Teile diesen Beitrag "Ratschläge aus der Hölle, Teil 1: Wie man richtig gute Ängste entwickelt"
Text von: Romy „The Devil” Hausmann
Willkommen, FreundIn. Schön, dass Du hergefunden hast. Heute widmen wir uns Deinen Ängsten. Es gibt so wundervolle Ängste. Zum Beispiel die Angst, nicht wertvoll, nicht wichtig genug zu sein. Die Angst, etwas zu verpassen. Ach, was red‘ ich? Es gibt ganze Angst-Kataloge! Du wirst erfahren, wie Du die Ängste, die Du bereits hast, noch verstärken kannst, oder sogar nachhaltig ein paar ganz neue kultivierst. In Ängsten bin ich super, also glaub mir, kompetenter bist du nirgends aufgehoben. Ängste, uh… lass allein das Wort mal auf Dich wirken. Spür‘ in Dich hinein, spüre, wie es wie auf Knopfdruck Deinen Puls ansteigen lässt. Wie es die Sorgen-Schlacken nach oben spült, Bilder erzeugt und Brustkorb-Beklemmung.
Fühlst Du, was ich fühle? Nein?
Kein Problem, ich kann Dir helfen. Hier fünf Tipps, wie Du den Nährboden für richtig gute und sinnvolle Ängste schaffen kannst. Ängste, die ein paar angenehm kühlende Schatten auf Dein Leben werfen, falls Du davon gelangweilt bist, dass es Dir eigentlich ganz gut geht.
Geh‘ shoppen.
Hach, dieses Jäger- und Sammlergefühl, wenn Du mit dreißig Jeans oder fünfundzwanzig weißen, unbedruckten T-Shirts in Richtung Anprobe marschierst und Deine Arme beinahe brechen unter dem Gewicht. Diese Freude, sich unter dem grellen Licht in der Umkleidekabine vor dem figurschmeichelnden Spiegel zu drehen, der Dir auf die Frage, wer die oder der Schönste im ganzen Lande sei, ein ekstatisches „Du!“ entgegenbrüllt. Der Kick, wenn die Kreditkarte durch den Schlitz des Kartenlesers gleitet … ja, Shoppen macht glücklich. Je mehr, desto besser. Ich kann Dir nicht sagen, wie oft ich komplette Samstage meinen Shopping-Streifzügen durch die Münchner City gewidmet habe, immer begleitet von so etwas wie: Neue Klamotten machen einen neuen Menschen aus mir. Machen mich schöner. Angesehener. Hipper. Cooler. Und wahrscheinlich taten sie das – wenn auch nur einen kurzen Moment. Denn Ernüchterung folgte, wenn ich versuchte, meine neuerliche Ausbeute in meinen ohnehin schon aus sämtlichen Furnieren platzenden Kleiderschrank zu zwängen. Folgte, wenn mir klar wurde, dass ich gerade eine stolze Monatsmiete ausgegeben hatte. Folgte spätestens, wenn das Geld an anderer Stelle (ebenjene Monatsmiete) schmerzlich fehlte. Aber hey! Ich hatte schicke neue Klamotten. Daher: Geh‘ shoppen. Jedes Leid fühlt sich gleich weniger schlimm an, wenn man dabei gut aussieht.
Beeil Dich.
Stress lässt Dich fühlen, dass Du am Leben bist. Lässt diese geile Mischung aus Adrenalin und Cortisol durch Deinen Körper schießen wie eine Droge. Lässt Deine Herzfrequenz ansteigen genau wie Deinen Blutzuckerspiegel. Vielleicht kriegst Du auf Dauer sogar ein Magengeschwür davon (ist doch ziemlich hip, so in Managerkreisen). Immerhin hat ein Tag vierundzwanzig Stunden. Überleg‘ mal, was Du da alles reinpacken könntest, wenn Du nur ein bisschen zackiger unterwegs wärst! Pausen sind schließlich nur was für Schwächlinge, Ruhepuls was für Leute, die im Krankenhaus liegen, und schlafen kannst du auch noch, wenn Du tot bist. Arbeite stattdessen lieber noch ein bisschen an Deiner To-Do-Liste. Die sieht nämlich echt kläglich aus mit ihren läppischen dreißig Punkten.
Sei weniger kreativ.
Hobbys sind was für Menschen mit zu viel Zeit, pure Zeitverschwendung gar, wenn Du es im Leben zu etwas bringen willst. Malen, backen, schreiben, Blockflöte spielen – mal ehrlich, was soll das? Klar, angeblich (ja, okay: nachgewiesenermaßen) wurde festgestellt, dass Kreativ-Sein, egal wie und wodurch, wie ein Kurzurlaub für’s Gehirn wirkt, uns aus unserem meist straff getakteten Alltag rausreißt und uns ein Gefühl von Freiheit gibt. Die Fachleute von „The Journal of Positive Psychology“ gehen nach hinreichenden Studien sogar so weit zu behaupten, „dass tägliche Kreativität ein Mittel sein kann, für das Wohlergehen unserer Psyche zu sorgen.“ Aber – come on! – wenn wirklich irgendwann mal was nicht stimmen sollte mit Deiner Psyche, kannst Du doch immer noch zum Therapeuten gehen und Dir ein paar Pillen verschreiben lassen.
Vergleiche Deine Erfolge.
Der Nachbar mit dem grüneren Gras. Die Freundin mit den größeren Brüsten. Der Kollege mit dem fetteren Gehaltsscheck. Was ist mit Dir, Loser? Kies statt Gras. Flach wie das nordische Land. Arm wie ne Kirchenmaus. Erst durch Vergleiche wird Dir bewusst, was für ein wertloser Mensch Du eigentlich bist. Wie wenig Du in Deinem Leben erreicht hast. Wo Du stehen könntest, wenn Du bloß eins nicht wärst: so gottverdammt „Du“. Vergleiche zünden ein Feuerwerk, lassen Neid-Knallkörper und Depressionsschübe detonieren, sodass am Ende nur noch das hier steht: ein ganz und gar unzufriedener Mensch. Da kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch (und hoffentlich bist Du unzufriedener als Dein Nachbar, sonst hätte er Dich auch in dieser Beziehung wieder überholt.)
Sag “Ja” zu allem.
„Ja“ ist die Lösung. „Ja“ ist das Wort. Wenn Du Dir angewöhnst, zu allen und allem „Ja“ zu sagen, hast Du die anderen vier vorherigen Punkte eigentlich schon ganz automatisch miterfüllt. Sag‘ „Ja“ zu den Shopping-Verlockungen, dem Stress, dem Chef, der Dir noch mehr Überstunden aufbrummen will. Sag „Ja“ zum Nächte-Durcharbeiten und „Nein“ zu den zeitraubenden Kinkerlitzchen wie Auszeiten, Freunde treffen, zum Einfach-mal-innehalten, zum Durchatmen und zum Bewusstmachen, wer Du bist und was Dich einzigartig macht. Du bist nicht auf dieser Welt, um glücklich und gesund zu sein, um Dich auszuprobieren und Deine Erfahrungen zu machen. Du bist eine Maschine mit nur einem einzigen Knopf: dem „Ja“-Knopf.
Und nun?
Ja, und nun? Was bleibt übrig von Dir, Mensch? Begraben unter Deinen Ängsten, Sorgen, Verpflichtungen? Nicht viel, das weißt Du selbst. Die Wahrheit ist: Wir brauchen keine zusätzlichen Ängste und Gedanken, die uns runterziehen und klein machen. Der Alltag, unser Leben, fordert uns genug ab. Es gibt Zeiten, in denen wir schwach sind, auch ohne zusätzliches Gepäck. In denen wir am Boden liegen wie ein verunglückter Cowboy und nichts utopischer scheint, als uns sofort wieder in den Sattel zu schwingen. Ja, wir haben Ängste, und einige können sogar sinnvoll sein, weil sie uns darauf hinweisen, was uns wichtig ist, wofür unser Herz schlägt, um welche Baustellen wir uns kümmern sollten. Manche Angst ist ein guter Indikator und nicht per se des Teufels (der mir übrigens diesen Artikel eingeflüstert hat, um Dich auf die dunkle Seite zu ziehen). Woran ich Dich heute – bei aller Ironie – eigentlich nur erinnern möchte, ist: Du bist genug. Du tust genug. Du brauchst nicht noch mehr Ballast. Lass los und tu zur Abwechslung einfach mal etwas, das Dir guttut. Du hast es verdient.
Photo: Lonely Man von Marc Bruxelle / Shutterstock
Wow, ein sehr mutiger Artikel. Angst ist ein schlimmes Thema. Es vermiest einem so richtig den Tag.
Danke für diesen wunderbaren Artikel. Die positive innere Einstellung ist bei der Überwindung von Ängsten eine wichtige Voraussetzung.
Liebe Grüße,
Christian
Ich würde noch hinzufügen: lese Zeitungen 😉 Liebe Grüsse, Tina
Ein schöner Beitrag!
Es erinnert mich sehr an die „Anleitung zum Unglücklichsein“ von Paul Watzlawick.
Falls jemand dieses Buch noch nicht kennt, es ist eine wirkliche Bereicherung!