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Das kleine asiatische Land Bhutan gilt als das Königreich des Glücks. 1979 wurde „Glück“ zum obersten Ziel der Politik ausgerufen und die Kennzahl Bruttonationalglück für den Wohlstand eingeführt. In sie fließen zum Beispiel soziale Gerechtigkeit ein, die Wahrung kultureller Werte, Umweltschutz, Freizeit.

Bei uns ist das natürlich anders: Das über allem stehende Bruttonationaleinkommen steigt auch (vielleicht gerade?), wenn jemandem ein Unglück widerfährt. Ein Mann fährt angetrunken mit seiner Familie im Auto gegen einen Baum. Knochenbrüche, Verletzungen. Aber: Nun wird ein neues Auto produziert, die Patienten operiert, Autobauer und Ärzte verdienen Kohle und die Wirtschaft wächst … Ziel erfüllt.

Die meisten der 700.000 Einwohner Bhutans sind Bauern. Trotz des äußerst geringen Pro-Kopf-Einkommens zählen sie zu den glücklichsten Menschen der Welt. Konsum spielt dort eine untergeordnete Rolle. Genauso „Unterhaltung“. 1999 bekam Bhutan als letzter Staat der Welt Fernsehen. Den Leuten dort sind andere Dinge wichtiger. Und sie lassen es ruhiger angehen.

Das Geheimnis ihres Glücks hat aber auch noch mit etwas anderem zu tun. Mit etwas, das uns ziemlich dunkel und düster vorkommen könnte.

Im Angesicht des Todes

Als der Reisereporter und Beststeller-Autor Eric Weiner vor einigen Jahren in Bhutan war, wurden seine Hände und Füße plötzlich taub, sein Atem kurz und der Herzschlag rasend und unregelmäßig. Ihm wurde schwarz vor Augen. Weiner dachte, er würde wohl bald sterben. Er ging zu einem Arzt namens Karma Ura. Der fand jedoch nichts Körperliches. Stattdessen war es eine Panikattacke.

„Eine Panikattacke … aber warum nur? Mein Leben läuft doch richtig gut, so gut wie schon lange nicht mehr. Was kann ich tun?“, fragte der Patient.

„Ich denke, Du solltest jeden Tag fünf Minuten lang über den Tod nachdenken, es wird Dich heilen“, sagte Karma Ura.

Weiner war verwirrt, „wie soll mich das denn heilen?“

„Es ist diese Angst vorm Tod, die Angst zu sterben, bevor wir erreicht haben, was wir erreichen wollen oder gesehen haben, was wir gesehen haben wollen. Das ist, was Dir Probleme bereitet.“

„Warum sollte ich über so etwas Deprimierendes nachdenken?“

„Die reichen Menschen aus dem Westen haben keine toten Körper berührt oder frische Wunden oder verweste Dinge. Das ist das Problem. Doch alle diese Dinge gehören zum Menschsein. Wir sollten vorbereitet sein auf den Moment, in dem unser Leben endet.“

Fünf Minuten am Tag, damit war Ura Empfehlung noch sehr mild. Denn die Bhutanesen denken fünfmal täglich an den Tod.

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Wie die „dunklen Gedanken“ die Stimmung aufhellen

In einer Studie aus 2007 haben die Psychologen der University of Kentucky Dr. Nathan DeWall und Prof. Roy Baumeister einige Dutzend Studenten in zwei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe sollte an einen schmerzhaften Zahnarztbesuch denken. Die andere an ihren eigenen Tod. Hinterher sollten bekamen alle dieselbe Aufgabe. Sie sollten Wortanfänge vervollständigen, wie zum Beispiel „jo …“. Die zweite Gruppe, die über den Tod nachgedacht hatte, wählte mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit positive Wörter wie „joy“, also Freude.

Die Forscher schlossen daraus:

„Der Tod ist zwar zunächst ein bedrohlich scheinender Fakt, aber wenn Menschen darüber nachdenken, sucht das Gehirn offensichtlich automatisch nach positiven Gedanken.“

Weiner probierte es aus und merkte, dass die Bhutanesen Recht haben. Daran zu denken, dass wir mal sterben werden, deprimiert nicht. Es lässt uns vielmehr den Moment genießen und die guten Dinge wertschätzen, die wir normalerweise übersehen.

Wir können versuchen, unser nahendes Sterben zu verdrängen. Indem wir uns in Arbeit stürzen und Ziele und Schönheit und Sport und irgendeinen Erfolg, und diese Dinge sind ja auch okay … trotzdem rumort die Angst über das Verdrängte weiter in uns und treibt uns zu vielen unsinnigen Ablenkungsmanövern, solange wir uns ihr nicht stellen.

In Bhutan läuft es anders. Verstorbene werden nicht still und heimlich aus dem Hinterausgang von Altenheimen und Krankenhäusern geschafft und möglichst schnell unter der Erde versteckt. Nein, in diesem Land gibt es eine 49 Tage dauernde Trauerphase mit aufwändigen und sorgfältig durchgeführten Ritualen. „Das ist besser als jedes Antidepressivum“, sagte ein bhutanischer Schauspieler dem Reisereporter. Nicht ohne Schmerz, nicht ohne Traurigkeit und Angst – aber die Menschen dort fliehen nicht vor diesen Gefühlen. Und durch dieses Akzeptieren und Zulassen werden sie von ihnen auch schneller wieder losgelassen. Befreit und bereit für das Glück.

Mehr unter Wie man Loslassen lernt (eine Übung aus dem Buddhismus) und unter Warum Du nicht loslassen kannst (das größte Missverständnis).

Photo: DaiLuo