Hast Du Kollegen, die karrieremäßig an Dir vorbeiziehen, obwohl Du weißt, dass Du viel mehr auf dem Kasten hast als sie? Kollegen, die ihrem Chef den Arsch küssen, und deswegen an allen anderen vorbei befördert werden und blöde grinsend mit Taschen voller Geld nach Hause gehen …
Oder kennst Du Leute, die ganz offensichtlich nicht sie selbst sind, nur um anderen zu gefallen und permanent von ihrer Umwelt bestätigt zu werden; die immer alles ganz toll finden, was man ihnen erzählt und kaum ein Widerwort über die Lippen bringen? Und die nicht nur die Bestätigung bekommen, sondern auch noch einen riesigen Kreis aus Freunden und Bekannten. Während Du ehrliche Seele an so manchem Freitagabend allein zuhause hockst …
Wenn es Dich quält, so etwas zu sehen und zu erleben, dann hilft Dir vielleicht die folgende Geschichte.
Lieber mal Linsen, die schmecken wenigstens nicht nach Arsch
Der griechische Philosoph Diogenes saß auf der Türschwelle irgendeines Hauses und aß einen Teller Linsen, den er sich auf dem Marktplatz ums Eck geholt hatte. Der Teller Linsen war das billigste Essen in ganz Athen – also ungefähr das, was für uns heute die Margarita-Pizza „mit ohne alles“ aus’m Penny im 3er Pack sind. Linsen zu essen zeigte damals jedenfalls deutlich: ich bin pleite.
Da saß er also, der Diogenes, verputzte seine Linsen, mjamm, mjamm, als um die Ecke ein Minister des Kaisers kam. Der Minister kannte Diogenes sehr wohl, diesen alten Querulanten, der sich dem Kaiser einfach nicht beugen wollte. So sprach der Minister das Leckermäulchen an, das da mit seinen Linsen auf der Türschwelle saß:
„Ach herrje, wie bedauerlich, Diogenes! Wenn Du lernen würdest, ein bisschen unterwürfiger zu sein und dem Kaiser ein bisschen mehr zu schmeicheln, müsstest Du nicht Linsen essen!“
Diogenes hörte auf zu essen. Schaute auf, dem Minister in die Augen, mit festem Blick. Und sprach:
„Wie bedauerlich für Dich, Bruder. Wenn Du lernen würdest, ein paar Linsen zu essen, müsstest Du nicht so unterwürfig sein und dem Kaiser ständig in den Hintern kriechen.“
Geht Deine Rechnung auf?
So machte Diogenes das.
Er wusste: jeder Mensch will gern geliebt und bestätigt werden und erfolgreich sein.
Er wusste aber auch: wer sich dafür verbiegt, seine Selbstachtung an der Hintertür eines anderen abgibt, der zahlt drauf.
Kann sein, dass wir manchmal gute Miene zum bösen Spiel machen müssen. Aber wenn dem so ist, und wenn wir wissen, dass wir das aus sinnvollen Gründen tun, dann verlieren wir ja auch unsere Selbstachtung nicht dabei.
Meistens, wenn es zum Beispiel nicht ums Überleben, sondern um Gier und Geld und Macht und Anerkennung aus falschen Gründen, gilt aber:
Wer sich verbiegt, zahlt drauf.
Photo: Lilac Lion
Sehe ich auch so! Da esse ich lieber Linsen;-).
Danke für`s Teilen dieser Geschichte!
Viele Grüße aus Berlin,
Anja
Hi Anja,
Danke! Ja, manchmal ess‘ ich sie sogar freiwillig, die Linsen 🙂
Liebe Grüße in den Norden
Tim
Die Frage für mich ist, ob ich mich klein fühle dabei, wenn ich mehr Akzeptanz, Toleranz und Wertschätzung aufbringe als der Andere und ein bischen was aushalte. Möglicherweise ist es auch nur ein Geben, für jemanden, der es selbst nicht anders aushalten kann? Oft ernten wir Dankbarkeit damit, ja sogar eine Art Zwang des Anderen, zurückzugeben. Ich persönlich gebe jedem einen gewissen „Kredit“. Ist der erschöpft, dann gehe ich einfach weiter …
LG Richard
Hey Richard,
danke für Deinen Kommentar – freu mich, dass Du so regelmäßig hier vorbeischaust!
Ja, das ist eine gute Frage, denke ich. Hier muss eben jeder seine eigenen Grenzen finden. Für mich bedeutet „sich verbiegen“, dass man eben über die eigenen Grenzen hinausgeht für einen Deal, der’s nicht wert ist.
Liebe Grüße und einen schönen Abend Dir
Tim
Danke, ja dachte ich mir. Verbiegen ist wohl krumm machen und damit auch klein. Was krumm ist soll gerade werden, sagte schon Jesus, eine meiner liebsten aufgestiegenen Meister.
LG Richard
Ein gutes Bild, vom Kleinwerden durch Krummmachen – DANKE!
Ich esse auch lieber Linsen,,toller Artikel 🙂 hab so gelacht,,,mit dem Arsch LOL,,,,,ich liebe Deine Artikel 🙂
Danke, liebe Nina – schön, dass ich Dich zum Lachen bringen konnte! 🙂
Linsen mit Spätzle, fast schon das Nationalgericht der Schwaben, die ich auf dem Land wiederum als die größten „Was soll mein Nachbar denken“-Anpassler erlebt habe. Sobald man individueller ist als eine große Masse, die vielleicht in Teilen individuell ist, sich aber lieber verbiegt, um dazuzugehören, wird man tendenziell zum Sachverständigen für Einsamkeitsfragen. Da hilft nur: Rausgehen und tolerant sein und andere Individuen treffen, die alle auf ihre Art „spinnen“ und mit denen glücklich sein versuchen.
Hi Triple-Doc,
da hab ich wieder was gelernt, was dieses Fast-Nationalgericht angeht!
Ich jedenfalls spinne eindeutig. Aber da kann (und will) man nix machen. 🙂
LG
Tim
Ich auf jeden Fall lasse mich nicht verbiegen. Die Eltern meiner letzten Freundin wollten mich verbiegen, weil ich zu 100 Prozent ihren Vorstellungen entsprach und immer an mir herumgemäkelt haben. Bei denen musste alles perfekt sein und empfand ich als schrecklich. Ich wurde teilweise intrigant manipuliert und meine Freundin belog mich sechs Monate lang bei einem sehr sensiblen Thema. Die fiese Lüge war der Hauptgrund der Trennung vor 5 Jahren aber auch die „Verbiegeversuche“ ihrer Eltern spielten eine gewisse Rolle. Ich habe diesen Versuchen widerstanden und war froh mich getrennt zu haben. Jetzt bin ich zwar seit 2009 schon Single und bin selbstbewusster geworden. Es wäre schön wieder eine vor allem ehrliche Freundin zu haben, doch so wie es jetzt ist finde ich es in Ordnung.
Huhu Andreas,
toll wie Du deinen Weg gefunden hast.
Man sollte einen Menschen so lieben,wie er ist, nicht wie man ihn gerne hätte.
Drücke Dir die Daumen,daß die „Richtige“ Dich finden wird 😉
LG Bernadette
Meine Rede.
Da gebe ich mich doch lieber den Linsen hin, als mich für einen Kaiser krumm zu machen.
OK.
Nicht ganz.
Heute gab es frische Bohnen aus eigenem Anbau 😀
LG
Vio
Eine tolle Geschichte Tim und so wahr , ich esse auch lieber Linsen und kann dafür guten Gewissens jeden Tag in den Spiegel schauen und das macht mich stolz .
Hi Stefanie,
hatte gerade erst, zufällig, eine Linsensuppe und hinterlasse Dir hiermit einen lieben Gruß! 🙂
Tim
Sehr gute Geschichte!
Danke, lieber Tim! genau zum richtigen zeitpunkt 🙂 grad in den letzten tagen war ich wieder am grübeln, weil ich dachte, das andere essen wäre besser.. danke für die erinnerung, dass es nach arsch schmeckt 🙂
Kurz und knackig, schön geschrieben.
Da ess ich auch lieber Linsen als Arsch 😀
Es ist Freitag abend. Bin alleine zuhause und höre die Menschen, die draußen zusammensitzen, dabei essen und trinken. Hatte mir gerade eine Pizza in den Ofen geschoben ( und es ist tatsächlich eine Margarita aus dem Penny Markt). Dabei lese ich gerade zufällig (?!?!) diese Geschichte, die mir eine Gänsehaut beschert. Sie ist wie ein Fenster zu meiner Seele. Vielen, vielen Dank dafür. Bin gerade sehr glücklich. 🙂
Sehr schön! Prinzipiell weiß ich für mich schon immer, dass es besser ist Linsen zu essen als jemanden in den Arsch zu kriechen (quasi in die Wiege gelegt, weil Papa ein überzeugter Linsenesser) und behalte das auch bewusst bei. ABER: Ist halt nicht immer nur einfach… Werde mich beim nächsten Anlass entspannt zurücklehnen und an diese Geschichte denken, wenn ein armer Arschkriecher mal wieder seinen „Erfolg“ genießt.
Ich habe so einen Dickschädel der in keinen Arsch rein passt,ich lasse den anderen den vortritt.Dieser Bericht hat es mir bestädigt.DANKE
Vielen Dank für den eingängigen Artikel. Obwohl ich Linsen hasse, würde ich eher Linsen essen, statt jemanden in den A… zu kriechen. Ganz klar.
Im Alltag ist es jedoch nicht immer einfach zu entscheiden, was sind die Linsen und wann verbiege ich mich. Ich denke die Antwort gibt uns unser Herz und die Intuition. Denn das ist das was wir wirklich wollen.
Wo fängt es an, das Verbiegen? Und wann ist es noch hilfreiche Toleranz oder zumindest Akzeptanz? Geben für etwas oder jemanden, der eben nicht anders IST. Wann ist die Ablehnung sinnlose Sturheit? Was verbirgt sich hinter einem „Ich mag nicht“?
Das „hier stehe ich und ich kann nicht anders“ hätte ja schief gehen können. So war es nun heldenhaft und hat der Welt geholfen. Die Menschen wurden bewusster.
Ich meine, es ist gut zu erkennen an der Körpersprache. Der Rücken wird krumm, wenn es krank machen kann. Der Diener geht dagegen aufrecht, obgleich er ja dient. Eine deutsche Bedienung hat oft andere Glaubenssätze. Kann leicht krumm oder trotzig werden mit ihrem Dienen.
Doch ist es ja nicht allein das Dienen. Sich einer Gemeinschaft anzuschliessen bedeutet ja meist auch Regeln. Wir bekommen es zu spüren, wenn wir mal „uncool“ sind.
Ich denke, ein authentischer Mensch lebt gesünder. Notwendig ist hierfür aber eine Haltung, mit der wir „Haben Wollen“ widerstehen können. Ob dies nun Gemeinschaft, Materielles, Lob, Anerkennung, Wertschätzung oder gar Liebe ist.
LG Richard
Linsen essen und nicht sich selbst oder seine Ideale verraten. Zu Ostern würde ich dann noch daran erinnern wollen, dass auch für ein Linsengericht schon die eigenen Werte und noch viel mehr verraten wurde. Aber in Demut anzuerkennen, dass alle ihr Leben meistern, so gut sie können und nicht urteilen über die, die sich in unseren Augen krumm machen – vielleicht verneigen Sie sich vor etwas Größerem und vielleicht ist ja auch „das Größere“ für jeden etwas anderes – wer kann das schon sagen. Und ist mein Größeres wirklich richtiger, als das meines Nachbarn? Nicht bewerten, anerkennen, dass jeder seines macht, so gut er eben kann, wäre wohl auch für Diogenes der nächste Schritt in Richtung innerer Frieden gewesen.
Frohe, friedvolle Ostern wünsche ich.