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Es folgt ein Text von Ulrike Hensel, Autorin des myMONK-Buchs Hochsensibel das Leben meistern.

Bist Du als Freund/in, Partner/in, Kollege/Kollegin oder Familienangehörige/r einer hochsensiblen Person manchmal ratlos, was du im Umgang mit ihr tun und lassen solltest? Hier soll es darum gehen, wie Menschen im Umfeld gut mit einer hochsensiblen Person (abgekürzt HSP) – egal ob Mann oder Frau – auskommen können. Was die Hochsensibilität betrifft, beziehe ich mich auf das Konzept der US-amerikanischen Psychologin Dr. Elaine N. Aron, die festgestellt hat, dass 15-20 Prozent der Bevölkerung deutlich sensibler sind als die Mehrheit. Mein Anliegen ist es, zu einem gelingenden, erfreulichen Miteinander beizutragen.

Das Erkennen und Berücksichtigen der Hochsensibilität bei Deinem Gegenüber ist von großer Bedeutung. Gleichwohl rate ich Dir, nicht alles, was Dir an demjenigen, an den Du jetzt denkst, auffällt, damit erklären zu wollen. Dein Gegenüber und Du, Ihr seid in erster Linie einzigartige Individuen, nicht HSP und Nicht-HSP. Trotz dieser Relativierung lassen sich einige allgemeingültige Aussagen treffen und mit Empfehlungen verbinden.

Hochsensibilität grundlegend verstehen

Zunächst möchte ich Dir einige Informationen geben, die typische Eigenschaften sowie das Verhalten und die Reaktionen von HSP für Dich verständlicher machen können:

  • HSP nehmen insgesamt besonders intensiv, umfangreich, nuancenreich und subtil wahr, sie verarbeiten Informationen gedanklich tief, komplex und differenziert, und sie weisen eine hohe Gefühlsintensität, Empathiefähigkeit und emotionale Reaktivität auf.
  • HSP erleben ihren Körper, ihre Psyche sowie alles, was sie umgibt, ungeheuer eindrucksvoll und mit viel Nachhall, was einerseits eine Quelle von Freude ist und andererseits für sie mitunter nicht leicht auszuhalten ist.
  • HSP erreichen unter denselben äußeren Bedingungen deutlich früher als andere das Stadium der Überstimulation und Überforderung – und damit auch den Punkt, an dem ihnen alles zu viel wird und sie sich zurückziehen möchten, um sich von dem Stress wieder zu erholen. Es muss nicht immer eine Pause sein, oft tut auch einfach eine ruhige Beschäftigung für sich allein gut.
  • HSP beobachten ihre Umgebung sehr wachsam und aufmerksam, interessieren sich für die Details. Ihnen fallen Kleinigkeiten auf, auch Fehler, Ungereimtheiten und Abweichungen vom Üblichen; mitunter fokussieren sie auf das, was stört, fehlt, nicht (ganz) stimmt, verbessert werden könnte.
  • HSP fühlen sich in manchen sozialen Kontexten nicht richtig zugehörig, sondern als Außenseiter und leiden darunter, so häufig verkannt und nicht verstanden oder gar belächelt, in Frage gestellt und abgewertet zu werden, was zu innerem und äußerem Rückzug oder auch frustrierter Feindseligkeit führen kann.

Bitte einige Dinge bedenken und beachten

Im Folgenden findest Du ein Dutzend Hinweise für Deinen Umgang mit einer hochsensiblen Person:

  1. Prüfe Deine grundlegende Einstellung der HSP gegenüber: Inwieweit ist die achtungsvoll? Unvoreingenommen? Annehmend? Sei um eine Haltung bemüht, die auf Respekt und Wertschätzung gründet. Vielleicht kannst Du die Wesensunterschiede nicht nur als schwierig, sondern auch als fruchtbar für das Zusammensein, das Zusammenleben bzw. die Zusammenarbeit ansehen.
  2. Vermeide Sätze, die verurteilen, abwerten, belächeln, in Abrede stellen, bagatellisieren, pauschalisieren, ratschlagen wie „Du bist überempfindlich!“, „Sei doch nicht so empfindlich!“, „Du Mimose!“, „Du bist eben ein kleines Sensibelchen!“, „Stell dich nicht so an!“, „Was hast du jetzt schon wieder?“, „Du bist immer so kompliziert/schwierig/anstrengend!“, „Das kann doch gar nicht sein!“, „Du spinnst!“, „Da ist nichts, das bildest du dir ein!“, „Du übertreibst!“, „Steiger dich nicht so rein!“, „Nimm doch nicht alles so persönlich!“, „Du musst dir ein dickeres Fell zulegen!“, „Das ist doch halb so schlimm/gar nicht schlimm!“, „Lach doch mal!“, „Entspann dich mal!“, „Du machst dir zu viele Gedanken!“, „Du bist zu sensibel/emotional/tiefschürfend/abgehoben/…!“, „Sei doch nicht so!“.
  3. Bedenke, dass die Erlebniswirklichkeit der HSP sich von Deiner erheblich unterscheidet. Höre der HSP zu, wenn sie erzählt, wie sie die Welt erfährt und was sie denkt, teile Dich umgekehrt über deine Auffassung und Gedanken mit. Beide Sichtweisen können nebeneinander gestellt werden. Vermeide die Einteilung in ‚richtig‘ und ‚falsch‘ und den Streit ums Rechthaben.
  4. Nimm die HSP ernst. Interessiere Dich für die Empfindungen, Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche der HSP (was nicht automatisch heißt, dass Du für die Erfüllung zuständig bist) und sprich über Deine Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche. Suche mit der HSP gemeinsam nach einem praktikablen und tragfähigen Konsens bei unterschiedlichen Bestrebungen und Wünschen. Setze dafür Kreativität und Experimentierfreude ein.
  5. Sei um Verständnis bemüht. Gehört und verstanden zu werden, ist für HSP unglaublich wichtig. Wundere Dich nicht: Es wird Dir nicht (jederzeit) möglich sein, Dich in das Gefühlsleben einzufühlen, die Denkweise nachzuvollziehen, geäußerte Bedürfnisse wirklich zu verstehen. Ein stimmiges „Ich habe dir aufmerksam zugehört“ (vielleicht gefolgt von der Aufforderung „Sag mir, was du dir von mir wünschst“) ist mehr wert als ein dahingesagtes „Ich verstehe dich“.
  6. Wahre wenn irgend möglich eine freundliche, wohlwollende Zugewandtheit, äußere Kritisches sachte, aber gerade heraus,sachlich und konstruktiv. Bedenke: HSP sind zumeist von sich aus sehr bemüht, es anderen recht zu machen, Fehler zu vermeiden bzw. schnell zu korrigieren, sie brauchen Hinweise, aber keine nachdrücklichen Ermahnungen.
  7. Wenn Du der HSP im Kommunikationsstil entgegenkommen möchtest, nimm Dich in der Lautstärke und der Eindringlichkeit Deiner Sprache (in Ton und Wortwahl) und in Deiner Forschheit ein Stück weit zurück. Bremse Dich mit Hauruck-Problemlösungen. Bedränge die HSP nicht bei Entscheidungen.
  8. Versuche nicht, HSP zu häufigerem Zusammensein, früherem Kommen, längerem Bleiben, mehr gemeinsamen Aktivitäten zu überreden. Respektiere ihr wiederkehrendes Bedürfnis nach Rückzug. Bedenke: HSP brauchen verhältnismäßig viel Alleinzeit, um sich wieder zu besinnen, zu entspannen und wieder Kraft für ein In-Gesellschaft-Sein und eine Unternehmung zu schöpfen.
  9. Verhalte Dich durchgängig ehrlich, fair, integer, solidarisch und kooperativ. Nimm die Hilfsbereitschaft der HSP an, aber nutze sie nicht aus. Zeige Dich möglichst entgegenkommend, was die Gestaltung der Umgebungsbedingungen angeht (Radio, Heizen, Lüften …), stimme aber auch nicht einfach zu, wenn es für Dich gar nicht passt. Es ist schön, wenn Du zu einer gewissen Rücksicht bereit bist, es wäre aber nicht gut, wenn Du Dich verbiegst.
  10. Lasse Leichtigkeit und Humor im Miteinander nicht zu kurz kommen. Ziehe aber nie das Hochsensibelsein ins Lächerliche. Mach keine Witze auf Kosten der HSP und sei sehr vorsichtig mit ironischen Bemerkungen.
  11. Bringe bei passenden Gelegenheiten zum Ausdruck, inwiefern die Eigenschaften und die Handlungsweisen der HSP dich erfreuen und Dein Leben bereichern. Richte den Blick bewusst auf Stärken und sieh auch in der Übersteigerung von manchem Verhalten den wertvollen Kern (z. B. die Gründlichkeit im Perfektionismus).
  12. Achte sehr auf Deine Zuverlässigkeit. Überleg dir gut, was Du der HSP zusagst/versprichst/in Aussicht stellst und halte dann Wort – oder erkläre zumindest schlüssig, warum Du es nicht oder anders tust. Halte Termine ein bzw. informiere frühzeitig über Verzögerungen. Bedenke: HSP legen sehr viel Wert auf Vertrauenswürdigkeit, Worttreue und Verlässlichkeit.

Konflikte konstruktiv klären

Ich möchte noch betonen, dass ein vollständiges Verstehen und Einfühlen in einen anderen Menschen gar nicht möglich ist, erst recht nicht, wenn er ein ganz anderes Naturell hat. Viel wichtiger ist ohnehin ein Achten und Annehmen des anderen, wie immer er vom Wesen her auch sein mag. Empfehlenswert ist eine authentische und klare Kommunikation, die Gefühle und Bedürfnisse zum Ausdruck bringt, die Anliegen und Absichten transparent macht, auch die eigenen Grenzen aufzeigt – und das wechselseitig.

Versteht man Konflikte als das Aufeinandertreffen von widerstreitenden Meinungen, Interessen, Wünschen und Bestrebungen, dann wird klar, dass Konflikte natürlicherweise zum sozialen Leben gehören. Konfliktlosigkeit ist eine Illusion. Echte Harmonie entsteht durch das konstruktive Klären von wesentlichen Konflikten.

Mehr zum Thema Hochsensibilität findest Du hier und hier sowie im myMONK-Buch Hochsensibel das Leben meistern.


Ulrike-Profilbild-2000pxUlrike Hensel

Die Autorin Ulrike Hensel studierte Angewandte Sprachwissenschaft und absolvierte später eine Coaching-Ausbildung. Sie arbeitet selbstständig als Textcoach für Trainer, Berater und Coaches sowie als Coach für Hochsensible.

Für myMONK hat sie das Buch Hochsensibel das Leben meistern geschrieben.


Photo (oben): Introvert woman von Rasstock / Shutterstock