Teile diesen Beitrag "3 Fragen, die Dich vom ständigen Vergleichen und quälenden Neid befreien"
Neulich bei Facebook:
Frauke und Herrmann bereisen die Welt, schlürfen Cocktails an weißen Stränden, anschließend Shopping-Touren, Geld ausgeben mit vollen Händen. Sigrid geht jetzt immer Joggen und hat einen Sixpack, wo früher Speck Runden drehte. Martin lebt seinen Traum als Coach mit 100.000€-Klienten, so so glücklich neu verliebt ist er auch noch. Und Schajenne hat’s in den Fernseher rein geschafft (grandios gespielte Rolle in einer Scripted Reality Detektiv-Sendung am frühen Nachmittag).
Und ich hocke hier wie der letzte Dödel, in meinem grauen Alltag, bedrückt und erdrückt von Verpflichtungen und ToDos, die mir alles abverlangen und nichts geben als Müdigkeit.
Alle haben ein geileres Leben als ich. Alle schaffen mehr, genießen mehr, erleben mehr.
Oder?
Wir Menschen vergleichen uns, ordnen uns als soziale Tier ein über diesem und unter jenem, finden dadurch unseren Platz, finden oder verlieren dadurch Selbstwertgefühl.
Wir Menschen sind aber auch sauschlecht darin, realistische Vergleiche anzustellen.
Ergebnis: Neid und das Gefühl zu versagen nagen an uns, drohen uns manchmal ganz aufzufressen, von innen wie ein fieser, hungriger Pacman.
Drei Fragen helfen mir dann, und Dir ja vielleicht auch.
Zu diesem Thema gibt’s einen Podcast:
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1. Vergleiche ich mein Innen mit seinem Außen?
Wir wissen nicht, was im Anderen vorgeht, nicht mal bei unseren Kindern oder Partnern. Wir können nicht mal sicher wissen, ob überhaupt etwas in ihnen vorgeht, oder ob sie in Wahrheit Roboter sind. Ein Gedanke, der etwas einsam anmuten, aber auch befreien kann: Wir sehen immer nur das Außen des Anderen, haben keine Ahnung, wie’s in ihm ausschaut, ob er wirklich verliebt ist, wirklich glücklich, wirklich so entspannt, wie er wirkt, ob er sich wirklich erfolgreich fühlt … oder voller Ängste, Sorgen und Leid ist, nie Ruhe findet, üble Dinge versteckt, sich selbst oder sein Leben womöglich hasst.
Wie viel von dem, was da auf den polierten Facebook-Fotos strahlt, ist gestellt oder nur ein winziger Ausschnitt, das bisschen Leuchten inmitten der Dunkelheit?
Wie es die unvergleichliche Britneys Spears in ihrem Smash-Hit „Lucky“ singt:
„She’s so lucky, she’s a star
But she cry, cry, cries in her lonely heart, thinking
If there’s nothing missing in my life
Then why do these tears come at night“(Deutsch: „Sie hat so ein Glück, sie ist ein Star, aber sie weint, weint, weint in ihrem einsamen Herzen, fragt sich: wenn doch nichts in meinem Leben fehlt, warum kommen dann die Tränen in der Nacht?“)
Das geht unter die Haut, was?, nicht nur Ohrwurm, sondern Hautwurm.
Jedenfalls: Erfolgreich ist man nur, wenn man sich so fühlt, und wir können nie, nie, nie wissen, ob das beim Anderen der Fall ist.
2. Würde ich das ganze Paket nehmen?
Ich möchte die Sonne, aber nicht den Schatten. Ich möchte das Geld, aber nicht die Arbeit dahinter. Den Körper, aber nicht den Schweiß. Die Beziehung, nicht aber die Verletzbarkeit. Den Abdruck des eigenen Gesichts auf dem Mode-Zeitschriften-Cover, aber nicht die Hände fremder Leute am Arsch, die das Sagen in dieser Branche haben. Den Ruhm, aber nicht die mit ihm vernichtete Privatsphäre.
Ist natürlich Quatsch.
Auch das ganze Paket können wir nur erahnen, aber wenn wir uns etwas Zeit nehmen und darüber nachdenken, sehen wir oft: Auf dem, was wir uns ersehnen, klebt ein Preis, den wir gar nicht zahlen wollen.
Praktisch immer ist meine Antwort auf diese Frage dann: Nee, dann lieber doch mein Leben.
3. Was genau wünsche ich mir (und kann ich vom Anderen etwas darüber lernen)?
Neid hat einen Zweck. Er will uns zeigen, dass eines unserer Bedürfnisse nicht erfüllt ist.
Die Frage ist hier: Welches Bedürfnis genau? Und wie wichtig ist es mir wirklich?
Wissen wir das, können wir den Fokus vom Anderen auf uns schieben und von „Mir fehlt etwas“ auf „Eigentlich ist mir anderes viel wichtiger“ oder eben zu „Wie kann ich dieses Bedürnis in meinem Leben stillen – kann ich vom Anderen etwas für mich lernen?“
Oft tragen wir außerdem das, was wir am Anderen so toll finden, auch in uns und haben es nur noch nicht ausreichend gewürdigt oder ausgelebt. So können wir Neid als einen Spiegel benutzen, in dessen Angesicht wir Neues an uns sehen.
So, das war’s mal wieder von mir für heute. Danke, liebe Leser (und danke, Britney).
P.S.: Siehe auch Wie man aufhören kann, sich ständig mit anderen zu vergleichen
Photo: João Lavinha
Hallo Tim,
schöner Artikel! Manchmal, wenn ich bei Fb unterwegs bin, habe ich auch den Eindruck, dass die ganze Welt aus super erfolgreichen, wunderschönen und permanent glücklichen Menschen besteht. Außer mir, versteht sich! 😉
Aber es ist eben auch nur ein Ausschnit aus deren Leben. Über Mißerfolg, Depression und Sch…Tage berichtet es sich eben nicht so gut und es passt auch nicht zum Geschäft.
Ich frage mich oft, ob man einen Blog auch ohne Fb aufbauen kann…Außer Leo Babauta fällt mir da niemnand ein. Aber der war auch schon erfolgreich, als er aus fb ausgestiegen ist.
Viele Grüße
Bettina
Hey Bettina,
Danke!
Ich weiß gar nicht, ob es so wichtig ist, einen Blog ohne Facebook aufzubauen. Dort sind die Menschen heutzutage eben, und wenn man sie dort mit etwas erreichen kann, das man gut findet (und sie hoffentlich auch), dann ist das doch eine gute Unterbrechung im dortigen Strom der polierten Leben, die man sonst so vor Augen geführt bekommt.
LG
Tim
(Davon abgesehen gibt’s einfach auch viele Blogs, die ihre Besucher durch ihre Newsletter, durch Gastbeiträge auf anderen Seiten, durch Google etc. bekommen, ich glaube, das ginge also schon ohne FB.)
Hallo Tim,
Du hast es (mal wieder :)) sehr schön anschaulich auf den Punkt gebracht. Ich glaube es gibt nur eine Lösung für dieses Problem: die Medien meiden. Es wäre schön, wenn man Neidgefühle irgendwie wegtherapieren könnte, aber ich fürchte, dass das nicht klappen wird. Die Medien spielen uns einfach eine Welt vor, die so überhaupt nicht existiert und dabei lösen sie Gefühle aus, die wir eigentlich nicht haben sollten. Das bringt allerhand Problem mit sich.
Viele Grüße,
Jan
Hey Jan,
Danke Dir.
Neidisch sein kann man ja auch außerhalb von Facebook – ich denke, da geht’s eher darum, wie man dann mit dem eigenen Gefühl umgeht, dass man’s annimmt, sich darum kümmert, es einordnet.
LG
Tim
Hallo Tim,
deinen Artikel finde ich sehr gut geschrieben.
Jeder Mensch sollte das im Leben machen, wozu er sich berufen fühlt. Das Resultat sollte dann ersteinmal zweitrangig bleiben, Ergebnisse werden sich von allein zeigen.
Wie du schon schreibst, viele sehen das Gesamtpaket nicht, welches hinter einem Ergebnis steckt.
Einen durchtrainierten Körper wünscht sich ja eigentlich jeder. Aber ist man dann auch dafür bereit, die Ernährung komplett umzustellen, regelmäßig zu trainieren und am Wochenende beim Video mit Freunden auf Pizza und Bier zu verzichten?
Man muss sich vorher im klaren sein, ob der gesamte Weg die richtige Wahl ist.
Daher ist es falsch gegenüber anderen Neid zu pflegen, das verschwendet unheimlich viel Energie. Wichtig ist es auf das eigene Verlangen zu hören und auf seine Stärken zu setzen. Wenn man noch eigene Schwächen so annimmt, wie diese sind, ist man auf dem richtigen Weg.
LG,Daniel
Danke für den Artikel, Tim!
Hey Tim,
schön, dass du uns wieder mit deiner Gedankennahrung versorgst =)
Ich finde vor allem den letzten Punkt bzw. die Frage ganz wichtig, da bei uns Menschen gang ganz oft etwas total anderes hinter unserem verlangen steht, als wir glauben.
Status und Reichtum zum Beispiel können im Prinzip immer nur Mittel zu einem anderen Zweck sein – niemals Selbstzweck.
Und dennoch rennen ihnen manche Leute nach, als ging es nur darum Geld oder Ruhm zu erlangen. Selbst die, die schon viel zu viel davon haben. Sie hören auf zu fragen, was dahinter steht. Und deshalb könnten viele Menschen viel glücklicher sein. Sie müssten sich nur mal deine Frage(n) stellen!
Liebe Grüße
Norman
Danke Dir, Norman! Wünsche einen guten Sonntag! LG Tim
Ja, gut gemacht Tim. Wir wollen natürlich so vieles für das Gefühl im Innen, finde ich auch. Um was auszugleichen, oder auch einfach um uns gut und etwas besser zu fühlen. Es spricht so direkt auch nichts dagegen, etwas tun zu wollen dafür. Auch um uns zu befähigen, etwas bewegen zu können. Klar geht so vieles mit Geld und Ansehen besser. Schwierig wird es nur, wenn diese Vorstellungen uns vereinnahmen. Wenn wir die Vorstellung und das damit verbundene Gefühl gleichsam zur Troge wird. Wenn uns diese Vorstellung, was wir gern hätten, anfängt, uns zu besitzen. Vielleicht bemerken wir die Unstimmigkeit sogar und wir reden wir uns übermässig Disziplin ein. Etwas zu erreichen koste nun mal etwas. Der Übergang ist schleichend. Irgendwann fliesst es nicht mehr wirklich und die Liebe ist nicht mehr im Tun. Dann fangen wir an, gegen uns zu arbeiten, für irgend jemand oder ein Bild von uns, auf unsere Kosten.
Herauszufinden was man im Leben braucht gehört für die meisten zu den schwierigsten Dingen überhaupt. Vor allem deshalb weil das Wollen ständig mit dem Brauchen verwechselt wird. Wir wollen nur selten, was wir brauchen, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Und den Willen haben wir meist auch nur teilweise selbst gebildet – sehr viele äußere Einflüsse bringen uns dazu Dinge zu wollen. Meist ist die Sache gut für andere aber nicht für uns. Schließlich verdienen andere sehr gut an uns, indem sie uns dazu bringen, das zu wollen, was sie uns zu verkaufen haben. Dass wir dadurch unsere Bedürfnisse befriedigen und glücklich sowie zufrieden werden, ist nicht sehr wahrscheinlich.
Hey Tim,
wie immer ein schöner Artikel. Ja, so geht es mir auch öfter, dass ich mich dabei erwische wie ich denke „Boah, hat der ein geiles Leben, warum kann ich das nicht auch haben?“ Aber wenn ich dann mich so anschaue, kommt mir in den Sinn, dass andere dasselbe über mein Leben denken könnten, obwohl es sich ja gar nicht so super geil anfühlt. Man weiß nie, was in den Menschen vorgeht und Neid ist sowieso immer und ausnahmslos komplett fehl am Platz.
LG!
Ich finde die drei Fragen auch sehr wichtig, um sich selber über einiges klarzuwerden. Bei mir ist es auch häufig so, dass Freunde oder Bekannte mir gerne vorhalten, wie gut es mir ginge, weil viele „Äußerlichkeiten“ bei mir stimmen, aber ich weiß auch, dass diese Dinge zwar schön sind, aber nicht zu meiner inneren Balance maßgebend beitragen. Im Vergleich zu früher weiß ich heute auch genauer, was ich will und wer ich bin. Als Hochsensibler Mensch (und das weiß ich erst seit wenigen Jahren)kann ich mich nun besser einschätzen. Gerade Frage zwei (Würde ich das ganze Paket nehmen?)stelle ich mir immer wieder, wenn ich mich mit anderen Menschen, die in meinen Augen „wiederstandsfähiger“ und weniger sensibel sind, vergleiche. Und dann sehe ich alle meine „Schwächen“ als akzeptabel an und denke, Vergleiche machen keinen Sinn.
Zunächst mal möchte ich hier einfach kurz old skool blog-trommeln für meine Version der Facebook-Geschichte: http://zwei.drni.de/archives/1486-FacebookIch+bin+scheisse.html
So und nun noch was zum Inhalt: Ja, ich beneide oft Menschen. Das heißt, nicht so richtig fies, auf missgünstige Art. Aber ich denke: So wie der/die würde ich es auch gern könne. So ein Leben hätte ich auch gerne. Was mir dann aber auch passiert, würde ich gerne als vierten Punkt hier einbringen: Leute beneiden mich um mein Leben!
Dabei ist mein Leben gar nicht so geil. Oder vielleicht doch? Hoppla!
Was hilft, sind ehrliche Menschen im eigenen Umfeld. Denen man sagen kann: Ich bewundere Dich dafür, wie Du XYZ machst. Du kannst das so gut! Und, wenn es die passenden Menschen sind, dann sagen die auch einem selbst immer mal wieder so was. Und dadurch gewinnen beide.
Und durch den Austausch erfährt man auch viel über Punkt 2 im Blog Post, denn die Leute erzählen einem auch von den Schwierigkeiten. Damit das klappt, braucht es aber Toleranz und Ehrlichkeit und die entsprechenden Menschen findet man nicht immer so einfach.
Hi Toc,
Danke für diese Ergänzung, das sind beides sehr wichtige Punkte – dass andere gern das eigene Leben hätten (ohne, dass man sich das vorstellen kann), und dass man auf authentische und wertschätzende Beziehungen setzt.
LG Tim
Hi Tim,
ich finde dieses Dänische Sprichwort allessagend und sehr passenden zu deinem Artikel:
Der Vergleich ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.
-Søren Aabye Kierkegaard-
Daran muss ich mich selbst oft erinnern. Ein guter Freund hatte sich diese Zeilen auf einen kleinen Zettel geschrieben und in sein Portemonnaie gesteckt. Eine liebevolle kleine Erinnerung für jeden Tag wie ich finde.
Sonnige Grüße,
Djavaneh
Hey Djavaneh,
das ist ein wunderbares Zitat, das mich auch schon seit zwei, drei Jahren begleitet!
LG
Tim
Hach Tim, du bist wieder da! 😀 Ich liebe deine bildhaften Vergleiche und deinen Humor. Stimme deinem Artikel voll und ganz zu. Super geschrieben! 🙂
Schönes Wochenende wünsch ich dir.
Hugs,
Linda
Vielen Dank liebe Linda!
Ich habe mir den ganzen Artikel gedacht:“Wie schafft der Tim immer so tiefgründige und weise Artikel?“ -Weiter so, hau rein,
Liebe Grüße aus Wien,
Sebastian
Merci Sebastian! 🙂
Hallo Tim,
du hast es mal wieder auf den Punkt getroffen. Das skurrile an Social Media ist eben, dass es einem erlaubt, nur die guten Seiten zu zelebrieren. Was es aber bedeutet an diesen tollen Moment zu kommen, steht natürlich nirgendwo geschrieben.
Wie du schon sagtest „Ich möchte die Sonne, aber nicht den Schatten. Ich möchte das Geld, aber nicht die Arbeit dahinter. Den Körper, aber nicht den Schweiß. Die Beziehung, nicht aber die Verletzbarkeit.“
Liebe Grüsse,
Doris
Den Nagel auf den Kopf getroffen. Jeder wird irgendwo seine Sorgen haben und keiner wird es offen zugebe wollen. Jeder will ja besser sein als der andere…. Wirklich super Artikel.
Unter jedem Dach lebt ein“Ach“
Das zeigt schon,das jeder ein mehr oder weniger großes Päckchen zu tragen hat.LG.Sabine