,
da kommt mir sofort eine Frage in den Sinn:
Wie viele Lebensjahre /-jahrzehnte wär Dir das denn wert?
LG
Tim
Super spannender Artikel, der mich hier endlich zum Kommentieren bringt! 😉
Ich finde es hat sehr stark etwas von Doppelmoral, wobei ich mir nicht sicher ob es das richtige Wort dafür ist.
In einer Gesellschaft wie unserer und gerade in der westlichen ist es nur sehr schwer bis fast unmöglich genau nach diesem Prinzip zu leben.
Nur um ein paar Beispiele hier zu nennen:
„Er trank keinen harten Alkohol und rauchte nicht“
In der heutigen Zeit haben wir Völlerei und Drogenmissbrauch (Ja Alkohol und Zigarreten sind auch Drogen) wo man nur hinsieht.
„Er aß seine Mahlzeiten immer zur selben Uhrzeit“
Was durch die heute Leistungsgesellschaft kaum möglich ist. Wir machen nur kleinere Breaks und feste Pausenzeiten auf der Arbeit werden immer seltener. Kommt noch ein Kunde dazwischen verschiebt sich deine Pause vlt um Stunden.
„Er ging früh ins Bett und stand früh auf“
Ja wir stehen früh auf, aber der Großteil der Bevölkerung schläft sicherlich nicht mehr lange oder gut. Man verbringt 8 – 9 Stunden auf der Arbeit, kümmert sich um sein Kind, den Mann/Frau, Haushalt und wenn man zu Bett geht fangen zahlreiche Sorgen an die wir haben, sei es Geld oder Beziehung.
Ich stimme dir vollkommen zu in diesem Artikel und glaube auch das die Methoden sowohl die Lebensqualität als auch Länge steigern. Jedoch ist es in eine Gesellschaft wie heute nur noch schwer umzusetzen.
LG
Vladimir
Hey Vladimir,
Dankeschön für Deinen ersten Kommentar hier.
Und für Deinen kritischen Blick auf das Thema.
Das lässt sich nicht von der Hand weisen, manches ist hier wirklich nicht einfach umzusetzen. Zum Trinken und Rauchen kann uns keiner Zwingen, aber mit den regelmäßigen Speisen hast Du sicher Recht – da könnte man aber vielleicht zumindest eine fixe Frühstücks- und Abendessen-Zeit schaffen. Zwischendrinn ist’s in etlichen Jobs sicher nur schwer möglich.
Die Frage am Ende ist aber auch ein bisschen:
Wer dankt es uns am Ende, dass wir so leben, dass wir nicht gut essen und nicht gut schlafen und nicht gesund alt werden können?
Lieben Gruß
Tim
Sorry, wie kommst du darauf, dass Adventisten Gräser und Hülsenfrüchte essen???
Außer, dass sie z.B kein Schweinefleisch essen und sich damit an biblische Richtlinien halten, gibt es nicht soviele Unterschiede und älter werden sie auch nicht.
Hi Elke,
da hab ich einfach was anderes drüber gelesen. Und zumindest der zititerte Altersforscher sagt das schon, dass es so ist. Drauf schwören würde ich allerdings natürlich nicht. 🙂
LG
Tim
Hallo 🙂 Also, ich finde, der Herr Li Qing Yun hätte doch spätestens nach seinem 110. Lebensjahr seiner 5. Ehefrau Tips geben und den Tod der weiteresn 19 Ehefrauen verhindern können 😉
Hi Tim, schöner Artikel, ich werde davon eher weniger umsetzen, denn ich halte es schon eher wie Michel de Montaigne der meinte:
„Die Nützlichkeit des Lebens liegt nicht in seiner Länge, sondern in seiner Anwendung.“
Lg Karl
Hi Karl,
dieser Spruch passt natürlich ganz gut in die heutige Hier-und-Jetzt-Kultur. Bin mir aber nicht sicher, ob das ein Entweder-Oder ist, das gute und das gesunde Leben.
LG
Tim
Eigentlich hat er sich dann nur von Goji Beeren Saft ernährt. Auch wenn das Alter mit Sicherheit anzuzweifeln ist, gehe ich davon aus, dass Herr Yun über 100 Jahre alt wurde. Nun, eigentlich ist unser Körper nicht für dieses hohe Alter gemacht, was man allein an der Häufigkeit von Alterskrebs sehen kann. Unsere Zellen sind nicht dafür gemacht, sich so lange immer wieder ohne Fehler oder Mutation zu teilen. Aber es macht mich nachdenklich, wenn ältere Menschen darüber berichten, regelmäßig etwas zu sich genommen zu haben, welches Wirkstoffe hat, die Krebs hemmen, wie die Goji Beere. Vielleicht sollte man in dieser Richtung mal denken und Mutter Natur als Nahrungsquelle einfach richtig nutzen – dann ist ein langes Leben sicherlich wahrscheinlicher …