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Text von: Lena Schulte

Du und sie. Ihr lächelt, immer wieder. Spürt das Kribbeln der Schmetterlinge, die grinsend gegen eure Bauchwand flattern. Und sogar die pastellfarbenen Rosamunde Pilcher Alles-Ist-So-Einfach-Und-Beschwingt-Filter sind am Start – extra mit Charterflug aus dem pittoresken Schottland nach Castrop-Rauxel angereist. Die Welt ist ready for Romance-Rumble. Das Leben ist schön.

Und dann ruft Inge nicht mehr zurück. Zwei Tage nicht. Drei Tage nicht. Eine Woche nicht. Keine Doppelhaken mehr auf WhatsApp. Auch die Klingel hallt nur noch einsam hinter der verschlossenen Haustür. Stattdessen meldet sich die ungebetene Stille und fängt an zu wuchern. Jeden Tag ein bisschen mehr, wie Geschwüre es nun einmal tun. Rosamundes Filter am Himmel wird porös. Es dauert nicht lange, bis er das drückende Schwarz dahinter nicht mehr stemmen kann und schallend zerberstet.

Inge nimmt Entscheidungen ab

Inge ist weg. Nicht tot, nur halt tot für Dich. Das hat sie so entschieden. Ohne Dich, natürlich, im Alleingang. Wieso sollte sie Dich auch fragen? Du kannst es Dir nicht erklären. Egal, wie oft Du Dein Gehirn zum Glühen bringst. Es gibt keine übergeordnete Logik, nach der sich Dein Denkorgan so sehr sehnt. Dir fällt nichts ein, was Du falsch gemacht haben könntest. Nichts, womit Du Inge verärgert haben könntest. Oder vielleicht war es diese eine Sache, aber sie reagiert ja nicht auf Deine Fragen.

Vielleicht ist es nicht Inge von e-Darling, die sich mit Vanish Oxi Action eingerieben hat, und wie ein Fleck ganz leise aus Deinem Leben verschwunden ist. Vielleicht ist es Dein bester Freund. Dein Arbeitskollege. Oder irgendwer anders, der Dir viel bedeutet (hat) und Dich jetzt einfach mit einem Kopf voller adipöser Fragen im Vakuum eurer Beziehungstrümmer zurücklässt.

Fragen über Fragen

Ghosting nennt sich das, wenn ein Mensch in einem Anflug von kommunikativem Größenwahn meint, Du seist urplötzlich keine weitere Interaktion mehr wert. Meiner Meinung nach ist Ghosting einer der aggressivsten und respektlosesten Kommunikationsformen, die man jemanden zumuten kann. Selbst Beleidigungen finde ich noch erträglicher.

Viel zu oft bleiben dringende Fragen und tiefe Wunden offen, die es einem kaum ermöglichen, einen würdigen Abschluss zu finden. Anders als nach einer klaren Ansage, kann man nur mutmaßen, was schiefgelaufen ist. Somit kann jedes Verhalten, das man irgendwie mal an den Tag gelegt hat, eine potenzielle Gefahrenquelle für eine Ghosting-Wiederholung sein. Selbst, wenn Du den Grund kennst: Entschuldigen kannst Du Dich nicht mehr. Verteidigen und Dich erklären auch nicht. Ein wahrer Alpha-Ghoster zieht die Null-Kontakttoleranz schließlich gnadenlos durch.

Ein Ghosting geht über eine normale Trennung hinaus und ist fast schon vergleichbar mit dem Tod. Nur, dass die Person freiwillig gegangen ist, noch lebt und eine Kontaktaufnahme also theoretisch möglich ist. Theoretisch… Sich von einem Ghosting zu erholen, ist schwer – aber nicht unmöglich.

Das Ghosting definiert Dich nicht

Ich weiß es selbst aus Erfahrung: Die Enttäuschung ist maßlos. Und es tut weh, jemand Wichtiges ist einfach weg. Man zweifelt an seiner Menschenkenntnis. An der Menschheit und der Gesellschaft an sich. Und manchmal überlegt man sich, ob man diesen Mist, der auf das eigene Leben gerieselt ist, nicht vielleicht sogar verdient hat. Man denkt und denkt und grübelt – und das Ghosting ist nicht mehr nur ein punktuelles Ereignis im Leben. Es schwappt in unser Hier und Jetzt über und frisst sich dabei in unser Identitätsgefühl. Wir sind nun die Person, die auf unfassbar miese Art verlassen wurde. Dabei sind wir mehr, als eine charakterschwache Entscheidung, die ein anderer fällt und uns aufzwingt. Wir sind immer mehr als die Verhaltensweisen eines anderen. Da wir einen anderen nicht steuern können, bleibt uns (mal wieder) nichts anderes übrig, als bei uns selbst anzusetzen. Was nun wichtig ist, ist die Frage: Was lag und liegt nun in meiner Verantwortung?

Dein Teil der Verantwortung

Du darfst Dich jederzeit von Selbstbeschuldigungen zerfleischen lassen, immerzu die schrecklichen Gefühle in Dir aufkochen lassen und Dir davon jegliche Energie rauben lassen. Vielleicht spürt die Person ja, wenn Du genug verzweifelst und meldet sich dann doch noch gnädigerweise bei dir. Oder Du setzt Dich, wenn Du soweit bist, mit Deinem klaren Verstand hin und überlegst gründlich, welche Verhaltensweisen die ghostende Person dazu inspiriert haben könnten, so ein Verhalten an den Tag zu legen. Sei ehrlich zu Dir.

Wenn Du etwas findest, geh den verbindlichen Deal mit Dir selbst ein, dieses schädliche Verhalten (durch regelmäßiges Üben) nach und nach zu verbessern. Verpflichte Dich, diese Erfahrung als Anlass zu nehmen, um mehr der Mensch zu werden, der Du werden möchtest. Das ist Dein Teil von eurer Beziehungsverantwortung – nicht das Warten auf das erlösende Gespräch. Es ist quasi eine letzte, stumme Ehre, die Du euch erweisen kannst, Deine Entschuldigung für Deinen Anteil. Wenn ihr schon so gescheitert seid, dann kannst Du dem Ganzen nur einen Sinn geben, wenn Du mit destruktiven Selbstzerfleischungen aufhörst und stattdessen stärker und besser wirst.

Mit Schmackes befreien

Es kann aber auch durchaus sein, dass Du nichts findest. Man muss nämlich nicht immer etwas frappierend falsch machen, um wie das Letzte behandelt zu werden. Dann ist es Deine Verantwortung, den guten alten „Fuck you!“-Energiediesel rauszuholen, um Deinen „Fuck it!“-Düsenantrieb zu betanken, der Dich schleunigst aus diesem emotionalen Morast herauskatapultiert. Weg aus dem Dreck. Und nein, das ist nicht zu hart. Ein Mensch, der es aus Egoismus (oder fehlender Empathie) in Kauf nimmt, dass Du Dich wie ein billiger Fußabtreter fühlst, ist kein Gewinn. Weder für Dich noch für Deinen gelungen Lebensrückblick.

Dieser Mensch hat Dein kostbarstes Gut, Deine Zeit, in Anspruch genommen und besitzt noch nicht einmal den Anstand, sich gescheit zu verabschieden. So einem Menschen muss man nicht noch mehr Zeit schenken, indem man sich emotional oder gedanklich auch noch an ihm festkrallt. Du hast getan, was Du tun konntest und wer nicht reden will, darf gehen. Muss gehen. Irgendwohin. Zu Menschen, mit denen diese Person im Zweifelsfall wahrscheinlich auch nicht reden wird, wenn es hart auf hart kommt.

Du wirst vielleicht geghostet, aber der Gewinner bist Du – denn Dein sowieso schon stressiges und schweres Leben ist um ein – mit Verlaub – Arschloch leichter geworden. Glückwunsch! Willkommen auf dem Level des Gleichmuts, auf dem Du keinen Rosamunde-Pilcher-Filter mehr brauchst, um beschwingt wichtige Menschen von unwichtigen auszusortieren.

Du musst Ghosting nicht gutheißen. Du musst kein Verständnis dafür haben. Du musst nur akzeptieren, dass die Personen, die Dich aufrichtig in ihrem Herzen tragen, zu viel Respekt vor Dir und eurer Beziehung haben, um Dir jemals so etwas anzutun. Menschen, denen Du wirklich wichtig bist, werden Dich niemals ghosten. Egal, was kommt.

Photo (oben):  Lee Haywood Lizenz: CC BY 2.0