Teile diesen Beitrag "Schreiben als Meditation: Mit Stift und Papier zu mehr Lebensqualität"
Es folgt ein Gastbeitrag von Paul Henkel.
Wenn du Meditationsanfänger bist und dich mit dem Sitzen in der Stille (noch) nicht richtig anfreunden kannst oder schon erfahrener bist, aber etwas Neues ausprobieren möchtest, können Schreibmeditationen eine echte Alternative für dich sein.
Dass Meditation viele Vorteile hat, ist mittlerweile wissenschaftlich gut erforscht. Leichter macht es das Meditieren trotzdem nicht. Oft wird mit Meditation nur das stille Sitzen verbunden. Dabei gibt es viele Formen. Ich habe vor einiger Zeit Schreiben als Meditation für mich entdeckt.
Als On- und Off-Meditierender und Schreibjunkie war ich zunächst skeptisch, da Schreiben für mich mit Denken verbunden ist und Meditation ja gerade zum Ziel hat, das leidige Gedankenkarussell zum Schweigen zu bringen. Ich war überrascht, dass Schreiben und Meditation doch so gut zusammengehen. Das Tun und die innere Stille. Vielleicht kann Schreibmeditation auch für dich eine Variante sein, den Lärm in deinem Kopf leiser zu drehen.
Was bringt Schreibmeditation?
Das Ziel von Meditation ist immer gleich: die Beruhigung der Gedanken, die geistige Sammlung. Wer regelmäßig praktiziert, erlebt die Auswirkungen von Meditation in vielen Lebensbereichen, kann sich zum Beispiel besser fokussieren, seinen Tag produktiver gestalten und achtsamer mit seinen eigenen Bedürfnissen und anderen Menschen umgehen.
Wie man diese innere Ruhe der Meditation erreicht, ob über das Sitzen in der Stille, Gehen, Sport oder eben Schreiben, spielt für die möglichen Wirkungen keine Rolle. Jeder kann hier den für sich stimmigsten Weg finden. Schreibmeditationen kann einer sein.
Wann meditieren?
Viele erfahrende Meditierende empfehlen es, morgens zu meditieren. So kannst du dich in eine achtsame Grundhaltung für den Tag zu bringen. Für mich funktioniert das derzeit mit meinem relativ frühen Arbeitsbeginn allerdings nicht. Ich bin einerseits viel zu müde, um wirklich achtsam zu sein, und andererseits mit meinen Gedanken schon längst im Büro.
Wenn es also nicht deinem Biorhythmus oder Tagesablauf entspricht, dir morgens in Ruhe die Zeit zu nehmen, um zu meditieren und du regelmäßig gehetzt und emotional aufgewühlt an deinem Meditationsort sitzt, dann ist der Morgen einfach nicht dein Moment für Achtsamkeitsübungen. Du kannst dann zum Beispiel genauso gut am Abend praktizieren.
Es gibt viele Menschen, die auf Abendmeditationen schwören, um den Tag ausklingen zu lassen, die Gedanken zur Ruhe zu bringen und einen erholsamen Schlaf zu unterstützen. Quintessenz: Es gibt keine richtige oder falsche Tageszeit zum Meditieren. Probier aus, was für dich am besten funktioniert.
Vorbereitungen für Schreibmeditation:
- Wenn du eine Schreibmeditation versuchen willst, suche dir einen ruhigen Ort und stimm dich auf die kommende Auszeit vom Alltag ein.
- Lege Papier und Stift bereit.
- Stelle einen Timer auf 10 bis 15 Minuten.
- Schließe die Augen und nimm einige tiefe Atemzüge.
- Nimm dann deinen Stift und beginne mit einer der Schreibmeditationen…
Schreiben als Meditation: 4 bewährte Methoden
Es gibt nicht die eine Art, das Schreiben als Meditation zu nutzen. Ich stelle hier einige Varianten vor, die ich selbst ausprobiert habe, die in einer langen Tradition stehen und sich in der Praxis bewährt haben. Am Ende sind es Vorschläge, mit denen du selbst experimentieren kannst.
1. Inspirierende Texte abschreiben
Bei dieser traditionellen Form der Schreibmeditation werden aus spirituellen oder religiösen Texten Passagen langsam per Hand abgeschrieben. Du kannst auch Gedichte oder Passagen aus Büchern abschreiben, die für dich eine besondere Bedeutung haben. Ob aus der Bibel, dem Yogasutra, Werken von Rilke oder „der Alchimist“ von Paulo Coelho – die Texte sollten einfach eine gewisse geistige Tiefe haben, sich also mit den grundlegenden Fragen und Erfahrungen des menschlichen Lebens beschäftigen.
Vielleicht wechselst du die Bücher, vielleicht nimmst du immer dasselbe und wählst nur die Passage, die dich an diesem Tag ganz unwillkürlich anspricht. Versuche dich ganz auf die Worte zu konzentrieren, die du schreibst, sie wirken zu lassen und dich nicht ausgehend von den Inhalten in Tagträumen zu verlieren. Wenn mich mal wieder eine Welle Zukunftsangst überrollt und ich keine klaren Gedanken fassen kann, vertreibe ich meine Worst-Case-Fantasieren so und hole mir stattdessen Rilkes Worte in den Kopf. Wirkt Wunder.
2. Kalligraphische Meditation
Die kalligraphische Meditation ist ähnlich der ersten Variante. Sie stammt aus Asien und wird zum Beispiel im Zen Buddhismus praktiziert. Hierbei steht weniger der Inhalt des Geschriebenen als der Akt des Schreibens im Vordergrund. Die Bewegung des Schreibens hilft dem Geist, zur Ruhe zu kommen.
Gut eignen sich Zitate oder Aphorismen, die mit Tusche und Pinsel in bunten Farben langsam auf ein Papier gezeichnet werden. Wie die Schrift entsteht und welche Worte gezeichnet werden, lässt man auch dabei intuitiv entstehen. Wichtiger als die Worte ist die Schreibbewegung.
Lass dabei aufkommende Gedanken vorbeiziehen und bleib ganz im Moment. Beobachte den Pinsel, betrachte die feinen Linien. Lass deine Gedanken zur Ruhe kommen und kehre von ihnen, wenn sie dich doch wegtragen, immer wieder in die Stille zurück. Schöner Nebeneffekt: Dabei können schicke Kunstwerke entstehen, die dann als Handlettering gerade ziemlich im Trend liegen.
3. Freies Schreiben aus dem Hier und Jetzt
Die Methode ist angelehnt an die Morning Pages von Julia Cameron, eine bei Autoren und kreativ Schreibenden sehr beliebte Schreibgewohnheit. Schreibe „Jetzt gerade…” auf eine leere Seite und lass die Gedanken und Gefühle kommen. Schreib ungefiltert und ohne große Unterbrechung. Reflektiere nicht währenddessen, warum dir dieser oder jener Gedanke kommt.
Hier geht es nicht darum, das Tagträumen zu vermeiden, vielmehr ist genau das das Ziel: diese unwillkürlichen Gedanken auf Papier zu bringen und den Geist so zu leeren. Das ist meine Schreibmeditation für entspannte Wochenenden, wenn ich dringend auftanken muss. Perfekt, um nach stressigen Wochen voller Reizüberflutung wieder bei mir anzukommen.
4. Beobachtendes Schreiben
Das beobachtende Schreiben hilft allen, die sich beim kalligraphischen Schreiben oder anderen meditativen Handlungen (Teezeremonie, Gartenarbeit) in Tagträumen verlieren, aber ihren Geist zentrieren möchten. Suche dir einen öffentlichen Ort, an dem du gut sitzen kannst und beobachte deine Umgebung. Du kannst dafür eine Bus- oder Zugfahrt nutzen, dich in eine Park setzen oder ein Café.
Schreib, was du siehst. Versuche, mit den Geschehnissen Schritt zu halten. Verlier dich nicht in einer Geschichte, sondern bleib beim schreibenden Beobachten. Du wirst, wenn es ein belebter Ort ist, nicht alles erfassen können, das ist ok. Geh mit deiner Beobachtung, Vollständigkeit ist nicht das Ziel, sondern ganz im Moment präsent zu sein. Du kannst die Übung auch abgewandelt zu Hause durchführen, wenn du dich an eine Szene erinnerst und die Details aufschreibst, die dir noch präsent sind. Wenn du die Möglichkeit hast, empfehle ich dir aber das Beobachten tatsächlicher Geschehnisse, sonst kann es gut passieren, dass du wie ich so häufig in innere Gedankenwelten und aus der Beobachtung gezogen wirst.
Meditatives Schreiben als Gewohnheit?
Wenn du Schreibmeditationen ausprobierst, gib dir selbst ein paar Versuche, ehe du ein Urteil fällst, ob die neuen Techniken für dich funktionieren oder nicht. Um die Wirkungen von Meditation, egal welcher Form, wirklich zu spüren solltest du dir mehr als eine Woche, eher einen Monate Zeit geben.
Für mich ist das schreibende Meditieren eine extrem wertvolle Gewohnheit geworden. Ich nutze es als Ergänzung zur traditionellen Sitzmeditation, die ich auch dann für mich nutzen kann, wenn ich innerlich nicht zum Sitzen in der Stille bereit bin. Ich beobachte, dass ich danach oft kreativere und produktivere Schreibarbeit leisten kann. Vielleicht ist Schreibmeditation für dich auch ein Weg, um mehr Achtsamkeit in deinen Alltag zu bringen.
Wenn du Erfahrungen mit meditativem Schreiben hast, freue ich mich über deinen Kommentar: Was sind Herausforderungen für dich? Und was hat bisher gut funktioniert?
Paul Henkel ist Gründer von Schreiben wirkt. In seinen Artikeln zeigt er, wie jeder Schreiben als Weg nutzen kann, um persönlich zu wachsen.
Auch in seinen Coachings nutzt er regelmäßig die Kraft des Schreibens, um Veränderungen anzustoßen und voranzutreiben.
Photo (oben): umer malik
Toller Artikel! Es ist verrückt, wie viele Menschen sich die Vorteile vom Schreiben entgehen lassen. Danke, dass ihr darauf aufmerksam macht.
lg,
Fabian
Hallo Fabian,
deiner Aussage kann ich mir nur anschliessen. Sich die Vorteile des Schreibens bloß nicht entgehen lassen. Ein guter Freund von mir entdeckt derzeit das Schreiben für sich. Er arbeitet seit ein paar Wochen erst mit den Morgenseiten nach Julia Cameron, das was Paul in Punkt 3 (Das freie Schreiben im Hier und Jetzt) beschreibt. Und es ist echt spannend, wenn wir alle paar Tage mal telefonieren und er mir erzählt von seinen neuen Schreiberlebnissen.
Gruß, Michel
Hey Michel,
wo man sich so wieder trifft 😉 der Tim hat eben einfach die besten Sachen am Start 😉
Sag mal, hättest du vielleicht mal so ein oder zwei Beispiele für die Erlebnisse deines Freundes? Ich finde so etwas ja immer so spannend, was das so mit einem Menschen machen kann…
Hey Ildiko,
ja, man trifft sich immer bei den Besten. 😉
Natürlich kann ich Beispiele meines Freundes nennen. Seine derzeitigen Herausforderungen lagen im Beruf und Beziehung. Daher hatten diese Themen beim Schreiben seiner Morgenseiten einen gewissen Fokus. Er hat sich seine Gefühle, Gedankengänge und Glaubenssätze von der Seele geschrieben. Dadurch ist er den Themen ein bissel tiefer auf den Grund gegangen und hat so auch den Tag über immer wieder mal drüber nachgedacht.
Das hat nun zur Folge, dass er mit 42 Jahren tatsächlich nochmal ein Fernstudium einlegen möchte UND er überlegt, sich von seiner Frau zu trennen.
Seinen Erzählungen nach hat er viele Jahre lang wie in einem schlafwandelnden Zustand gelebt und ist jetzt erstmal so wirklich aufgewacht.
Und all das hat mit dem Schreiben der Morgenseiten begonnen. Also er hat keine Seminare besucht. Er hat keine Bücher gelesen. Er hatte keinen Coach oder Therapie oder was auch immer.
Es began einfach nur damit, seinem Innenleben endlich mal freien Lauf zu lassen.
Hast du auch schon mal Morgenseiten geschrieben? Komm schon, jetzt musst du aber auch mal was erzählen. Hahaha…
Hallo Tim,
dankeschön für die Anregung.
Ich schreibe auch sehr viel auf, aber eher tagebuchartig in schöne Hefte. Als Meditation habe ich das allerdings noch nie gesehen. Werde mich da mal drauf einstimmen und das ausprobieren.
Ich male auch gerne mit Holzbuntstiften Mandalas aus. Da kann ich reinfallen und bin zu 100% im Hier und Jetzt .
Liebe Grüße
Connie
Hey Connie,
der ganze Dank gebürt hier Paul. 🙂 Aber ich freue mich natürlich auch, dass Dir sein Text gefallen hat.
Ausmalen für Erwachsene hat in den letzten Jahren ja einen ziemlichen Boom erlebt. Kannst Du eines dieser Malbücher besonders empfehlen?
Liebe Grüße Tim
Jaaaaa, das Ausmalen liebe ich auch, ich muss dazu allerdings sagen, Empfehlungen sind an dieser Stelle eher nicht so gut am Platz, in sämtlichen Bücherhandlungen sind diese „Booklets“ ja bereits ausgelegt, ich glaub, da blättert man am besten durch und schaut, was einem am ehesten anspricht.
Du könntest theoretisch sogar bei Google Mandala eingeben und dir welche so ausdrucken, ich mach das für meine Nichte (okay, ab und an auch für mich 😉 ) auch so. Das ist auf jeden Fall auch eine sehr gute Achtsamkeitsübung… 🙂
Danke für diesen Beitrag, Paul.
Stöbere schon seit einiger Zeit immer wieder auf deinem Blog.
Großartiger Beitrag. Habe deinen Blog durch „Zufall“ entdeckt. Spricht mich sehr an.
„Wenn du am Leben bist, dann bist du eine kreative Person.“ Diesen Satz hätte ich vor 15 Jahren noch nicht geglaubt. Jetzt ist mir der Wert und die Macht der Kreativität bewusst.
„Freies Schreiben aus dem Hier und Jetzt“ praktiziere ich jeden Morgen. Die Morgenseiten von Julia Cameron tun mir sehr gut.
Jedoch schreibe ich auf dem Notebook. Ich habe es oft versucht, mit Zettel und Stift. Aber meine Gedanken sind schneller als der Stift. Hahaha… vielleicht sollte ich gerade AUS DIESEM GRUND mit Zettel und Stift schreiben.
Gruß und weiter so…
Michel
Hi Michel,
ich mach das ähnlich, obwohl ein handgeschriebenes Journal etc. und auch viele Übungen noch wirksamer sein sollen, aber das ist für mich nicht nur unleserlich, was ich schreibe, sondern so ungewohnt, dass es fast weh tut. Die Hand kommt einfach nicht hinterher bei meinem (größtenteils natürlich wenig wertvollen) Gedankenstrom.
Liebe Grüße
Tim
Moin Michel,
danke, da schreiben sich die nächsten Beiträge doch gleich nochmal so leicht 🙂 . Und ja, gib mal der analogen Entschleunigung eine Chance. Wär gespannt auf deine Erfahrungen. Ich schreibe digital und analog, hat letztlich beides Vor- und Nachteile.
Grüße und gutes Schreiben
Paul
Moin Jungs,
kann mich dem nur anschliessen, also dem sowohl als auch 😉 – ich persönlich schreibe auch immer noch sehr viel mit Zettel und Stift, klar meine „Klaue“ kann ich teilweise auch nicht lesen, aber wenn ich merke, dass es gar nicht mehr geht, mach ich eine kurze Pause und dann gehts weiter. Es hat einfach eine andere Wirkung auf mich, wenn ich mit der Hand schreibe, als wie wenn ich mit dem Laptop schreibe.
Die Morgenseiten von Julia Cameron mach ich auch gern, eben wie gerade geschrieben, ganz klassisch mit Zettel und Stift.
Übrigens Übung Nummer 4 liebe ich auch, am besten funktioniert das tatsächlich in einem Café, dann beobachte ich die Menschen an den Nachbartischen und überlege mir, was die wohl so für ein Leben führen. Dadurch kam schon die eine und andere Grundlage für meine Stories/Bücher zustande 😉
Hi Ildiko,
das beobachtende Schreiben finde ich auch spannend. Irgendwo sitzen und sich Gedanken über vorbeiziehende Leute machen.
Das erinnert mich an eine Geschichte, die der Musiker Bruce Guthro mal erzählt hat. Viele seiner Songs sind dadurch entstanden, dass er Menschen beobachtet hat und sich Geschichten über sie ausgedacht hat. Er stand z.B. mal am Flughafen und hat einen Mann beobachtet, der sehr traurig aussah. Das war für Guthro dann die Grundlage für einen seiner bekanntesten Songs.
Da kann ich mir gut vorstellen, dass du für deine Stories/Bücher sicherlich auch den ein oder anderen Impuls beim Beobachten bekommst.
Danke Paul, super Impuls, dass ich der analogen Entschleunigung mal eine Chance geben soll. Habe mir heute ein schönes Heft von Moleskin gekauft. Das wird jetzt mein Ergänzungs-Journal zu meinem Online-Journal. Bin gespannt. 😉
Und wenn man plötzlich in einer fantasiereise landet und sich daraus eine kurzgeschichte entwickelt?..das würde mir wahrscheinlich passieren, auf jedenfall werde ich das ausprobieren.
Hi Susanne,
oh, das würde mich interessieren, welche Erfahrungen Du damit machst. Ich denke, wenn die Kurzgeschichte sich von selbst spinnt, ohne kognitives Gelenke, dann kann man sie, so weit sie halt geht, auch im Rahmen dieser Übung gut aufschreiben (und hinterher fortführen und überarbeiten).
Liebe Grüße
Tim
Danke für die Ideen 🙂 Probier ich gern mal aus.
Ich kenne das „Meditieren“ und Handlettering mit der Bibel vom Bible Art Journaling. Das ist auch eine schöne Möglichkeit, damit umzugehen!
Liebe Grüße, Anne
Ich kann nur bestätigen, was du hier schreibst, Paul.
Ich bin letztes Jahr auf „Der Weg des Künstlers“ von Cameron gestoßen und vor allem die Morgenseiten haben mein Leben fast revolutionär verändert. Ich schreibe sie nun schon seit über einem Jahr, jeden Tag. Mir macht es nichts mehr aus, dafür eine Stunde eher als gewöhnlich aufzustehen, ganz im Gegenteil. Ich nehme mir morgens ganz bewusst eine Stunde Zeit, um alle Gedanken und Gefühle einfach runterzuschreiben. Das hat mehrere wunderbare Effekte. Zum einen natürlich, dass der Kopf frei ist für den neuen Tag, Klagen und Sorgen finden so Gehör, ohne dass ich mich stunden- oder tagelang mit ihnen identifizieren müsste und sie mich lähmen könnten. Vielmehr schreibe ich sie runter (selbst wenn es um die kaputte Waschmaschine geht) und allein durch den Akt des Schreibens, kann ich Gefühle akzeptieren („Ja, ich bin mega angepisst, dass das Scheißding schon wieder kaputt ist!“), aber auch auf dem Papier lassen.
Denn ein weiterer schöner Effekt: die Selbstbeobachtung. Welchen Dingen gebe ich Raum auf dem Papier? Bei mir waren es anfänglich fast zu 100% negative Dinge. Als mir das auffiel, begann ich über Dankbarkeit zu schreiben. Jeden Tag ein bisschen mehr.
Und ehe ich mich versah, hatte ich durch das tägliche Schreiben meine Art zu denken positiv beeinflusst. Nicht mehr immer nur Groll und Anspannung den Dingen gegenüber, die man sowieso nicht ändern kann, vielmehr liegt der Fokus jetzt auf den vielen schönen Dingen, die mich umgeben, für die ich vorher so bling gewesen bin.
Ich experimentiere ständig mit diesen Seiten herum, mal schreibe ich auch etwas ab, mal tausche ich für Wochen den inneren Kritiker durch eine freundliche Stimme, die mir gut zuspricht. Alles ist erlaub, alles ist möglich in dieser täglichen Stunde schreiben. Es gibt keine Bewertung, keine Kritik, kein Vergleich und keine Erwartung. Diese Einsicht hat mich sehr befreit.
Schreiben ist Meditation und die Morgenseiten das schönste Ritual, das ich in den letzten Jahren etablieren konnte. Ich kann es jedem empfehlen.
Was für ein wunderbarer Erfahrungbericht. Danke, Bonny!
Das Buch von Julia Cameron „Der Weg des Künstlers. Ein spiritueller Pfad zur Aktivierung unserer Kreativität“ kann ich auch sehr empfehlen. Es verbindet genau das – Schreiben und Meditation. Kann ich auch jedem nahelegen!! 😀
Seit zwölf Jahren schreibe ich die Morgenseiten, die Julia Cameron in ihrem Buch „Der Weg des Künstlers“ empfohlen hat.
Damals dachte ich, dass ich es keine drei Tage durchhalten würde. Mittlerweile sind die Morgenseiten aus meinem Leben nicht mehr wegzudenken. Sie sind für mich die wichtigste Stunde oder gar zwei Stunden des Tages geworden. Durch die Morgenseiten ist eine tiefe Selbstreflexion geschehen. Cameron nennt es auch „unrühmliche Gehirnentleerung“ und das ist es tatsächlich. Erst durch das tägliche Schreiben ist mir aufgefallen, was ich mir so zurecht denke und wie sich das auf mein Leben auswirkt. Durch die Morgenseiten habe ich das ursprüngliche Ziel, mich künstlerisch auszudücken, quasi nebenbei umgesetzt. Nie hätte ich gedacht, das mir die Morgenseiten einmal wichtiger werden, als das Malen oder Fotografieren.
Sie sind ein Teil von mir geworden. Einziger Nachteil, da ich handschriftlich schreibe, haben sich mittlerweile 80 Kladden angesammelt, die aufeinandergestapelt ca. 1,50m hoch sind. Sie nehmen also viel Platz weg und da ich nicht vorhabe damit aufzuhören, muss ich wohl demnächst anbauen. 😉
Vielen Dank für den tollen Impuls. Sowohl „Jetzt gerade…“, als auch Abschreiben von Texten hat mich voll begeistert. Das Buch von Julia Cameron habe ich nun schon besorgt. Jetzt suche ich nach einen tollen inspirierenden Buch, welches ich komplett abschreiben werde… Vorschläge, Tipps, Ideen? Liebe Grüße Ines
Hi Tim! Vielen lieben Dank für diesen tollen Blogbeitrag! Dieser spricht mir wirklich aus der Seele! 🙂
ich schreibe seit ca. 3 Jahren Tagebuch und es ist für mich tatsächlich eine unglaublich tolle Möglichkeit, sich in Achtsamkeit zu üben und mal auf eine andere Art und Weise zu meditieren. Das war zu Beginn gar nicht so einfach, da ich grundsätzlich ein sehr aktiver und impulsiver Mensch bin, dem es eben manchmal schwer fällt, runterzuschalten und geduldig zu sein. Das war eben auch beim Tagebuch schreiben so. Manchmal hatte ich abends nach einem langen und intensiven Tag einfach keinen Nerv mehr, die Zeit und Muse zu finden, um mich dem Schreiben zu widmen. Doch dann kam mir auch die Erkenntnis, diese Zeit als eine Art Geschenk für mich zu sehen und das Schreiben von Texten als Achtsamkeitsübung zu nutzen. Und es klappt mittler Weile so unglaublich gut und ich freue mich richtig auf die Zeit des Schreibens 🙂
Gerade zum Thema Achtsamkeit kann ich dir und euch einen tollen Blog empfehlen, welcher mir ebenfalls einige wertvolle Impulse zu den Themen Achtsamkeit und Meditation gegeben hat. Folgend der Link zu einem spannenden Blogbeitrag über Achtsamkeit: https://buddhacode.de/achtsamkeit-ein-leitfaden-fuer-ein-bewussteres-leben/
Liebe Grüße an euch alle
Chris