Teile diesen Beitrag "Wie man dem Leben eine neue Richtung gibt, Tagebuch schreibt wie ein Profi und mehr"
Dr. Elisabeth Mardorf ist ist Psychologische Psychotherapeutin und Coach. Im Interview spricht sie mit mir über die Kraft des Tagebuchs, über Zufälle und Zeichen und über Richtungswechsel im Leben.
Hallo Elisabeth, vielen Dank für Deine Zeit, freu’ mich, dass ich Dich für das Interview gewinnen konnte. Möchtest Du Dich und Deine Arbeit kurz vorstellen?
Ich bin Psychologische Psychotherapeutin und habe viele Jahre an psychologischen –Beratungsstellen und in eigener Praxis gearbeitet. In den letzten Jahren habe ich den Schwerpunkt auf Coaching gelegt, insbesondere Telefon-Coaching. Psychotherapie biete ich nicht mehr an und verweise Interessenten an die wunderbaren Kolleginnen und Kollegen im Umkreis. Ich habe einige Bücher geschrieben, schreibe auch ein Blog „Mardorfs Momentaufnahmen“, in dem es um viele Bereiche des Lebens geht. Auch im Kleinen ist so viel Spannendes zu entdecken!
Die Kraft des Tagebuchs
Eines Deiner Herzensangelegenheiten ist das Tagebuch. Was bringt es, Tagebuch zu führen? Und wie kann man es auf eine Weise tun, die einem gut tut und stärkt?
Tagebuch zu schreiben, schärft die Wahrnehmung – für das, was man erlebt, was der Alltag bringt, aber auch für die eigenen Gefühle. Statt auf einem Wust ungeklärter Gefühle zu sitzen, kann man sich ent-lasten, indem man niederschreibt, was einen beschäftigt.
Wie sehr Schreiben entlasten kann, sieht man an den vielen Büchern, die Menschen über ihre Krankheit geschrieben haben, z.B. auch Robert Gernhardt mit den „K-Gedichten“ über seine Krebserkrankung.
Man kann mit Hilfe eines Tagebuches auch Wünsche und Ziele gut formulieren und in die Zukunft planen. Man kann auch das Tagebuch als Hilfestellung für Entscheidungen zu Hilfe nehmen. Einige Schreib-Übungen dazu finden sich in meinem Buch „Kreativ leben mit dem Tagebuch“.
Ein wichtiger Aspekt beim Tagebuchschreiben wird oft erst über einen längeren Zeitraum klar: Nirgends kann man so schön am eigenen Leib erfahren, dass die Zeit Wunden heilt wie beim Lesen früherer Tagebucheinträge. Oft ist man selbst erstaunt, wie groß ein Problem damals schien, und wie klein es sich heute anfühlt.
Wenn man Jahre später liest, wie sehr einen z.B. ein Mensch beschäftigte und man fragt sich „wer war das denn noch?“ – dann merkt man, wie relativ doch so manches weltbewegende Problem ist.
Einige Tipps zum Tagebuchschreiben:
- Ein schönes Notizbuch, das man gerne in die Hand nimmt
- Ein guter leicht schreibender Stift oder Kuli. Auf keinen Fall Filzstift, der ist meiner Erfahrung nach später oft verwischt und schlägt durch das Papier durch
- In das Tagebuch auch Zeitungsausschnitte, Eintrittskarten, Bilder etc. legen. Es gibt dafür schöne Notizbücher mit einer Tasche hinten. Man kann auch einen Umschlag hinten einkleben. Solche „Extras“ helfen der Erinnerung oft auf die Sprünge
- Jeden Eintrag, egal, wie traurig man ist, mit einem Eintrag über das beenden, wofür man heute dankbar ist. Möglichst fünf Punkte finden, das macht einem bewusst, was trotz allem noch gut im Leben ist.
- Ruhig einige Skizzen, unfertige Zeichnungen ins Tagebuch kritzeln. Es geht ja nicht um Perfektion, sondern um Eindrücke.
- Wer keine Zeit oder Lust zum ausführlichen Schreiben hat, kann es mit einem Kalender versuchen, der pro Tag eine Seite hat. Einfach Gespräche, Treffen, Erlebnisse und Gefühle stichpunktartig aufschreiben.
In meinem Buch gibt es viele Übungen, die das Tagebuchschreiben interessanter und hilfreicher machen.
Von Zufällen und Zeichen
In einem Deiner Bücher geht es um sinnvolle Zufälle oder „Synchronizität“. Was sind sinnvolle Zufälle? Wie erkennt man sie? Kann man sie als „Zeichen“ deuten? Und kann man etwas dafür tun, dass sich die sinnvollen Zufälle häufen?
In so wenigen Worten kann ich dazu nur ansatzweise etwas sagen. Synchronizität wurde als Begriff von dem Tiefenpsychologen C.G. Jung eingeführt, der beobachtete, dass sich in bestimmten Lebenssituationen auf der äußeren Ebene Dinge ereigneten, die mit einem inneren Thema korrespondierten. Ein Beispiel, das fast jeder kennt: Man denkt an einen Menschen, von dem man lange nichts gehört hat – und kurz danach ruft ausgerechnet dieser Mensch an. „Ich hab gerade an dich gedacht und wollte mich endlich mal wieder melden“.
Ich habe selbst in meinem eigenen Leben und in vielen Therapien erlebt, dass solche Ereignisse, die ziemlich komplex sein können, oft in Phasen des Übergangs passieren, um Geburt und Tod herum, aber auch um Ortswechsel oder Berufswechsel herum, auch in der Partnerschaft, wenn etwas Wichtiges ansteht. Manchmal scheint ein schöner „sinnvoller Zufall“ auch einfach zu bestätigen, dass wir alle zusammengehören und uns geborgen fühlen dürfen. In meinem Buch finden sich viele Beispiele.
Ja, manche solchen Zufälle haben durchaus eine symbolische Bedeutung und man kann aus ihnen lernen. Andererseits warne ich auch davor, überall Bedeutsames zu wittern. Mir wird gerne in den Mund gelegt, ich hätte gesagt, es gebe keine Zufälle. Das habe ich so nie gesagt, und ich halte nichts davon, in allen möglichen banalen Erlebnissen Symbole zu suchen. Insbesondere warne ich auch unglücklich Verliebte davor, sich vermeintliche sinnvolle Zufälle so hinzubiegen, dass sie ihren Wünschen entsprechen.
Trotz dieses Themas bin ich ein sehr bodenständiger Mensch, und ich halte auch nichts von Versuchen, sinnvolle Zufälle zu erzwingen. Für mich sind sie Geschenke des Schicksals, die wir dankbar entgegen nehmen können. Was wir tun können, ist achtsam zu sein, achtsam auch unseren Träumen gegenüber.
Aber ich finde es sehr wichtig, demütig zu bleiben, demütig auch bei der Interpretation sinnvoller Zufalle. Vor allem bin ich überzeugt, dass wir letztendlich die Geheimnisse hinter synchronistischen Ereignissen nur ansatzweise erklären können. Wir müssen nicht alles wissen und kontrollieren!
Zu diesem Thema habe ich ein ausführlicheres Kapitel in meinem Buch „Das kann doch kein Zufall sein“.
Dem Leben eine neue Richtung geben
Viele von uns sehnen sich nach einem anderen Leben, nach einem Richtungswechsel. Woran erkennt man, welche Richtung die richtige ist? Und wie findet man den Mut, die ersten Schritte in die neue Richtung zu gehen?
Gerade jetzt am Jahresanfang geht das vielen Menschen so. Eine neue Richtung suchen ja meist Menschen, die unzufrieden sind. Da ist es hilfreich, die Unzufriedenheit genauer zu benennen, sich eventuell auch Hilfe durch einen Coach zu suchen. Die eigenen Sehnsüchte genauer zu definieren, zu überlegen, ob es ein totaler Richtungswechsel sein muss oder ob auch eine Veränderung im Kleinen hilft – und auch prüfen, ob gar nicht im Außen etwas geändert werden müsste, sondern in der eigenen Einstellung. Ich denke, jeder von uns kennt einen Menschen, der immer auf der Suche ist, immer etwas Neues braucht und ausprobiert – und doch immer unzufrieden ist. Sie leben in einem dauerhaften Zustand des „Noch-Nicht“. Noch nicht den richtigen Partner, noch nicht der richtige Beruf, noch nicht die richtige Wohnung, noch nicht das richtige Hobby usw.
So ein Mensch sucht außen und merkt nicht, dass er innen suchen müsste. Du kennst vielleicht den Spruch aus den siebziger Jahren: “… und dann bin ich in mich gegangen, und da war auch nichts los“. Hier würde ein Richtungswechsel bedeuten, sich ehrlich mit der eigenen inneren Leere zu befassen.
Wie ich oben schon erwähnte, tauchen bei Veränderungen manchmal sinnvolle Zufälle auf. Sie können einen bestärken oder auch warnen.
Was Mut angeht: Da fällt es mir schwer, allgemein etwas zu sagen. Im Coaching bremse ich den einen und ermutige den anderen – das hängt von den Zielen und auch von der Persönlichkeit ab, vom familiären Rückhalt oder Rücksichten, die man nehmen muss, von der Gesundheit, vom Alter. Man braucht ja nicht nur Risikobereitschaft, sondern auch Stärke, um mit Rückschlägen und Misserfolgen fertig zu werden, wenn man eine neue Richtung einschlägt. Mut wird ja leider manchmal mit Leichtsinn verwechselt …
Wo können die Leser mehr über Dich und Deine Angebote erfahren?
Auf meiner Website www.elisabeth-mardorf.de und in meinem Blog „Mardorfs Momentaufnahmen“. Dort stehen auch Informationen über meine Bücher, die es zum Teil auch als Ebooks gibt. Man findet mich auch auf Facebook und bei Twitter.
Photo (oben): EladeManu
Finde ich ganz wunderbar dargestellt, liebe Elisabeth. Bestimmt hat das Zurückfahren der Arbeit mit analytischen Methoden auch seine Ursachen. Auf jeden Fall ist es ein Übergang, der alles stimmiger macht und intuitiv erfolgt ist, vermute ich. Es passt auch ganz wunderbar dazu, mehr spirituell und mit überlieferten Heilmethoden zu arbeiten, denn hier gehen wir ja gerade weg vom analytischen Denken, setzen auf das Bewusst Werden und den Weg nach innen und auf ein Glaubenssystem, mit dem wir uns mehr geborgen fühlen können.
Synchronizitäten sind wohl eine ganz wunderbare Brücke, zumal dies von C.G.Jung beschrieben wurde und deshalb auch vielen analytisch ausgerichteten Menschen einen guten Zugang bieten kann.
Spontan gefragt, würde ich auch als einen der nächsten Schritte das Anfreunden mit Energiemethoden vermuten. EFT ist hier aus meiner Sicht eine sehr gute Wahl, da schnell erlernbar und die Erfolge und Einsichten folgen in der Regel direkt den ersten Versuchen.
Alles Liebe und viel Erfolg,
Richard
Vielen Dank für dieses interessante und aufschlussreiche Interview und auch die „Bestätigung“ von Dr. Elisabeth Mardorf, dass Schreiben hilft bzw. heilt. Das erlebe ich selber.
Dabei ist das Führen eines Tagebuchs (auch) in meinen Augen enorm von Bedeutung, Erlebnise oder auch lediglich Gedanken zunächst bewusst zu erkennen, zu verstehen und zu verarbeiten, um anschließend bei Bedarf etwas zu ändern.
Lese gerade ein Buch zur Selbstfindung nach C.G. Jung und möchte es an dieser Stelle denen empfehlen, die mehr über die Persönlichkeitsentfaltung erfahren möchten. Es heißt Durchbruch zur Persönlichkeit von Klaus Harre.
Alles Gute und Liebe Grüße,
Valeria
Hey Valeria,
danke für den Buchtipp, gibts bei Amazon ja nur gebraucht, aber für n Appl und n Ei, das kommt auf meine Liste.
So, gute Nacht, ich geh jetzt mal pennen! 🙂
LG
Tim
Gerne! Habs auch gebraucht umsonst auf nem Basar gefunden und bekommen. Denke das Buch ist goldwert, für die, die sich dafür interessieren. LG und Gute Nacht! 🙂
Ich finde das Interview sehr schön und Tagebuch schreiben ist für mich ein fester Bestandteil geworden eigentlich seit ich denken kann, so habe ich meine Vergangenheit verarbeiten können und daraufhin einfachgleich meine Autobiographie gemacht. Es gibt auch viele Übungen aus dem kreativen schreiben wie z. B. dDas Freewriting, man nimmt einfach einen Stift zur Hand legt los und schreibt einfach was einfach auf was einem in den Sinn kommt ohne Zensur und ohne groß darüber nachzudenken.