Und folgst Du myMONK schon bei Instagram?

Text von: Lena Schulte

„Herrje, Du kriegt aber auch echt alles in den falschen Hals, Putenarsch.“ – Meine Brüder, damals im Kindesalter, können es nicht fassen, dass die Schwester heult, und Mutter sich dran macht, (mal wieder) das schillernde Solo aus der Standpaukensymphonie Nr.5 zu trommeln. Dabei waren die Tierhintern-Vergleiche doch nur Spaß.

Dass alles nur ein Spaß war und sie sich jetzt bitte nicht so anstellen soll, sage ich paar Jahre später auch zu meiner Freundin, nachdem ich sie mit ihren unfassbar glänzenden Space-Schuhen aufgezogen habe und sie auf einmal partout weigert, mit mir zu reden. Dabei habe ich noch so viele Witze über die nächste Mondlandung auf Lager, die im Schulbus verkündet werden wollen! Mit ihrem wütendem Geschweige reagiert sie jetzt aber echt völlig überzogen und irrational – finde ich. Ihr muss doch wohl klar sein, dass ich es nicht so meine!

Keep calm, Agathe, it’s a joke

Das neckische Aufziehen in Beziehungen ist ein komplizierter Tango. Gelingen die Attacken auf die Schmunzelmuskeln unseres Gegenübers, empfinden wir sein Verhalten als liebevolle Stichelei. Dann sind die Witze süße kleine Insider, die das unsichtbare Beziehungsband immer schön straff halten. Wir fühlen uns vertraut mit dem anderen, lächeln ihn an und nennen ihn Blödi. Oder irgendwie so.

Schießt einer jedoch über das Ziel hinaus, oder ist – so wie ich – einfach nicht lustig, kann sich das Tanzparkett ganz schnell aufheizen. Jeder weiterer Schritt wird zur Gefahr und kann ernsthafte Verbrennungen nach sich ziehen. Wer den Boden ganz sicher zur Lava verwandeln will, schiebt am besten ein knackiges „Kannst du nicht einmal mehr einen Witz vertragen, Herrgott nochmal?!“ hinterher, wenn die Alarmglocken beim anderen schon längst flimmern.

Das Missverständnis ist jedenfalls perfekt: Der eine ist tief getroffen und verletzt. Der andere kann diese irrationale Reaktion nicht verstehen und fühlt sich in seiner Komiker-Ehre angegriffen.

Dicke Haut mit Teflon-Überzug

Je enger die Beziehung zueinander, umso öfter treten wir dem anderen schon einmal versehentlich auf den Fuß. Sobald ein verletzender Spruch auf mich niederrieselt, ist für mich auf jeden Fall sofort klar: Das hat er/sie auch genau so gemeint! Ich soll mich so mies fühlen, wie ich mich jetzt fühle. In diesen Momenten fällt mir die Idee unglaublich schwer, dass das Gesagte nicht auch gleich das Gemeinte sein soll.

Die Paar- und Familientherapeutin Dr. Alexandra Solomon hatte schon viele zerstrittene Paare auf der Couch sitzen, weil einer „keine Witze vertragen kann.“ Sie hat oft erlebt, dass jemand, der passioniert austeilen kann, früher oft Gelegenheit bekommen hat, sich eine ordentlich dicke Haut mit Teflonbeschichtung wachsen zu lassen, die ihn relativ unempfindlich macht. Sprich, er oder sie war irgendwann selbst mal derjenige, der auf Verletzungen reagieren musste. Wenn Du Dich selbst öfter mal dabei erwischt, dass Du mit dem Teasen zu weit gehst und Dich vielleicht noch daran erinnerst, wie andere einmal Deine Grenzen überschritten haben, dann empfiehlt Dr. Solomon Folgendes:

Frage Dich, wie sich Witze auf Deine Kosten, Sarkasmus oder spöttische Bemerkungen angefühlt haben, bevor Du Dir Dein dickes Fell hast hast wachsen lassen, um Dich vor Schmerz zu schützen. Willst Du wirklich dazu beitragen, dass andere deinetwegen ebenfalls mit Mauern und Taubheit reagieren, um sich vor Deinen Worten zu beschützen? Wenn es Deinem Partner oder Deinem Gegenüber weh tut, wie Du mit ihm umgehst, hilft es ihm nicht, wenn Du ihm sagst, er solle sich nicht so anstellen. Und auch nicht, wenn Du Dich beginnst zu rechtfertigen. Auch wenn es für Dich keine große Sache ist – sobald der andere verletzt ist, ist es eine große Sache. Nimm das ernst und entschuldige Dich.

Manchmal kann hinter dem Teasen auch mehr stecken. Manchmal ist Humor eine ausgezeichnete Strategie, um Unwohlsein und Unsicherheiten bei Dingen zu überspielen, die uns verletzlich machen und uns beschäftigen. Wenn wir also Witze reißen, anstatt Dinge ernsthaft und direkt zu benennen, deutet das vor allem in Partnerschaften auf ein Beziehungsproblem hin, in dem Humor das Symptom ist.

Und was nun, wenn mein Gegenüber zu weit geht?

Klar, die einfache Lösung ist reden. Es ansprechen. Wissen wir. Aber bei mir ging das oft nicht und ich konnte mir nicht erklären, warum ich mich lieber beleidigt/traurig/ verletzt zurückzog und manchmal noch Jahre später drüber nachdachte. Mir hat folgende Frage geholfen: Wie fühlt es dich für Dich an, wenn Du offen mit deinem Partner oder Deinem Gegenüber darüber sprichst, dass Du verletzt bist? Hast Du Angst vor der Reaktion Deines Gegenübers? Dass Du vielleicht schlecht dastehst? Dein Partner Dich nicht mehr ernst nimmt?

Verletzlichkeit zeigen und für seine Gefühle einzustehen gehört zu gesunden und intimen Beziehungen dazu. Und zu einer guten Beziehung zu Dir selbst gehört, dass Du Deine Gefühle ernst nimmst und nicht abwertest, indem Du sie unter den Tisch kehrst, obwohl sie Dir wichtig sind. Dein Gegenüber kann keine Gedanken lesen, auch wenn die Romantikindustrie uns gerne mal verkauft, dass uns Liebe diese transzendentale Fähigkeit verleiht.

Beziehungen wachsen, sobald Dein Gegenüber Dir auf Deine Ehrlichkeit mit Fürsorge und Freundlichkeit begegnet. Dr. Solomon erklärt zudem, dass es besonders für Männer schwer sein kann, ihre Verletzlichkeit offen zuzugeben, da ihnen oft eingetrichtert wird „der Starke“ sein zu müssen und sie lieber verbergen, was in ihnen vorgeht. Dem Gegenüber mit Fürsorge zu begegnen, bedeutet also auch, den anderen mit seiner eigenen Verletzlichkeit zu ermuntern und genau diese unnötigen Rollenerwartungen nach und nach aus der Beziehung zu verbannen.

Meinen Putenarsch-Spitznamen konnte ich zwar nie gänzlich aus dem Gedächtnis meiner Brüder verbannen. Aber inzwischen ist er wirklich nur noch ein Witz und sogar fast schon ein schöner. Denn es geht nichts über das Grinsen, das wir uns zuwerfen, sobald Mutter sich mit einem „Ihr seid doch jetzt erwachsen, Kinder!“ die Hände über den Kopf zusammenschlägt – und alles kurz ist wie früher.

Mehr dazu findest Du im myMONK-Buch Wie man die Dinge nicht mehr so persönlich nimmt.

Mehr zum Thema findest Du auch im myMONK-Podcast:

Photo (oben): Alena Getman, Lizenz: CC BY 2.0