Manche meiner Freunde sind so alt wie ich, haben aber längst Kinder. Oder mehr Geld. Oder einen Doktortitel. Oder die ganze Welt bereist, während ich nie aus Europa herausgekommen bin.
Oft schämte ich mich dafür, so weit hinterher zu hinken. Als hätte mein Leben zwei marode Holzbeine, während links und rechts von mir alle anderen vorbeidüsten mit ihren Porsche Cabrios, offenes Verdeck, den vollen Wind, das pralle Pulsieren spürend.
Ich dachte (und auch heute kommen die Gedanken noch ab und an):
Wie konnte ich mein Leben nur so verschwenden – und wie soll ich die nur alle einholen?
Die Antwort lautet:
Gar nicht.
Weil es nicht geht.
Aber vor allem:
Weil es nicht darum geht.
Das Leben ist eine Reise, kein Rennen.
Dein Leben ist Deine Reise. Mein Leben ist meine Reise. Unvergleichbar.
Stell Dir ein Autorennen vor, und stell Dir vor, dass jeder der Fahrer – auch Du – eine eigene Strecke abfährt. Manche Strecken sind kürzer, andere länger. Manche Strecken sind kurvig, andere eher gerade. Manche Strecken führen durch Berge, andere durch flaches Land.
Mit dem Leben ist es doch genauso.
Wie können wir dann vorn oder zurück liegen?
Welchen Sinn macht es dann, dass wir uns abzuhetzen und die Zeiten vergleichen?
Welchen Sinn macht die Überholspur, wenn rechts davon niemand fährt, auf dieser einzigartigen Strecke?
Warum sollten wir Gas geben, wenn am Ende kein Siegertreppchen auf uns wartet, sondern immer nur der Friedhof?
Es gibt keinen Grund, unser Leben mit dem eines Anderen zu vergleichen.
Also gibt es auch keinen Grund, uns zu beeilen.
Viel wichtiger ist doch, ob wir die Reise genießen. Die Landschaften unseres Lebens. Die Pausen und die Bewegung. Das Auf und das Ab, den Sonnenschein und den Regen und den Regenbogen.
Seht ihr das Leben zu oft als Rennen? Vergleicht ihr euch oft mit anderen und glaubt dann, ihr würdet hinterherhinken?
P.S.: „Das Leben ist eine Reise, kein Rennen“ ist ein Zitat von einer Bonnie Mohn oder Bonnie Mohr oder von jemand ganz anderem, das habe ich nicht sicher herausfinden können.
Photo: Hartwig HKD
Lieber Tim,
danke dir! Dieser Artikel kommt grade zur rechten Zeit.. Bin gester 28 geworden und das ist wohl so ein Alter, in dem (gefühlt) alle, die ich kenne in glücklichen Beziehungen sind, einen Plan für ihr Leben haben etc.
Und ich? Tja 😉 Auch, wenn es sonst ganz gut gelingt, die Vergleicherei zu lassen, Geburtstage bieten sich nun mal sehr an..
Danke für die Erinnerung!
Alles Liebe,
Marie
Hi liebe Marie,
na dann mal alles gute nachträglich zu diesem Alter, das ich persönlich ja schon laaange hinter mir hab … ich werde im Herbst 30 und wenn das mal kein Grund ist, gnadenlos mit sich ins Gericht zu gehen. 😉
Einen Plan fürs Leben zu haben heißt erst mal gar nichts, denke ich. Er kann ja auch total unpassend für einen selbst sein. Und was die glücklichen Beziehungen angeht … da kommt schon noch der Richtige vor der Rente! 🙂
LG
Tim
Danke! Genau das brauche ich heute! Im Vergleichen bin ich immer entweder die „Versagerin“ oder ich suche mir Obejkte, denen ich mich überlegen fühle. Beides ist nicht hilfreich – für niemanden!
Meine Reise empfinde ich zuweilen anstrengend genug und wenn ich dann noch zu vergleichen anfange, dann packe ich mir noch ein paar Steine in den Rucksack!
Vor kurzem habe ich folgenden Post gefunden:
Maybe the journey isn’t so much about becoming anything. Maybe it’s about un-becoming everything that is not really you so you can be who you were meant to be in the first place.
herzliche grüße
Gertraud
Liebe Gertraud,
und jetzt noch mal auf deutsch bitte. Mein Englisch ist nicht so dolle. Vielen lieben Dank und liebe Grüße Annette
Hi Gertraud,
schön, dass der Text heute gerade ins Schwarze getroffen hat!
Vermutlich kennen das ALLE Menschen, diese Art von Vergleichen mit anderen.
Sie haben einfach nichts zu bedeuten … es ist nur der Affe im Kopf („monkeymind“).
Schau mal vielleicht hilft Dir das hier noch ein bisschen weiter: https://mymonk.de/mit-anderen-vergleichen/
Liebe Grüße
Tim
Das wichtigste ist doch, immer darauf zu achten, dass wir uns gut fühlen. Was nützt mir das ständige haben, sein oder erleben wollen, wenn ich mich dabei nicht gut fühle?
Hi Richard,
ich finde das Glücksgefühl als oberste Maxime als etwas gefährlich. Ist’s nicht manchmal Wert, auch ein weniger „gutes Gefühl“ im Jetzt in Kauf zu nehmen für ein späteres, viel größeres Gefühl der Erfüllung?
LG
Tim
Glücksgefühl und Maxime wären schon recht extreme Begriffe. Doch wenn ich mich mit etwas gut fühle, bin ich verbunden mit der Quelle, die mir Kraft gibt, Türen öffnet und auch alles begünstigt, was mich weiter besser fühlen lässt.
So ist es die Kunst, sich immer wieder einen Überblick zu verschaffen, zu tun, was zu tun ist und die Gedanken möglichst schnell wieder auf das zu richten, was sich gerade gut anfühlt. Bestimmt gibt es da immer eine Kleinigkeit…
Mit Vergleichen denkst du oft an einen Mangel, oder du lässt dich auf eine Illusion ein, die nie Wirklichkeit wird. Damit fühlst du dich nicht gut und das was dann zu dir kommt fühlt sich auch eher nicht gut an …
Ich denke ich wäre ganz bei Dir, wenn wir nicht davon sprechen, dass es sich „gut anfühlt“, sondern dass es sich „richtig anfühlt“. Was hältst Du davon?
P.S.: morgen kommt ein Artikel, der Dir gut gefallen sollte, musste gerade an Dich denken, als ich ihn vorbereitet hab.
Hmmm, wie wäre mit „stimmig“?
Handschlag drauf! 🙂
Ich bin jetzt 31 und die Familie redet immer noch das selbe wie damals.
Du solltest das tun und haben…..früher,hat es mich extrem gestört.noch so vor 1,5jahren.
Aber,jetzt geht es da rein und da wieder raus.
ich denke das liegt an der Weiterentwicklung jedem selbst!
Und die Pausen dazwischen sind wunderbar um selbst zu sich immer wieder zu kommen!
Hi Maria,
eine gute Entscheidung, nicht mehr drauf zu hören. Ich kann mir vorstellen, dass die Familie dann auch noch genauso redet, wenn Du 50 oder 60 bist. So sind viele Menschen nun mal, entweder weil sie’s wirklich gut meinen oder weil sie selbst nicht zufrieden sind und sich scheuen, ihr eigenes Leben anzupacken.
LG
Tim
vielleicht geht es bei der Reise nicht so sehr darum etwas zu werden. vielleicht geht es darum all diese schichten loszuwerden die du nicht bist so das du zu dem/ der werden kannst die/ der du von anfang an sein solltest. “ frei uebersetzt fuer dich anette
Vielen Dank Bex 🙂 Wünsche Dir noch einen tollen Tag – auch für alle anderen!
Danke Bex! 🙂
Ja, danke Bex und sorry Annette, schau erst jetzt wieder rein! Noch einen schönen Abend!
LgG
Hallo Gertraud, alles gut. Ich schaffe es manchmal auch nur alle paar Tage, hier reinzuschauen :-). Ich wünsche Euch allen einen superschönen Tag. LG Annette
Hallo Tim,
wieder ein sehr schöner Artikel. Da fällt mir auch noch ein Spruch ein, der ganz gut dazu passt: „Wer schneller lebt, ist früher fertig“.
Und wer will das schon?
Schöne Grüße,
Martin
Hallo Tim,
Du sprichst mir aus der Seele, da ich mich derzeit in eben so einer Situation befinde. Aber geht es nicht darum, für sich selbst ein zufriedes Leben unabhängig von gesellschaftlichen Normen zu führen? Auch wenn es Dir allerdings nicht leicht gemacht wird, es ist schliesslich Dein Leben, und davon hast Du nur eines.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Patrick
Hey Patrick,
danke! Ja, es wird einem nicht leicht gemacht, und es ist auch nicht immer leicht. Mir hilft es, mir dann vor Augen zu halten, dass mir auch niemand versprochen hat, dass es leicht sein würde.
War auch gerade auf Deiner Seite, habe aber noch nicht herausgefunden, wie lang Deine aktuelle Auszeit (noch) ist?
Dir auch ein schönes Wochenende!
Tim
Hello, hello Tim,
das Leben ist eine Reise, und ja, das sollte ich bedenken, bei weitem keine einfache. Vielen Dank für Deine Antwort.
Ich befinde mich nach 2007 seit 2012 einer längeren Auszeit, bei der ich erst eine Reise unternommen und mir danach versprochen habe, nur noch das zu machen, was mir Freude bereitet. Es geht hauptsächlich darum, herauzufinden, was ich die kommenden Jahre wirklich beruflich machen möchte. Mit diesem Ansinnen habe ich mich mit mehreren Projekten selbstständig gemacht und führe in jeden Fall ein sehr viel zufriedeneres und selbstbestimmteres Leben als zuvor.
Nur muss natürlich der Lebensunterhalt auch verdient werden. Und das stellt mich voraussichtlich vor die persönliche Herausforderung wieder in ein Angestelltenverhältnis zurückzukehren und die Kasse wieder aufzufüllen.
Dieses Eingeständnis ist selbstverständlich kein Weltuntergang, aber ich hinterfrage meinen Entscheidungen jetzt doppelt.
Das schöne ist, dass sich immer wieder eine Türe öffnet, auch auf verschlungenen Wegen.
Viele Grüße und Cheers,
Patrick