Hinlegen, Augen zu, sieben oder acht Stunden schlafen, unterbrochen höchstens von vollen Blasen oder sorgenvollen Gedanken, Augen auf, aufstehen.
So machen es so ziemlich alle Menschen. Darauf haben wir uns geeinigt. Das wird uns empfohlen. So wie einen Schulabschluss zu machen, fünfzig Jahre zu arbeiten, Versicherungen abzuschließen, und ein bis zwei Liter Wasser täglich zu trinken (und wenn es wieder raus will, nicht einfach im Bett liegen zu bleiben).
Aber das war nicht immer so. Und es bleibt nicht immer so, wenn man natürliche Bedingungen schafft.
Der geteilte Schlaf
Der Historiker Roger Ekirch, Autor von At Day’s Close: Night in Times Past hat die Geschichte des menschlichen Schlafs erforscht. Vom Altertum bis in die vorindustrielle Zeit.
Er fand heraus:
Unsere Vorfahren schliefen überwiegend in zwei Phasen, zwischen denen eine bis drei Stunden Wachzeit lagen. Man nannte sie „ersten Schlaf“ und den „zweiten Schlaf“.
Das war die Norm. In der Zeit dazwischen beteten die Menschen, hatten Sex oder besuchten sogar Nachbarn. Künstler und Schriftsteller schufen viele ihrer Werke in der Nacht (Kerzenlicht gab’s natürlich schon). Sie nutzten die nächtlichen Stunden also sowohl zur Muße, als auch um produktiv zu sein.
Was ohne künstliches Licht passiert
Der Psychiater und Forscher Thomas Wehr untersuchte in einer Studie, wie Menschen schlafen, wenn sie ohne elektrisches Licht auskommen müssen. Dazu begaben sich acht Männer eine Woche lang in einen Raum. Täglich war es dort etwa 14 Stunden lang dunkel – etwa so wie bei unseren glühbirnenlosen Ahnen.
Die Männer schliefen in der Nacht zwar acht Stunden. Aber nicht am Stück. Sondern zunächst nur für vier Stunden. Dann waren sie zwischen einer und drei Stunden lang wach, bevor sie erneut vier Stunden in den Schlaf fielen. Also genau wie früher.
Sind viele Schlafstörungen gar keine?
Der „normale Schlaf“ über acht Stunden könnte tatsächlich also ziemlich unnormal sein.
Wenn Du nachts wach wirst und nicht sofort wieder einschlafen kannst, ist das vielleicht kein Grund, zum Psychiater zu gehen – sondern einfach aufzustehen, Dir eine schöne Stunde zu machen oder zwei oder drei. Du könntest meditieren. Ein Buch lesen. Die Teppichfransen auf eine Länge schneiden. Deine Zimmerpflanzen streicheln. Oder Dich selbst. Nur die Technik sollte ausgeschaltet bleiben. Anschließend kannst Du Dir den „zweiten Schlaf“ abholen.
Schon allein das Wissen darum, dass ein geteilter Schlaf ganz normal ist, kann uns entspannen.
Manche haben dadurch seine Schlaflosigkeit in den Griff bekommen, andere wurden deutlich produktiver, wie Dr. Ronald Riggio in der Psychology Today schreibt.
Dazu passt, dass nicht nur viele Tierarten in mehren Phasen schlafen, sondern in den letzten Jahren „Powernapps“, Mittagsschlaf und nachmittägliche Siesta auch immer mehr Rückenwind seitens der Wissenschaft bekommen haben.
Die Idee vom 8-Stunden-Schlaf ist anscheinend nicht viel mehr als das: eine Idee. Kein Naturgesetz.
Wie so vieles im Leben, das wir heute nicht mehr hinterfragen.
Mehr aus der Welt der Forschung unter So schaden Hausaufgaben unseren Kindern sowie unter Dieses beliebte Schmerzmittel killt das Mitgefühl.
Photo: Alexandre Amaral
…was haben denn die acht Männer gemacht, als sie alle wach waren? 😀
Hey Ferdi,
das ist zugleich eine berechtigte wie amüsante Frage! Ich hab mir die auch gestellt. Aus den Studien ging für mich nicht hervor, was 8 Männer nachts in einem dunklen Raum machen, wenn sie wach sind.
Liebe Grüße
Tim
Heißt das jetzt, dass unser künstliches Licht uns durchschlafen lässt? Und ohne künstiches Licht wachen wir mitten in der Nacht auf?
Finde es übrigens sehr cool, dass dem Thema Schlaf immer mehr Beachtung geschenkt wird, zumindest kommt mir das so vor. Ich selbst bin vor einiger Zeit zu dem Schluss gekommen, dass gesunder Schlaf nicht weniger wichtig ist, als eine gesunde Ernährung. Und es gibt auch viele Studien, die chronischen Schlafmangel mit zig verschiedenen Krankheiten in Verbindung bringen. Bevor man also beim Thema Ernährung vom Hundertsten ins Tausendste kommt, sollte man lieber erstmal seinen Schlaf verbessern … und da glaube ich, ist das beste, was man tun kann, in den Stunden vor dem Zubettgehen helles künstliches Licht (TV, Computer) zu meiden.
Hey Jan,
wie immer eine sehr gute Frage von Dir!
Ich vermute, dass 1. das künstliche Licht unseren natürlich Rhythmus beeinflusst und 2. die Norm und die Vorstellung, man müsse 8 Stunden durchschlafen. Aufwachen mitten in der Nacht, das tun wir ja ohnehin oft – nur ist das für uns nicht akzeptabel, und so suchen wir so schnell wie möglich wieder den Schlaf, denke ich.
Kenne das Prinzip des geteilten Schlafs aus der Yoga Philosophie. Dort wird empfohlen, dass man nach einer 3-6 stündigen Schlafphase aufwacht, sich wäscht, etwas trinkt und danach „Yoga Nidra“ (tiefenentspannung) praktiziert. Dies allerdings nicht am Schlafplatz, man sollte sich dafür ein extra Platz schafen. So wird angeblich die Tiefschlafphase ausgedehnt und wir können mehr Energie empfangen.
Hey Christoph,
also dann mit Wecker? Und wie lange sollte man in der zweiten Phase laut Yoga schlafen?
Liebe Grüße
Tim
Dadurch, dass man „früher“ auch nicht diese komfortablen, weichen Matratzen hatte, wie sie heute üblich sind, ist man auch deshalb aufgewacht, weil die Liegeposition „unbequem“ wurde. Und Eltern wachen auf, weil ihre Kinder nachts versorgt werden müssen. Selbst, wenn diese Wachphasen nur kurz sind, so ist „unterbrochener“ Schlaf eigentlich völlig normal.
Da muss nun ein „Aber“ kommen: In dem System, in dem wir leben, in dem es als normal angesehen wird, täglich 8 Stunden durchzuarbeiten – mit lediglich einer halben Stunde (Mittags-)Pause und in dem einem „Faulheit“ unterstellt wird, wenn man einen Mittagsschlaf hält, kann „natürlicher“ Schlaf nicht funktionieren.
Der 8-Stunden-Schlaf ist eine große Hilfe, seinen Tag „durchzuhalten“. Wenn es hingegen größere Störungen im nächtlichen Schlaf gibt, folgen Überlastung, Burnout und andere psychische und gesundheitliche Probleme. Wenn die Menschen von ihren „starren Denkmustern“ weg kämen und gesellschaftliche Zwänge und Konventionen hinterfrügen, könnten sie viel gesünder und glücklicher sein.
Liebe Grüße
Patrick
Das war auch mein Gedanke beim Lesen des Artikels. Wenn ich nachts 2h wach bin, dann hallelujah, wenn um sechs der Wecker klingelt.
Oh cool, spannender Artikel! Seit ich keinen „normalen“ Bürojob mehr habe, mache ich regelmäßig meinen Mittagsschlaf und habe lange Zeit damit gehadert, dass ich den „brauche“ und dass ich nicht „wie die anderen auch“ den Tag ohne Mittagsschlaf überstehe (ich bin so faul!). So langsam verstehe ich, dass das einfach die für mich natürliche Art ist zu schlafen und bin dankbar, dass ich mittlerweile so lebe, dass ich mir das auch (meistens) erlauben kann. Nachts ein Teil und dann tagsüber noch mal.
Ich kann mir vorstellen, dass es da auch Unterschiede gibt – für die einen ist der „normale“ Schlaf über acht Stunden gut, für andere der geteilte Schlaf und wieder andere machen Mittagsschlaf etc.
Liebe Grüße
Silke
Lesenswerte zum Thema ausruhen, entspannen, schlafen. http://www.buecher.de/shop/belletristik/anleitung-zum-muessiggang/hodgkinson-tom/products_products/detail/prod_id/38197523/
Danke für diesen tollen Artikel.
Das mit dem Powernapping machen wir beinahe täglich zur Mittagszeit. Bis dahin produktiv sein und dann den Stress raus nehmen, um anschließend wieder fit zu sein. Hat auch was mit dem Biorhytmus zu tun. Unser Kind macht schließlich auch täglichen seinen Mittagsschlaf. 🙂
Die Teppichfransen schneiden…du bist goldig Tim!
Schmunzel und danke für das Lächeln auf meinem Geischt!
Hallo, danke für den interessanten Artikel. Bei aller Progressivität, muss ich bei dem Thema zu bedenken geben, dass die Menschen früher (aufgrund dieser Schlafgewohnheiten?) auch eine deutlich eingeschränkter Lebenserwartung hätten. Und die Mortalität ist, wenn es un das Wohl des Menschen geht noch immer der höchste outcome Parameter. Och wache nachts auf, wenn ich viel Stress bei der Arbeit habe, bzw. wenn ich abends noch viel Smartphone/Fernsehen schaue. Ich tue mir nur sehr schwer damit, das als möglicherweise natürlich zu erkennen. Viele Grüße, Matthias
Hallo Matthias!
Die geringere Lebenserwartung hatte wohl eher mit hoher Kindersterblichkeit, mangelnder Hygiene und unsauberem Trinkwasser zu tun.
Eine hohe Kindersterblichkeit (und Pandemien wie die Pest) drückt die über die Gesamtheit der in einem Volk lebenden Menschen errechnete Lebenserwartung eben enorm, was dann den Eindruck vermittelt, dass die „natürliche Lebenserwartung“ des Menschen allgemein niedriger war.
Doch damals wurden viele Menschen schon genauso alt wie heute, wie mir ein Blick in meinen Stammbaum, in dem ich eine „Blutlinie“ bis ins 16 Jhd. zurückverfolgen konnte, beweist.
Viele Grüße
Patrick
…..das würde dann bedeuten, das ich um 8.00 Uhr ins Bett gehen sollte, oder?
4 Stunden schlafen bis um 24.00 Uhr, dann zwei Stunden wach sein und nochmal 4 Stunden schlafen bis um 6.00 Uhr der Wecker klingelt.
Ehrlich gesagt ist es mir egal, ob ich Nachts mal aufwache oder mal wach bin. Mein Thema ist, dass wenn ich nur 4 bis 5 Stunden geschlafen habe bin ich müde und nicht leistungsfähig am Tag.
Liebe Grüße Sandra
Hi Tim, ganz wichtiger Artikel, herzlichen Dank dafür!
Ich muss glatt an eine Diskussion mit meiner Mutter denken, die nun in einem Alter ist wo sie wegen jedem kleinen Wehwechen zum Arzt rennt. Sie meint, die Natur ist ganz ganz böse zu uns. Da kann es uns doch ganz einfach wie Schuppenflechte von der Nase fallen – solange wir uns „gegen unsere Natur“ verhalten, in diesem Fallen Arbeiten, obwohl wie grad tot müde sind, um dann Schlaftabletten zu schlucken, um Nachts durch zu schlafen, dann kann logischer weise nur eins passieren: Die Natur tingelt weiter in ihrem Takt, während wir aufs Abstellgleis geraten, und krank werden. Böze Natur aber auch!
Liebe Grüße und viel Spaß heut Nacht beim Streicheln
=P
Marcel
„Die Teppichfransen auf eine Länge schneiden.“ 😀
Ja, wir nehmen vieles als gegeben hin. Aber haben Menschen das nicht immer getan!?
Hallo Tim,
super Artikel, danke schön. Dann kann man ja den nächtlichen Aufwachphasen ganz entspannt begegnen. Für mich ein sehr interessanter Bericht.Ich finde es auch schlimm, dass wir alle „genormt“ werden sollen….Früh- oder Spätaufsteher sollen alle gleich funktionieren….schrecklich…aber als Angestellter nicht zu ändern…
Liebe Grüße
das problem ist halt leider… wenn ich nach den vier stunden mir 1-3 wache gönne… gibts keine zeit mehr für den zweiten schlaf. denke, dass das das problem der meisten sein wird. und permanent nur 4-5st schlafen… da sterbe ich ;/
in einem durch arbeit oder kinder oder ?? geregeltem tagesablauf is dafür heute keine möglichkeit. wenn man sich seine arbeitsphasen und alles andere komplett frei einteilen könnte… dann ja. aber das können wohl nicht viele.
das erklärt jetzt einiges… ich bin oft nachts wach und kann nicht wieder einschlafen. Aber lesen und handarbeiten kann ich da ganz in Ruhe. Und am Morgen danach bin ich nicht müde. Danke für den Artikel, bin ich also doch ganz normal…
Bis zu meinem 37 Lebensjahr habe ich vor lauter Karrieremachen manchmal nur zwei Stunden in der Früh geschlafen, in der Nacht und am Tag gearbeitet wie eine Wahnsinnige bis ich umkippte.
Heute mit 43 ist Schlafen mein Hobby.
Ich bin permanent unausgeschlafen, träume manchmal so intensiv, dass ich in der Früh ganz fertig bin, manchmal kann ich gar nicht einschlafen, weil mein Kopf nicht abschaltet, sondern denk, denk und denkt.
Ich träume von einer Woche Urlaub ohne Verpflichtungen und schlechtem Gewissen in einem bequemen Bett mit Vollverpflegung ans Bett und einem Fernseher, zu der Zeit, zu der es mir danach ist.
[…] […]
Ich schlafe 2 Stunden, dann bin ich 5-6 Stunden wach und male, oder löse Rätsel am PC, oder studiere deine Artikel, Tim. Dann gegen Morgen lege ich mich nochmals hin, schlafe noch 2 Stunden.
Die lange Nacht ist etwas herrliches und ich habe immer etwas zu tun.
Emilia
Mir stellt sich die Frage, was haben die 8 Männer während der Tageszeit angestellt? Mein Job fordert mich dermaßen, und mit fortschreitenden Alter umso mehr, dass 8 Stunden Schlaf am Stück mitunter gar nicht ausreichen! Mir ist auch nicht verständlich, wie man sich stundenlang schlaflos herumwälzen kann. Das Einzige, was meinen Schlaf unterbricht, ist tatsächlich die volle Blase. So hat halt jeder seinen Rhythmus. Man sollte nur nicht dagegen ankämpfen, nur weil wieder irgendeine Studie mal wieder etwas herausgefunden hat. Ist schon alles richtig so, wenn wir auf unseren Körper hören. Ob er nun gerade schlafen will oder zwischendurch Lust auf Kreuzworträtsel hat! 😉
Ich glaube doch, dass mein Körper am besten weiss, wann wieviel Schlaf gut ist. Wache ich nachts auf, dann hat wahrscheinlich auch dies einen Zweck.
Und ich kann mittlerweile das annehmen, was mich beschäftigt, auch mitten in der Ñacht. Und wenn tagsüber so eine Müdigkeit kommt, dann lasse ich mich auch darauf ein, so gut es geht. Der Körper holt sich schon den dringend benötigten Schlaf oder das Nap und wenn es die letzte Stunde gegen Morgen ist. Auch ein entspanntes Tun in der Nacht kann das sein, was gerade am besten ist, denke ich.
Das Problem ist wohl wieder, dass wir oft dem Körper nicht vertrauen oder glauben, ihn überstimmen zu müssen, wegen was immer. Bis er uns dann Krankheiten schicken muss.
Und wie soll man nachts ohne Technik ein Buch lesen? Mit Kerze? Ich dachte dass gibt schlechte Augen o. O
Das dachte ich mir auch schon immer😉 du schreibst echt witzig👍 teppichfransen kämmen🤣🤣🤣
….die acht Männer waren acht Menschen …. Lieber Tim, ein toller Artikel, aber hier hat sich was Ungünstiges nach alter Tradition eingeschlichen : von acht Männer auf die groooooße facettenreiche Gruppe der Menschen zu schließen und zu verallgemeinern, ist wissenschaftlich sehr bedenklich und zudem patriarchalisch. Nun gut, die Studie wurde 1992 veröffentlicht und beginnt genauso ….“show that human sleep …. normal individuals…..“ , ein sehr deterministischer Ansatz, was sich sonst in Deinen Artikeln nicht widerspiegelt.
Interessanter Ansatz und ich kenne tatsächlich jemanden, der in Phasen schläft – obwohl ungewollt. ^^ Bei mir würde das allerdings nicht klappen. Wenn ich schlafe, dann schlafe ich 😀