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Text von: Christina Fischer

Ich bin wie eine Prinzessin aufgewachsen. Ich trug maßgeschneiderte Kleidchen und schlief in einem riesigen Himmelbett mit rosa Vorhängen. Und alles, was ich mir nur je hätte wünschen können, bekam ich auch.

Erst heute, viele Jahre später, weiß ich, wie wenig das eigentlich war.

Wie wenig ich hatte.

Aber vor allem, wie wenig ich brauchte.

Meine Eltern hatten wenig Geld. Während sie streng sparten, um sich irgendwann vielleicht ein Haus leisten zu können, lebten wir zu fünft in zwei Zimmern im Haus meiner Uroma, die die Kleidchen für mich nähte. Mein Bruder und ich schliefen im Ehebett meiner Eltern und meine Eltern im Wohnzimmer auf der Couch.

Der Himmel über meinem Bett bestand eigentlich aus Stoffresten und alten Vorhängen. Aber für mich war es ein richtiges Prinzessinnenbett. Obwohl ich – materiell gesehen – nicht viel hatte, führte ich ein Leben in Fülle.

Der Fluch der unbegrenzten Möglichkeiten

Heute – im „Erwachsenenleben“ mehr oder weniger angekommen – ist es für mich schwieriger geworden, so zufrieden zu sein. Das „Leben in Fülle“ ist zu einem Leben im Überfluss geworden. Werbung, Medien und andere Menschen sind ständig damit beschäftigt, mir zu sagen, was mich glücklich macht: Die neuesten Fashion-Must-Haves, die neuesten technischen Gadgets, die mir jede Unannehmlichkeit abnehmen („Alexa, mach meine Steuererklärung!“), der teure, selbstfahrende, selbstdenkende und hochglanzpolierte Sportwagen.

Nun sollte man meinen, ein prüfender Blick ins Portemonnaie oder auf den aktuellen Kontostand würde ausreichen, um einen auf den Boden der Tatsachen zurück zu holen – weit gefehlt. Unsere Gesellschaft hat ein herrliches Mittel parat, das alle unsere (materiellen) Wünsche erfüllen kann: Schulden machen. Wir können nahezu alles haben, wenn wir nur bereit sind, uns dafür zu verschulden. Das heißt: Shoppen bis die Kreditkarte glüht – oder wir komplett abgebrannt sind. Das passiert schließlich dann, wenn die (Kredit-)Blase platzt.

Was Schulden wirklich sind

Tückisch ist, dass das mit den Krediten (und damit auch mit den Schulden) so schnell und einfach geht. Es erfordert meist nur ein paar Unterschriften, schon ist das Handy, das Auto, das Haus finanziert. Es ist Geld geflossen, ohne dass wir es jemals mit eigenen Augen gesehen haben – fast als wäre nichts passiert. Und wenn wir wollen, können wir den fälligen Betrag in klitzekleinen Raten, die „ja gar nicht weh tun“, abstottern – über viele Jahre.

Schulden haben trotz niedriger Raten jedoch immer einen Preis: Sie machen uns abhängig von unserem Gläubiger. Und all das nur deswegen, weil wir etwas mit Geld kaufen wollten, das wir eigentlich gar nicht haben. Der Überblick geht schnell flöten: Laut dem jüngsten Schuldenatlas ist jeder zehnte Deutsche bereits überschuldet. Das heißt, er gibt über einen längeren Zeitraum mehr Geld aus, als er einnimmt und ist an einem Punkt angekommen, an dem er seine Schulden nicht mehr selbst begleichen kann. Klar, dass man sich spätestens dann nicht mehr über seine ganzen Besitztümer auf Pump freuen kann. Und nicht nur das: Schulden machen außerdem krank, belegen Studien.

Geld gegen Freiheit

Aber selbst, wenn die Schulden uns noch nicht die Luft abschnüren und wir unsere Raten regelmäßig bedienen, kosten uns unsere Habseligkeiten auf Pump etwas, das wahrscheinlich noch wertvoller ist als Geld: Unsere Freiheit. Denn je mehr wir besitzen, desto mehr Anstrengung kostet es uns, diesen Besitz zu bewahren und zu schützen. Ein Kratzer in einem Luxusschlitten ist ein größeres Fiasko, als eine Schramme in einer alten Rostlaube. Ein teures Anwesen muss mit teuren Alarmanlagen gesichert werden. Je höher unser Einsatz, desto mehr können wir auch verlieren. Das sorgt natürlich dafür, dass wir mit unseren Gedanken immer öfter um unsere Besitztümer kreisen, uns im schlimmsten Fall ständig Sorgen darum machen. Letztendlich stellt sich also die Frage: Besitzen wir die Dinge oder besitzen die Dinge uns?

Die Freiheit als Ziel

„Das sagt sich so leicht“, denkst Du Dir jetzt womöglich und ich gebe Dir recht. Ein Leben ganz ohne Schulden – das gibt es in unserer Gesellschaft selten. Ich bin nicht ohne mich zu verschulden durch mein Studium gekommen. Selbst den Laptop, auf dem ich diese Zeilen gerade tippe, stottere ich noch ab. Von den Segnungen der Besitzlosigkeit, die viele Religionen predigen, bin ich himmelweit entfernt. Und ich gebe zu, ich würde auch gar nicht auf all meine Besitztümer verzichten wollen, auch auf die nicht, die mir noch gar nicht gehören. Aber vielleicht ist das auch gar nicht sofort nötig. Da stimmt auch Buddha zu.

Buddha soll einem seiner Schüler, Anathapindika, der ausgerechnet Bankier war, einmal ein paar wirtschaftliche Regeln an die Hand gegeben haben. Auch jemand, der in einer Stadt ein gewöhnliches Familienleben führt, sollte diese einhalten können: Die „Vier glücklichen Umstände“. Demnach ist es absolut okay genug zu besitzen, um in Sicherheit leben (atthi-sukha) und großzügig gegenüber anderen sein zu können (bhoga-sukha). Neben dem Glück ein „reines Leben zu führen“ und niemandem zu schaden (anavajja-sukha), gehört jedoch auch der glückliche Umstand, keine Schulden zu haben (anana-sukha) dazu. Was das anbelangt, sind die Tibeter ziemlich rigoros: Sie sagen, dass, wer mit Schulden stirbt, als Pferd wiedergeboren wird. Und all die früheren Gläubiger reiten dann auf einem herum – keine angenehme Vorstellung.

Doch zwischen Schulden machen und mit Schulden sterben, gibt es ja ein bisschen Spielraum.

Das Glück der Genügsamkeit

Es geht um das, was uns im Innersten antreibt: Warum wollen wir etwas besitzen? Haben wir Gutes im Sinn oder wollen wir nur unser Ego streicheln? Ob Du Dir ein Heim für Deine Familie finanzierst oder einen schnittigen Mercedes, um die anderen auf der Straße Deinen Staub schlucken zu lassen, macht einen gewaltigen Unterschied. Muss es überhaupt der teure Sportwagen sein oder reicht nicht auch der gebrauchte Opel?

Sicher ist: Wir bezahlen die Dinge, für die wir uns verschulden, auch mit unserer Freiheit. Daher sollten wir gut abwägen, ob diese Dinge das wirklich wert sind. Dass es ein Glück ist, nicht über die eigenen Verhältnisse zu leben – und seien diese auch noch so bescheiden – habe ich in meiner Kindheit erlebt.

Wenn wir niemandem etwas schulden, sind wir frei.

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Photo: Sunset / Shutterstock