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Text von: Romy Hausmann

„Wie sagt man?“

Mein 7-jähriger Sohn glotzt. Reicht es denn nicht, dass er das Papier vom Geschenk gerupft hat, ein paarmal wie ein Flummi auf- und abgesprungen ist und ein paar unverständliche Freuden-Gluckser von sich gegeben hat?

Nein, es reicht nicht.

Er soll auch noch „Danke“ sagen, darauf bestehe ich. Das macht man nämlich so. Das gehört zum guten Ton, zur guten Erziehung. Danke sagen aus Höflichkeit. Immer und für alles. Für das Geschenk, das Oma ihm bei ihrem Besuch mitgebracht hat (egal, ob es ihm gefällt oder nicht). Für das Glas Saft, das ich ihm eingegossen habe. Für das Stück Schokolade nach dem Mittagessen. („Wie? Nur ein Stück?“ – „Nun sei mal nicht so undankbar! Die Kinder in Afrika würden mir ein Denkmal bauen für ein Stück Schokolade! Und jetzt: Wie sagt man?“)

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Ich will ehrlich sein: Worauf ich bei meinem Sohn so dringend bestehe – nämlich Dankbarkeit – kommt mir selbst im Alltag öfter mal abhanden. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die vor jedem Sonnenstrahl ehrfürchtig auf die Knie fallen. Zu denen, die regelmäßig die Gitarre aufsatteln und „Danke für diesen guten Morgen“ anstimmen. Die jeden Regenbogen bestaunen und ständig darüber missionieren, wie wertvoll jeder einzelne Atemzug ist (auch wenn das tatsächlich so ist).

Klar, wenn ich darüber nachdenke, dann fällt mir schon ein, dass ich es gut habe: Ein gesundes Kind. Selbst gesund (und noch kaum Falten, was in meinem Alter, mit Mitte 30, ja auch schon ziemlich cool ist). Ein schönes Zuhause. Und mein Geld verdiene ich mit Dingen, die mir Spaß machen. Was für ein tolles Leben eigentlich.

Nur vergesse ich das eben leider manchmal. Halte die Dinge stattdessen für selbstverständlich – oder mehr noch: sehe sie als meinen persönlichen Verdienst an. Ein Dach über dem Kopf? – Also bitte, dafür zahle ich ja schließlich auch jeden Monat ordentlich Miete!

Ein voller Kühlschrank? – Na ja, von alleine haben sich die schweren Einkaufstüten nun aber auch nicht nach Hause getragen!

Und dieses super aufregende, neue Projekt? – Ja, entschuldige mal, dafür hab ich aber auch jahrelang echt hart gearbeitet!

Bei all dem merke ich oft gar nicht, wieviel mir entgeht, wenn ich den Wert der Dankbarkeit aus den Augen verliere.

Dankbarkeit macht glücklich

Das ist wissenschaftlich bewiesen. Bei einer Studie in den USA hat man die Teilnehmer zehn Wochen lang regelmäßig aufschreiben lassen, wofür sie im Alltag dankbar waren: Von Kleinigkeiten wie dem oberleckeren Schnitzel zum Mittagessen bis hin zum langersehnten Heiratsantrag. Das Ergebnis nach dieser Zeit: Mehr Zufriedenheit, besserer Schlaf, bessere Sozialkontakte und sogar ein geringeres Schmerzempfinden.

Das funktioniert sogar in Echtzeit: Wenn ich in diesem Moment an meinen Sohn denke – mein hinreißender, kleiner Lieblingsmensch und definitiv der beste Grund, um dankbar zu sein – wird automatisch das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet. Funktioniert absolut: Du solltest mich jetzt mal lächeln sehen!

Dankbarkeit macht uns krisenstark

Dankbarkeit funktioniert nach dem „Fülle-Prinzip“. Man konzentriert sich dabei nicht auf den Mangel, sondern auf das, wofür man bereits jetzt dankbar sein kann. Das gibt uns auch in Krisenzeiten Kraft und schafft eine Perspektive.

Der amerikanische Filmemacher Louie Schwartzberg, der sich darauf verlegt hat, Dankbarkeit in bewegte Bilder einzufangen, schlägt folgende Übung vor, wenn die Dinge mal nicht so laufen, wie wir uns das wünschen:

  1. Schreibe fünf Dinge auf, für die Du in Deinem Leben dankbar bist, ob im Allgemeinen oder im Speziellen: z.B. Deine Gesundheit oder den netten Anruf der besten Freundin vorhin. Damit ist das Gehirn schon mal auf „positiv“ programmiert.
  2. Dann erst beschäftigst Du Dich mit Deiner aktuellen Krisen-Baustelle. Mach Dir auch dazu Notizen: Ein paar Stichworte zur Situation, wie sie sich anfühlt, was Dir so schlimm daran vorkommt.
  3. Frage Dich, welche positiven Aspekte diese Situation trotz allem haben könnte, und notiere das ebenfalls. Schwartzbergs recht simples Beispiel hierfür ist der Bus, den man in der Früh verpasst hat.Die positiven Punkte könnten jetzt lauten:
  • Zwar hast Du den Bus verpasst, dafür hattest Du aber endlich mal wieder ein bisschen körperliche Bewegung, als Du dem Bus hinterhergesprintet bist.
  • Zum Glück lebst Du ja sowieso in einer Stadt, in der alle zehn Minuten der nächste Bus kommt.
  • In zehn Jahren wirst Du Dich überhaupt nicht mehr daran erinnern, dass Du heute den Bus verpasst und Dich so darüber geärgert hast. Also ergibt es auch überhaupt keinen Sinn, sich jetzt darüber zu ärgern.

Gut, mich persönlich hat ein verpasster Bus noch in keine Lebenskrise gestürzt (ist ja aber auch nur ein Beispiel). Allerdings hat mir diese Übung vor einigen Jahren sehr geholfen, als die Firma, in der ich gelernt und anschließend eine gefühlte Ewigkeit gearbeitet hatte, von heute auf morgen dichtgemacht hat. Ernsthaft, am letzten Tag habe ich meinem damaligen Chef zum Abschied das Hemd nassgeheult (Sind die Flecken von der Mascara eigentlich je wieder rausgegangen, Herr E.?).

Ich hatte keinen Job mehr! All die netten Leute, die zu meiner zweiten Familie geworden waren! All die Jahre, die Überstunden, das Herzblut, das ich in unsere Projekte gesteckt hatte! Alles war auf einmal weg. Es war ziemlich schwer, etwas Positives an dieser Situation auszumachen, aber mit der Lupe betrachtet ließ sich dann doch noch etwas finden:

  • Ich hatte in den Jahren bei dieser Firma so viel gelernt, dass ich jetzt für andere Jobs ausreichend qualifiziert war.
  • Ich hatte über die Zusammenarbeit mit anderen Firmen Kontakte geknüpft, die ich jetzt nach freien Stellen fragen konnte.
  • Meine Kollegen waren zu Freunden geworden, und Freunde treffen sich auch außerhalb der Bürozeiten.
  • Hätte sich die Firma nicht aufgelöst, würde ich wahrscheinlich bis dreißig Jahren noch dort arbeiten. Jetzt hatte ich die Chance (und einen perfekten Grund), mal wieder etwas Neues auszuprobieren. Eigentlich wollte ich ja auch schon immer mal ein Buch schreiben…

Du siehst: Diese Übung basiert sehr stark auf dem guten, alten „Das Glas ist halbvoll“. Aber mal ehrlich: Das ist doch schon immer das bessere von beiden Gläsern gewesen, oder?

Dankbarkeit ist ein (vielleicht sogar lebenslanger) Antrieb

Die ganzen alten Menschen, die ins Altersheim kommen und dort rasend schnell abbauen. Jeden Tag ein bisschen weniger Lust am Leben. Jeden Tag ein bisschen mehr Sehnsucht nach dem Sensenmann. Das liegt in manchen Fällen vielleicht auch daran, dass sie sich nicht mehr gebraucht fühlen. Dass niemand mehr „Danke“ sagt.

Es gibt Regionen auf der Erde (z.B. im Kaukasus, im Hunzatal, in Japan, aber auch in Italien), da ist die medizinische Versorgung nicht besser als bei uns (oft sogar viel schlechter). Trotzdem werden die Menschen dort um einiges älter („Enkel, ich sag Dir: die ersten hundert Jahre sind immer die schwersten!“).

Wissenschaftler erklären das zum einen mit besonderen Ernährungsgewohnheiten, zum anderen aber auch damit, dass die Lebenserwartung automatisch steigt, wenn man stetig sozial eingebunden bleibt, was in diesen Regionen zum Standard gehört. Ob bei der Ernte, im Haushalt oder bei der Kinderbetreuung – Oma und Opa werden gebraucht. Helfen den Jüngeren, erfahren dafür Dankbarkeit und Achtung.

Um das nachzuvollziehen, müssen wir nicht erst bis zum Rentenalter warten. Auch jüngeren Leuten, die ihre Arbeit verloren haben, geht es oft ganz ähnlich. Das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, ist manchmal schlimmer als die finanzielle Einbuße. Macht schlapp. Lähmt. Schmälert den Kosmos auf Couch, Fernbedienung und Sinnlosigkeit.

Das „Danke“ von anderen treibt uns an. Doch auch selbst „Danke“ zu sagen, gibt uns Kraft.

Dankbarkeit ist mehr als gute Erziehung oder eine Floskel

Dankbarkeit ist Freude. Wertschätzung. Liebe.

Das Gefühl, ein Geschenk bekommen zu haben, von dem man das Papier rupft. Das einen zu innerlichen Flummi-Sprüngen animiert und einem unverständliche Gluckser entlockt. Mein Sohn ist manchmal wirklich so viel schlauer als ich. Wie dankbar ich ihm sein kann.

Und Dir danke ich auch. Weil Du Dir die Zeit genommen hast, diesen Text zu lesen.

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Photo: Grateful young woman