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Text von: Romy Hausmann

Bevor ich ein Kind hatte, hatte ich diesen einen Chef. Mein Aufgabenfeld unterschied sich dabei kaum. Ich sorgte für sein leibliches Wohl. Brachte ihm Kaffee, holte sein Essen beim Inder um die Ecke ab. Nur sein Bäuerchen schaffte er noch alleine. In meiner Mittagspause brachte ich seine Hemden zur Reinigung. Statt zum Kinderturnen fuhr ich ihn zu irgendwelchen Terminen. Ich ging nach Feierabend ans Telefon und checkte im Urlaub meine Mails. Irgendwann machte ich schon gar keinen Urlaub mehr. Mein Chef brauchte mich. Ich war immer da, wie eine Mutti – oder ein persönlicher Knecht. In meinem Arbeitsvertrag hatte etwas anderes gestanden. Darum kümmerte ich mich natürlich auch noch, irgendwie nebenbei, wenn es sein musste in meiner Freizeit.

Warum ich das tat? Ich wollte Karriere machen, unersetzbar sein. Und der Plan schien aufzugehen. Mit 24 war ich Redaktionsleiterin – ein Titel, der umso mehr rechtfertigte, dass ich ganz selbstverständlich mehr als „nur“ meinen redaktionellen Aufgaben nachkommen musste.

Am Anfang mochte ich das. „Wo ist Romy?“, „Geh zu Romy“, „Klär das mit Romy“. Irgendwann allerdings fiel mir auf, dass sich alle anderen Mitarbeiter nach Feierabend in der Kneipe zum Cocktail in Eimer-Größe samt Schirmchen-Deko zusammenrotteten, inklusive meines Chefs. Nur ich saß noch im Büro. Bald fing ich an, Kollegen zu hassen, weil sie Urlaubspläne machten und die schönsten Flecken der Welt sahen. Ich sah nur noch die vier grauen Wände der Redaktion. Hörte meine tippenden Finger auf der Computertastatur statt Meeresrauschen. Ging nicht auf Konzerte, sondern in die Büroküche, um die Spülmaschine auszuräumen.

Dass man Arbeit und Leben miteinander vereinbaren konnte, kam mir undenkbar vor – obwohl ich viele Leute um mich herum sah, denen das auf fast magische Art und Weise zu gelingen schien. Ich erkannte, dass ich mir ein Problem geschaffen hatte und wollte es lösen. Ein bisschen zurückschrauben, zumindest die „Nebentätigkeiten“, die ich mir selbst aufgelastet hatte. Das fiel auch meinem Chef auf – und mündete in einem Problemgespräch. Aus seiner Sicht mangelte es mir in letzter Zeit an Motivation. Ob ich zu Hause private Schwierigkeiten hätte. Dass mein Zuhause nur noch eine Schlafstätte war und man für „private Schwierigkeiten“ überhaupt erst mal ein Privatleben braucht, sah er dabei natürlich nicht.

Es war höchste Zeit, unsere Arbeits-Beziehung neu zu definieren.

Hier zunächst drei Dinge, die wir unseren Chefs gegenüber schon verpflichtet sind:

  1. Wir schulden unseren Chefs volle Konzentration während unserer Arbeitszeit – und zwar auf unsere Arbeit. Wir werden nun mal nicht fürs Nebenbei-Likes-verteilen auf Facebook bezahlt, nicht für private Telefonate und nicht für stundenlange Stelldicheins in der Kaffeeküche – auch wenn der Büro-Klatsch noch so spannend ist.
  1. Wir schulden unseren Chefs, unseren Kollegen und Kunden Unterstützung und Loyalität. Wenn wir uns mit den Produkten oder Werten der Firma nicht identifizieren können und hinterrücks ständig nur schimpfen, haben wir vielleicht einfach den falschen Job.
  1. Wir schulden unseren Chefs Verantwortung. „Ich war’s nicht, Klaus hat den Deal versaut.“ „Die Putzfrau hat beim Abstauben meine Power Point-Präsentation gelöscht.“ Das ist „Der Hund hat meine Hausaufgaben gefressen“-2.0. Albern, kindisch und nicht gerade stark. Stehen wir zu unseren Fehlern, übernehmen wir die Verantwortung dafür – und beheben wir sie, anstatt unsere Zeit (und die unserer Chefs) mit Ausreden zu verschwenden.

3 Dinge, die wir unserem Chef dagegen NICHT schulden

1. Unsere Gesundheit.

„Sorge dich gut um deinen Körper. Es ist der einzige Ort, den du zum Leben hast.“ – Der amerikanische Autor Jim Rohn,

Du bist immer da. In guten wie in schlechten Zeiten, in Gesundheit wie in Krankheit. Bei Fieber 40 Grad läufst Du im Büro erst so richtig heiß. Die Nierenbeckenentzündung, ach, drauf geschissen. Der Burn-Out klopft schon an Deine Bürotür. Aber Du machst weiter, weiter, weiter. Bis Du irgendwann gar nichts mehr machst. Vor Erschöpfung über Deiner Tastatur zusammenbrichst wie Huffington-Post-Gründerin Arianna Huffington mit ihrem durchschnittlichen Tages-Arbeitspensum von 18 Stunden. Oder bis Du mit Herzinfarkt vom Bürostuhl kippst, Mitte 30 erst, aber, hey: In Deiner Grabrede wird schon irgendjemand erwähnen, dass Du Mitarbeiter des Monats warst. Glückwunsch dazu (posthum halt)!

2. Unser Privatleben.

1995 wurde David Bowie von einem Musikjournalisten interviewt. Die Frage: Was betrachtest Du als Deinen größten Erfolg? Die Antwort: „Meine Frau geheiratet zu haben.“ Der Journalist wies Bowie darauf hin, dass er die Frage eigentlich auf seine musikalische Karriere bezogen hatte. Bowie entgegnete nur: „Aber nichts anderes zählt für mich.“

Womöglich lässt es sich leichter romantisch sein, wenn man Millionen auf dem Konto hat und sowieso nur noch zum Spaß und fürs eigene Ego arbeiten kann. Andererseits hängen die besten Tage und Erinnerungen wohl selten an erfolgreichen Meetings oder am Lob vom Chef. Was aber bleibt, ist das Bild, wie Deine kleine Tochter zum ersten Mal ohne Stützräder auf ihrem Fahrrad durch die Einfahrt braust. Der Moment, in dem Du Deine zukünftige Frau in ihrem Brautkleid siehst. Das erste gemeinsame Weihnachtsfest im neuen Haus. Klar, denken wir oft: „Ist doch nur ein Wochenende, an dem ich arbeiten muss. Da verpass ich schon nichts.“ Aber wie leicht werden aus einer Überstunde zwei? Wird der lang erwartete Urlaub gecancelt? Hat Dein kleiner Sohn ausgerechnet heute sein erstes Wort gesprochen, während Du stundenlang Deinem Chef am Telefon gelauscht hast?

3. Unsere Identität.

Du bist das beste Pferd im Stall. Der beste Konditor, die beste Sekretärin, die beste Empfangsdame, die der Laden hier je gesehen hat. Und, klar, kannst Du darauf stolz sein. Aber Du bist noch mehr, und das solltest Du nicht vergessen (so, wie ich es so lange vergessen habe). Du bist Robert, der neben dem Tortenverzieren in seinem Keller Musik komponiert und selig ist, wenn er abends auf der Couch seine Katze krault. Du bist Anne, die neben Turbo-Steno auch noch eine Mutter ist und der das Herz aufgeht, wenn sie auf dem Spielplatz im Wett-Schaukeln gewinnt. Du bist Elena, die nicht nur am Empfang sitzt, sondern am Wochenende die höchsten Gipfel erklimmt und oben angekommen, Fotos für ihr Portfolio schießt. Du bist nicht nur Dein Job, sondern alles, was Du liebst, alles was Du erlebst. Ein Leben außerhalb der Arbeit zu führen, hat nicht nur was mit Spaß zu tun. Unsere Freizeit und unsere Hobbies sind ein unverzichtbarer Ausgleich, helfen uns Stress abzubauen und im Leben zu wachsen.

„Ich bin doch keine Maschine…“

Viele Jobs funktionieren nicht streng nach Tarif und Stempeluhr. Manchmal erfordert ein Projekt nun mal die eine oder andere Überstunde oder ein bisschen mehr als den durchschnittlichen Einsatz. Und das ist auch in Ordnung, so lange wir es schaffen, unsere Balance zu halten und auch mal „Stopp“ zu sagen. Im besten Fall haben wir Chefs, die verstehen, dass sie Menschen beschäftigen und keine Maschinen.

Was es aber braucht, ist Ehrlichkeit. Ich für meinen Teil war lange Zeit nicht ehrlich. Mein Chef hat mich nie gezwungen, ihm sein Mittagessen zu holen – weder mit Peitschenhieben, noch mit Stiefeltritten oder mit psychischem Druck à la „Wenn Du mir nicht pronto mein Essen holst, dann verlierst Du Deinen Job“. Er hat mich lediglich höflich danach gefragt. Und ich war es, die immer gesagt hat: „Kein Problem“ – obwohl es eben genau das für mich war. Lernen wir, unsere Bedürfnisse zu kommunizieren wie in jeder anderen Beziehung auch. Seien wir ehrlich – mit unseren Chefs und vor allem mit uns. Denn das ist’s, was wir uns selbst am meisten schulden.

Photo: Exhausted / Shutterstock