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Wo Licht ist, ist auch Schatten. Nur wollen wir den nicht immer sehen. Zum Beispiel gibt es oft Persönlichkeitsanteile, die wir bestmöglich zu verdrängen versuchen, Erfahrungen, Gefühle, Gedanken. Andreas Gauger coacht Menschen auf diesem Gebiet, dem Gebiet der „Schattenarbeit“. Welche Schatten häufig vorkommen, wie sie entstehen, wie man sie ins Leben integrieren kann, und mehr im myMONK-Interview.

Hallo Andreas, vielen Dank für Dein Einverständnis mit dem Interview. Magst Du Dich den Lesern zunächst kurz vorstellen?

Sehr gern. Mein Name ist Andreas Gauger und ich arbeite als unabhängiger Coach und systemischer Berater in freier Praxis in Hillerse bei Gifhorn. Das Spektrum meines Angebots umfasst Persönlichkeitsentwicklung durch Schattenarbeit, Familienaufstellungen mit dem Systembrett und NLP-Coaching. In der Arbeit mit meinen Klienten ist es mir ein besonderes Anliegen, sie so schnell wie möglich wieder in ihre Kraft und Eigenverantwortlichkeit zu führen. Dabei verstehe ich Probleme und persönliche Krisen als Zeichen für einen anstehenden Wachstumsschritt. Unser altes Modell von der Welt ist zu eng für uns geworden. Wir müssen es erweitern und der aktuellen Situation anpassen. So werden Probleme nicht gelöst, sondern überwachsen.

Eines Deiner Spezialgebiete ist die „Schattenarbeit“. Um welche Schatten handelt es sich dabei?

Als Schatten bezeichnen wir all die Persönlichkeitsmerkmale, Charaktereigenschaften, Gefühle, etc. die wir ins Unbewusste verdrängen und aus unserer Selbstwahrnehmung tilgen. Meist weil wir früh erfahren haben, dass bestimmte Eigenschaften nicht erwünscht sind. Wir haben aus vergangenen Situationen geschlussfolgert, dass wir auf eine bestimmte Art nicht sein können, wenn wir uns nicht von der Liebe und Zuneigung unserer frühen Bezugspersonen abschneiden wollen.

In der Psychologie C. G. Jungs ist der Schatten die Kehrseite unserer „Persona“. Die Persona ist der Teil von uns, welcher der Außenwelt zugekehrt ist. Eine gesellschaftliche Maske, die all unsere kleinen Makel und Unvollkommenheiten verbergen soll. Während die Persona unsere „lichten“ Persönlichkeitsaspekte verkörpert, repräsentiert der Schatten unsere dunkle, das heißt – noch nicht vom Licht des Bewusstseins erfasste – Seite. Jung sagt, dass alles Unbewusste projiziert wird. Was wir bei uns selbst nicht wahrnehmen können, fällt uns umso mehr bei anderen auf.

Jeder kennt z. B. Situationen, in denen Eltern ihre Kinder mit den Worten: „Schrei nicht so herum!“ anbrüllen. Alle Außenstehenden merken dann sofort, wie widersprüchlich das Verhalten der Eltern ist. Nur sie selbst scheinen blind dafür zu sein. Jung hat in diesem Zusammenhang den Satz geprägt: „Ich will lieber vollständig sein, als vollkommen.“ Als Potenzial ist jede Eigenschaft in uns angelegt, auch wenn wir nur einen Teil davon leben. Nach dem holografischen Modell ist alles, was wir in der Welt wahrnehmen, als Möglichkeit in uns angelegt.

Unser Schatten ist – mit anderen Worten – der Aspekt dieser unendlichen latenten Möglichkeiten, mit dem wir nichts zu tun haben und dessen potenzielle Existenz wir bei uns nicht gelten lassen wollen. Er hindert uns daran, wirklich frei zu sein. Natürlich geht es nicht darum, bestimmte Schatteneigenschaften auch direkt im täglichen Leben auszuleben. Nur weil jemand den „Faulpelz“ in sich als Aspekt seines Selbst annehmen kann, wird er nicht am nächsten Tag seine Arbeit kündigen. Es geht darum, ein inneres Potenzial zu erschließen und die eigenen Wahlmöglichkeiten zu erhöhen. Jemand der nie faul sein darf, wird auch in seiner Freizeit ständig unter Strom stehen.

Hat er jedoch seinen „inneren Faulpelz“ angenommen, wird er in der Lage sein, im richtigen Kontext auch mal zu entspannen und so zu einer viel ausgeglicheneren Work-Life-Balance kommen. Solange wir unsere Schattenaspekte von uns abspalten, werden wir nie ganz sein und nie unser vollständiges Potenzial entfalten. Dies wird sich zwangsläufig auch in unseren Lebensumständen widerspiegeln. Authentisches Persönlichkeitswachstum geht daher, soll es in die Tiefe reichen und dauerhaft sein, immer über den Weg der Integration unserer abgespaltenen Schattenanteile.

Kannst Du die Entstehung von Schatten an einem Beispiel bitte noch etwas genauer erklären?

Ein kleiner Junge erlebt in seiner Kindheit und Jugend permanent, wie sein Vater lautstark über „Verlierer“ herzieht und alles vehement ablehnt, was er mit diesem Thema assoziiert. Als Erwachsener macht dieser kleine Junge Karriere, arbeitet wie ein Besessener, bringt es zu etwas. Ruhm, Karriere, Geld. Was er dabei aus dem Blick verliert, ist seine Familie, seine Gesundheit, seine Erfüllung. Indem er den Verlierer in sich bekämpft, erzielt er seine scheinbaren Erfolge in der äußeren Welt. Doch zu welchem Preis?

Abgesehen von den hohen Folgekosten bei Gesundheit und Familie, etc. ist er nie wirklich frei, denn er muss sich immer von etwas wegbewegen. Doch jeder Teil unseres Schattens hält ein großes Geschenk für uns bereit. Wenn es unserem Protagonisten gelingt, den Verlierer in sich anzunehmen und zu integrieren, kann er wieder ein selbstbestimmtes Leben führen. Möglicherweise wird er seinen Lebensstil beibehalten und genauso weiterarbeiten wie vorher. Doch dann tut er es aus freien Stücken und nicht, weil er zwanghaft den Verlierer-Aspekt in sich selbst bekämpfen muss.

Was sind häufige „Schatten“ im Leben vieler Menschen? Unterscheiden sich die Schatten von Frauen und Männern?

Die Häufigkeit von bestimmten Schattenthemen ist immer auch kulturell geprägt. Je mehr eine konkrete Eigenschaft in einer bestimmten Gesellschaft abgelehnt wird, desto eher taucht sie auch im Schatten der darin lebenden Menschen auf. Wobei es hier natürlich auch noch andere Ebenen gibt, auf denen Schattenaspekte entstehen. Besonders prägend ist hier die eigene Herkunftsfamilie. Es gibt also nicht das typische Schattenthema, auch wenn bestimmte Themen mit einer gewissen Regelmäßigkeit auftreten.

Die Schatten von Männern und Frauen weisen neben vielen Gemeinsamkeiten auch Unterschiede auf. Zum Schatten gehört nicht nur all das, was wir bei uns selbst verdrängen und nicht wahrhaben wollen, sondern er wird auch durch unsere innere Gegengeschlechtlichkeit beeinflusst. Nach der Lehre Jungs verhalten sich Bewusstsein und Unbewusstes kompensatorisch zueinander. Ein Mann trägt seine innere Gegengeschlechtlichkeit in Form seiner „Anima“ in sich, eine Frau in Form ihres „Animus“. Solange der Schatten noch weitgehend unbewusst ist, trägt das gesamte Unbewusste des Mannes weibliche, das der Frau männliche Züge. Darüber hinaus spielen hier auch noch unsere „inferiore“ und „superiore“ Wahrnehmungsform, sowie die beiden Hilfsformen mit hinein.

Jung unterscheidet hier zwei Achsen der Wahrnehmungsfunktionen mit den gegenüberliegenden Polen „Empfinden“ und „Intuieren“ sowie „Denken“ und „Fühlen“. Wobei jeweils eine Funktion bei einem Menschen dominant ist, zwei sind die Hilfsfunktionen und eine ist die nicht entwickelte, undifferenzierte, inferiore Funktion. Insbesondere diese befindet sich im Bereich des Schattens. Natürlich wird es in der Realität eher Mischtypen geben, als z. B. den reinen Empfndungstypus, usw.

Jungs Psychologie ist ebenso faszinierend wie komplex und hierauf näher einzugehen, würde sicher den Rahmen dieses Interviews sprengen. Für den normalen Hausgebrauch ist die Integration unserer verdrängten Charaktereigenschaften als Schattenarbeit mehr als ausreichend und kann allein schon zu gravierenden Verbesserungen im Leben eines Menschen führen. Wer auf dieser Stufe angekommen ist und auf seinem persönlichen Individuationsweg noch darüber hinaus gehen möchte, wird sich früher oder später auch mit diesen tiefer liegenden Schichten des Unbewussten befassen wollen. Doch hier ist es wichtig, den Karren nicht vor den Ochsen zu spannen und einen Schritt nach dem anderen zu machen.

Was passiert, wenn man sich dem Schatten nicht stellt? Und was hat man davon, wenn man es doch tut, auch wenn es zunächst schmerzhaft sein kann?

Wenn wir uns unserem Schatten nicht stellen, ihn uns also nicht bewusst machen, so übernimmt das unsere Umwelt für uns. Bleiben wir bei unserem Beispiel des beruflich so erfolgreichen jungen Mannes, der den Verlierer in sich verdrängt. Er wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit regelmäßig erleben, dass er „Verlierer“ magisch anzieht. Er wird vielleicht Mitarbeiter haben, die die ihnen gestellten Aufgaben regelmäßig nicht zu seiner Zufriedenheit erledigen, sodass er am Ende doch wieder alles selbst machen muss.

Doch auch er selbst wird früher oder später Situationen in seinem Leben erfahren, in denen er selbst der „Verlierer“ ist. Auch wenn er mit eiserner Willensstärke und Selbstaufopferung seinen beruflichen Erfolg am Laufen halten kann, so wird er dabei doch auf Dauer z. B. seine Familie oder seine Gesundheit verlieren. Auf diese Weise wird er mit der gesamten Härte seines Schattens konfrontiert. Wir können unserem Schatten nicht ausweichen und ihn nicht ewig ignorieren.

Energie kann sich bekanntlich nicht auflösen, sondern nur ihre Form ändern. Nichts geht verloren in diesem Universum. Das ist keine esoterische Theorie, sondern Physik. Da alles Unbewusste nach außen projiziert wird und damit in der äußeren Welt in Erscheinung tritt (und sei es nur durch unsere verzerrte Wahrnehmung), spiegeln uns unsere Lebenserfahrungen wider, was wir nicht bewusst ansehen wollen. Wenn wir unseren Schatten ins Licht des Bewusstseins heben und in unser Selbst integrieren, muss er nicht mehr durch unsere Umwelt gespiegelt werden. Wir nehmen dann sozusagen die psychische Energie dahinter weg – wir ziehen den Stecker aus der Dose.

Dies ist der Moment in dem viele Menschen feststellen, dass „ein Knoten gelöst“ ist und ihr Leben wieder zu fließen beginnt. Diese Schatten-Integration ist ein Teil dessen, was C. G. Jung den „Individuationsprozess“ genannt hat, was übersetzt so viel wie „Selbstwerdung“ bedeutet. Wir erkennen, dass wir weder unsere Persona, unser Ich noch unser Schatten sind. All dies sind Bestandteile von uns. Wir erfahren auf diesem Weg auch, dass wir viel umfassender sind, als wir bisher gedacht haben.

Ist es also nicht gefährlich, die Schatten zu integrieren und das vermeintlich „Böse“ bewusst ins Leben zu lassen?

Ich halte es für „gefährlicher“, sofern wir dieses Wort hier gebrauchen wollen, es nicht zu tun. Denn dann projizieren wir unsere verdrängten Seiten auf unsere Umwelt und unsere äußere Erfahrung spiegelt uns unsere verdrängten Schattenaspekte. Ein Zeichen hierfür ist immer wieder, wenn Menschen von ihrem Eindruck berichten, ein und dieselbe Lebenserfahrung wieder und wieder zu machen oder immer wieder die gleiche Art Menschen anzuziehen. Schattenarbeit findet sicherlich oft außerhalb der eigenen Bequemlichkeitszone statt, doch um unseren Schatten herum kommen wir so oder so nicht. Denn egal, wohin wir gehen, wir nehmen ihn mit. In der Schattenarbeit haben wir die Möglichkeit, uns proaktiv mit unserem Schatten auseinander zu setzen und den Prozess der Selbstwerdung aktiv mit zu gestalten.

Kannst Du zwei einfache Übungen empfehlen, mit denen wir unsere Schatten in Eigenregie entdecken und annehmen können?

Wenn man sich selbst auf die Suche nach verdrängten Schattenanteilen machen möchte, ist sicher die „Rücknahme der Projektionen“ die am besten geeignete Methode. Dabei fassen wir nach dem holografischen Modell die Welt als Spiegel unseres Selbst auf. Wenn ich dann auf meine Umwelt achte und z. B. bei anderen Verhaltensweisen entdecke, die bei mir eine heftige emotionale Reaktion auslösen, bin ich hier sehr wahrscheinlich einem Aspekt meines eigenen Schattens begegnet.

Insbesondere wird dies natürlich deutlich, wenn mich das Verhalten anderer Menschen auf die Palme bringt. Doch wir projizieren auch unsere verdrängten guten Seiten auf unsere Umwelt. Dann bewundern wir andere für Eigenschaften, die latent in uns ebenso vorhanden sind. Nur können oder wollen wir sie in uns selbst noch nicht wahrnehmen.

Eine Möglichkeit um Schattenaspekte zu integrieren, ist die Spiegeltechnik. Dabei stellt man sich vor den Spiegel, schaut sich selbst tief in die Augen und sagt sich das, was man nicht über sich hören will, immer wieder vor. Unser junger Mann aus dem obigen Beispiel könnte hier wiederholt zu sich sagen: „Ich bin ein Verlierer, ich bin ein Verlierer.“ Dies wird ihm anfangs kaum möglich sein und es ist ein schwieriger Prozess. Seine emotionalen Reaktionen werden sich mit der Zeit verändern, je länger er dabei bleibt. Irgendwann gelingt es ihm vielleicht, auf diese Weise den Verlierer als zugehörigen Teil von sich zu akzeptieren und zu integrieren.

Doch Schattenarbeit im Selbstversuch hat natürlich ihre Grenzen. Jeder weiß, dass die eigenen blinden Flecken (allein schon durch die Projektion) galaktische Ausmaße annehmen können und es gibt deutlich effektivere Möglichkeiten, abgespaltene Schattenanteile wieder in unser Selbst zu integrieren. Sei es, dass im Rahmen eines Schattencoachings in einer systemischen Aufstellung u. a. die eigenen Schattenanteile aufgestellt werden oder beim Durchlaufen machtvoller mentaler Prozesse – wie beispielsweise dem NLP Re-Imprint-Format – in denen auf sehr effektive Weise mit den Schattenaspekten gearbeitet werden kann. Insbesondere in Kombination mit solchen modernen Methoden aus Coaching und Beratung ist heute ausgesprochen wirksame Schattenarbeit möglich.

Wann ist ein Coaching zur Schattenarbeit sinnvoll?

Für ein Schattencoaching gibt es verschiedene Anlässe. Viele Menschen haben in Bezug auf ein bestimmtes Problem oder „Symptom“ schon alles Mögliche probiert und festgestellt, dass sie irgendwie nicht weiterkommen. Dies kann schon allein daran liegen, dass viele Konzepte mit einem „Wegmachen-Ansatz“ arbeiten. Das Unerwünschte soll einfach nur verschwinden, ohne dass die Hintergründe betrachtet werden. Im Falle des Schattens verstärkt leider genau dieses Vorgehen das Problem noch, denn der Schatten wird ja ohnehin verdrängt und abgespalten.

Hier führt der Weg zur Lösung nicht über das „Wegmachen“, sondern über das Annehmen und Integrieren. Auch der Wunsch nach persönlicher Weiterentwicklung und spirituellem Wachstum führt viele Menschen zum Schattencoaching. Genauso wie bestimmte Lebensthemen, die sich wie ein roter Faden durchs eigene Leben ziehen. Andere Menschen spüren einfach aus einem inneren Wissen heraus, dass dies der richtige Schritt für sie ist, um auf ihrem Weg ein gutes Stück voranzukommen und hinterher mehr denn je sie selbst zu sein.

Wie können die Leser Dich am besten kontaktieren?

Per Email oder per Telefon:
Mail: kontakt@andreas-gauger.de

Wer sich umfassender informieren möchte, findet hierzu jede Menge Material auf meiner Website: andreas-gauger.de.

Herzlichen Dank!

Photo (oben): linh.ngan