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Text von: Lena Schulte

Manchmal im Leben begegnet man Menschen, deren Anwesenheit eine reine Provokation ist. Bei denen die Augen beim permanenten Verdrehen fast durchdrehen und das Blut schon überkocht, sobald sie den Mund nur aufmachen, denn man weiß: Jetzt kommt (wieder) was Nerviges! Und wenn man mit dieser Art Mensch auch noch acht Stunden des Tages verbringen muss…Tja, dann Halleluja und Happy Monday. Man muss schon auf einer ziemlich stabilen Wolke der Gelassenheit durchs Leben schweben, um eine Person, die uns in den Wahnsinn treibt, mit einem besonnenen Lächeln einfach so hinzunehmen. Auch ich habe sicherlich schon bei so einigen Wolken der Gelassenheit ganz vehement an der Treibstoffzufuhr gerüttelt.

Da ich jetzt in einem Alter bin, in dem Stress Falten macht, lohnt sich unterschwelliger Zorn über das Verhalten anderer noch weniger als je zuvor (falls sich das überhaupt je gelohnt haben sollte…). Leider ist das Leben weder ein Wunschkonzert noch ein Ponyhof – und nicht einmal dort kann man sich aussuchen, mit welchen verrückten Ponyliebhabern man sich eine Stube teilen muss. Und so müssen wir manchmal einfach auf die bestmögliche Weise mit Leuten auskommen, mit denen wir freiwillig sicherlich keinen Besuch auf dem Ponyhof planen würde. Zumindest so gut, dass die Gelassenheitswolke nicht zum zerstörerischen Tornado wird.

Geboren, um zu nerven

Auch, wenn es sich manchmal genau so anfühlt: Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass es das Ziel eines kolossal erotischen Fortpflanzungsakts war, einen Homo Sapiens zu erschaffen, der ausgerechnet dafür da ist, Dich zu nerven. Meistens ist dieser Mensch einfach wie er ist – und irgendetwas daran lässt Deine inneren Alarmsirenen hochfahren. Das muss der andere nicht einmal mitbekommen.

Schritt 1 ist also: die Situation (und die Person) nicht mehr so persönlich nehmen.

Schritt 2: In die Vogelperspektive treten für einen Blick für das große Ganze und uns neutral fragen:
Was genau bringt mich dazu, so zu reagieren? Ist die Person jemand, den ich nicht mag, oder erinnert sie mich bloß an jemanden, den ich nicht mag? Zeigt sie mir vielleicht sogar Verhaltensweisen auf, die ich selbst an mir nicht mag – und gehe deshalb so in Resonanz? Oder vielleicht (für ganz wilde): Ist das, was mich nervt, vielleicht eine Eigenschaft, die ich (zu Teilen) selbst gern hätte?

Das Verhalten eines Mitmenschen müssen wir demnach nicht persönlich nehmen – unsere eigenen Muster, Bedürfnisse und Gefühle hingegen schon.

Verstehen wir uns und unsere eigene Verfassung, unsere körperlichen Signale besser, können wir emphatischer reagieren. Hält da gerade jemand sein Feuerzeug an meine Zündschnur? Bei mir sind es die kribbelnden Hände und meine Sprachlosigkeit – andere fangen an zu schwitzen oder es beschleunigt sich ihre Atmung. Kennen wir solche Vorboten, müssen wir uns nicht später – nach einer irrationalen Reaktion unsererseits – fragen, was uns denn da bitte geritten hat.

Befreie Deinen inneren Wissenschaftler

Um das Verhalten anderer nicht persönlich zu nehmen, bietet sich die Rolle des neugierigen Wissenschaftlers an. Anstatt den Kollegen beispielsweise bloß als diese nervige Zumutung anzusehen, der wir aus dem Weg gehen wollen, könnte er auch das neuste Forschungsprojekt Deines inneren Wissenschaftlers werden.

Der Wissenschaftler möchte begreifen, die größeren Zusammenhänge logisch ein- und zuordnen. Er bezieht das Verhalten des anderen also nicht auf sich und wird emotional, sondern er setzt lieber neugierig seine Brille auf und ergründet sie, tüftelt Theorien aus und überlegt sich mit distanzierten Gefühlen, wie dieser Mensch möglicherweise so geworden ist, wie er nun mal jetzt gerade ist. War es eher das Elternhaus, das prägend war? Seine Lehrer? Wurde er früher vielleicht gemobbt und hat dieses Verhalten als Abwehrstrategie entwickelt? Hat sein kultureller Hintergrund etwas mit seiner Art zutun? Könnte es eine bestimmte Motivation geben, die ihn antreibt? Wie würde es mir in seiner Situation gehen, wie würde ich mich fühlen?

Es geht nicht darum, sich damit das Verhalten einer anderen Person schönzureden oder damit gänzlich einverstanden zu sein, noch darum, Urteile zu fällen. Ziel ist, die Perspektive zu wechseln, über den eigenen Tellerrand etwas hinüber zu lugen und die eigene Sicht über die Welt vielleicht ein kleines bisschen zu erweitern. Und ganz vielleicht den anderen mehr zu verstehen.

Wir atmen beide gern

Ich mag Menschen, die mir ähnlich sind und mit denen ich viele Gemeinsamkeiten habe. So kann mich selbst die größte Nervensäge in Windeseile besänftigen, wenn sie anfängt, von Klaviermusik zu schwärmen. Wollen oder sollen wir miteinander auskommen, lohnt es sich für eine gute Gesprächsbasis, nach genau diesen positiven Schnittmengen Ausschau zu halten – und darauf aufzubauen. Bei einem Kollegen kann es zum Beispiel das gemeinsame Ziel sein, gute Arbeit für die Firma zu leisten (und die Aussicht, diese Person nicht ehelichen zu müssen, sondern einfach nur erwachsen mit ihr zusammenzuarbeiten). Das kann genug Fläche für die Verbindung sein – auch, wenn man dieses Ziel in der Arbeitsweise möglicherweise unterschiedlich angeht.

Bei der Helicoptermom aus der Kindergruppe kann es die Liebe zu dem Kind sein – die sie eben damit ausdrückt, indem sie Charlott-Marie beim Klarinettenunterricht in einen gepanzerten Schutzanzug steckt, während man selbst der Ansicht ist, dass klein Henry mit fünf Jahren nun endlich alt genug für die viertägige Quadtour in der Steinwüste ist. Und trotzdem können beide aus vollem Herzen sagen: Ich will das Beste für meinen Nachwuchs.

Grundsätzlich verbindet uns Menschen mehr, als uns trennt. Wir wollen Glück suchen, für uns und unsere Lieben, und wir wollen Schmerz vermeiden.

Meist ist nur die Art und Weise, an dem die Meinungen auseinanderdriften. Warum sollten wir unfreundlich oder unfair werden, nur weil wir manche Herangehensweisen anders sehen?

Ja, selbst der nervigste Kollege ist auch nur ein Mensch auf seinem Weg durchs Leben, den er so gut wie möglich bewältigen will. Das Gute ist doch: Wir müssen uns nicht einmal mögen, um gut miteinander auszukommen. Es reicht, Respekt vor den Unterschiedlichkeiten zu haben. Und uns hier und da ein bisschen hineinzuversetzen in seine oder ihre Lage. Wenn wir uns in dieser Empathie üben, kann selbst eine dünne Wolke von Gelassenheit irgendwann so groß und stark werden, als hätten wir sie mit Anabolika gefüttert.

Mehr dazu unter Wie man aufhören kann, genervt und verletzt zu sein (in 60 Sekunden) und im myMONK-Buch Wie man die Dinge nicht mehr so persönlich nimmt.

Photo: Monk walking von benedix / Shutterstock