Es folgt ein Gastbeitrag von Michael Raab.
In der chinesischen Medizin hat das Herz eine besondere Bedeutung. Dort wird es als der „Kaiser“ bezeichnet. Wenn der Kaiser nicht in seiner Kraft und Authentizität steht, dann sind der Palast und der Hofstaat bald auch in Unordnung. Alle Versuche, den Körper oder die Psyche zu heilen, bleiben dann Flickwerk. Erst wenn der Kaiser, also das Herz als Energiezentrum, wieder in seiner eigenen Ordnung ist, dann können Palast und Hofstaat nachhaltig und langfristig in ihre Ordnung kommen.
Im Herzen ist auch der „Shen“ verwurzelt. „Shen“ bedeutet Geist, nicht im Sinne von Denken, sondern in einem übergeordneten Sinn. Gemeint ist eher „göttlicher Geist“. Shen drückt also eine höhere Qualität aus.
Zum Herz als Energiezentrum gehört natürlich auch die Liebe. Diese Energie kann sich im Menschen in mehreren verschiedenen Oktaven manifestieren. Viele Menschen kennen leider nur die „unteren“ Formen dieser Energie.
Die Manifestation der Liebe, die hier mit der Heilkraft des Herzens gemeint ist, ist in ihrer vollendeten Form frei von Bedingungen und frei von Objekten. Die Manifestationen beginnen mit der einfachsten Stufe, auf der wir beispielsweise einen anderen Menschen lieben, weil er oder sie so nett ist. Auf einer höheren Stufe lieben wir diesen Menschen einfach nur so, weil er oder sie ist. Die Bedingung „nett sein“ ist verschwunden. Auf einer noch höheren Stufe verschwindet auch dieser andere Mensch und das Gefühl einer klaren und reinen Liebe entsteht, ohne dass dafür ein Gegenüber gebraucht wird. Das ist die höchste Manifestation der göttlichen Energie Liebe, die in diesem Stadium der Menschheitsentwicklung dem Menschen zugänglich ist. Im christlich geprägten Kulturraum wird sie auch Agape genannt.
Wie kann man sich nun dieser göttlichen Energie öffnen? Es gibt eine Übung, mit der man sich über 3 Stufen dieser Energie öffnen kann.
1. Stufe: neue Energie für das Herz
Die erste Stufe besteht darin, das Herzzentrum stärker von dieser Energie durchströmen zu lassen. Man stellt sich dabei vor, durch eben dieses Zentrum ein- und auszuatmen.
Das Herzzentrum liegt auf dem Brustbein, ungefähr 2 bis 3 Finger breit vom unteren Brustbeinende entfernt.
Entspannen Sie sich und atmen Sie ruhig und langsam. Stellen Sie sich einfach vor, wie dieser ruhige und langsame Atem durch dieses Zentrum in die Lungen einströmt und auch wieder hinausströmt. Durch das ruhige und langsame Atmen schaltet Ihr Nervensystem auf Entspannung um. Durch die Fokussierung Ihrer Aufmerksamkeit auf das Herzzentrum wird Energie dorthin geleitet, denn Energie folgt ja bekanntlich der Aufmerksamkeit.
Manchmal geschieht bei dieser Übung schon nach wenigen Versuchen etwas, aber oft zeigen sich Veränderungen erst nach einigen wenigen Wochen. Dann stellt sich ein ruhiges und friedvolles Gefühl ein, oft begleitet von der Empfindung eines angenehm warmen Energieballes am Herzzentrum.
2. Stufe: die Energie verteilen
Die zweite Stufe hat zum Inhalt, diese Energie auf den ganzen Körper zu verteilen. Wenn die erste Stufe die erhofften Veränderungen erbracht hat, dann können Sie zur zweiten Stufe übergehen. Zuerst erzeugen Sie das angenehme Gefühl der ersten Stufe. Dann stellen Sie sich vor, wie diese wohltuende liebende Kraft in die einzelnen Teile Ihres Körpers strömt. Beispielsweise lassen Sie diese Kraft zuerst in Ihr rechtes Bein strömen, das dann von dieser Energie ganz ausgefüllt wird. So füllen Sie nacheinander den ganzen Körper auf, also Arme. Beine, Becken, Bauch, Brust und Kopf. Diese liebende, göttliche Energie erfüllt und durchströmt Ihr ganzes Wesen. Das Gefühl von Ruhe und innerem Frieden, das sich dabei einstellt, ist unbeschreiblich schön.
3. Stufe: Konflikte auflösen und Energien befreien
Die dritte Stufe will alte, verdrängte Energien reinigen. „Bereinigung alten Grolls“ hatte O. Carl Simonton, der Pionier in der Krebstherapie mit inneren Bildern, eine sehr ähnliche Übung genannt. Seiner Erfahrung nach verlängert sich die Überlebenszeit Schwerkranker durch sein Programm um das Doppelte. Das zeigt, wie wichtig dieser Teil der Übung ist. Sie besteht im Kern darin, dass wir uns vor unserem inneren Auge Menschen vorstellen, mit denen wir einen Konflikt haben oder hatten. Dann stellen wir uns vor, dass in deren Herzen ein liebendes Licht leuchtet, woran wir erkennen, dass sie ihren inneren Frieden gefunden haben. Dann entlassen wir dieses Bild, diese Vorstellung an die Weisheit des Universums, die diese Energie weiterleitet, wenn es für alle Beteiligten zum Besten ist.
In meinen Seminaren erlebe ich oft, dass gegen diese letzte Stufe teilweise ungeheuer viel Widerstand entwickelt wird. Es versteht sich von selbst, dass Sie nur Personen vor Ihr inneres Auge lassen, mit denen Sie sich eine solche Energie der Vergebung und des Verzeihens auch vorstellen können. Wenn Ihre inneren Widerstände gegen eine bestimmte Person zu groß sind, dann suchen Sie sich jemanden aus, mit dem Sie einen harmloseren Konflikt haben. Schwerste seelische Verwundungen sollten nicht auf eigene Faust ohne therapeutische Begleitung bereinigt werden.
Wichtig ist, dass Sie sich mit dieser dritten Stufe selber keine Gewalt antun. Gehen Sie diese Stufe langsam an. Bereinigen Sie zunächst harmlose Konflikte, die ganz schlimmen lassen Sie zunächst unangetastet. Vielleicht gehen Sie sie erst in ein paar Jahren an, vielleicht auch nicht. Denn nur, wenn Ihr Gefühl „Ja“ zu diesem Bild sagen kann, hat die Übung eine starke Wirkung.
Wenn Sie im Moment keinen Konflikt haben, dann nehmen Sie einen aus der Vergangenheit. Möglicherweise glauben Sie, diesen Konflikt bereist verdaut zu haben. Bei dieser Übung zeigen uns unsere Gefühle nicht selten, dass doch noch einiges zu bereinigen ist.
Wenn transpersonale Zusammenhänge in Ihrem persönlichen Weltbild nicht vorkommen, dann betrachten Sie diese Vorstellung einfach nur als ein Bild, das von Ihrem Unterbewusstsein aufgenommen wird. Unser seelisches Betriebssystem versucht dann, Körper, Denken und Fühlen in dieser Richtung umzugestalten.
Wenn Sie ein transpersonales Weltbild haben, dann ist Ihnen der Gedanke sicher sehr vertraut, dass diese Energie tatsächlich auch bei dem Betreffenden ankommt. Es geschieht dann tatsächlich sehr häufig, dass sich das Verhältnis zu diesem Menschen verbessert.
Bestehende Konflikte werden aufgeweicht und neuen Konflikten wird mehr und mehr der Nährboden entzogen. Die meisten Konflikte, die der durchschnittliche Mitteleuropäer mit anderen Menschen hat, lösen sich auf diese Weise im Laufe der Zeit einfach auf.
Wenn Sie sich einen Menschen vor Ihr geistiges Auge holen, der Ihnen vielleicht Unrecht getan oder der Ihnen übel mitgespielt hat, dann sollten Sie bedenken, daß jemand, der seinen inneren Frieden gefunden hat, kein Interesse an feindseligen Handlungen hat. Es handelt sich also nicht um eine Belohnung für Missetaten, sondern um eine positive Veränderung für alle Betroffenen. Sie tun vor allem sich selbst etwas Gutes damit.
Auf jeden Fall reinigen Sie Ihr Energiesystem von altem Ballast. Damit schaffen Sie Raum für höhere und reinere Kräfte, die sich heilsam und befreiend auf allen Ebenen des menschlichen Seins auswirken.
Agape, die göttliche Liebe
Agape, die göttliche Liebe, drängt sich nicht auf. Sie stellt sich dem Empfänger zur Verfügung und sie respektiert selbstverständlich dessen Willen und dessen Lebensauftrag. Wenn Sie also diese göttliche Liebe aussenden und, ganz wichtig, dabei keinerlei Erwartungen an ein Resultat haben, dann richtet diese göttliche Liebe auch keinen Schaden an und Sie greifen nicht in Prozesse anderer Menschen ein. Außerdem geben Sie diese Energie dann noch an die Weisheit des Universums ab und es ist dieser Instanz überlassen, was weiterhin damit geschieht. So können Sie sicher sein, dass Sie nicht in ein fremdes Leben eingreifen.
Agape, die göttliche Liebe, schließt übrigens nicht aus, sich auf der weltlichen Ebene wirksam zu verteidigen. Sie können einen Konflikt auf der geistigen Ebene mit dieser göttlichen Energie entschärfen und gleichzeitig, wenn es erforderlich erscheint, auf der weltlichen Ebene mit entsprechenden Mitteln wie beispielsweise einem Anwalt Ihre Rechte vertreten.
Als Meister Jesus sprach: „Liebet eure Feinde“, da meinte er wahrscheinlich genau so etwas wie diese Übung.
Um sich langsam auf die Bereinigung alter Energien vorzubereiten ist es ratsam, diese Übung zunächst mit Menschen zu machen, die Ihnen nahestehen. Dann erst versuchen Sie es mit den Konfliktbeladenen. Dieser Übergang könnte Ihnen dann leichter fallen.
Zum Abschluss möchte ich noch den Arzt Dr. Bernie Siegel zitieren, der Patienten untersucht hatte, die aus einer ausweglosen Situation heraus Ihren Krankheiten wie Krebs oder ALS überwunden hatten. Er nannte diese Menschen „außergewöhnliche Patienten“ und schreibt in seinem Buch „Mit der Seele heilen“ über sie:
„Außergewöhnliche Menschen geben sich keine Mühe, nicht zu sterben. Sie geben sich Mühe, zu leben, bis sie sterben. Denn dann haben sie gewonnen, egal wie ihre Krankheit ausgeht.“. Eine Patientin namens Evy, die an einer unheilbaren Krankheit litt und entgegen der Prognose ihres Arztes nicht daran verstarb, sagte: „Bevor ich starb, wollte ich unbedingt noch herausfinden, was es mit der bedingungslosen Liebe auf sich hat. […] In meinen letzten Lebensmonaten wollte ich die bedingungslose Liebe erleben. Ich wollte dieses süße Gefühl kennen lernen.“
Die Heilkraft des Herzens und ihr immenses Potenzial sind mit diesen Zitaten sehr gut beschrieben.
Mit den 3 Stufen, die hier beschrieben sind, können Sie sich für diese göttliche Kraft öffnen.
Text von und herzlichen Dank an: Michael Raab geboren 1963, ist Kursleiter für Qi Gong und für Meditation in Karlsruhe. Nach seiner Ausbildung zum Heilpraktiker absolvierte er außerdem eine Schulung zum Entspannungspädagogen mit dem Schwerpunkt Autogenes Training. Seit seiner Jugend interessierte er sich für Meditation und er sammelte Erfahrungen mit Trance-Arbeit (Tempelschlaf bei Gabriele Quinque in Frankfurt), mit Zen und mit stillem Qi Gong. Ausbildung zum Qi Gong Lehrer beim Centre Qi Gong Karlsruhe und beim shen men Institut München Er ist Autor des Buches: „Den Geist verwurzeln – gesund und stressfrei mit Qi Gong und Meditation„ Taschenbuch € 12,90 / ebook € 6,49 (books on demand) www.raab-qigong.de |
Photo (oben): Crysis Rubel
Ein sehr schöner Weg in die Heilung, finde ich. Auch ich begann mit Meditation und dann mit Thai Chi / Qi Gong. Zu Beginn steht der Lärm von Gedanken und Verstand im Weg. Wir lassen sie am besten vorbeiziehen wie Wolken, begrüssen immer wieder einen Gedanken und sagen „danke jatzt nicht …“. Sie verlieren dann an Bedeutung und werden immer weniger mit der Zeit.
LG Richard
Hallo Tim, wieder mal ein sehr interssanter Beitrag. Ich werde das sicher ausprobieren – wenigstens die ersten beiden Stufen. Gibt es eine Empfehlung wie häufig man üben sollte? Reicht es z.B. einmal in der Woche oder ist es „erforderlich“ täglich zu üben?
LG Birgit
Hallo Birgit,
wie bei allen Meditationen gibt es verschiedene Empfehlungen, aber letzten Endes mußt du dein persönliches Maß finden.
„Täglich“ ist für viele moderne Großstadtbewohner nicht wirklich möglich, aber 3 mal die Woche sollte es schon sein, um eine „ausreichende“ Menge an „Energie“ dauerhaft zu erzeugen bzw. zu pflegen.
Hallo Michael, danke für die promte Antwort. Ich bin (zum Glück) kein Großstadtbewohner, trotzdem ist tägliche Übung vielleicht tatsächlich nicht drin; da es ja auch noch andere Vorlieben und Beschäftigungen gibt 🙂
Aber ich habe mir angewöhnt „tote“ Zeiten für solche Übungen zu nutzen. z.B. heute Morgen auf dem Weg zur Arbeit, als ich von der Fahrgemeinschaft schön chauffiert wurde. Vielen Dank für die gute Anregung. Die 1. Stufe habe ich schon mal ausprobiert…
Eine etwas körperbetontere Form der „Metta-Meditation“…
Hallo Tim, ein toller Beitrag! Stufe 1 und 2 haben schon seit einiger Zeit in mein Leben gefunden. Stufe 3 ist für nich am interessanten, da es einige Konflikte zu bereinigen gilt. Von daher bin ich für jede neue Technik offen, allerdings habe ich noch Verständnisprobleme bei Stufe 3. Welche Energie über die das Universum entscheiden wird ist da genau gemeint? Und was ist unter „innerer Frieden“ zu verstehen? Ich persönlich glaube, dass in jedem ein liebendes Licht leuchtet egal wie groß oder teilweise vll überschattet dies sein mag, allerdings sagt das für mich nichts darüber aus, ob jemand seinen inneren Frieden gefunden hat. Ich glaube auch, dass es einige Menschen gibt die diesen inneren Frieden noch nicht gefunden haben zb Menschen die oft unzufrieden sind. Ich stelle mir unter innerem Frieden sowas wie im Gleichgewicht und bei sich angekommen zu sein vor und seinen Frieden mit der Vergangenheit oder nicht zu ändernden Umständen gemacht zu haben.Da nun aber ein Konflikt meist durch beide Seiten entsteht, denke ich mir beide Seiten sind wohl nicht wirklich im Frieden mit sich selbst (oder zumindest eine Seite, wobei ich mich gerade frage, wenn ich nicht im inneren Frieden bin, ob ich dann Menschen falsch einschätze und mehr ihren Frieden gefunden haben als ich glaube) sonst hätte sich der Konflikt liebevoll lösen lassen oder man wäre in Frieden auseinander gegangen..