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Text von: Romy Hausmann

Als ich achtzehn war, färbte ich mir die Haare schwarz, weil mein damaliger Freund auf ein bestimmtes Bond-Girl abfuhr, meiner Empfindung nach mehr auf sie abfuhr als auf mich. Leider sah ich mit damit weniger aus wie das scharfe Bond-Girl, sondern eher wie die Mutter der Addams Family. Beschissen wäre noch geschönt. Im Laufe meines bisherigen Lebens machte ich ekelhafte Kohlsuppen-Diäten, mit deren – sagen wir mal „Nebenwirkungen“ – man ganze Städte hätte ausräuchern können. Kaufte und trug Klamotten, die mir nicht standen. Hörte Musik, die nicht meine war. Sagte „Ja“, wenn ich „Nein“ meinte. Ging an Orte mit, an denen ich mich nicht wohlfühlte. Zog Dinge durch, die mich fertig machten. Gab Dinge auf, an denen mein Herz hing. Und all dies tat ich meistens aus demselben Grund: ich wollte dazugehören. Zu irgendwem oder irgendetwas. Wollte jemand sein, der gemocht, bestaunt, beklatscht wird. Fügte mich dem Protokoll, der Norm, den Vorstellungen oder der Meinung anderer. Schmirgelte an meinen Ecken und Kanten herum. Riss mir ein Bein oder manchmal auch das Herz raus.

Die Steinzeit ist schuld (und Mutti)

Dazugehören wollen ist ein menschliches Grundbedürfnis. Liegt seit der Steinzeit in unseren Genen. Überleben geht nur in der Gruppe, während der Einzelgänger als Säbelzahntiger-Menü endete.

Aber auch heute, in Zeiten ohne Säbelzahntiger und Lendenschurz, werden wir von speckigen Babybeinchen an auf ein gewisses Maß an Anpassung trainiert. Ans gesellschaftliche „So hast Du zu sein“. „Schuld“ daran sind unsere Eltern, die mit uns schimpfen, wenn wir unseren Teller mit dem Spinat vom Essbrett unseres Kinderstühlchens schubsen. Die uns dagegen loben, wenn wir „schön brav“ sind. Die sich schämen, wenn wir im Teenie-Alter mit dem sechsfarbigen Irokesenschnitt an der Geburtstagstafel von Tante Inge sitzen. Die unser Einser-Zeugnis in der ganzen Nachbarschaft rumzeigen oder uns für die Sechs in Chemie mit Fernsehverbot bestrafen.

Aus dem Verhalten unserer Eltern schließen wir, wie liebenswürdig wir sind. Glauben, nur von ihnen (und später von Freunden, Partnern, Kollegen) geliebt, gemocht, akzeptiert zu werden, wenn wir bestimmte Bedingungen erfüllen oder ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen. Selbst wenn wir (hoffentlich!) wissen, dass das Quatsch ist.

Trotzdem: die Meinung der anderen, die Stimmen und das Urteil von außen nehmen wir manchmal wichtiger als unsere eigenen Bedürfnisse. Verbauen uns damit eigene Wege oder verlieren sogar ein Stück unserer eigenen Persönlichkeit.

Es ist ein schmaler Grat zwischen notwendiger Anpassung, die dafür sorgt, dass ein gemeinschaftliches Leben in der Gesellschaft überhaupt funktionieren kann – und der Art von Anpassung, die uns zu Menschen macht, die den Kontakt zu ihrer Seele verlieren, und uns schlimmstenfalls wie entzauberte Herden-Viecher leben lässt.

Mögen diese fünf Gedanken Dir helfen, entspannter mit der Meinung der anderen umzugehen.

1. Die Dinge aus der richtigen Perspektive betrachten

„Menschen, die immer daran denken, was andere von ihnen halten, wären sehr überrascht, wenn sie wüssten, wie wenig die anderen über sie nachdenken“, sagt der britische Philosoph Bertrand Russell. Für andere bist Du sowieso immer nur Komparse, denn in ihrem eigenen Film spielen sie auch ihre eigene Hauptrolle. Sie haben ihre eigenen Unsicherheiten und Probleme, die sie manchmal schlicht damit kaschieren, dass sie über Dritte urteilen. Schließlich ist das leichter, als sich um die eigenen Baustellen zu kümmern.

Als ich mich vor einigen Jahren entschied, aus der Stadt in die schwäbische Einöde zu ziehen und im gleichen Schritt meine Arbeit fürs Fernsehen zu reduzieren, um mich mehr dem Schreiben zu widmen, gab es eine langjährige Freundin, deren Lebensbestimmung es plötzlich zu sein schien, mir meine Pläne madig zu machen. „Du kannst doch nicht einfach eine Festanstellung aufgeben für so einen Hirnfurz. Am Ende landest Du noch in der Gosse.“

Ihre Worte verunsicherten mich wahnsinnig. Mit einem Mal gerieten ich und meine Pläne wie sturzbesoffen ins Trudeln.

Womöglich steckte hinter den angeblichen Sorgen aber auch etwas ganz anderes, was nur zweitrangig mit mir, als vielmehr mit dieser Freundin selbst zu tun hatte. Vielleicht hatte sie Angst, eine Freundschaft zu verlieren, wenn ich wegzöge. Oder ich erinnerte sie an eigene Pläne, die sie bereute, nicht umgesetzt zu haben. Jedenfalls war es ihre Perspektive, nicht meine. Das zu erkennen war ein wichtiger Schritt für mich.

2. Für wen leben wir eigentlich?

Was ist DIR wichtig? Was willst DU wirklich? Wie viele Chancen hast Du womöglich schon vergeben aus Angst, die anderen könnten schlecht über Dich denken oder reden?

Die Meinung der anderen sind letztlich nur Worte, ihre Worte – die Konsequenzen dagegen trägst nur Du selbst.

Vielleicht hattest Du ja auch schon mal diesen einen, kleinen (oder größeren) Traum. Den Du begraben hast, weil Dein Partner ihn „albern“ fand. Vielleicht hattest Du eine ganz andere Idee vom Leben. Säßest jetzt lieber an einem Schreibtisch in einer Werbeagentur in Tokio anstatt am Kaffeetisch Deiner Eltern in Bad Oeynhausen. Oder andersrum. Vielleicht bist Du mit Deinem Mann in die große, glitzernde, aber auch furchtbar anstrengende Stadt gezogen, seiner Karriere zuliebe, auf Kosten Deines Wohlbefindens. Du wärst lieber zu Hause geblieben, aber Du konntest nicht. Die Leute und Dein Mann hätten ja sagen können, Du liebst und unterstützt ihn nicht genug. Seist egoistisch. Lieber (bzw. gefühlt notgedrungen) bist Du den Diskussionen gleich aus dem Weg gegangen – aber damit auch der Chance, eine Lösung zu finden, die vor allem auch für Dich selbst passt.

3. Es wird nie für alle „richtig“ sein

Ich hatte mal einen Kollegen, der mich laut Flurfunk nicht leiden konnte, weil ich während der Arbeit immer so ein ernstes Gesicht machte. Also bemühte ich mich fortan um einen möglichst freundlichen Ausdruck, wenn ich ihm begegnete. Das nächste, was der Flurfunk meldete war: „XY fragt sich, warum Du neuerdings immer so dämlich grinst.“

Mein „dämliches Grinsen“ verging mir sofort in Anbetracht der (ta-da!) Erkenntnis, dass es wohl einfach immer irgendjemanden geben wird, der mich für zu ernst, zu dumm, zu hässlich, zu langweilig… (o Gott, ich ende meine Aufzählung hier, sie deprimiert mich) hält. Vielleicht weil ich ihn an eine Verflossene erinnere, die ihm das Herz gebrochen hat. Oder an ein Mädchen aus seiner Klasse, deren Hänseleien er ausgesetzt war. Vielleicht bin ich aber einfach nur völlig anders als er und er kann deswegen nichts mit mir anfangen. Und ganz ehrlich, das muss er ja auch gar nicht. Er hat das Recht auf seine Meinung – und ich habe immer noch die Wahl, ob ich darauf etwas gebe.

4. Wir sind nicht allein

Vielleicht kennst Du das Gefühl: fremd zu bleiben, egal, wie sehr man sich bemüht. Wie ein Außerirdischer, gestrandet auf einem fremden Planeten, allein. Der Witz ist: wahrscheinlich gibt es da draußen sogar unheimlich viele von uns. Leute, die sich mit uns identifizieren und uns genauso nehmen und schätzen würden, wie wir sind. Die sind wie wir. Nur finden wir sie einfach nicht – und werden sie auch niemals finden – wenn wir zu beschäftigt damit sind, uns zu verstellen.

Die amerikanische Autorin Brené Brown schreibt darüber in ihrem Buch „Daring Greatly“ (deutsch: „Verletzlichkeit macht stark“): „Weil wahre Zugehörigkeit sich nur dann entwickelt, wenn wir unser authentisches, unvollkommenes Selbst der Welt präsentieren, kann unser Zugehörigkeitsgefühl niemals größer sein als das Niveau unserer Selbstakzeptanz.“

5. Das Paradox der Anpassung

Interessanterweise bewundern wir oft Menschen, die aus dem Rahmen fallen, bemühen uns aber selbst darum, möglichst nicht aufzufallen. Wir respektieren die, die unverblümt ihre Meinung äußern und mutig ihren Standpunkt vertreten, während wir selbst uns zum Kopfnicken und Ja-Sagen drängen. Wir verstecken unsere Ecken und Kanten, treten grau und konturlos auf … und wollen dafür respektiert, bewundert, geliebt werden?

Menschen, die anderen nur immer alles rechtmachen wollen, übersieht man irgendwann. Oder man nutzt sie aus. „Die/ der macht doch eh‘ alles mit.“ Das ist meilenweit entfernt von Liebe, Respekt und Bewunderung.

Also zieh‘ den Mini-Rock an. Du musst Dich darin gut fühlen, nicht Frau Meyer von nebenan.

Lass‘ Dir das Tattoo stechen, selbst wenn Mutti findet, bunte Haut sei asozial („Tattoos hatten früher nur Sträflinge und Seeleute, Jean-Thorben!“)

Geh‘ ins Ausland, wenn das Dein großer Traum ist. Niemand anderer kann ihn für Dich träumen und verwirklichen.

Nicht die Meinung anderer Leute entscheidet über Dein Leben. Sondern Du selbst. Immer.

Mehr dazu unter Wie man aufhört, die Dinge zu persönlich zu nehmen (in 30 Sekunden) und im myMONK-Buch Wie man die Dinge nicht mehr so persönlich nimmt.

Photo: Woman walking on rocks / Shutterstock