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Text von: Christina Fischer

Wenn wir eines im Überfluss haben, dann ist es Wut: der Stinkfinger eines Autofahrers, der tobende Chef, die genervten Kollegen, der Frust der Kunden, der Shitstorm in den Social Media. Dabei sind wir natürlich nicht nur Opfer, sondern auch Täter. Es gibt ja auch mehr als genug, worüber sich trefflich wüten lässt.

Während mir die eine Freundin noch vehement einbläut, dass ich auf keinen Fall Hochzeitstauben einsetzen darf (würde ich nie tun), schlägt mir die andere den Coffee to go aus der Hand, wegen dem unnötigen Plastikdeckel. Die nächste legt mir mit Nachdruck die vegane Ernährung ans Herz, eine andere rückt mir mit Fair Fashion zu Leibe. Ich selbst bin auch nicht besser. Erst kürzlich bin ich einem Freund wegen einem blöden Witz über Frauen schier an die Gurgel gegangen.

Und das ist ja sowieso alles nur die alltägliche Spitze des Problem-Eisbergs, wenn wir uns das Leben und die Welt als Ganzes anschauen. Verletzungen, Missbrauch, Betrug, Gewalt, Terror .
Dabei wusste schon Meister Yoda aus Star Wars: „Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

Aber: Gilt das auch, wenn man für eine gute Sache „wütet“?

Wut und Aggressivität sind nicht dasselbe

Wut ist in unserer Gesellschaft kein gern gesehener Gast. Wenn Wut da ist, sollte man sie tunlichst loswerden, lautet die Devise. Dafür gibt es Anti-Aggressionstherapien und diverse Pillen. Wer da nicht mitmachen will, darf notfalls immerhin auf einen Boxsack eindreschen oder beim Durchfeiern eskalieren und sich so „abreagieren“. Hauptsache, die Wut ist bald wieder weg.

Während wir jedoch ständig damit beschäftigt sind, unsere Wut entweder „rauszulassen“ oder zu unterdrücken, haben wir keine Zeit, sie näher zu betrachten. Denn Wut muss nicht automatisch negativ sein. Wir verwechseln sie nur leider oft mit Aggression.

Aggression ist im Buddhismus neben Gier und Verblendung eines der „drei Gifte“, die unser Leiden verstärken. Wenn wir aggressiv sind, beherrscht uns der (Jäh)Zorn. Wie ein Tier liegen wir auf der Lauer, fletschen die Zähne, sind, sind in Angriffsstimmung und feindselig. Andere Menschen wollen uns zwar eher selten wirklich ans Leder, aber wir halten sie oft für eine Gefahr für unser Selbstbild, fühlen uns beleidigt oder herabgesetzt. Wirklich angegriffen wird (bzw. fühlt sich) dann also eigentlich nur eins: unser Ego.

Im Gegensatz zur Aggression, die sich nur um unser Ego sorgt, hat Wut jedoch oft einen weisen und positiven Kern und kann zu etwas Gutem führen.

Heißt also: Aggression ist ego-getriebene Feindseligkeit. Wut ist ein wichtiger Kompass.

„Wie man Sorgen, Stress und Selbstzweifel loslässt“

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Warum wir Wut brauchen und was sie uns sagen will

Wenn wir von der Wut alles abziehen, was mit dem Ego zu tun hat („Wie stehe ich da? Was denken andere von mir?“), dann bleibt vor allem eines übrig: pure Energie. Wut ist eine Flamme, die in uns brennt, uns aufweckt und handeln lässt. Wir werden wütend, wenn etwas ungerecht ist, wenn für uns etwas absolut nicht richtig ist, eine Grenze überschritten wird. Und wir fühlen den Impuls, etwas dagegen tun zu müssen.

Wenn Menschen gegen ein Unrecht auf die Straße gehen, dann ist da Wut, die für eine gute Sache brennt. Wenn sich jemand traut „Nein“ zu sagen, ist da Wut, die seine Ressourcen und sein Selbstwertgefühl schützen will. Und wenn meine Freundin mir die Hochzeitstauben ausredet, dann ist da ihre Wut, die für die kleinen Täubchen kämpft.

Unter all der Leidenschaft, den brennenden Worten, den großen Gesten lebt hinter Wut auch immer eines: Mitgefühl – mit anderen Menschen, Tieren und sogar mit uns selbst. Nicht immer können wir unser Mitgefühl aber mit sanften Worten und warmen Blicken ausdrücken. Manchmal müssen wir einfach lauter und energischer sein, wenn wir etwas bewegen wollen (und sei es uns selbst). Das ist die ursprüngliche, positive Form von Wut, die etwas Gutes in die Welt bringen kann. Wenn wir selbst aktiv werden.

So können wir die positive Kraft der Wut nutzen

Wenn wir richtig in Fahrt sind, ist es oft schwierig, unsere Wutflamme nicht in ein ganzes Inferno ausarten zu lassen und in ego-getriebene, gedankenlose Aggression zu verfallen. Wir sind dann vollgepumpt mit Adrenalin und auf Kampf eingestellt, doch das Denken kommt in dieser Extremsituation oft zu kurz. Genau dort müssen wir jedoch ansetzen: Bei der Achtsamkeit. Um nicht blind vor Wut zu werden, wenn wir eigentlich klar sehen wollen.

Hier ein paar Dinge, die dabei helfen können:

1. Nicht (unnötig) verletzen

Auch im Yoga ist eine der obersten Regeln „Ahimsa“,übersetzt: „nicht verletzen“. https://de.wikipedia.org/wiki/Ahimsa Was selbstverständlich klingt, kann verdammt schwer sein. Denn wir verletzen uns und andere auf vielerlei Weise und das ist uns oft gar nicht bewusst. Schlechte Laune an anderen auslassen, uns selbst kleinreden, lästern … all das ist verletzend und außerdem eine hervorragende Grundlage für Aggression. Als ersten Schritt können wir uns aufmerksam selbst beobachten: Wie oft bin ich an einem Tag verletzend zu mir und anderen?

2. Hinter die Aggression des anderen blicken

Dass wir nach einer Ohrfeige nicht glücklich die andere Wange hinhalten, sondern eher kräftig zubeißen wollen, ist nachvollziehbar. Doch hinter Aggressivität des anderen stecken meist auch Leid oder Angst. Wer aggressiv auftritt, dessen Ego fühlt sich bedroht – so geht es mir ebenfalls manchmal und Dir ja vielleicht auch. Manchmal reicht es, uns das klar zu machen, um unseren Fokus wieder etwas mehr aufs Mitgefühl zu legen.

3. Warum bin ich wütend?

Wir werden nie grundlos wütend.

Im Kern unserer Wut steckt etwas, das uns sehr am Herzen liegt. Wenn Du also merkst, dass Wut in Dir aufsteigt, kannst Du Dich fragen: „Warum bin ich gerade wütend?“ In der Regel werden zunächst unbefriedigende Antworten auftauchen („Weil der Peter ein Depp ist!“). Aber wenn wir immer weiter „warum“ fragen, kommen wir immer tiefer an den Kern der Sache. Und von dort aus können wir dann besonnener handeln und für uns oder die Sache sorgen, die uns wichtig ist.

Wir sind niemals stärker, energetischer und tatkräftiger, als wenn wir für etwas brennen. Wo Wut ist, da ist auch das Herz bei der Sache, da ist uns etwas wichtig. Unabhängig davon ob das nun die Umwelt, Frauenrechte oder Hochzeitstäubchen sind. Wenn wir die Wut-Energie nicht im Keim ersticken oder die Aggression das Ruder übernehmen lassen, können wir etwas bewegen. Wichtig ist, dass uns dabei Mitgefühl leitet und nicht das Ego, das nur sein Selbstbild bewahren will.

Anstatt anderen an die Gurgel zu gehen, können wir dann den Grundstein legen für etwas Gutes.

Nachdem Du die Wut gehört und verstanden hast, könnte es hilfreich sein, sie loszulassen. Mehr dazu unter Wie man schmerzhafte Gefühle überlebt und im myMONK-Buch Wie man Sorgen, Stress und Selbstzweifel loslässt.

Photo: Chinese monk / Shutterstock