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Text von: Christina Fischer

Nach einigen Jahren der stillen, sorgfältigen Schufterei als Redakteurin, da wurde ich befördert. Endlich wurden meine Dienste gewürdigt, endlich wurde ich erhoben über die anderen Mitarbeiter und bekam als Dank für meine hervorragende Arbeit das, wonach sich so viele in den Hierarchien diverser Betriebe verzweifelt sehnen: Was zu sagen. Ein kleines bisschen Macht!

 

Ich hatte es ursprünglich gar nicht unbedingt auf eine höhere Position abgesehen, aber in dem Moment, in dem man sie mir in Aussicht stellte, da war ich so scharf darauf wie Gollum auf den einen Ring. Und natürlich wollte ich mich in der neuen Position unbedingt beweisen, denn ich wollte sie behalten, meine Macht, meinen Schatz. Also kniete ich mich noch mehr rein, blieb noch ein bisschen länger, kam noch ein bisschen früher und schluckte tapfer jede bittere Pille, die man mir vorsetzte. Bis mir irgendwann ganz übel davon wurde.

Das, was ich ursprünglich gerne getan hatte, das Schreiben, kam immer mehr zu kurz. Stattdessen war meine Zeit damit ausgefüllt, unmotivierte Mitarbeiter zu motivieren, Kunden Honig ums Maul zu schmieren, den Chefs Rechenschaft abzulegen und nebenbei immer wieder Gemeinheiten von denen abzuwehren, die bei der Beförderung übergangen worden waren. Ob ich jemals gut geworden wäre im „Was-zu-sagen-Haben“ weiß ich nicht. Bevor ich es hätte herausfinden können, war ich jedenfalls so unzufrieden mit der Situation, dass es mir schlicht egal war. Ich wollte einfach raus und den Ring der Macht ins verdammte Feuer werfen. So habe ich Bekanntschaft mit Peter gemacht.

Warum Deine Vorgesetzten möglicherweise solche Idioten sind

Dieses Phänomen ist tatsächlich gar nicht neu. Schon 1969 entdeckten die beiden US-Autoren Laurence J. Peter und Raymund Hull das Prinzip der sogenannten Spitzenunfähigkeit, das heute als „Peter-Prinzip“ bekannt ist. Es besagt, dass jeder die Karriereleiter genau so weit hochklettert, bis er auf einem Posten angelangt, auf dem der Job seine Fähigkeiten übersteigt.

Denn auch wenn wir vorher einen mega Job gemacht haben, kann es sein, dass die neue Position plötzlich Fähigkeiten erfordert, die eigentlich gar nicht unsere Stärken sind. Zum Beispiel Kunden Zucker in den Allerwertesten blasen, obwohl wir ihnen lieber genüsslich eine ins Gesicht pfeffern würden (wobei man egal in welcher Position wohl eher keine Menschen schlagen sollte, davon abgesehen). Dann sind wir zwar aufgestiegen, haben ein neues glänzendes Messingschild auf dem Schreibtisch stehen mit der Aufschrift „Christina, Stellvertretende Königin des Universums“ und vielleicht sogar ein paar Untergebene. Aber oft verbirgt sich hinter dem gülden schimmernden Jobtitel nichts als gähnende Leere, Unzufriedenheit, Selbstzweifel. Denn anstatt einen Job zu machen, in dem wir verdammt gut sind, reiben wir uns nun plötzlich an einer Aufgabe auf, die uns nicht liegt und vielleicht auch gar nicht mehr zu uns passt.

Die Jagd nach dem bestmöglichen Ich

Peter treibt jedoch längst nicht nur im Angestelltenleben sein Unwesen. Denn unser Hunger nach der nächsten Sprosse der Leiter, dem nächsten Ziel, der immer weiteren Selbstoptimierung scheint einfach generell groß zu sein. „Werde die beste Version deiner selbst“ fordern einen diverse Ratgeber auf, „So etablierst du deine Morgenroutine in drei Akten und wirst zum absoluten Erfolgsmensch“ oder „Entfalte dein volles Potenzial und rette in zehn Schritten die Welt – so gehts“. Ein Abend mit Netflix und der Katze auf dem Bauch und schon flüstert mir Peter ins Ohr wie ein Personal Trainer auf Steroiden: „Komm, da muss doch noch mehr gehen! Ist das alles, was du kannst?“. Es ist nicht leicht, einfach weiter auf der Couch zu chillen und Katzen zu streicheln, während gefühlt alle anderen immer schneller immer bessere Versionen ihrerselbst werden. Wer weiß denn schon wirklich, wozu er nicht alles fähig ist? Und wäre unser Leben nicht verschwendet, wenn wir nicht wenigstens versuchen herauszufinden, wie viel Potenzial wir aus uns herauskitzeln können?

Auf der Spitze angekommen, gibt es nur noch eine Richtung

Einmal in der Grundschule, ich weiß es noch wie heute, da durfte ich das 24. Türchen des Klassenadventskalenders öffnen und bekam einen Schokoladenweihnachtsmann, weil ich die einzige Eins im Aufsatz geschrieben hatte. Ich war so stolz, dass der Schokoweihnachtsmann unangetastet als Trophäe in meinem Kinderzimmer stehen blieb, als wäre es der Weltpokal.

Aber beim nächsten Aufsatz saß mir plötzlich etwas im Nacken, das vorher noch nicht da war: Angst. Ich wusste, nach der letzten Auszeichnung würde die Lehrerin wieder eine gute Leistung von mir erwarten. Aber, was noch schlimmer war, war die Tatsache, dass ich selbst unbedingt das neu erreichte Niveau halten wollte. Beim Gedanken daran, mich beim neuen Aufsatz notenmäßig im Mittelfeld wiederzufinden, schämte ich mich schier.

„Selbstdiskrepanz“ nennen das die Psychologen und meinen damit den mitunter tiefen Graben zwischen dem, was wir uns wünschen und wonach wir streben und der Wirklichkeit oder dem tatsächlich Möglichen. Wenn wir uns immer höhere Ziele setzen, muss zwangsläufig der Tag kommen, an dem wir die nächste Hürde nicht mehr überspringen können und unsanft im Wassergraben landen. Aber auch wenn wir glücklich über das nächst höhere Stöckchen springen, bleibt oft der kleine Peter in unserem Nacken, der uns ins Ohr flüstert: „Das hast du jetzt vielleicht geschafft, aber ob das so weiter geht?“

Wann ist gut eigentlich gut genug?

Die Italiener Marco Bertoni und Luca Corazzini von den Universitäten Padua und Messina konnten auch in einer Studie belegen, was viele unzufriedene Chefs möglicherweise in ihren Chefsesseln umtreibt: Menschen, die ihre eigenen Erwartungen und Ziele nicht erfüllen, werden immer unzufriedener. Aber auch, wer seine eigenen Erwartungen übertrifft, steigert seine Lebenszufriedenheit nur wenig und nur für kurze Zeit. Denn schon bald taucht das nächste Ziel am Horizont auf, winkt dich mit zwei Fingern näher wie ein Karatekämpfer und fragt „Kannst du es auch mit mir aufnehmen oder bin ich eine Nummer zu groß für dich, Kleines?“

Wir neigen dazu, jedes Level, das wir neu erreichen, als gegeben zu setzen. Die Psychologen sagen, der Referenzpunkt verschiebt sich. Nach dem Messingschild auf dem Schreibtisch muss irgendwann der Chefsessel kommen, nach dem ersten erfolgreichen Roman ein noch besserer, nach dem ersten überstandenen Halbmarathon, der Iron Man, nach dem ersten großen Wurf ein noch größerer oder wir werden unzufrieden. Aber irgendwann liegt die Latte einmal zu hoch für uns. Auch deshalb, weil unsere Sprungkünste mit dem Alter zwangsläufig abnehmen.

Wellen reiten statt Leiter klettern

Aber wahrscheinlich ist das Leben eben auch keine Leiter, auch wenn unsere Gesellschaft das so vorgibt, sondern bewegt sich in Wellen, in Aufs und Abs in unregelmäßigen Abständen. Dann jagt eben nicht zwangsläufig ein Höhepunkt den nächsten. Aber das schließt nicht aus, dass wir trotzdem auf der ein oder anderen Erfolgswelle surfen können. Wenn uns das Immer-besser-Werden gar nicht wirklich und nicht langfristig glücklicher machen kann, vielleicht lohnt es sich dann darüber nachzudenken, was eigentlich gut genug ist für uns, um zufrieden zu sein? Wenn wir zufrieden und glücklich sind, mit dem, was wir haben, was sollten wir dann noch brauchen?

Schon Laotse soll gesagt haben: „Ein reicher Mensch ist einer, der weiß, dass er genug hat.“ Immer öfter, wenn es jetzt abends an der Tür klingelt und mir Peter Prinzip mal wieder das tollste, neueste Ziel oder noch mehr Erfolg verkaufen will, sage ich jetzt: „Vielen Dank, aber ich brauche nichts.“ Und wenn ich dann meinen Mann und meine Katzen einträchtig auf der Couch sitzen sehe, weiß ich, dass das stimmt.

Mehr unter Ein bedeutsames Leben braucht keine Karriere und im myMONK Buch für tiefes, echtes Selbstwertgefühl, das keine Karriere braucht.

Photo: Stressed von pathdoc / Shutterstock