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Text von: Romy Hausmann

Wieder einen Monat lang im Hamsterrad gestrampelt. Wieder einen Monat lang für andere krumm gemacht. Vor Stress an den Fingernägeln rumgekaut bis zum Blut oder am Bleistift bis zur Bleivergiftung. Brände gelöscht, Meere geteilt, irgendwie die Welt bewegt – zumindest im Rahmen des Arbeitsvertrags.

Und dann endlich: Gehalt auf dem Konto – hurra! Kurzfristiges Hochgefühl, während man Minuten später dabei zusehen kann, wie die Fixkosten abgebucht werden. Miete, Versicherungen, sämtliche Rechnungen. Was jetzt noch übrig ist, nutzen wir oft, um uns zu belohnen. Wir brauchen das Gefühl, dass es sich gelohnt hat, nicht ganz umsonst war. Wir sind noch am Leben, und das wollen wir spüren. Wir brauchen einen Glücks-Kick. Neues Handy, hübsches Kleidchen in der Trendfarbe der Saison. Die neuen Schuhe … oder wenigstens ein paar neue Schnürsenkel für die alten.

„Das funktioniert sogar“, sagt der Psychologe Professor Thomas Gilovich von der Cornell University. „Aber nur für eine kurze Zeit lang. Neue Dinge sind nur am Anfang spannend, denn dann gewöhnen wir uns an sie.”

Plötzlich ist es also schon wieder weg, das Hochgefühl, der Stolz über die neue Anschaffung. Das Glück, genauso schnell abgelatscht wie die Absätze der jetzt nicht mehr ganz so neuen Schuhe. Also zurück ins Hamsterrad, bis zum nächsten Gehalt und den nächsten Schuhen. Glück scheint eben nur eine kurze Halbwertszeit zu haben, denken wir, und finden uns damit ab.

Das müssen wir gar nicht, meint Professor Gilovich – wenn wir lernen, unser Geld (bzw. das, was vom Gehalt noch übrig bleibt) richtig zu investieren. Und zwar in Erlebnisse.

Erlebnisse prägen unsere Identität

Wir sind nicht unsere neuen Schuhe (auch nicht unser Auto, der Inhalt unserer Brieftasche oder eine blöde Cargo-Hose, wie Brad Pitt im Film „Fight Club“ so treffend bemerkt hat). Was unsere Persönlichkeit wirklich ausmacht, sind die Dinge, die wir gesehen haben. Die Dinge, die wir getan haben. Die Orte, an denen wir gewesen sind, und die Leute, die wir kennengelernt haben.

Klar, die neue Smart-Watch ist toll. Aber sie wird – auch wenn die Werbung uns das gerne glauben machen möchte – mit ziemlicher Sicherheit keine anderen Menschen aus uns machen.

Für ein paar Wochen aus dem Job auszusteigen, um den Kilimandscharo zu erklimmen, dagegen vielleicht schon. Die Bilder, die Du da siehst. Dein Herz, das vor Aufregung stolpert. Dein Körper, der an seine Grenzen gerät. Die Gemeinschaft, die Du unter den Mit-Bergsteigern erfährst. Das Gefühl, dass Du es nicht schaffst und die Entschlossenheit, trotzdem weiter zu machen. (Gut, wenn Deine körperliche Konstitution meiner ähnelt, reicht dafür auch schon ein Wochenendtrip auf den Feldberg.)

Das sind die Geschichten, die wir über Jahre mitnehmen und eines Tages unseren Enkeln erzählen. Erlebnisse, die uns als Erinnerungen für immer bleiben werden, während die Smart-Watch nach dem letzten Update längst den Geist aufgegeben hat.

“Du kannst Deine materiellen Dinge wirklich mögen“, bestätigt Dr. Gilovich. „Du magst sogar denken, dass ein Teil Deiner Identität durch diese materiellen Dinge geprägt wird, aber am Ende bleiben sie immer von Deiner Persönlichkeit getrennt. Ganz anders ist das bei Erfahrungen – die sind wirklich Teil von Dir. Wir sind die Summe unserer Erlebnisse.“

Schon die Vorfreude macht glücklich

„Vorfreude ist die schönste Freude“. Vermutlich bin ich nicht das einzige Kind gewesen, das in den Wochen vor Weihnachten von seinen Eltern mit diesem Satz gequält wurde. Ich wollte, wollte, wollte meine Geschenke. Vorfreude: (unter) Null, mein zweiter Vorname lautete „Ungeduld“.

Auch Professor Gilovich ist bei seinen Studien auf diesen Effekt gestoßen: Während Erlebnisse wie ein Urlaub oder das Musikfestival, auf das man immer schon mal wollte, uns von der Planung an mit (Vor-)Freude erfüllen, löst das Warten auf materielle Dinge vielmehr Ungeduld und manchmal sogar richtiggehend Stress aus. Frag mal die Frau, die darauf wartet, dass der Postbote endlich mit dem Paket vom Online-Warenhaus klingelt. Miss mal ihren Puls. Oder den des Mannes, der darauf wartet, dass das Autohaus anruft, um ihm mitzuteilen, dass er endlich seinen neuen Wagen abholen kann.

Erlebnisse schaffen Gemeinsamkeit

Los, Handys auf den Tisch – Modellvergleich. Lass mich mal kurz nach dem Etikett in Deiner Bluse gucken – Markenvergleich. Wir vergleichen, bis wir schwarz werden (und dann vergleichen wir noch, wer der Schwärzeste von uns allen ist). Nur macht der materielle „Schwanz-Vergleich“ uns einsam, macht sogar unsere Freunde zu Konkurrenten. Macht uns, wenn wir nicht aufpassen, vielleicht sogar zu Angebern, wenn wir die anderen ausstechen oder (gefühlt) zu Losern, wenn wir nicht mithalten können.

Erlebnisse dagegen gehören uns allein, sind so einzigartig wie wir selbst, sind nicht messbar und vergleichbar. Gleichzeitig können wir gemeinsam etwas erleben, während sich das neue iPhone eher schwierig durch mehrere Besitzer teilen lässt (hier, Tim: Du kriegst das Display. Ich nehm den Akku.). Denken wir an den Urlaub, den wir mit der Familie oder guten Freunden verbracht haben. Wir teilen selbst nach dem Urlaub noch unsere Erinnerungen und Erfahrungen in Gesprächen darüber.

Was würde auf Deiner „Bucket-List“ stehen?

Vielleicht kennst Du den Film „Das Beste kommt zum Schluss“ mit Jack Nicholson und Morgan Freeman: Ein schwerreicher Großunternehmer und ein einfacher Mechaniker sind Zimmergenossen auf der Krebsstation eines Krankenhauses, beide mit der Aussicht, nur noch sechs Monate zu leben. Sie schreiben eine Liste mit allem, was sie in ihrem Leben noch machen wollen, ehe sie „den Löffel abgeben“ (im Englischen: „kick the bucket“).

Obwohl einer fiktionalen Geschichte entsprungen, haben weltweit Menschen – gesunde und kranke, alte und junge – die Idee der „Bucket List“ aufgegriffen, um sich daran zu erinnern, was für sie wichtig ist im Leben. Ganz oben zu finden: Mit Delfinen schwimmen, eine neue Sprache lernen, die Nordlichter sehen, Bungee springen, eine Kreuzfahrt machen, kurz: Erfahrungen, Erlebnisse. Nicht etwa: das neue iPhone besitzen oder den super-duper-ultra-flachen-HD-Bildschirm.

Auch das deckt sich mit den Ergebnissen, zu denen Professor Gilovich gekommen ist: Eine verpasste Chance, etwas zu erleben, bedauern wir letztlich mehr, als etwas nicht gekauft zu haben. Wer hätte jemals auf sein Leben zurückgeblickt und gesagt: „Ach Mensch, hätte ich mir doch damals bloß diesen Couchtisch besorgt…“?

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Photo: Tucker Sherman