Kaufen kann man sie nicht. Erzwingen auch nicht, nicht einmal mit dem „Gesetz der Anziehung“, das ja sonst für alles herhalten muss. Aber wahrscheinlicher machen kann man sie schon: die Liebe. Oder zumindest das Verlieben, dieses womöglich zur echten, tiefen Liebe führende, rosarote Eintrittstor, das zwar plüschverkleidet ist, an dem wir uns aber trotzdem verletzen können, wenn wir am Ende mal wieder allein durchgegangen sind („Nee, lass mal, ich finde Dich zwar nett, aber mehr ist da nicht“). Wer seine Chance auf Gegenseitigkeit erhöhen möchte, für den ist dieser Text.
Der amerikanische Psychologe und Verhaltensforscher Arthur Aron betrieb vor 20 Jahren eine Studie mit dem Titel „Die experimentelle Erzeugung zwischenmenschlicher Nähe“.
Er bewies damit:
Wenn zwei Menschen gezielt gegenseitig mehr und mehr persönliche, intime Informationen über sich preisgeben, entsteht in kürzester Zeit eine enge Beziehung – sogar zwischen zwei bis dahin völlig Fremden, mitten in einem Labor.
Genau das passiert nämlich ungeplant und viel langsamer bei allen Liebesbeziehungen, wenn die Schutzpanzer abgelegt werden und sich die nackten Herzen berühren und wer weiß was miteinander machen können.
Aus dem Experiment gingen mehrere Partnerschaften hervor, zwei der Teilnehmer waren sechs Monate später sogar verheiratet, die gesamte Forschungsgruppe war dazu eingeladen.
Die New-York-Times-Autorin Mandy Len Catron und ihre Uni-Bekanntschaft haben es 20 Jahre später ausprobiert, nicht in einem Labor, sondern in einer Bar … und verliebten sich ebenfalls. Besonders verblüfft hat sie, wie unschuldig die Fragen begannen, und wie sie kurze Zeit später ihre am besten gehüteten Geheimnisse mit ihrem Gegenüber teilte – Dinge, die sie sonst erst nach Monaten Partnerschaft offenbarte. Durch die Fragen war es ihr nicht möglich, die abgelutschten Standard-Geschichten über sich auszupacken, die sie sonst immer wie automatisch abspulen.
Die 36 Fragen
So geht es: Beide Teilnehmer lesen sich abwechselnd eine Frage vor, beantworten sie erst selbst und lassen dann den Anderen auf dieselbe Frage antworten.
Die Fragen bestehen aus drei Blöcken (keine Ahnung warum, vielleicht, damit man zwischendurch mal auf’s Klo gehen kann, wie in der Fernsehwerbepause).
Teil 1
- Welchen einen Menschen auf der Welt würdest Du am liebsten zum Essen einladen?
- Würdest Du gern berühmt sein? Wenn ja, wofür?
- Legst Du Dir jemals Worte zurecht, bevor Du jemanden anrufst? Wenn ja, warum?
- Was ist für Dich der perfekte Tag?
- Wann hast Du zum letzten Mal allein für Dich gesungen, und wann für einen Anderen?
- Wenn Du 90 Jahre alt werden könntest, was hättest Du in den letzten 60 Jahren lieber – den Körper oder den Geist eines 30-Jährigen?
- Hast Du insgeseheim eine Vermutung, wie Du sterben wirst?
- Welche drei Dinge, glaubst Du, haben Du und Dein Gegenüber gemeinsam?
- Wofür in Deinem Leben bist Du am meisten dankbar?
- Wenn Du etwas an dem ändern könntest, wie Du erzogen wurdest, was wäre das?
- Wie würdest Du Deine Lebensgeschichte erzählen (in vier Minuten und möglichst detailliert)?
- Wenn Du morgen mit einer zusätzlichen Fähigkeit oder Eigenschaft aufwachen könntest, welche wäre das?
Teil 2
- Was würdest Du am liebsten wissen wollen, wenn Dir eine Zauberkugel die Wahrheit über Dich, Dein Leben, die Zukunft oder etwas anderes mitteilen könnte?
- Wovon träumst Du schon lange – und warum hast Du es noch nicht getan?
- Was war der bisher größte Erfolg Deines Lebens?
- Was ist Dir bei einer Freundschaft am wichtigsten?
- Was ist Deine liebste Erinnerung?
- Was ist Deine schlimmste Erinnerung?
- Wenn Du wüsstest, Du würdest in 365 Tgen sterben, würdest Du etwas an Deinem jetzigen Leben ändern? Wenn ja, warum?
- Was bedeutet Freundschaft für Dich?
- Welche Rolle spielen Zuneigung und Liebe in Deinem Leben?
- Welche fünf positiven Charaktereigenschaften, glaubst Du, hat Dein Gegenüber?
- Wie eng und herzlich sind die Beziehungen in Deiner Familie? Glaubst Du, dass Deine Kindheit glücklicher als die anderer Menschen war?
- Welche Beziehung hast Du zu Deiner Mutter?
Teil 3
- Denkt euch zusammen drei „Wir-Aussagen“ aus, die wahr sind (zum Beispiel: „Wir sind beide in diesem Raum und fühlen uns …“).
- Vervollständige diesen Satz: „Ich wünschte, ich hätte jemandem, dem ich erzählen könnte …“
- Wenn Du mit Deinem Gegenüber eine tiefe Freundschaft schließen würdest, was müsste er dann unbedingt über Dich wissen?
- Was magst Du an Deinem Gegenüber (sei dabei ehrlich und sage Dinge, die Du einem Menschen, den Du gerade erst kennengelernt hast, normalerweise nicht sagen würdest)?
- Was war ein peinlicher Moment in Deinem Leben?
- Wann hast Du das letzte Mal in Gegenwart eines Anderen geweint? Wann für Dich allein?
- Welche eine Sache magst Du schon jetzt besonders an Deinem Gegenüber?
- Worüber darf man aus Deiner Sicht keine Witze machen?
- Angenommen, Du würdest heute Abend sterben und könntest mit niemandem mehr sprechen … was würdest Du bereuen, jemandem nicht gesagt zu haben? Und warum hast Du es noch nicht gesagt?
- Dein Haus brennt, mit all Deinem Besitz. Du hast Deine Liebsten und Deine Haustiere schon gerettet und kannst noch ein letztes Mal ins Feuer, um einen einzigen Gegenstand zu retten. Welcher wäre das und warum?
- Der Tod welches Familienmitglieds würde Dich am meisten mitnehmen und warum?
- Welches persönliche Problem hast Du? Frage Deinen Gegenüber nach einem Rat, was er in dieser Situation tun würde. Frage ihn außerdem, wie er glaubt, wie Du über dieses Problem denkst.
Der Abschluss
Nach diesen Fragen folgt zum Abschluss eine Übung, die einen weiteren intimen Moment schafft:
Die beiden Teilnehmer schauen sich vier Minuten lang still in die Augen.
Das könnten die längsten, verwirrendsten vier Minuten des Lebens werden. Und vielleicht auch die schönsten.
P.S.: Die Fragen könnten auch ein Weg sein, eine beschädigte Beziehung zu retten – statt sich nur mit ihr und in ihr abzufinden (siehe 10 Gründe, warum Menschen in kaputten Beziehungen bleiben).
Photo: Reiner Girsch
Hey Tim,
über die Fragen bin ich auch schon mal gestolpert, ich finde das prinzipiell ganz cool. Allerdings wären mir einige davon viiiiel zu intim, als sie unverblümt einer neuen Bekanntschaft zu stellen. Vielleicht nach vorheriger Absprache, wobei ich mich das auch eher bei Freunden trauen würde als bei flüchtigen Bekannten. 😀 Dilemma!
Liebe Grüße
Anja
Guten Morgen Anja,
ja, schon, die Antworten haut man nicht einfach so raus, das kostet vermutlich an einigen Stellen reichlich Überwindung – aber darum geht’s ja, um das schnelle Überwinden von Panzern. Könnte mir aber vorstellen, dass man sich mit ein paar Abstrichen bei den Fragen auch ein -bisschen- verlieben könnte. Da möchte ich aber für nichts garantieren. 🙂
Liebe Grüße und einen schönen Tag
Tim
bei mir eher weniger überwindung, als dass ich auf viele der fragen eeeewigkeiten grübeln müsste, um eine antwort zu finden. also ich habe vor, das mit meinem mann zu machen – aber wir werden da wohl mindestens einen wenn nicht mehrere tage zeit brauchen. wenn ich mich ev alleine vorbereite, gehts schneller. aber bei einigen fragen weiß ich garnicht, ob ich überhaupt eine antwort FINDE!
Guten Morgen Tim,
dies ist ein spannender Blogeintrag. Glaub bei meinem nächsten Date, lass ich mal ein paar dieser Fragen einfließen. Der Ansatz gefällt mir!
Das Experiment mit den 4 Minuten hab ich schon mal auf einem Seminar erleben dürfen. Kann mich deinem Zitat: „Das könnten die längsten, verwirrendsten vier Minuten des Lebens werden. Und vielleicht auch die schönsten.“ nur Anschließen.
Liebe Grüße Daniela
Ich meine, das ist nicht wirklich ein Geheimnis. Tiefere Beziehungen bahnen sich an, wenn wir uns öffnen und dann Dinge gegenseitig zu den unseren machen. Wer sich wirklich für mich interessiert, der möchte nach innen blicken und etwas finden, wobei er/sie mir helfen kann. Klar kostet es etwas Mut. Das Fragen und das ehrliche Antworten. Es kommt auch gar nicht sehr auf die Menge an. Es reicht schon sehr wenig, um etwas zu erahnen und zu verstehen, und das Vertrauen als Geschenk zu sehen. Haben wir einmal etwas verstanden, angenommen und zu unserer Sache gemacht, sind wir auf dem Weg. Mein Partnerin war hier sehr direkt und gleichzeitig offen, mehr als ich selbst. Doch nach einer Stunde gab es kein Zurück mehr.
Wow, danke! Probiere ich direkt mal mit meiner besseren Hälfte aus.
LG
Aljoscha
Wenn es ums Verlieben und um die Liebe im Allgemeinen geht, dann beginnt bei vielen das magische Denken. Zum Glück gibt es auch Leute, die die Sache vom Standpunkt der Realität her angehen.
Hey Tim,
von diesen Fragen hab ich schon öfter gehört, hab’s aber selbst noch nie ausprobiert. Werd ich demnächst vielleicht mal mit einer Auswahl davon probieren.
Was ich allerdings in diese Richtung schon festgestellt habe, ist, dass zum Beispiel Horrorfilme besser sind als Komödien oder Achterbahnfahren besser als ein romantisches Dinner. Weil die Angst bzw. die durchlebte Schrecksituation ein Band entstehen lässt, durch das man sich direkt verbunden fühlt =)
Find ich persönlich auch in beiden Fällen die schönere Aktivität =D Wie sieht’s bei dir aus, Tim? Schaust du gern Horrorfilme?
LG Norman
Hallo Tim,
danke für den tollen Artikel!
Ich finde den Ansatz auch super. Ich habe ihn zwar noch nicht für den „eigentlichen“ Zweck gebraucht, aber in leicht abgewandelter Form funktioniert er auch super fürs Teambuilding!
Kann ich wirklich sehr empfehlen!
Viele Grüße! Fabian
Hey Tim,
faszinierende Idee und echt spannende Fragen!
Was die Fragen für mich gemein haben ist, dass man sich oft verletzlich zeigt – so wie man halt ist, menschlich und echt. Das ist für mich die Grundzutat, nicht nur um sich zu verlieben, sondern auch für bereichernde Gespräche ganz allgemein. 🙂
Danke für den Beitrag!
LG,
Raphael
hallo, ich glaube ich wurde zu oft entäuscht und kann mich nicht mehr verlieben ;(
Hallo Tim,
das klingt irgendwie so schön einfach 😀
Hast du denn noch ein paar Tipps, wie man sein unbewusst kaputtes Inneres zusammenflickt und sich auch endlich wieder verlieben kann?
Ansonsten versuche ich beim nächsten Date mal ein paar Fragen einfließen zu lassen.
Mal sehen wie gut „Hast du eine Vermutung, wie du sterben wirst?“ ankommt, hihi 😀
Liebe Grüße,
Monya
Ja, in der Tat würde auch ich diese Fragen nicht mal meinem besten Freund beantworten. Geht auch keinen was an.
Die Fragen finde ich echt super! Würde jemand bei einem Treffen mit diesen Fragen ankommen, dann hätte er sehr wahrscheinlich sofort meine volle Aufmerksamkeit. Ja, einige Fragen sind natürlich intimer als andere. Aber ich hätte hier das Gefühl das mir jemand gegenüber sitzt der wirklich wissen möchte wer ich bin.
Diese, eigentlich schon oberflächlichen Gespräche Beruf, Hobbys, Freizeit finde ich langweilig und stumpfsinnig. Weil es irgendwie immer dasselbe ist. Mit diesen Fragen lerne ich mein Gegenüber direkt richtig kennen.
Hallo Tim,
ich finde einige der Fragen so interessant, dass es schon ein guter Anfang ist, die sich erst mal nur selbst zu beantworten, einfach um herauszufinden, wer da eigentlich so auf Partnersuche unterwegs ist. 😎
Viele Grüße, Andrea
hallo jahrgangsbester! schön das du dein studium abgebrochen hast. ahoy volker
sind spannende Fragen… aber meiner Erfahrung nach reichen auch die 4 Minuten tiefer und echter Augenkontakt für ein Gefühl der tiefen Verbundenheit. Aber da das mit jedem herstellbar ist , der sich darauf einlässt sollten wir uns lieber mal genauer überlegen was Verlieben ist 😉
Die Fragen sind ja nicht nur super zum Verlieben, sondern ganz allgemein für jede Art von Gespräch. Wenn es gerade kein Thema gibt, kann man mit so einer Frage das Gespräch wieder ganz interessant weiterführen – vielleicht nicht gerade mit zu intimen Fragen.
Wie sagt man so schön: „Wer fragt, führt“ 😉